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Aus meinen Notizb�chern: Heft VIII

 

Vorbemerkung: Die folgendenTexte aus meinen Notizb�chern habe ich urspr�nglich nicht für die Ver�ffentlichung sondern für mich selber geschrieben, um meine eigenen Gedanken festzuhalten und zu klären. Sie haben deshalb einen vorl�ufigen Charakter, insbesondere was die benutzte Terminologie betrifft. Trotz z. T. grundlegender überarbeitung sind diese Notizen auch in der Formulierung holpriger als andere Texte der Ethik-Werkstatt. Es sind m. E. darin jedoch Gedanken enthalten, die für die Entwicklung einer normativen Theorie der kollektiven Entscheidung und für die Ethik allgemein von Interesse sein können. Wo ich heute anderer Ansicht bin als damals, habe ich dies manchmal in eckigen Klammern hinzugef�gt und begr�ndet.


Heft VIII  Begonnen 03/1976

*VIII-1*
Koalition oder Stimmentausch
Koalitionen im Mehrheitssystem kann man eigentlich nicht mit dem Mechanismus des Stimmentauschs erklären. Es handelt sich eher um ein Stimmenpool, der zur Verfolgung gemeinsamer Ziele gebildet und gemeinsam eingesetzt wird, und zwar unter der Bedingung, dass es jedem Individuum jederzeit freisteht, die Koalition zu verlassen. Das bedeutet, dass die Beteiligung an der Koalition für jedes Individuum vorteilhafter ist als irgendeine andere Verwendung seiner Stimmen.

Innerhalb der Koalition ist Einstimmigkeit Voraussetzung des Handelns. Unter Umst�nden stellt sich diese Einstimmigkeit aber erst nach dem Ausscheiden abweichender Mitglieder her. "Einstimmigkeit" bedeutet hier also nicht, dass jedes Individuum das Handeln aller �brigen blockieren kann, es kann nur die Koalition verlassen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Willensbildungsprozess innerhalb einer Koalition, die sowohl ihre Mitgliedsst�rke erhalten will als auch bestimmte mehrheitlich vorteilhafte Strategien verfolgen will.

*VIII-2* Kardinale Nutzenmessung (intrasubjektiv)
Kann man die Pr�ferenzintensit�ten eines Individuums in Bezug auf bestimmte Alternativen dadurch quantitativ messbar machen, dass man es Alternativenb�ndel ordinal einstufen lässt? Kann man daraus dann den subjektiven Nutzen der verschiedenen Einzelalternativen bestimmen?
Es erg�ben sich ja dann Ketten von Ungleichungen etwa folgender Art für drei Einzelalternativen x, y und z:
(x + y + z) >(x + z) >(x + y) >(y + z) > (z + x)

lässt sich ein solches Ungleichungssystem l�sen? Wie bestimmt ist die L�sung? Verbessert sich die L�sungsm�glichkeit, wenn die Zahl der Einzelalternativen und damit die Zahl der Kombinationen steigt? Was ist jedoch, wenn Komplementarit�t von Einzelalternativen vorliegt?

*VIII-30*
Eine Nutzeninterdependenz liegt vor, wenn eine Alternative ihren Nutzen �ndert je nachdem, mit welchen anderen Alternativen sie kombiniert ist. Das Problem der Nutzeninterdependenz k�nnte man unter Umst�nden - wenn auch nicht v�llig - ausschalten, indem man bei Vorhandensein starker Interdependenzen solche B�ndel als eine selbstst�ndige Alternative auffasst und sie nicht mehr in ihre Elemente zerlegt.

*VIII-4*
Ber�cksichtigung von Intensit�tsunterschieden bei Koalitionen
Inwiefern kommt es bei Koalitionsbildung zur Ber�cksichtigung von subjektiven Pr�ferenzintensit�ten? Es siegt diejenige Koalition, die eine absolute Mehrheit der Individuen umfasst. Dabei muss jedes Mitglied dieser absoluten Mehrheit ein bestimmtes Alternativenb�ndel (den Koalitionskompromiss) gegenüber dem B�ndel der konkurrierenden Koalition vorziehen. Dann muss das Individuum die Nutzendifferenzen zwischen den zusammengeh�rigen Paaren aggregieren. (Auch hier können Effekte von Nutzeninterdependenzen durch Komplementarit�t etc. auftreten.)
Das rationale Individuum w�gt bei seiner Koalitionsentscheidung die Nachteile gegen die Vorteile bei den einzelnen Punkten auf. Dabei spielt nicht nur die Richtung und Zahl der Vergleichswerte eine Rolle, sondern auch deren Gewichtigkeit. Ein gro�er Vorteil bei einer Entscheidung kann für das Individuum schwerer wiegen als mehrere kleine Nachteile bei verschiedenen Entscheidungen. Es erfolgt also bei Koalitionsbildung bereits eine Ber�cksichtigung der intrasubjektiven Pr�ferenzintensit�ten.

*VIII-5*
Wie gro� ist die minimale Gewinnkoalition in Bezug auf eine bestimmte Entscheidung im Mehrheitssystem beim Condorcet-Kriterium? (Die M�glichkeit von Indifferenz bzw. Stimmenthaltung sei dabei ausgeschlossen) Das Condorcet-Kriterium fordert, dass die Mehrheitsalternative bei allen paarweisen Abstimmungen mehr Stimmen erh�lt als die andere Alternative. Wenn keine Indifferenz m�glich ist, muss die Mehrheitsalternative deshalb in allen Abstimmungen mehr als die H�lfte der Stimmen erhalten. Wenn die Koalition ohne zus�tzliche Stimmen auskommen will, muss sie also die absolute Mehrheit der Individuen umfassen.

Wenn es Individuen au�erhalb der Koalition gibt, die sowieso für die Koalitionsalternative stimmen wollen, so k�nnten auch diese Individuen noch in die Koalition einbezogen werden. Schwieriger wird es schon, wenn sich, was der Regelfall sein wird, Koalitionen über mehrere geb�ndelte Entscheidungen bilden. Es mag dann zwar au�erhalb der Koalition Individuen geben, deren Pr�ferenz bei einer bestimmten Entscheidung eigentlich bei der Koalitionsalternative liegt. Da sie aber Mitglied in anderen Koalitionen sind und sich an deren Vereinbarungen halten m�ssen, werden sie nicht für ihre eigentliche Pr�ferenz stimmen.

*VIII-6*
Die Bildung von Globalkoalitionen.
Im Mehrheitssystem bilden sich bei rationalem Verhalten der W�hler Abstimmungskoalitionen. Die Frage ist, ob sich Globalkoalitionen über alle Punkte bilden (rationales Handeln der Beteiligten vorausgesetzt). Oder werden die einzelnen Entscheidungen mit wechselnden Mehrheiten getroffen?

Unter Umst�nden verfolgt eine Gruppe G1 Ihr Interesse am besten, wenn sie bei den Punkten 1 und 2 mit der Gruppe G2 zusammengeht und bei den Punkten 3 und 4 mit der Gruppe G3. Ist eine solche Koalitionsstruktur denkbar? lässt sich ein Beispiel konstruieren, wo keine andere Koalition überlegen ist?

*VIII-7*
Selbst wenn ein Alternativenb�ndel A1 gegenüber einem anderen Alternativenb�ndel A2 in paarweiser Abstimmung unterliegt, kann A1 ein "stabiles" Ergebnis herstellen. Und zwar dann, wenn ein Individuum P1 in beiden Mehrheiten enthalten ist und wenn P1 das Alternativenb�ndel A1 gegenüber A2 vorzieht (?)

*VIII-8*
Parallelen zum Intersubjektivit�tsgebot
HOBBES Gebot, den Frieden zu suchen. Wobei" Frieden" allerdings n�her zu bestimmen wäre.
"Gebot, guten Willens zu sein" KANT?)
"Gebot der Wahrheitssuche" (empirische Methodologie)
"Gebot der Verst�ndigungsbereitschaft" (HABERMAS)

*VIII-9*
Zum Problem des intersubjektiven Nutzenvergleichs

L�sungsversuche:
- Abstimmung über ein intersubjektives Nutzenma� (Zinn: Lebenszeit)
Hier wird die L�sung des normativen Problems schon vorausgesetzt, indem das Mehrheitsprinzip vorausgesetzt wird.
- Orientierung am Verfassungsgrundsatz "Alle Menschen sind gleich" (ZINN).
Dieser Bezug aufs positive Recht setzt ebenfalls die G�ltigkeit einer Norm bereits voraus.
- Die Betrachtung verschiedener empirischer Ma�st�be, die als Ausdruck der Pr�ferenzintensit�t genommen werden, z. B. die Bereitschaft, dafür Geld zu opfern, die Bereitschaft, dafür Zeit zu opfern, die Bereitschaft, dafür Anstrengungen oder Schmerzen auf sich zu nehmen usw.

All dies sind Mittel, um die relative Dringlichkeit eines individuellen Bed�rfnisses festzustellen. Diese Ma�st�be können auf verschiedene Individuen angewandt werden.

Allerdings sind solche Mittel problematisch, da die Ausstattung der Individuen mit den Medien des Intensit�tsausdrucks wie Geld, Zeit, k�rperliche Kondition, die F�higkeit, Schmerzen zu ertragen etc. unterschiedlich ist. (s. WINCH).

Man k�nnte versuchen, einen Index zu bilden, der die verschiedenen Ma�st�be zusammengefasst, um so die individuellen Unterschiede in der Ausstattung mit den verschiedenen Medien etwas auszugleichen.

Oder man k�nnte sagen: "Wenn alle Ma�st�be übereinstimmend anzeigen, dass die Pr�ferenz von A st�rker ist als die von B, soll dies akzeptiert werden." Ist jedoch zum Beispiel A bereit, mehr Geld für etwas zu opfern, w�hrend B bereit ist, mehr Zeit zu opfern, so g�be es keine Entscheidung durch den Index. (Eine Messung auf vielen Dimensionen wäre kostspielig und w�rde oft ergebnislos verlaufen.)

Man k�nnte auch konkrete G�ter (wie zum Beispiel Brote) nehmen und fragen: "Wie viele Brote bist Du bereit zu opfern?" Hier ist die Nichtvergleichbarkeit zwischen den Individuen noch krasser, weil hier Unterschiede der Pr�ferenzstruktur eine gro�e Rolle spielen. (Oder es l�uft auf dasselbe hinaus wie der Geldma�stab, weil man die naturalen G�ter in Geldeinheiten verrechnet, wenn diese durch Geld ersetzbar � also k�uflich sind.)

Warum ist es problematisch, in Geldeinheiten zu messen? Weil die Ausstattung mit Geld individuell unterschiedlich ist. Wenn die Zahlungsf�higkeit unterschiedlich ist, so wirkt sich das auf die Zahlungsbereitschaft aus. Wer nur 100 Taler besitzt kann nicht bereit sein, 150 Taler zu zahlen. (Es sei denn, er leiht sich Geld.) Die Zahlungsbereitschaft und damit die Dringlichkeit der Bed�rfnisse h�ngen damit von zuf�lligen �u�eren Umst�nden ab. Man k�nnte sagen: "Dadurch, dass jemand 50 Taler geschenkt bekommt und er nun mehr bieten kann, wird die Dringlichkeit eines vorhandenen Bed�rfnisses nicht vergr��ert." Aber wie kann man das sagen, wenn Dringlichkeit über Zahlungsbereitschaft gemessen wird? Offensichtlich gibt es einen theoretischen Begriff von Dringlichkeit, der von der speziellen Operationalisierung durch Zahlungsbereitschaft unabh�ngig ist. Zahlungsbereitschaft ist dann keine valide Operationalisierung des Begriffs "Dringlichkeit von Bed�rfnissen".
Die Schwierigkeit liegt im Durcheinander empirischer und normativer Gesichtspunkte des Nutzenvergleichs. Normativ: bei uneinheitlichen individuellen Pr�ferenzen (Wille, Interesse) ben�tigt man zur Zusammenfassung dieser individuellen Pr�ferenzen zu einer kollektiven Pr�ferenz einen Ma�stab, eine Gewichtung der Pr�ferenzen. Dieser Ma�stab muss intersubjektiv anerkennbar sein und normativ verpflichtend sein. Wann ist ein solcher Ma�stab normativ g�ltig? Gem�� dem Solidarit�tsprinzip m�ssen dabei von Jedem die Interessen eines Anderen so ber�cksichtigt werden, "als wären es zugleich seine eigenen". Was ist darin impliziert? Offensichtlich setzt das voraus, dass jedes Individuum die Interessen des anderen verstehen kann und nachvollziehen kann (denn sonst k�nnte es eben diese Interessen nicht ber�cksichtigen). Das betreffende Individuum teilt seine Pr�ferenzrangfolgen der Alternativen mit sowie die individuellen Pr�ferenzintensit�ten. Man muss sie jetzt mit einem Ma�stab gewichten, mit dem man in gleicher Weise seine eigene Pr�ferenz gewichtet.

*VIII-10*
Man k�nnte einwenden: "Bed�rfnisse, Befriedigung, Empfindungen etc. sind nur mittels Introspektion zug�nglich und können deshalb nicht Grundlage einer intersubjektiven, allgemeing�ltigen Theorie werden". Aber diese Position ist irrig. In gleicher Weise m�sste man dann auch sagen, dass es unm�glich ist, eine positive Erfahrungswissenschaft aufzubauen, denn diese basiert unausweichlich auf subjektiven Wahrnehmungen.
Was ein Individuum wahrnimmt, kann nur durch Introspektion erfasst werden, ebenso wie das, was ein Individuum empfindet. Trotzdem sind die Wahrnehmungen der Individuen die Grundlage für die Konstruktion allgemeing�ltiger, wahrer empirischer Theorien. Wie ist das m�glich? Dies ist dadurch m�glich, dass die subjektiven Wahrnehmungen der Realit�t bei verschiedenen Individuen übereinstimmen. Ohne das Faktum intersubjektiv übereinstimmender Wahrnehmungen wäre jede positive Wissenschaft als Unternehmen zur Aufstellung allgemeing�ltiger Aussagen über die Beschaffenheit der Realit�t aussichtslos. Jeder k�nnte dann nur nach einer übereinstimmung seiner eigenen Wahrnehmungen zu verschiedenen Zeitpunkten streben, also nach subjektiver Gewissheit und nach Konsistenz seiner subjektiven Welterfahrung. (intertemporale Best�ndigkeit)

Dies entspricht im normativen Bereich der Beschr�nkung auf das Streben nach subjektiver Rationalit�t, gleichg�ltig, ob die daraus sich ergebenden Maximen mit denen anderer Individuen übereinstimmen oder nicht. Die andern Individuen mit ihren Maximen werden nur als gegebene Bestandteile der Wirklichkeit, als subjektiv n�tzlich oder sch�dlich, ber�cksichtigt, was natürlich auch eine gewisse Ber�cksichtigung ihrer Interessen beinhaltet. Ein Individuum, das nur nach subjektiver Gewissheit und Irrtumsfreiheit seiner Wahrnehmungen strebt, braucht ebenfalls die Nichtübereinstimmung mit anderen Individuen nicht zu ber�cksichtigen.
Allerdings k�nnte es sich deren Wahrnehmungen dann zu nutze machen, wenn es feststeht, dass die Wahrnehmungen anderer Individuen unter bestimmten Bedingungen den eigenen entsprechen, so dass es eine fehlende eigene Wahrnehmung durch fremde Wahrnehmungen erg�nzen kann.

Hier ergibt sich auf dem Boden des rein subjektiven Bezugspunktes eine Ann�herung an das intersubjektive, dialogische Modell. In ähnlicher Weise ergibt sich auf der normativen Ebene vom Standpunkt des Egoismus aus aufgrund blo�er Klugheitsregeln aus eine gewisse inhaltliche Ann�herung an das solidarische Modell.

*VIII-11*
Zur�ck zu der Frage, wie auf der Grundlage nur introspektiv zug�nglicher Ph�nomene eine allgemeing�ltige Theorie m�glich ist. Bei empirischen Theorien können subjektive Wahrnehmungen die Grundlage sein, da die Wahrnehmungen verschiedener Individuen übereinstimmen. Allerdings ist diese übereinstimmung auch hier nicht unproblematisch. Einmal gibt es Qualifizierungsbedingungen der Wahrnehmung. Zum andern gibt es perspektivische Unterschiede der Wahrnehmung. Wenn z. B. im Gebirge zwei Beobachter von verschiedenen Standpunkten aus sagen sollen, welcher von zwei Bergen h�her ist, so können sie aufgrund ihres jeweils besonderen Standpunktes aus "ihrer Sicht" zu unterschiedlichen Wahrnehmungen kommen.

*VIII-12*
Die übereinstimmung der Wahrnehmung verschiedener Individuen kann dadurch festgestellt werden, dass der Beobachter den r�umlichen Standpunkt des anderen einnimmt und dann die Wahrnehmung des anderen best�tigen oder verwerfen kann. Das Problem ist es, den Standpunkt eines idealen Beobachters zu definieren und ein einheitliches Bezugssystem zu entwickeln, von dem aus die Unterschiede der (individuellen) Wahrnehmungen und Perspektiven aufgehoben werden.
Etwas ähnliches wird beim intersubjektiven Nutzenvergleich verlangt (allerdings ist die Problematik komplizierter). Es wird verlangt, die Dinge "mit den Augen des Anderen" ("aus der Sicht des Anderen", "aus seiner Perspektive", "vom Standpunkt des anderen aus") zu sehen, sich in seine Lage hineinzuversetzen, die Dinge so zu beurteilen, "als wenn man an seiner Stelle wäre".

Aus den im Alltag gebr�uchlichen Formulierungen wird deutlich, dass eine Analogie zwischen den perspektivisch bedingten Unterschieden von Wahrnehmungen und Bewertungen (Pr�ferenzen) gesehen wird. Es wird angenommen, dass man zu den gleichen Bewertungen der Alternativen kommt wie der andere, wenn man die Alternativen aus seiner Lage betrachtet. Allerdings ist diese übereinstimmung sehr viel komplizierter als die übereinstimmung der individuellen Wahrnehmungen, denn Bewertungen sind sehr viel st�rker als Wahrnehmungen von Unterschieden der Lebensgeschichte abh�ngig. Vorlieben und Abneigungen sind nicht in der gleichen Weise "angeboren" wie Wahrnehmungsf�higkeiten. Sie können erlernt und verlernt werden. Das Sprichwort "Wat den eenen sin Uhl is den annern sin Nachtigall" bezieht sich auf den Bewertungsaspekt, jedoch nicht auf den Wahrnehmungsaspekt. Da sehen beide Individuen die gleiche Vogelart. Das Sprichwort bezieht sich auf Vorlieben und Geschmacksrichtungen, die unterschiedlich stark differieren können.
Allerdings kann man auch diese individuell bedingten Unterschiede ber�cksichtigen. (Sofern Bewertungsunterschiede auf Qualifikationsm�ngeln des individuellen Willens beruhen, sind sie allerdings nicht zu ber�cksichtigen). Man sagt etwa bei politischen Einstellungen, dass jemand durch die Erfahrung des Faschismus "gepr�gt" ist und dass für ihn deshalb die Sicherung der Grundrechte oberste Priorit�t besitzt. Oder man bezieht sich auf Bewertungen von Schwarzen, Frauen, Arbeitern usw., die man aus der gruppenspezifischen Lage und Lebenserfahrung nachvollziehen kann. (Vielleicht kommt hier das in der empirischen Methodologie geschm�hte "Verstehen" ebenso wie die Introspektion zu ihrem Recht. Nicht zuf�llig ist das Wort "Verst�ndigung" auch synonym mit "übereinkunft" und Erzielung eines normativem Konsens".)

*VIII-13*
Die M�glichkeit, sich tats�chlich in die soziale Lage eines anderen hineinzuversetzen, ist sehr viel begrenzter ist als bei der r�umlichen Lage. Hier gen�gt eine entsprechende Ortsver�nderung, um den Standpunkt des anderen einzunehmen und dessen Wahrnehmung nachzuvollziehen (allerdings gibt es auch den Blinden und den Farbenblinden). Dieser Nachvollzug ist bei Bewertungsproblemen meist nicht m�glich. Hier kann man sich nur der Vorstellung nach, fantasiem��ig in die Lage eines anderen hineinversetzen. (Einf�hlungsverm�gen, Empathie, Mitempfinden sind nicht zuf�llig F�higkeiten des moralisch entwickelten Individuums.)

Man k�nnte diese Schwierigkeiten mit einer empirischen Wissenschaft unter der Annahme vergleichen, dass die Individuen ortsgebunden sind, so wie manche Tiere (zum Beispiel Korallen oder Muscheln). Wie schwierig wäre unter solchen an verschiedenen Stellen ortsgebundenen Wesen der Aufbau einer gemeinsamen empirischen Erkenntnis ihrer Umwelt? (Hierzu HARSANYI 1955 und HARE " Freedom and Reason" heranziehen.)
*VIII-14*
Neben dem Problem unqualifizierter Interessen�u�erungen gibt es noch das Problem der unaufrichtigen Interessen�u�erung, der übertreibung des Grades der eigenen Betroffenheit. Wie kann man solche nur introspektiv zug�nglichen Tatbest�nde bzw. Aussagen darüber kontrollieren?

Eine gewisse Milderung des Problems der individuellen Unaufrichtigkeit tritt dadurch ein, dass es meist andere Individuen gibt, die in einer vergleichbaren Situation sind, und die deshalb kompetent sind, die Interessen�u�erung eines Anderen nachzuvollziehen. Man kann jemanden dann mit den Interessen�u�erungen anderer Individuen in vergleichbarer Lage konfrontieren und, falls er darauf besteht, dass seine abweichende Interessenlage doch existiert, so muss er Gr�nde dafür nennen, die seine Lage und die des anderen unvergleichbar machen. (Dabei ist allerdings vorausgesetzt, dass das als kritische Instanz hinzugezogene Individuum nicht ebenfalls unaufrichtig ist, um dem anderen und sich selber Vorteile zu verschaffen.) Auch hier ist jedes argumentierende Individuum an das allgemeine Intersubjektivit�tsgebot gebunden. Ohne dies Gebot wird jede Argumentation über Behauptungen sinnlos.

A behauptet zum Beispiel, dass seine Interessen in einer Entscheidungssituation schwerer wiegen als die Interessen von B. A muss sich dazu auf einen Ma�stab beziehen, der auch dem andern Individuum zug�nglich ist und von dem aus sich die Gewichtigkeit der Interessen beider Individuen beurteilen lässt. Einmal ist dazu n�tig, dass auf die Interessen beider Individuen der gleiche Ma�stab angewandt wird, sonst entsteht überhaupt keine Vergleichbarkeit. Zum andern ist erforderlich, dass der gleiche Ma�stab auch in anderen Situationen angelegt wird, zum Beispiel, wenn die Positionen zwischen den zwei Individuen vertauscht werden. Dies entspricht dem Gebot der Personunabh�ngigkeit. Wer den Standpunkt einnimmt, dass seine Interessen wichtiger sind, obwohl er sich in derselben Situation befindet wie jemand anderes und sich empirisch keine Unterschiede feststellen lassen au�er der Identit�t der Personen, der nimmt eine indiskutable Position ein, er verst��t gegen das Solidarit�tsgebot, denn er ber�cksichtigt die Interessen des anderen nicht so, als wären es seine eigenen. Er nimmt allein die Tatsache, dass es sich hier um fremde und nicht um die eigenen Interessen handelt, als hinreichenden Grund für eine unterschiedliche Gewichtung der Interessen.

*VIII-15*
Das Argument für das st�rkere Gewicht der eigenen Interessen muss immer die Form annehmen: "Wenn ich an deiner Stelle wäre und Du w�rst an meiner Stelle, so wären deine Interessen gewichtiger als meine." (Das ist das, was HARE "Universalizability" nennt. S. Harsanyis "metaphysisches Problem" des intersubjektiven Nutzenvergleichs.)

Selbst wenn jedoch beide Individuen auf personabh�ngige Argumente verzichten und beide "universalisierbare" Positionen einnehmen, so muss trotzdem noch kein Konsens zwischen beiden Individuen existieren. Was ist in einem solchen Fall zu tun, wie kann der Dissens ausger�umt werden?
Als erstes m�sste gepr�ft werden, ob � und wenn ja welche � Elemente in der Situation von den Individuen unterschiedlich aufgefasst werden. Zu solchen Situationselementen geh�ren erst einmal alle beobachtbaren Fakten der Situation. (Man k�nnte das noch einmal am Beispiel "zwei Leute steigen in einen Bus" diskutieren. Obwohl in diesem speziellen Fall der Entscheidungsaufwand sicherlich den Nutzen zu sitzen nicht lohnen w�rde). Zum Beispiel: die k�rperliche Konstitution, die momentane Ersch�pfung, die zu erwartenden Anstrengungen usw. Was ist, wenn beide Individuen über die beobachtbare Situation einig sind? Ist dann trotzdem noch ein Dissens m�glich? Scheinbar ja, bezogen auf die unterschiedlichen Pr�ferenzen und Einstellungen, die dazu f�hren, dass die beiden Individuen die gleiche Situation unterschiedlich bewerten. Dem einen wäre eine Situation vielleicht noch ertr�glich, die dem anderen bereits unertr�glich ist.
Ein besseres Beispiel wäre vielleicht " Raucher und Nichtraucher in einem Raum". Ist dem Raucher eher zuzumuten, auf seine Zigarette zu verzichten, oder ist dem Nichtraucher eher zuzumuten, den Rauch einzuatmen?" ("G�terabw�gung"). (Wenn solche Situationen durch generelle Normen geregelt werden, spielen die individuellen Besonderheiten der Beteiligten keine so gro�e Rolle, denn dann geht es um Individuen mit durchschnittlicher Pr�ferenzen und durchschnittlicher Konstitution.)

Der Nichtraucher wird vielleicht die Dringlichkeit seines Wunsches damit begr�nden, dass der Rauch bei ihm Kopfschmerzen verursacht. Dies wäre eine empirische Folge und g�be dem Anderen einen Bezugspunkt für die Dringlichkeit des Wunsches. Denn wie unangenehm Kopfschmerzen sind, kann auch der Raucher beurteilen. Nur wenn der Raucher selber bei sich solche Kopfschmerzen als Folge des Rauchens in Kauf nehmen w�rde, k�nnte dieser Umstand ihn nicht zum Nachgeben zwingen.

*VIII-16*
Man sagt oft:
"Das habe ich am eigenen Leibe erfahren".
"Das kann ich aus eigener Erfahrung beurteilen",
"Davon kann ich ein Lied singen", bezogen auf das Unangenehme bestimmter Situationen. Solche "Erfahrungen" beziehen sich nicht auf die empirische Beschaffenheit des Gegenstandes, sondern auf die wertm��igen Wirkungen, die dieser Gegenstand auf ein Subjekt aus�bt. In der Literatur wird z. B. beschrieben, wie ein Sonnenaufgang, der Anblick einer Frau, eine bestimmte Speise etc. auf einen Menschen gewirkt haben.
Der Schriftsteller teilt Erlebnisse mit, aber nicht als Informationen über die �u�ere Welt � nach Art der deskriptiven Erfahrungswissenschaften � sondern als Beschreibung innerer Empfindungen in Bezug zu bestimmten �u�eren Vorg�ngen. Der Schriftsteller horcht insofern nach innen, er beschreibt die innere Welt der Selbstwahrnehmung, der Introspektion.

*VIII-17*
Die Analyse der inneren Welt ist von einer behavioristischen Psychologie als unwissenschaftlich angesehen worden. Zwar darf die Verst�ndigung über die Au�enwelt nicht mit der Verst�ndigung über die Innenwelt verwechselt werden, weshalb bei der Verst�ndigung über die Au�enwelt das Kriterium der übereinstimmenden Beobachtung sinnvoll bleibt. Aber die Innenwelt, das was ich nicht durch meine klassischen 5 Sinne wahrnehme sondern was ich unmittelbar in mir f�hle und empfinde, ist deshalb nicht weniger wirklich, weil es nur der Introspektion zug�nglich ist. über solche inneren Erlebnisberichte, die �brigens einen wichtigen Teil der Alltagskommunikation ausmachen, ist mir auch die Innenwelt anderer Menschen zug�nglich. Ich stelle fest, inwiefern ich mit bestimmten anderen Individuen gleich oder ähnlich empfinde, ich sehe Unterschiede und kann diese Unterschiede beschreiben und verallgemeinern, auf bestimmte Unterschiede in der Situation oder der Person zur�ckf�hren, ich kann mich gedanklich, also vorstellungsm��ig, in andere Menschen hineinversetzen usw..
Bei generellen Normen, die personunabh�ngig formuliert sind, stellt sich das Problem des Hineinversetzens in die Lage eines Anderen weniger scharf. Denn dort kann jeder selber in verschiedenen Rollen und Situationen sein, er kann z.B. K�ufer und Verk�ufer sein, sodass er schon von seinem Eigeninteresse her die Norm aus verschiedenen Postionen beurteilen mussund sein Interesse als K�ufer und Verk�ufer artikulieren muss.
Allerdings reicht das Eigeninteresse auch hier nicht zur Bestimmung des Gesamtnutzens aus, weil die Rollen nicht v�llig symmetrisch verteilt sind, sodass z. B. ein Gesch�ftsmann eher am Schutz des Verk�ufers interessiert ist, w�hrend eine Hausfrau eher am Schutz des K�ufers interessiert ist, selbst wenn beide gelegentlich auch in der anderen Position agieren.

Beim Zwei-Personen-Fall ist die Situation u.U. noch relativ einfach, weil man hier mit einer ordinalen Messung des Interesses auskommt: Man braucht nur zu wissen, wessen Interesse dringlicher ist, um die Entscheidung treffen zu können, wessen Bed�rfnis zu befriedigen ist. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Alternativen derart sind, dass entweder das Bed�rfnis des Einen oder das Bed�rfnis des Anderen befriedigt werden kann. Sofern weitere Alternativen vorhanden sind (z. B. eine Mischung aus teilweisen Befriedigungen beider), so muss auch im Zwei-Personen-Modell die Gewichtung der individuellen Interessen kardinal vorgenommen werden, um zwischen verschiedenen Alternativen die beste zu ermitteln.

*VIII-18*
Im Alltag wird man die unterschiedliche Dringlichkeit verschiedener Bed�rfnisse meist nur intuitiv sch�tzen und vergleichen. Sofern generelle Normen installiert werden, wird die G�terabw�gung auf einer allgemeinen Bed�rfnistheorie beruhen. Sofern die Bed�rfnisse der Menschen in vielen Bereichen ähnlich sind, kann man etwa zu folgenden Aussagen allgemeiner Art kommen wie:
für einen Menschen ist es gewähnlich schlimmer:
- ein Kind zu verlieren als einen Hund,
- ein Bein zu verlieren als einen Arm,
- an Krebs zu erkranken als an Rheuma,
- seine Anstellung zu verlieren als weniger zu verdienen usw.

Solche Aussagen über die Dringlichkeit von Interessen (G�terabw�gung) gelten mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für alle Menschen. Allerdings sind solche Aussagen nur sehr grob und werden h�ufig durch besondere Randbedingungen spezifiziert werden m�ssen.

Insofern es für alle Menschen eine ähnliche oder vergleichbare Rangfolge der Bed�rfnisse gibt, lassen sich solche generellen Dringlichkeitsstufen angeben. Aber das Problem wird schon wieder kompliziert, wenn die Befriedigung des dringlicheren Bed�rfnisses b1 bei einem Individuum gegen die Befriedigung eines weniger dringlichen Bed�rfnisses b2 bei mehreren Individuen abgewogen werden muss, und das ist ja wohl meistens der Fall. Dann kann eine generelle Bed�rfnistheorie kaum weiterhelfen. Wie kann man in diesem Fall zu genaueren Dringlichkeitsma�en kommen?

*VIII-19*
Zur Introspektion:
Dass die Innenwahrnehmungen nicht nur subjektiv sind sondern von verschiedenen Subjekten geteilt werden, ergibt sich schon daraus, dass man sich über diese Erlebnisse sprachlich verst�ndigen kann, dass es sogar ein sehr differenziertes sprachliches Instrumentarium gibt, um diese Erfahrungen zu beschreiben. Man sagt zum Beispiel: Ich empfinde Angst, Schmerzen, Ekel, Lust, Freude, Trauer, Unruhe, Zufriedenheit, Niedergeschlagenheit, Hunger � um nur die gr�bsten Kategorien zu nennen. (Man m�sste einmal eine literarische Passage zur Beschreibung innerer Zust�nde einf�gen.)
Bei den genannten Methoden wird die Dringlichkeit eines Bed�rfnisses gemessen in Relation zum Umfang empirisch quantifizierbarer Mittel der Bed�rfnisbefriedigung, die jemand bereit ist, für die Befriedigung des Bed�rfnisses zu opfern. Es ist also relativ zu einem anderen Bed�rfnis, das als Ma�einheit der Dringlichkeit genommen wird.

Genau genommen hat man allerdings auch hier nicht unmittelbar Bed�rfnisbefriedigungseinheiten, sondern man hat die Einheiten des Mittels der positiven oder negativen Bed�rfnisbefriedigung zum Beispiel: Euros, Stunden einer bestimmten T�tigkeit wie Warten, Arbeiten, Wachen, in lebensgef�hrliche Situationen geraten, �pfel, Lotterielose, W�hlerstimmen usw. und so fort. Man sagt dann: "Das Bed�rfnis b1 hat für Individuum A die Dringlichkeit (den Wert) von 10 Talern (3 Stunden Arbeit; 5 Stunden Warten; 20 �pfeln; 50 ausgerissene Haaren; usw.) Diese Quantit�ten von Mitteln der Bed�rfnisbefriedigung sind empirisch vergleichbar mit den Quantit�ten desselben Mittels, die ein anderes Individuum für die Befriedigung seines Bed�rfnisses zu opfern bereit ist. natürlich sind die Quantit�ten für verschiedene Individuen ohne weiteres empirisch messbar und vergleichbar.

*VIII-20*
Die Problematisierung kann jetzt auf zweierlei Ebene vorgenommen werden: Einmal kann man. sagen, dass ein Mittel der Bed�rfnisbefriedigung ja nur ein empirischer Indikator für die Dimension ist, die man eigentlich messen will: also Bed�rfnisbefriedigung. Damit stellt sich das Problem der Validit�t eines solchen Indikators. Ist das, was man mit "Bed�rfnisbefriedigung" meint, tats�chlich durch einen bestimmten Indikator erfasst? Was meint man mit "Bed�rfnisbefriedigung" (bzw. Interesse, Nutzen)? In welchen Zusammenh�ngen will man dann den Begriff "Bed�rfnisbefriedigung" gebrauchen? Welche sonstigen Behauptungen sollen g�ltig bleiben, auch nachdem man den Begriff mit Hilfe bestimmter Indikatoren operationalisiert hat? (Dies ist das Validierungsverfahren entsprechend der "Konstrukt-Validit�t.")
Offensichtlich wird der Begriff der Bed�rfnisbefriedigung hier nicht in empirischer bzw. prognostische Absicht gebraucht, sondern er interessiert als Bestandteil normativer S�tze.

Welche normativen S�tze sollen auch nach der Operationalisierung des Begriffs g�ltig bleiben? Es geht wohl um die S�tze: "Diejenige Norm soll gelten, die dem Gesamtinteresse (der Gesamt-Bed�rfnisbefriedigung) am meisten entspricht." Dabei wird das Gesamtinteresse - wiederum entsprechend dem Solidarit�tsprinzip - folgenderma�en bestimmt: "Das Gesamtinteresse ist diejenige Zusammenfassung der individuellen Interessen, bei der die Interessen jedes Individuums in gleichem Ma�e positiv ber�cksichtigt werden."

*VIII-21*
Nutzenmessung durch Punktesystem. Jedes Individuum bekommt bei jeder Entscheidung 100 Punkte, die es gem�� der St�rke seines individuellen Interesses auf die Alternativen verteilen kann. Die individuell schlechteste Alternative bekommt 0 Punkte. Die �brigen bekommen Punkte entsprechend ihrem wertm��igen Abstand zu dieser schlechtesten Alternative. Diejenige Alternative mit den meisten Punkten wäre dann die kollektiv beste.

Welche Probleme gibt es dabei?
Einmal Probleme der unqualifizierten Interessen�u�erung und der unaufrichtigen bzw. strategischen Interessen�u�erung (Diese Probleme sollen hier ausgeklammert werden).

Zum andern:
Der maximal m�gliche Abstand, den ein Individuum zwischen seiner schlechtesten und besten Alternative ausdr�cken kann, betr�gt 100 Punkte (Eine Alternative erh�lt dann alle Punkte und alle andern erhalten keinen Punkt). Damit ist vorausgesetzt, dass sich die unterschiedliche St�rke von Interessen innerhalb einer Spannweite von 0 bis 100 Punkten bewegt. Dies ist aber problematisch. Man denke etwa an eine Entscheidung, die den qualvollen Tod des einen Individuums bedeutet und zugleich einen Millionengewinn für das andere Individuum. Der Interessendynamik kann bei festgesetzter Spannweite sicherlich nicht entsprochen werden.
:
Au�erdem ist die Punktewertung nicht unabh�ngig von der Anzahl der zur Entscheidung stehenden Alternativen. Wenn mehr Alternativen eingef�hrt werden, so m�ssen auf die zus�tzlichen Alternativen Punkte gegeben werden (es sei denn, sie sind alle gleichwertig mit der schlechtesten Alternative und verbrauchen deshalb 0 Punkte.) Die zus�tzlichen Alternativen ziehen Punkte von den bisherigen Alternativen ab. Wenn man zum Beispiel im obigen Beispiel noch die Alternative einf�hrt: "Du gewinnst 999.999 Mark", so w�rde von der besten Alternative die H�lfte der Stimmen abgezogen, so dass die Differenz zwischen Tod und Millionengewinn nur noch 50 Punkte betr�gt. [?]

*VIII-22*
Ein anderes Verfahren:
Die Individuen ordnen die Alternativen gem�� ihrem individuellen Interesse auf einer Punkteskala von 0 bis "unendlich" an. Dabei gibt es keine Beschr�nkung für die wertm��igen Differenzen zwischen schlechtester und bester Alternative und auch zus�tzliche Alternativen w�rden die Position der bisherigen Alternativen zueinander nicht ver�ndern. Hier stellt sich jedoch mit besonderer Sch�rfe das Problem der unaufrichtigen Interessen�u�erung, weil die Gefahr von übertreibungen unbegrenzt gro� ist.
Vielleicht wird die Problematik l�sbar, wenn man ber�cksichtigt, dass ja nicht nur die einzelnen Individuen ihre eigene Interessenlage einzusch�tzen haben, sondern dass ein Konsens aller über die Interessenlage jedes der Individuen nach dem Solidarit�tsgebot erforderlich ist.

Man muss also alle Individuen auffordern, nicht nur ihre eigenen Interessen auf der Punkteskala abzubilden sondern dies auch für die Interessen jedes anderen Individuums zu tun. Als Nullpunkt k�nnte man für das betreffende Individuum jeweils die schlechteste Alternative nehmen, da es hier
nur auf die Nutzendifferenz zwischen den Alternativen ankommt.

�.Seite 42 bis 51 weggelassen (Formales zur Nutzenmessung)

*VIII-23*
Sind Gef�hle Tatsachen? Sie sind zwar nicht direkt beobachtbar, aber sie sind trotzdem existent. Man sagt:"Ich habe Schmerzen" so wie man sagt: "Ich habe blaue Augen".

Die Dinge der Au�enwelt werden durch mehrere Sinnesorgane erfasst, durch Gesichts-, Geruchs-, Geh�rs- und Geschmackssinn, die klassischen f�nf Sinne. Die Gef�hle dagegen werden durch andere Teile des Nervensystems erfasst. Sie können unmittelbar nur durch dasjenige Individuum erfasst werden, das diese Gef�hle hat. Wie können wir trotzdem wissen, dass ein anderer Mensch bestimmte Gef�hle hat?

Zum Einen gibt es empirische Indikatoren: Jemand beschreibt seine Gef�hle. Er benutzt dazu die entsprechenden W�rter. Seine �u�erungen geben bereits ein Bild von seinen Gef�hlen. Aber wie kann man die W�rter zur Beschreibung von Gef�hlen erlernen? Diese Kenntnis wird hier vorausgesetzt.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch eine Analyse der Erfassung von Empfindungen bei Wesen, die nicht der Sprache m�chtig sind wie bei Kleinkindern und Tieren.

Menschen können die Gef�hlsregungen ihrer Haustiere verstehen.

*VIII-24*
Die ethischen Intuitionisten behaupten, der Mensch habe eine Art Sinnesorgan für das Kollektiv-Gute und Sein-Sollende. Es gibt im Individuum jedoch nur eine wertende Einstellung. Da diese bei verschiedenen Individuen ähnlich ist, kann der Schluss von sich auf andere in vielen F�llen sinnvoll sein.
Dies ist allerdings kein logischer Schluss sondern ein Analogieschluss. Einmal gibt es einen Wirkungszusammenhang zwischen Gef�hl und Verhalten. Ich kann das an mir selber beobachten. Bei starkem Schmerz zuckt meine Hand zur�ck, meine Mimik verzerrt sich. Diese Reaktionen sind weitgehend unwillk�rlich (obwohl man Schmerz�u�erungen zum Teil auch schauspielern kann.) Wenn ich nun selber solches Verhalten bei anderen sehe, so schlie�e ich daraus, dass sie Schmerzen empfinden so wie ich.

Man kann von Schmerz�u�erungen auf den Schmerz schlie�en. Man kann auch von bestimmten Schmerzursachen auf den Schmerz schlie�en. Zum Beispiel merke ich bei mir selbst, dass das Ausrei�en von Haaren mir Schmerzen verursacht. Wenn ich nun sehe, wie anderen Individuen Haare ausgerissen werden, so schlie�e ich daraus, dass ihnen dadurch Schmerzen zugef�gt werden.

*VIII-25*
Um für hypothetische Situationen die Gef�hle des anderen zu ermitteln, muss ich mich in dessen Lage hineinversetzen und mich fragen: "Was würdech empfinden, wenn �" Da es bei kollektiven Entscheidungen � abgesehen vom Status quo � immer um die Beurteilung hypothetischer Alternativen geht, kann ich auch meine eigenen Interessen nur indirekt bestimmen. Insofern ist die Kluft zum andern Individuum gar nicht mehr so gro�, denn extrem gesprochen handelt es sich dabei ja um die Beurteilung von Interessen eines ver�nderten Individuums, auch wenn ich es selber bin. (Diesen Aspekt in die Qualifikationsbedingungen der individuellen Entscheidung einarbeiten. Dann spielt auch hier Vorstellungskraft eine ganz entscheidende Rolle siehe Brand.)

*VIII-26*
Es geht bei der Bestimmung der individuellen Interessen nicht nur um Gef�hle, sondern auch um andere Ebenen der Bewertung. Unabh�ngig vom Schmerz beim Haare-ausrei�en kann der Verlust der Haare negativ bewertet werden. W�hrend der Schmerz sich hier auf die Gegenwart bezieht, so bezieht sich die negative Bewertung des Haarverlustes sicherlich auch auf zuk�nftige Ereignisse, die in der Vorstellung vorweggenommen werden: z. B. ein schlechteres oder �lteres Aussehen.

Oft kann man die Gr�nde für die Ablehnung einer Alternative gar nicht richtig nennen, sie sind diffus und assoziativ.

Allerdings kommt es im Alltag h�ufig vor, dass man jemanden nach Gr�nden für eine bestimmte Entscheidung fragt, wobei es noch nicht darum geht, wie diese Entscheidung normativ gerechtfertigt werden kann sondern wie das individuelle Interesse in Bezug auf diese Entscheidung aussieht. (Allerdings ist dies dann oft nur eine Vorstufe, um dann die Entscheidung vom Standpunkt des Gesamtinteresses zu beurteilen, denn das individuelle Interesse ist ja ein Element bei der Bestimmung des Gesamtinteresses. Wenn das individuelle Interesse sich �ndert, �ndert sich auch das Gesamtinteresse.)

*VIII-27*
Was sind aber gute Gr�nde für eine Interessen�u�erung? Offensichtlich gibt es hier auch Punkte, die intersubjektiv besser verst�ndlich und eher nachvollziehbar sind als andere, und diese werden für eine verst�ndliche Entscheidung gesucht. (Was hei�t es eigentlich: Sein Verhalten ist mir unverst�ndlich? Wodurch wird sie mir verst�ndlich? (Hierzu ABEL in ALBERT)

*VIII-28*
Bedarf es zur Nutzenmessung eines einheitlichen Nullpunktes für alle Individuen? Oder anders ausgedr�ckt: Bedarf es einer vergleichbaren Bestimmung der Nutzenniveaus der Individuen? Wohl nicht, denn wenn die Nutzenwerte der Individuen addiert werden und man nur nach der Alternative mit dem h�chsten Gesamtnutzen sucht, so spielt dabei die absolute H�he dieses Gesamtnutzens keine Rolle. Ob man bei einem Individuum zum Nutzenwert aller Alternativen irgendeinen konstanten Betrag hinzuz�hlt oder nicht, spielt für das Ergebnis keine Rolle, denn alle Alternativen werden ja um den gleichen Betrag ver�ndert, so dass die Differenzen zwischen ihnen unver�ndert bleiben. Man kann also für jedes Individuum das Nutzenniveau im Status quo gleich Null setzen, obwohl die Individuen im Status quo unterschiedliche Nutzenniveaus erreichen. Das ist gewisserma�en nur eine Rechenvereinfachung, insofern als die Zahlenwerte kleiner werden. Die Differenzen zwischen vier Werten bleibt der unver�ndert wenn man zu jedem eine konstante Zahl hinzuaddiert.

*VIII-29*
Zu fragen ist, inwiefern bei dieser Nutzenaddition das Problem der Gleichheit ber�cksichtigt wird. Inwiefern eine Tendenz zum Ausgleich der Nutzenniveaus existiert, die man intuitiv als Bestandteil einer gerechten Norm ansieht. Hier setzt die Kritik von FRANKENA und RAWLS am Utilitarismus an. Scheinbar stimmt es auch. Denn es interessiert offenbar nur, welche Alternative die gr��te Nutzensumme erzielt, ohne dass die Verteilung der Nutzen auf die Individuen ber�cksichtigt wird (siehe auch MYRDAL).

Andererseits: Wenn der Ausgleich der Nutzenniveaus eine intuitiv einleuchtende Forderung ist, so wirkt sie sich auch bei der Bestimmung des Nutzens der Alternativen für die Individuen aus. Wenn jeder zum Beispiel meint, dass für den Armen zehn Taler wichtiger sind als für den Reichen, so erreicht diese Verteilungsalternative (zehn Taler für den Armen) auch einen gr��eren Gesamtnutzen als die andere Alternative (zehn Taler für den Reichen).

*VIII-30*
Einmal zusammentragen, in welchen Alltagsformulierungen das Solidarit�tsprinzip enthalten ist: "Qu�le nie ein Tier zum Scherz, denn es f�hlt wie Du den Schmerz" oder
"Dir k�nnte es einmal genauso ergehen" oder
"Du k�nntest auch einmal in seine Lage kommen".
Sympathie, Mitempfinden, R�cksichtnahme, Unparteilichkeit, Neutralit�t und Unpers�nlichkeit.

*VIII-31*
Man braucht nicht alle Interessenlagen selber erfahren zu haben, um sie ber�cksichtigen zu können. Man kann sich auch auf die Berichte anderer Individuen st�tzen. Dasselbe macht man auch bei faktischen Fragen. Man st�tzt sich z. B. auf die Erfahrung anderer, um etwas über S�damerika zu wissen, wo man selber noch nicht war.


*VIII-32*
Man k�nnte begrifflich zwischen Interessen und Bed�rfnissen folgenderma�en unterscheiden: dass zwei Menschen gleiche (übereinstimmende) Interessen in Bezug auf eine Entscheidung haben, bedeutet, dass sie dieselben Pr�ferenzen und Pr�ferenzintensit�ten in Bezug auf die zur Entscheidung stehenden Alternativen haben. Von gleichen Bed�rfnissen w�rde man dann sprechen, wenn zwei Menschen unter gleichen Lebensbedingungen dieselben Pr�ferenzen und Intensit�ten in Bezug auf die zur Entscheidung stehenden Alternativen haben. Zwei Menschen können unterschiedliche Interessen haben, obwohl sie gleiche Bed�rfnisse haben. Der Interessenunterschied ergibt sich allein aus den unterschiedlichen Lebensbedingungen. Wenn man diese angleichen w�rde, h�tten sie auch dieselben Interessen. Umgekehrt können zwei Individuen gleiche Interessen haben, obwohl sie unterschiedliche Bed�rfnisse haben. Die übereinstimmung der Interessen ergibt sich dann nur durch die unterschiedlichen Lebensbedingungen.

Zur individuellen Interessenbestimmung: Die Unterscheidung zwischen Basiswerten und Werten mit Mittelcharakter beachten (siehe SEN)

*VIII-33*
Was ist überhaupt mit "Nutzen" gemeint? Problematisch wäre es, Nutzen mit bestimmten empirischen Fakten zu identifizieren wie zum Beispiel Empfindungen der Freude oder des Schmerzes. Das wäre ein naturalistischer Fehlschluss, denn dann w�rde aus der Tatsache des Schmerzes folgen, dass der mit Schmerz verbundene Zustand nicht sein soll, da "Schmerz" definiert wird als "negativer Nutzen" und "negativer Nutzen" definiert wird als "nicht sein sollen" sodass analytisch gilt: "Das Nutzenmaximum ist zu realisieren!"

Nutzen ist nicht gleich Freude. Aber Freude hat für Menschen gewähnlich Nutzen. Diese Verbindung zwischen dem Faktum und dem Nutzen entsteht erst durch den menschlichen Willen. Zu sagen, dass eine bestimmte Sache für ein Individuum Nutzen besitzt, bedeutet nur, dass diese Sache durch das Individuum in einer bestimmten Weise willensm��ig ausgezeichnet ist. Der Schluss geht also von "Ich will, dass dieses ist" ist zu "Dies soll sein!" Das Sollen folgt aus dem Wollen.
"Wollen" ist jedoch nicht "Sein", obwohl man das Wollen selber als Tatsache ansehen kann. Dies ist jedoch eine andere Ebene. Ebenso kann man das Sollen, die Norm, als ein existierendes Faktum auffassen.

Damit ist wohl auch klargemacht, dass es verkehrt ist, nach irgendeinem faktischen Ph�nomen "Nutzen" zu suchen und zu meinen, durch bessere psychologische Untersuchungsmethoden lie�e sich der Nutzen wie eine empirische Eigenschaft erfassen. Verbessern kann man nur die Erfassung der psychischen Vorg�nge, denen dann Nutzen beigelegt wird bzw. die dann willensm��ig ausgezeichnet werden. Man kann vielleicht auch noch besser die Gesetzm��igkeiten und die Regelm��igkeiten erkennen, demgem�� die willensm��ige Auszeichnung erfolgt.

*VIII-34*
Vielleicht sollte ich das Solidarit�tsgebot in der Willensterminologie und nicht in der Interessenterminologie formulieren. Das gibt vielleicht mehr Klarheit über den Zusammenhang von "wollen" und "sollen".

*VIII-35*
Sind die Vorschl�ge bei Abstimmungen eigentlich "Alternativen" im eigentlichen Sinne? Oft gibt es ja überschneidungen und Gemeinsamkeiten zwischen den Vorschl�gen, so dass nur einige Punkte der Vorschl�ge alternativ sind in der Weise, dass man sie nicht gemeinsam realisieren kann. Oft schl�gt der eine zum Ausgleich der Finanzen Einnahmeerh�hungen vor und der andere Ausgabenk�rzungen. Man kann jedoch beides machen, so dass von Alternativen keine Rede sein kann, h�chstens implizit, insofern als derjenige, der Einnahmeerh�hungen vorschl�gt implizit zugleich vorschl�gt, die Ausgabenh�he beizubehalten. Das Letztere wäre allerdings unvereinbar mit Ausgabek�rzungen.

*VIII-36*
Eine besondere Teilproblematik behandeln, die allerdings den Gegenstand der traditionellen Individualethik ausmachte: "Wie soll man sich verhalten in einem gegebenen sozialen und politischen Normensystem?", wobei gleichg�ltig ist, ob dies existierende Normensystem G�ltigkeit beanspruchen kann oder nicht. Was ist die individuelle Handlungsnorm in einer Diktatur?

*VIII-37*
Ausgeklammert habe ich immer noch das Problem der Durchsetzung von Normen, die Verfahren bei Normverletzungen. Diese wirken auf die Wahl der Norm zur�ck.


*VIII-38*
Noch einmal das Problem der Nutzeninterdependenz behandeln, weil dies sicherlich der erste Einwand von Fach�konomen sein wird (siehe PFAFFENBERGER).
Genau genommen wird ja nicht zwischen den beschriebenen Alternativen entschieden sondern zwischen Gesamtzust�nden der Welt, die sich nur in Bezug auf die formulierten Alternativen unterscheiden. Dadurch kann Komplementarit�t etc. auftreten.

*VIII-39*
Die L�sung des Problems der Nutzeninterdependenz muss in einer geeigneten B�ndelung stark interdependenten Entscheidungen gesucht werden. (den Nutzenbaum von Gorman u.a. ansehen, ob er dafür brauchbar ist. Unbedingt auf die verschiedenen Arten der Interdependenz � empirisch kausal, unmittelbar nutzenm��ig, etc. analysieren. (siehe auch BERNHOLZ.)

*VIII-40*
Zur Nutzenterminologie: Formulierungen vermeiden, die "Nutzen" als empirisches Ph�nomen oder Faktor erscheinen lassen. Statt zu sagen: "Dies bewirkt einen Nutzen" sagen: "Dies bedeutet einen Nutzen" oder "Dies stellt einen Nutzen dar". Auch nicht sagen: "Er tut dies, weil es für ihn den gr��ten Nutzen hat", denn "Nutzen" ist hier keine erklärende Kategorie.

*VIII-41*
Man braucht sich in der Empirie nicht die Wahrnehmungsstruktur der andern Individuen zu eigen zu machen, so wie man sich bei Normen die Pr�ferenzen der anderen Individuen zu eigen machen muss, denn die Wahrnehmungsf�higkeiten der Menschen stimmen weitgehend überein. (Die Interessen auch?)

*VIII-42*
Angenommen die Menschen h�tten unterschiedliche Augen, zum Beispiel ohne Farbempfindung oder ohne r�umliches Sehen oder Augen, ähnlich wie Fliegen sie haben, so w�rden in der Empirie ähnliche Probleme auftreten. Man m�sste zur Erzielung eines Konsens die Dinge mit anderen Augen bzw. durch die Brille des anderen sehen.

*VIII-43*
Zur Kontrolle gegenüber parteiischen Nutzensch�tzungen: Wenn B meint, A habe ein h�heres Nutzenniveau als er selber, so muss B auch bereit sein, mit A die Lage zu tauschen. Das ist die Probe aufs Exempel. Allerdings kann B immer sagen: "Meine Bed�rfnisse sind andere.

*VIII-44*
Wenn man den Nutzen einer Verteilungsalternative nicht nur von der eigenen G�terausstattung sondern auch von der der anderen abh�ngen lässt, so taucht die Frage auf, ob dabei nicht bereits normative Urteile eingehen, die erst gewonnen werden sollen. Wird dabei nicht Eigeninteresse und Gesamtinteresse durcheinandergebracht?

*VIII-45*
Inwiefern geh�ren moralische Motive zum Interesse eines Individuums? Wenn zum Beispiel in die Bewertung einer Alternative durch ein Individuum bereits dessen Beurteilung der Alternative als normativ akzeptabel oder nicht akzeptabel eingeht, so h�ngt die kollektive normative Beurteilung der Alternative von ihrer faktischen � m�glicherweise falschen � Beurteilung durch die Individuen ab. Ist das problematisch?
Ist das eine Parallele zur "self-fulfilling prophecy" in der Empirie, wo die Richtigkeit einer Prognose von den faktischen Prognosen der Individuen abh�ngt, die m�glicherweise falsch sind.

*VIII-46*
Bei generellen Normen werden nicht die realen Individuen und ihre Verhältnisse durchgespielt, sondern es werden - eher kasuistisch - bestimmte durchschnittliche F�lle (in Bezug auf Lebensbedingungen und Bed�rfnisstrukturen) durchgespielt (oder auch Extremf�lle). Die generellen Normen werden an Modellen der Wirklichkeit entwickelt.

*VIII-47*
Solidarit�t:" ich w�nsche, dass alle deine W�nsche in Erf�llung gehen" (Interdependenz?)

*VIII-48*
Was ist, wenn jemand die Interessen anderer tats�chlich zu seinen eigenen gemacht hat? Geht dies dann in sein Interesse ein? Wenn ja, wird er dadurch benachteiligt? Werden die anderen, deren Interessen er internalisiert hat, dabei bevorteilt? Im Falle solidarischen Motivation besteht sozial gesehen der Vorzug, dass die individuellen Einzelinteressen nicht so stark auseinanderklaffen, dass sie st�rker konvergieren. Damit ist auch der nutzenm��ige Abstand zwischen Gesamtinteresse und Einzelinteressen nicht mehr so gro�, wodurch die Normbefolgung und -realisierung erleichtert wird.

*VIII-49*
Zur Zirkularit�t bei Mehrheitsentscheidungen:
Einer der Mechanismen, die ein Gleichgewicht schaffen, besteht in den Kosten der �nderung der Entscheidung. Das sind gewisserma�en Reibungskr�fte, die zu Stabilit�t f�hren. (Siehe dazu WINCH). Das andere sind taktische überlegungen, vor allem bei teilweiser Personalunion der Koalitionen und Abstimmungsregeln, die einmal unterlegene Alternativen von der erneuten Abstimmung ausschlie�en.

*VIII-50*
Das Differenzprinzip von RAWLS.
Bezugspunkt ist die Ausstattung der Individuen mit prim�ren G�tern. Weiterhin geht es nicht um bestimmte einzelne Individuen, sondern um repr�sentative Individuen, d.h. es m�ssen Gruppen der am schlechtesten gestellten Individuen gebildet werden. Es wäre dann diejenige Alternative zu w�hlen, die ein repr�sentatives Individuum der am schlechtesten gestellten Gruppe am besten stellt. Dabei darf allerdings keine andere Gruppe zur schlechtesten werden.

In gewisser Weise wird dabei jedes Nutzenkalk�l umgangen. Eigentlich aber nur scheinbar, denn die prim�ren G�ter sind ja nicht homogen, es handelt sich zumindest um Reichtum und Macht (weitere? Status, Selbstachtung?) Um zu entscheiden, welche Gruppe am schlechtesten ausgestattet ist und welche Alternative wiederum diese Gruppe am besten stellt, braucht man einen Nutzenindex, der die heterogenen prim�ren G�ter zu einer Dimension des "besser oder schlechter gestellt Seins" zusammenfasst.
*VIII-51*
Wenn das Differenzprinzip in Bezug auf G�ter formuliert wird, so ist der Bezug zu Nutzenkalkulationen unklar. Es k�nnte sein, dass die Maximierung der Ausstattung der am schlechtesten ausgestatteten Gruppe mit der Maximierung des Gesamtnutzens zusammenf�llt. Einmal versuchen, hier den Zusammenhang zu klären: bestimmte Nutzenfunktionen für die prim�ren G�ter annehmen und die Sache einmal durchspielen.

*VIII-52*
Die quadratischen Nutzenfunktionen von NASH, SIMON? auf Brauchbarkeit untersuchen.

*VIII-53*
Was sollen "Indifferenzkurven (Bild RAWLS: A Theory � S. 76) gleicher Gerechtigkeit" bedeuten? Sie beziehen sich auf die Ausstattung der schlechter gestellten Individuen mit prim�ren G�tern. Wie kann man in einen solchen G�terraum Nutzenfunktionen einzeichnen?
Wie wäre es, wenn man diese Indifferenzkurven nutzenm��ig interpretiert? Das Ganze wirkt dann ungerecht, denn R1 und R2 wären miteinander gleichwertig. Aber solche Nutzenverteilungen sind v�llig unanschaulich. Insgeheim identifiziert man sie doch wieder mit G�terverteilungen. Das mag �brigens der Vorteil der Rawlsschen Kriterien sein, dass G�terverteilungen im Unterschied zu Nutzenverteilungen unmittelbar anschaulich und messbar sind.

*VIII-54*
Die gro�e Schw�che der Gesamtnutzenkonzeption besteht darin, dass sehr schwer feststellbar ist, wie die Nutzenverteilungen tats�chlich sind. Man kann deshalb immer erst einmal behaupten, eine bestimmte Alternative f�hre zum maximalen Gesamtnutzen, da das Gegenteil schwer zu beweisen ist. Insofern besteht hier die Gefahr aller Leerformeltheorien: zur Apologetik beliebiger Systeme missbrauchbar zu sein. Aus diesem Grund muss die Nutzenmessung noch verbessert werden.

*VIII-55*
Das Verhältnis zwischen G�terausstattung und Nutzenverteilung vielleicht einmal an einem Beispiel veranschaulichen (zum Beispiel stark sinkender Grenznutzen), um zu veranschaulichen, warum eine Differenz in den Nutzenniveaus gerechtfertigt sein kann. Einmal fragen: Unter welchen Bedingungen f�llt das Differenzprinzip mit dem Kriterium des gr��ten Gesamtnutzens zusammen? Wie m�ssen die Nutzenfunktionen in Bezug auf die prim�ren G�ter beschaffen sein, um zu den gleichen Ergebnissen wie das Differenzprinzip zu f�hren? Es muss jede Verbesserung der G�terausstattung der am schlechtesten Gestellten einen gr��eren Nutzen erbringen als irgendeine Verbesserung der G�terausstattung der besser Gestellten, d.h. dass die Verteilung selber für die Individuen zum herausragenden Wert wird.

*VIII-56*
Unterscheiden zwischen der Entscheidung über die G�ltigkeit einer Norm und über die Verbindlichkeit einer Norm. Die erste Entscheidung ist handlungsentlastet, die andere nicht. (dazu Habermas vergleichen, der Handlungsentlastung für den Diskurs fordert.) Wenn man in einem Kollektiv zu einheitlichem Handeln kommen will, muss man irgendwann eine Entscheidung über die zu w�hlende Norm treffen. Diese Norm ist dann handlungsverpflichtend, selbst wenn sie unter Handlungs- bzw. Zeitdruck sehr grob und angesichts von Ungewissheiten entschieden wurde. Es bedarf dann eines gesonderten Verfahrens, um diese Norm für das Kollektiv verbindlich zu setzen oder zu revidieren. Hier wird immer nur über Verbindlichkeit entschieden. Die G�ltigkeit verbindlicher Normen kann immer problematisiert werden und sollte den Ansto� geben zur Neubestimmung der als verbindlich geltenden Norm.

*VIII-57*
Kann man davon ausgehen, dass die Individuen von der Entscheidung über ein umfassendes Alternativen-B�ndel gleichm��iger betroffen sind als von den Entscheidungen über alle Einzelalternativen?

*VIII-58*
Einige Aspekte wäre noch zu erg�nzen: Erziehung � Menschenbild � Kontrolle � Sanktionierung � Rechtsprechung etc. Alles gro�e Gebiete, die in eine normative Theorie einzuarbeiten wären.

*VIII-59*
Unter welchen Annahmen f�hren das relative und das absolute Mehrheitsprinzip zu den gleichen Ergebnissen wie das Condorcet-Kriterium? Wenn eine absolute Mehrheit der Individuen die Alternative x als die beste ansieht, so bekommt x die absolute Mehrheit bei einmaliger Abstimmung und auch eine Mehrheit bei allen paarweisen Abstimmungen. Hier f�llt beides zusammen.

*VIII-60*
Wie ist es, wenn eine Alternative y aus taktischen Erw�gungen von einer absoluten Mehrheit der Individuen gew�hlt wird, um die Wahl einer für sie schlechteren Alternativen zu verhindern? Wenn die Individuen bei der Abstimmung die für sie vorteilhaftes Alternative durchsetzen wollen und entsprechende Mehrheits-Koalitionen bilden, so bedeutet die Erf�llung des Condorcet-Kriteriums durch eine Alternative m, dass keine andere Alternative von mehr als der H�lfte der Individuen gegenüber m vorgezogen wird, denn bei paarweiser Abstimmung muss m als Mehrheitsalternative immer mehr als die H�lfte der Stimmen erhalten. (von Indifferenz, Stimmenthaltung und m�glicher Stimmengleichheit einmal abgesehen).

*VIII-61*
Die Frage ist, ob m immer die absolute Mehrheit bekommen muss. (Hier spielt der Status quo eine Rolle. Es sei angenommen, dass er als eine der Alternativen mit dem Namen "sq" bereits erfasst ist.) Wenn eine Status-Quo-Klausel gilt, so zieht bei paarweiser Abstimmung eine Mehrheit m gegenüber sq vor. Bevor also überhaupt keine Alternative eine absolute Mehrheit der Stimmen bekommt und somit sq gew�hlt wird, handeln diese Individuen rational, indem sie eine Mehrheitskoalition auf der Basis m bilden. ähnliches gilt bei allen anderen Alternativen. Damit steht fest: Jede Mehrheitsalternative (d.h. jeder Condorcet-Sieger) erf�llt auch das Kriterium der absoluten Mehrheit.

Erf�llt umgekehrt auch jede Alternative m, die die absolute Mehrheit bekommt, das Condor-Kriterium? Offenbar ja, denn wenn eine Alternative die absolute Mehrheit gegenüber allen anderen Alternativen erh�lt, so muss sie auch die Mehrheit gegenüber jeder einzelnen Alternative erhalten.

*VIII-62*
Wann siegt eine Alternative x im absoluten Mehrheitssystem? Wenn x gleichzeitig für mehr als die H�lfte aller Individuen besser ist als alle anderen Alternativen, d.h. wenn x für mehr als die H�lfte aller Individuen die Spitzenalternative ist.

Frage:Gilt auch: "x gewinnt im absoluten Mehrheitssystem, wenn x gleichzeitig für mehr als die H�lfte der Individuen besser ist als irgendeine andere Alternative (einschlie�lich des Status quo)"?

Gewinnt x also im absoluten Mehrheitssystem, wenn gleichzeitig mehr als die H�lfte aller Individuen die Alternative x besser finden als jede einzelne andere Alternative einschlie�lich des Status quo?

Kann dies Kriterium gleichzeitig von mehreren Alternativen erf�llt werden? Wohl nicht, denn dieselbe Mehrheit kann nicht x besser finden als jede der anderen Alternativen und zugleich eine andere Alternative besser finden als x. Folglich muss es eine andere Mehrheit sein.

(Notizen zu zirkul�ren Ergebnissen weggelassen)

*VIII-63*
Die Mehrheitsalternative ist nur dann zugleich diejenige Alternative mit dem gr��ten Gesamtnutzen, wenn gilt, dass sie für ihre Befürworter einen mindestens ebenso gro�en durchschnittlichen individuellen Nutzen hat, wie irgendeine andere Alternative für deren Befürworter.

(Zwei Tabellen weggelassen)

*VIII-64*
Die Mehrheitsalternative wird gegenüber jeder anderen Alternative einschlie�lich des Status quo von mehr Individuen vorgezogen bzw. Jede andere Alternative wird gegenüber der Mehrheitsalternative von weniger Individuen gewollt.

*VIII-65*
Der Gesamtnutzen der Mehrheitsalternative ist gr��er als der Gesamtnutzen jeder anderen Alternative, wenn die durchschnittliche positive Nutzendifferenz zwischen der Mehrheitsalternative m und jeder anderen Alternative bei den Befürwortern der Mehrheitsalternative gr��er ist als die durchschnittliche positive Nutzendifferenz zwischen irgendeiner Alternative und der Mehrheitsalternative m.

Oder anders ausgedr�ckt: Die Mehrheitsalternative m verk�rpert den gr��ten Gesamtnutzen, wenn die durchschnittliche absolute Nutzendifferenz zwischen der Mehrheitsalternative m und der Alternative x bei den Befürwortern von m mindestens genauso gro� ist wie bei den Befürwortern von x; denn die Befürworter von m sind zahlreicher als die Befürworter von x.

Je gr��er die zahlenm��ige überlegenheit der Befürworter von m ist, desto kleiner kann die Nutzendifferenz der Befürworter von m gegenüber der Nutzendifferenz der Befürworter von x sein. Aus diesem Grund steigt auch der Legitimationsgrad der im Mehrheitsentscheid Siegenden mit der zahlenm��igen überlegenheit der Stimmen von m gegenüber den �brigen Alternativen bzw. gegenüber der zweitbesten Alternative ist.

*VIII-66*
Man k�nnte versuchen, dies zu erzwingen durch die Forderung, dass m mit einem gr��eren Prozentsatz als 50% +1 siegen muss ( zum Beispiel 2/3 oder 4/5 Mehrheit oder mit 100 %). Das Letztere wäre das Pareto Optimum). Aber damit steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass überhaupt keine Alternative das Kriterium erf�llt.

*VIII-67*
Wenn man eine Status-Quo-Klausel einf�hrt, entsteht die konservative Schlagseite, die bereits bei der Pareto-Regel diskutiert wurde. Wenn man Erweiterungsregeln einf�hrt, wie z. B. dass alle nicht dominierten Punkte gleichwertig sind (die Pareto extension rule), so ergeben sich eine Vielzahl von Gleichgewichtspunkten bzw. kollektiven Optima. Und da der Status quo immer eines dieser Optima ist, sofern nach der Regel verfahren wird, so l�uft die Erweiterungsregel auf die Anwendung der Status-quo-Klausel hinaus.

*VIII-68*
Bei der relativen Mehrheitsregel hat die Status-quo-Klausel nur die Funktion, die Individuen zu Koalitionen auf der Grundlage der Mehrheitsalternative zu zwingen. Der Status quo kann sich nicht durchsetzen, wenn er nicht selber Mehrheitsalternative ist bzw. wenn es keine Mehrheitsalternative gibt und der Status quo zu den nicht dominierten Punkten geh�rt (bzw. bei zyklischer Dominanz zum Zyklus geh�rt.)

*VIII-69*
Beim Fehlen einer Mehrheitsalternative m�ssten die Nutzendifferenzen herangezogen werden.

(Tabelle ausgelassen)

*VIII-70*
Findet dies beim realen Koalitionsprozess statt? Unter der Annahme, dass dasjenige Individuum am ehesten bereit ist, für seine zweitbeste Alternative zu stimmen, dessen Nutzendifferenz zwischen zweiter und dritter Alternative sehr viel gr��er ist als zwischen erster und zweiter Alternative bzw. dessen Differenz im Verhältnis zu den andern am gr��ten ist. (Wobei es sich erst mal nur um subjektive nicht um interpersonale Nutzendifferenzen handelt.)

Warum f�hrt die absolute Mehrheitsregel immer zur Auswahl der Mehrheitsalternative, sofern eine solche vorhanden ist? Was hei�t "absolute Mehrheit"? Mehr als 50 % der Individuen m�ssen für x stimmen, d.h. mehr als die H�lfte der Individuen m�ssen x gegenüber jeder anderen Alternative vorziehen (deshalb muss x bei mehr als 50 % der Individuen h�her in der Rangordnung stehen als irgendeine andere Alternative y) Die Mehrheitsalternative muss ebenfalls von einer Mehrheit der Individuen gegenüber jeder anderen Alternative vorgezogen werden.

(mehrere Tabellen ausgelassen)

*VIII-71*
Kann man allgemein beweisen, dass unter der Voraussetzung, dass jedes Individuum die für sich vorteilhafteste Abstimmungsvereinbarung anstrebt, immer eine vorhandene Mehrheitsalternative gew�hlt werden muss, sofern das Verfahren allen Individuen gleiches Gewicht gibt?

Beweisf�hrung: Wenn eine andere Alternative x anstatt der Mehrheitsalternative m siegt, so können nicht alle Individuen die für sie vorteilhafte Abstimmungsvereinbarung eingegangen sein. Denn es gibt ja mehr Individuen, die m gegenüber x vorziehen, als Individuen, die x gegenüber vorziehen.
Wenn jedoch alle Individuen gleiches Gewicht haben und gleichen Einfluss auf die Entscheidung haben, so können die Anh�nger von m einen gr��eren Einfluss auf die Entscheidung aus�ben als die Anh�nger von x, da sie eine gr��ere Anzahl darstellen Sie können also gegenüber x eine Gewinnkoalition auf der Grundlage m bilden.

(Dabei d�rfen natürlich auch keine anderen Entscheidungsmechanismen angewandt werden wie z. B. Zufallsverfahren, die nicht nur auf den individuellen Pr�ferenzen beruhen sondern auch auf Zufall. .p.s.)

*VIII-72*
Ich muss noch einmal genauer klären, wann Individuen" gleiches Gewicht" bei der Entscheidung haben. (Bei der paarweisen Abstimmungen, da jeder bei jeder Entscheidung Abstimmung eine Stimme hat; beim relativen und absoluten Mehrheitsprinzip; bei der Rangplatzmethode, da jeder nach bestimmten Regeln die gleiche Punktzahl vergeben kann, beim Punkteverfahren, da ebenfalls jeder die gleiche Punktzahl frei vergeben kann.)

*VIII-73*
Wie ist es bei qualifizierten Mehrheitsregeln 2/3 Mehrheit oder � Mehrheit oder Einstimmigkeit? Auch bei diesen Regeln haben alle Individuen gleichen Einfluss und auch bei diesen Regeln muss die gew�hlt Alternative zugleich die Mehrheitsalternative sein.
Anders ist es jedoch bei Einf�hrung einer Status-quo-Klausel, also bei Veto-Regeln bzw. Sperrminorit�ten, da hier im Falle des Status quo die gew�hlte Alternative von der entsprechenden Anzahl (1 Individuum, 1/4 oder 2/3 oder �) der Individuen gegenüber jeder anderen vorgezogen werden muss.

*VIII-74*
Wann kann man sagen, dass die Individuen gleichen Einfluss auf die kollektive Entscheidung haben?

Wenn die Bedingungen der Anonymit�t und der Neutralit�t erf�llt sind? (SEN 78 ff.)
Anonymit�t bedeutet: Es ist egal, von welchem Individuum welche Pr�ferenz ge�u�ert wird (Vertauschung der Individuen)
Neutralit�t bedeutet: Keine Alternative wird bevorzugt. Bei gleichzeitiger Stellung in den Pr�ferenzen gleiches Ergebnis (Vertauschung der Alternativen).
Direkter formuliert:
Sofern mehrere Abstimmungen erforderlich sind, m�ssen alle Individuen an allen Abstimmungen beteiligt sein; bei jeder Abstimmung m�ssen alle Individuen eine gleiche Stimmen- bzw. Punktezahl zu vergeben haben. (d. h. Normalisierung der Ergebnisse), die dann addiert werden.

*VIII-75*
Bei qualifizierten Mehrheiten (mehr als absolut) mit Status-quo-Klausel haben diejenigen Individuen, die den Status quo befürworten, gr��eres Gewicht und ben�tigen nur eine Sperrminorit�t, w�hrend die �brigen Individuen zum Teil dreimal so viele Stimmen zur Durchsetzung ihrer Spitzenalternative ben�tigen.

*VIII-76*
Sind Globalkoalitionen über alle Entscheidungen bei rationaler Koalitionsbildung immer zu erwarten und zwar auf der Basis der Mehrheitsalternative (falls sie vorhanden ist)? Folgt das aus dem allgemeinen �quivalenztheorem?

*VIII-77*
Wenn sich keine Globalkoalitionen über alle Entscheidungen bilden, sondern zum Beispiel zwei Mehrheitskoalitionen mit unterschiedlicher Zusammensetzung, so können sich nur diejenigen Individuen durchsetzen, die sowohl in Koalition 1 wie in Koalition 2 sind. Die �brigen geh�ren zumindest bei einem Teil der Entscheidungen zu den Verlierern. Die Frage ist, ob es für sie nicht besser wäre, nach Koalitionen zu suchen, die sich auf alle Entscheidungen erstrecken.

(2 Tabellen ausgelassen)

*VIII-78*
Normensysteme sollen nicht nur zu Entscheidungen f�hren. Sie sollen auch die Durchf�hrung dieser Entscheidung kontrollieren. Wie ist das beim Markt und beim Mehrheitssystem? Bisher habe ich ja nur gefragt, ob -die gefüllten Entscheidungen eine Maximierung des Gesamtnutzens bringen, aber nicht, ob die Entscheidungen auch durchgesetzt und kontrolliert werden.

Zum Markt: Wie kontrolliert er die von den Eigent�mern gefüllten Entscheidungen? Beim Tausch werden die betreffenden G�ter h�ufig unmittelbar übergeben. Damit ist die vertraglich gesetzte Norm bereits realisiert. Sofern es sich um eine simultane wechselseitige übergabe handelt, hat jeder das Motiv, seine Leistung zu erbringen, um die Leistung des anderen zu erhalten. Es existiert also bei beiden ein Motiv zur Realisierung der vertraglichen Vereinbarung.

Wenn der Leistungsaustausch nicht simultan ist sondern zeitlich verschoben, so hat derjenige, der als erster die Leistung des anderen empfangen hat, kein Motiv mehr, die eigene Leistung auch noch zu erbringen. Es bedarf deshalb der Sanktionierung bei einer Nichteinhaltung des Vertrages.

Wo es sich um die übergabe von G�tern handelt, ist es noch relativ einfach, die vereinbarten Leistungen zu beschreiben. Es muss nur Art und Zeit sowie die empirische Beschaffenheit der G�ter vereinbart werden.

Schwieriger ist es schon bei Dienstleistungen, die in der Ausf�hrung bestimmter T�tigkeiten bestehen. Sofern es sich um die Herstellung bestimmter Produkte für den Vertragspartner handelt, ist es eine Art Werkvertrag. Die Lage ist hier ähnlich wie beim G�tertausch. Aber sofern es nur Dienste oder T�tigkeiten sind, die kein direkt sichtbares Produkt hinterlassen wie etwa eine Bedienung im Laden oder Restaurant, so ist es schon schwieriger, die Leistung zu beschreiben und ihre Erbringung zu kontrollieren. (Wie findet die Kontrolle bei Arbeitsvertrag oder Mehrheitsprinzip statt?)

*VIII-79*
Ist der Satz: "Diese Aussage ist wahr" eine Tatsachenfeststellung? Der Satz selber ist keine Tatsachenfeststellung. Der Satz n e n n t die Eigenschaft einer Tatsachenfeststellung. Der Satz geh�rt deshalb der Metasprache an.

*VIII-80*
Die G�ltigkeit einer Norm setzt die Existenz einer Norm nicht voraus und impliziert noch nicht Verbindlichkeit. Auch die Existenz einer Norm impliziert noch nicht Verbindlichkeit, es wird damit nur der Anspruch auf Verbindlichkeit erhoben. Erst G�ltigkeit und Existenz einer Norm zusammen implizieren deren Verbindlichkeit. Allerdings lässt sich die G�ltigkeit nie "end-g�ltig" feststellen, es gibt deshalb Entscheidungsverfahren, die jedenfalls vorl�ufig kollektiv verbindlich die G�ltigkeit von Normen festlegen. (p.s. besser: �Entscheidungsverfahren, die Normen zumindest vorl�ufig als verbindlich festlegen.)

*VIII-81*
Begr�ndung des IG (Intersubjektivit�tsgebotes)
1.
Ausgangspunkt ist ein Streit um Normen. (Oder kann auch der monologische Zweifel Ausgangspunkt sein?) Ohne die Existenz einer derartigen Problemlage braucht man sich um die Begr�ndbarkeit von Normen keine Gedanken zu machen.
2.
Gesucht ist eine Entscheidung in diesem Streit, d.h. es soll entschieden werden, welche Norm existieren und somit gelten soll.
3.
Diese Entscheidung kann im Prinzip auf zweierlei Wegen herbeigef�hrt werden: durch Gewalt oder durch Vernunftgr�nde.
4.
Dass ein Streit um Normen durch die Anwendung von Gewalt entschieden werden kann, ist offensichtlich. Gesucht wird dagegen nach einer gewaltfreien, vern�nftigen Entscheidung im Streit um Normen.
5.
Die Entscheidung in einem Streit setzt die Herstellung eines Konsens (übereinstimmung) der Streitenden voraus. Solange kein Konsens besteht und die Individuen miteinander unvereinbare Normen vertreten, ist der Streit noch nicht beendet.
6.
Es ist also ohne Gewalt und allein mit Mitteln der Vernunft ein Konsens über Normen herzustellen. (Dies ist das IG: "Strebe nach g�ltigen Normen, d.h. nach Normen, die eines vern�nftigen Konsens f�hig sind.) (p.s. besser: �, über die ein vern�nftiger Konsens m�glich ist.)

*VIII-73*
Alternative Formulierung:
1. Ausgangspunkt ist ein Streit um Normen. (Ohne diese Problemlage entf�llt jede Problematik der Begr�ndbarkeit von Normen.)
2. Angestrebt ist eine Beendigung des Streites um Normen. (p.s.: es soll entschieden werden, welche Norm existieren soll.)
3. ein Streit wird beendet durch die übereinstimmung (den Konsens) der Streitenden.
4. Angestrebt ist ein Konsens über Normen.
5. Die übereinstimmung bedeutet die Zustimmung aller Individuen zu denselben Normen.
6. Diese Zustimmung kann von den Individuen auf zweierlei Art erreicht werden:
a. Indem man sie durch Gewalt (Zwang oder Sanktionen) zur Zustimmung motiviert;
b. Indem man sie durch Vernunftgr�nde (Argumente) überzeugt.

7. Angestrebt ist ein Konsens über Normen, der durch Argumente erzielt wird.
8. Argumente (Gr�nde) sind solche gedanklichen Inhalte, bei denen die Wirkung auf das Urteil des Adressaten deren Anerkennung als richtig voraussetzt. (Gegenüber Argumenten hat das Individuum die Freiheit "nein" zu sagen und damit deren Einfluss auf das eigene Denken und Tun aufzuheben. Dies ist bei Drohungen (Manipulationen, Suggestionen, Versprechungen, überredungen, Zwangandrohungen und Zwanganwendungen etc.) nicht m�glich. Sie wirken auf den Adressaten motivierend trotz deren Ablehnung als falsch.
9. Gegenüber jemandem, der selber keinen argumentativen Konsens anstrebt sondern den Konsens mit Formen der Gewalt herstellen will, ist eine Argumentation sinnlos. Gegen Gewalt helfen keine Argumente. Dagegen sind andere Mittel n�tig.

*VIII-74*
Zu selbst-zerst�rerischen Normen wie: "Versprechen braucht man nicht zu halten".
Wo liegt der Trick? Aus solchen "Normen" ergibt sich, dass Normverletzungen nicht bestraft werden sollen. Aber ohne Sanktionen kann keine Norm existieren. Normen, die Sanktionen verbieten, machen damit die Existenz dieser Normen unm�glich. Ein Versprechen, das nicht eingehalten werden muss, ist kein Versprechen. Ein Versprechen, dessen Einhaltung nicht sanktioniert wird, verhindert die Existenz der normsetzenden Institution "Vertrag".

*VIII-75*
Man muss unterscheiden zwischen prinzipieller G�ltigkeit und vorl�ufiger G�ltigkeit, die bei einer tats�chlichen Entscheidung für die Einf�hrung oder Beibehaltung einer Norm angenommen wird. Im letzteren Fall erfolgt die Entscheidung unter Handlungsdruck, im ersteren Fall nicht. (?) (ähnlich HABERMAS "Theorie und Praxis", S. 26) Analog gibt es in der empirischen Wissenschaft zum einen die prinzipielle Wahrheitssuche und zum andern die Entscheidung zwischen zwei konkurrierenden Hypothesen (siehe auch OPP über statistische Hypothesen-Tests. Welche Hypothese ist "wahrer"?)

*VIII-76*
Das Konzept des "Eigeninteresses" klären. Dazu Russell in Birnbacher/Hoerster.

*VIII-77*
Was unterscheidet Vernunftgr�nde (Argumente) von Beweggr�nden (Motiven)?
1. Argumente können vom Individuum im Prinzip als falsch abgelehnt werden. Das Individuum hat die Freiheit,"nein" zu sagen. In diesem Fall verschwindet ihre motivierende Kraft. Argumente enthalten keine Gewalt. Sie wirken nur motivierend, wenn sie vom betreffenden Individuum frei und bewusst bejaht werden. Insofern beinhalten Argumente auch keine manipulative Umgehung der kritischen Instanz in der Person.
Spielt auch die Allgemeinheit der Adressierung eine Rolle? M�ssen Argumente "universal" formuliert sein? Wenn nicht, dann wären auch überredungen Argumente. Zum Beispiel k�nnten Appelle ans Eigeninteresse moralische Argumente sein (und Appelle an Wahnvorstellungen k�nnten empirische Argumente sein)

*VIII-78*
"Sollen" kommt von "wollen".

*VIII-79*
Wenn zur Bestimmung des Gesamtinteresses die individuellen Interessen ermittelt werden, so geschieht das in bedingter Form. Die Individuen werden gefragt: "Wie h�ttest Du es am liebsten (wenn es nur nach dir ginge, wenn es nur auf dich ank�me)?" Insofern dieser Vorbehalt gilt, widersprechen sich die individuellen Interessen auch nicht.

*VIII-80*
Dr�ckt eine Norm einen Willen aus? Oder stellt sie ihn nur fest? Wo liegt der Unterschied zwischen dem Ausdruck eines Willens und der Beschreibung eines Willens? Ist der Satz: "Ich will, dass Du die T�r schlie�t" eine Beschreibung des eigenen Willens des Sprechers oder Ausdruck seines Willens?

*VIII-81*
Eine Norm dr�ckt einen Willensinhalt aus, unabh�ngig von der Person ihres Tr�gers. Normen dr�cken aus, was gewollt wird, unabh�ngig davon, wer dies will. (p.s.: das fehlende Subjekt des Wollens ist das Kollektiv bzw. die Allgemeinheit.)

*VIII-82*
Warum darf man zwei empirisch identische Objekte nicht unterschiedlich bewerten? Weil Wertungen immer eine Relation zwischen einem Subjekt und einem Objekt darstellen. Wenn die beiden Objekte unterschiedslos sind, so muss auch deren Relation zum Subjekt unterschiedslos sein. (Dies ist aber kein formallogischer Widerspruch.)

*VIII-83*
Zu Rawls:
Zur Revision der Vertragstheorie durch eine "original position", bei der die Individuen ihre zuk�nftige Lage, ihre Pr�ferenzen, F�higkeiten, Eigentumsbereiche etc. nicht kennen. Aber was kann dann überhaupt die Grundlage einer Entscheidung (zwischen verschiedenen Gesellschaftsordnungen) sein?

*VIII-84*
Zum "difference principle". Wenn es hei�t: "Maximiere das Nutzenniveau (die Ausstattung des am Schlechtesten gestellten mit prim�ren G�tern) sofern dabei zugleich das Nutzenniveau aller �brigen erh�ht wird", so l�uft das Ganze auf das Paretoprinzip hinaus. ("Verbesserungen sind Vorteile für jeden gegenüber dem Status quo").

*VIII-85*

Wenn es hei�t: "Maximiere das Nutzenniveau eines Individuums, sofern auch das Nutzenniveau aller vergleichsweise schlechter gestellten Individuen erh�ht wird!", so ist das eine Abschw�chung gegenüber dem Paretokriterium, insofern die jeweils besser Gestellten ruhig im Vergleich zum Status quo schlechter gestellt werden d�rfen. (Ist das "chain connection" ?) Verbesserungen im Verhältnis wozu? Zum Status v�lliger Gleichheit? (Wie kann man sich diesen Status vorstellen?)

Nun sind Ungleichheiten zul�ssig, wenn durch die Ver�nderung alle besser gestellt werden (paretianisch, da alle gleich und damit jeder der schlechtest Gestellte ist). Wenn jetzt Ungleichheiten etabliert sind, gilt das andere Prinzip mit der Bedingung einer "chain connection", (Verbesserungen sind zul�ssig, sofern sie auch für alle schlechter Gestellten gelten.)

Aber was ist, wenn das schlechtest gestellte Individuum um 1 Einheit und die andern um 1.000 Einheiten besser gestellt werden? Ungleichheit kann hier ja nicht mehr bewertet werden, da Besserstellungen nicht in Nutzen sondern naturalen G�termengen gemessen werden. Wenn sie in Nutzeneinheiten vorgenommen werden, dann darf die Nutzeneinbu�e der schlechter Gestellten nicht gr��er sein als der Nutzenzuwachs der schlechter Gestellten (nach "utilitaristischen Kriterien")

*VIII-86*
Ist das Maximinprinzip im Sinne der schlechtest Gestellten? Nur wenn gilt: Wenn ich in jeder Gesellschaft der schlechtest Gestellte wäre, wäre für mich das Maximin-Prinzip das Vorteilhafteste. Dies kann aber unm�glich für alle zutreffen.

*VIII-87*
RAWLS versucht (wie in der Vertragstheorie) die Normen der Gerechtigkeit auf den Willen eigeninteressierter (rationaler) Individuen zu gr�nden - wenn auch hinter dem Schleier der Unwissenheit. Das Maximinprinzip ist nicht im Interesse des in einer bestimmten Gesellschaft schlechtest Gestellten, denn es gibt alternative Gesellschaftsordnungen, in denen er pers�nlich besser gestellt ist (allerdings wären andere dort noch schlechter gestellt.)

*VIII-88*
HOBBES formuliert eine "allgemeine Regel der Vernunft": "Jedermann hat sich um Frieden zu bem�hen, solange dazu Hoffnung besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges verschaffen und sie benutzen."
" Suche den Frieden und halte ihn ein."
" Wir sind befugt uns mit allen zur Verf�gung stehenden Mitteln zu verteidigen."

*VIII-89*
Der Begriff "Bedingungen der Argumentation" ist mehrdeutig. Gemeint sind ja nicht die empirischen Bedingungen wie die, dass ich zu essen habe und leben kann, um dann auch argumentieren zu können. Gemeint sind Handlungen bzw. Redenormen, die vorausgesetzt werden m�ssen, wenn eine gewaltlose Einigung m�glich sein soll. (Wer die gewaltlose Einigung nicht anstrebt, kann sich selber nicht mehr auf Vernunft berufen. Er kann überhaupt keine Gr�nde liefern. Er scheidet aus dem Reich der Vernunft aus.)

*VIII-90*
Jemand mag das Intersubjektivit�tsgebot verletzen. Wird er dadurch aber auch schon vogelfrei? Offensichtlich gibt es hier auch so etwas wie die "Verhältnism��igkeit der Mittel". Au�erdem: Zwar kann er mir keine Vorw�rfe machen, wenn ich gegen ihn beliebige Gewalt anwende, aber Dritte können das mir gegenüber, die das Intersubjektivit�tsgebot akzeptieren. Insofern bleibe ich auch gegenüber denjenigen, die das Intersubjektivit�tsgebot nicht anerkennen, an die als g�ltig erachtete Norm gebunden. Dadurch, dass die Argumentation mit ihm abgebrochen ist, ist sie nicht allgemein zusammengebrochen. Ich habe unter Umst�nden auch ein Interesse daran, dass sie nicht allgemein zusammenbricht.

Habe ich auch eine Verpflichtung, dafür zu sorgen? HOBBES sagt auch nur, dass man dann, wenn man nicht auf Frieden hoffen kann, alle Mittel des Krieges zu seiner Verteidigung (!) benutzen darf. Wenn man jetzt von sich aus in Verfolgung des Eigeninteresses den Dschungelkampf f�hrt, so strebt man nicht mehr selber die vern�nftige Einigung an. Man muss jedoch jederzeit selber bereit sein, die abgebrochene Argumentation wieder aufzunehmen. Ist man auch verpflichtet, gewisserma�en kommissarisch das Interesse dessen zu ber�cksichtigen, der sich selber au�erhalb des Rahmens einer vern�nftigen Einigung stellt?
*VIII-91*
Verteidigt man gegen die Feinde der Vernunft nur sich selbst oder auch die Vernunft? Im letzteren Fall g�be man bei Vogelfreiheit das auf, was man doch verteidigen will. Frage: Wo h�rt die Verteidigung auf und wo f�ngt der Angriff an?
*VIII-92*
Wenn ich mich selber unter das Gebot der Vernunft stelle, so ist damit auch erforderlich, dass ich alles unternehme, um den andern zur�ck zur Argumentation zu bringen. Dazu kann unter Umst�nden geh�ren, dass ich mich selber einseitig weiter rein argumentativ verhalte.

*VIII-93*
Schwemmer fordert, dass die Individuen ihre miteinander unvertr�glichen Begehrungen in miteinander vertr�gliche transformieren. Aber eine Ver�nderung der individuellen Interessen ist nicht erforderlich, nur eine Akzeptierung des Gesamtinteresses als Richtung gebend. Jeder kann weiterhin individuelle Interessen haben, die mit dem Gesamtinteresse unvereinbar sind. (Diese treten allerdings bei der Durchsetzung des Gesamtinteresses st�rend auf und werden deshalb in der moralischen Erziehung bek�mpft.)*
VIII-94*
Individuelle Interessen m�ssen analog zu individuellen Wahrnehmungen intersubjektiv und intertemporal nachvollziehbar sein. (Das ist ein "starkes" Kriterium.) Nur dann können sie Grundlage des Gesamtinteresses bzw. der Gesamtwahrnehmung sein. Den Gedanken weiter ausarbeiten, dass individuelle Interessen, die im Gesamtinteresse ber�cksichtigt werden sollen, intersubjektiv nachvollziehbar sein m�ssen (analog zur Wahrnehmung in der Empirie.)

*VIII-95*
Wenn die aktuellen Interessen zum Ausgangspunkt genommen werden, so kann jemand vollendete Tatsachen mit neuen Interessen schaffen, zum Beispiel Vertreibung einer Bev�lkerung mit sofortiger Neubesiedlung. Hier z�hlen dann "übergeordnete Interessen", die nicht nur den jetzigen
Fall sondern auch zuk�nftige F�lle betreffen.
*VIII-96*
Inwiefern besteht Vernunft weiter, auch wenn sie von andern negiert wird? Ich mag konkret gegenüber jemandem die Argumentation abbrechen, weil er das Intersubjektivit�tsgebot nicht anerkennt. Aber herrscht damit schon der Naturzustand? Oder herrscht er nur im Verhältnis zu demjenigen, der das Intersubjektivit�tsgebot nicht anerkennt? Trotzdem bleibt der andere Mitglied der Gemeinschaft, B�rger, auch wenn er bestraft wird.

*VIII-97*
Gegen die funktionalistische, pauschale Rechtfertigung: "Jeder Staat muss sich vor seinen Feinden sch�tzen!" Die Frage ist ja, ob ein bestimmter Staat überhaupt gesch�tzt werden sollte. Das Pauschalargument kann nicht durchschlagen. Es geht also nur um den bestimmten demokratischen Staat, dessen Ordnung legitimierbar ist. Aus dieser Legitimation ergibt sich unmittelbar das Verbot, zu versuchen, diese legitime Ordnung zu beseitigen und in bestimmten Ma�e auch die Verpflichtung, diese legitime Ordnung gegenüber dem Versuch, eine illegitime Ordnung zu errichten, zu sch�tzen.

*VIII-98*
Ich habe die moralischen Normen und ihre G�ltigkeit dialogisch-intersubjektiv formuliert. Welchen Sinn kann aber dann die monologische Frage haben? Ob man eine Handlung vor sich selber rechtfertigen kann? (TUGENDHAT).

*VIII-99*
Inwiefern kann der Einzelne selber schon Vernunftwesen sein und das Intersubjektivit�tsgebot in sich aufnehmen, den Dialog gewisserma�en antizipieren und an dem antizipierten Ergebnis festhalten, auch wenn der andere den Dialog verweigert und auf Gewalt setzt? Im Prinzip kann
sich jeder ein Bild von den Anderen und ihren Interessen machen und dementsprechend eine solidarische Ordnung antizipieren, auch wo die Intersubjektivit�t faktisch nicht hergestellt ist, verweigert wird. In gewisser Weise ist das eine stellvertretende übernahme der Position des anderen.

*VIII-100*
Wie kann man fürsorgliche Herrschaft über Unm�ndige rechtfertigen? Wohl nur gegenüber m�ndigen Dritten oder gegenüber imagin�ren vern�nftigen Diskussionspartnern.

*VIII-101*
Verschiedene Ebenen der Argumentation unterscheiden. Genau analysieren, auf welcher Ebene die Argumentation unm�glich wird. Wenn z.B. die inquisitorische Position sagt:" Man darf der Unwahrheit (dem Teufel) keinen Raum geben". Damit wird nur dem in der genannten Position Befindlichen das Argumentationsrecht abgestritten, man kann als Dritter immer noch fragen: "Ist denn diese Position wirklich falsch?"


*VIII-102*
Muss jeder der Beteiligten an einer Argumentation eine Position vertreten, damit eine Argumentation sinnvoll wird? Kann man nicht auch einen m�glichen Anspruch auf Allgemeing�ltigkeit als neutraler Wissenschaftler pr�fen?

*VIII-103*
Was hei�t es "sich in die Lage eines anderen hineinversetzen"? Wie kann man das individuelle Interesse eines Individuums A bestimmen?

*VIII-104*
Wie kann man das individuelle Interesse eines Individuums A bestimmen, wenn dies vom individuellen Interesse eines anderen Individuums B abh�ngt? Zum Beispiel A sagt: "Ich will, dass genau das geschieht, was B nicht will"

*VIII-105*
Die Folgerungen für die P�dagogik ausarbeiten. Wichtig ist die Kritik der Verdr�ngungsp�dagogik. Klarstellen, dass genaues Bewusstsein der eigenen Interessen und Orientierung am Gesamtinteresse sich nicht gegenseitig ausschlie�en, sondern dass umgekehrt gilt: "Das Gesamtinteresse kann nicht ohne genaue Kenntnis der individuellen Interessen bestimmt werden."

*VIII-106*
Kernproblem bleibt der Konsens über die Gewichtung der individuellen Interessen. Wie dieser funktionieren kann � analog zum Konsens über Wahrnehmungen � muss noch weiter gekl�rt werden.Die Klassifizierung von Handlungen unter normativen Gesichtspunkten: Ein und dasselbe Verhalten kann entsprechend den verschiedensten Schemata klassifiziert werden. Was sind die Klassifikationsgesichtspunkte zum Beispiel in der Rechtswissenschaft? ("Tateinheit") Wie wird eine Handlung richtig klassifiziert? Schon bei der Beschreibung einzelner Handlungen werden allgemeine Begriffe (Universalien) benutzt ähnlich wie in der empirischen Wissenschaft (siehe dazu POPPER: Logik der Forschung). Wie kann man dann feststellen, nach welcher Maxime jemand gehandelt hat?

*VIII-107*
Die Verallgemeinerung: "Was wäre, wenn jeder so handeln w�rde" ist nicht immer ein Kriterium, das für alle Individuen gem�� ihrem Eigeninteresse gleich urteilt. Dies ist nur dann der Fall, wenn alle generell in einer vergleichbaren Situation sind und keine Institutionalisierung fixierter Rollen und Positionen stattgefunden hat.

*VIII-108*
Solidarit�tsprinzip: "Was würdech wollen, wenn ich zugleich jedes andere Individuum wäre?"

*VIII-109*
Grundlagen der Argumentation: In der Dissertation habe ich immer sehr pauschal argumentiert: Verletzung der Argumentationsbedingungen f�hrt zum Zusammenbruch jeder Legitimationstheorie und zum "Kriegszustand" ohne jedes Recht. Dagegen untersuchen, inwiefern bestimmte Verst��e gegen das Intersubjektivit�tsgebot die Argumentationsbedingungen nur gegenüber bestimmten Individuen zerst�ren, aber gegenüber anderen bestehen lassen, so dass nicht jede Verletzung der Regeln die gesamte Argumentationsbasis entzieht. Die Zwischenstufen jeweils in "besch�digter, provisorischer, stellvertretender Vernunft" herausarbeiten, die immer noch weiter funktionieren. Wenn C die Argumentationsbedingungen verletzt, so können zum Beispiel A und B noch gem�� dem Intersubjektivit�tsgebot untereinander kommunizieren und unter Umst�nden auch fürsorglich die Interessen des unvern�nftigen C mit wahrnehmen.

*VIII-110*
Den Abschnitt zum Tauschprinzip erg�nzen durch dynamische Probleme der zirkul�ren Verursachung, der ex-post-Koordination über das Preissystem und die problematische Form der Umweltanpassung: vor allem die Anpassungskosten, zyklische Krisen etc.. (MYRDAL)

*VIII-112*
Zum Solidarit�tsprinzip: "Die fremden Bed�rfnisse so wie die eigenen ber�cksichtigen". Wie kann ich fremde Bed�rfnisse kennen? Wie kann ich mich in die Lage des anderen hineinversetzen? Genau genommen ist Sympathie als Gef�hl nicht erforderlich zum Erkennen der Lage eines anderen. Aber Sympathie als Gef�hl ist n�tzlich, denn es schafft Motivation zu einem Handel nach solidarischen Normen.

*VIII-113*
Im allt�glichen Leben erkundigt man sich aus H�flichkeit immer nach dem Wohlbefinden des andern: "Wie geht es dir?" Der andere sagt, wie es ihm geht. Er schafft damit eine Basis wechselseitiger Anteilnahme, schafft damit unter Umst�nden die Voraussetzung solidarischer Hilfe.

*VIII-114*
Was hei�t es zu "wollen"? Wesentlich ist wohl das zielgerichtete Verhalten, das Wahlverhalten angesichts von M�glichkeiten. Wollen setzt ein Denken in M�glichkeiten voraus. Muss die Kategorie der M�glichkeit noch weiter gekl�rt werden? Man muss unterscheiden zwischen M�glichkeit im Sinne der Wahrscheinlichkeitstheorie und M�glichkeit als subjektive Erreichbarkeit, als F�higkeit (Potenz)

*VIII-115*
Zur Realisierung des M�glichen (des Potentiellen).
"Wenn ich an deiner Stelle wäre; würdech so und so handeln". Man versetzt sich nicht selten in die Lage eines anderen.

*VIII-116*
Wie können Menschen einander in Ihren W�nschen, Bed�rfnissen, Interessen verstehen? Wie geschieht das in der Praxis?

*VIII-117*
Inwiefern ist das Intersubjektivit�tsgebot und das daraus resultierende Gebot der Meinungsfreiheit prinzipiell an die erste Stelle gegenüber anderen Rechten zu setzen, zum Beispiel im politischen Bereich? Das Intersubjektivit�tsgebot leitet sich aus einer spezifischen Problemstellung (der Wahrheitssuche) ab.
Nun gibt es jedoch auch andere Problemsituationen, in denen das Problem der Wahrheitssuche nicht im Vordergrund steht, sondern gewisserma�en als abgeschlossen angesehen werden muss, um zu erfolgreichem Handeln zu kommen.
Um ein extremes Beispiel (das auch von KANT diskutiert wurde?) zu nehmen:
Angenommen, Ich wei�, dass die Person A die Person B t�ten will. Ich kenne den Aufenthaltsort von B. Nun kommt A und will von mir wissen, wo B sich befindet. A stellt Vermutungen darüber an, stellt Fragen etc.. In diesem Fall geht es bei dem Gespr�ch mit A nicht um Wahrheitssuche darüber wo B sich befindet. für einen selber ist die Wahrheitssuche in dieser Hinsicht abgeschlossen, das Problem ist jetzt nur noch das richtige Handeln auf der Grundlage dieses Wissens, n�mlich zu verhindern, dass B von A entdeckt wird. In diesem Fall geht es also nicht um Wahrheitssuche, sondern umgekehrt darum, zu verhindern, dass A die Wahrheit erf�hrt.

*VIII-118*
ähnlich ist die Problemlage bei der Einschr�nkung des innerstaatlichen Diskussionsfreiheit, um feindlichen �u�eren Staaten nicht Informationen zukommen zu lassen, die diesen bei ihren m�glichen Angriffen von Nutzen sein k�nnten. Hier gibt es zwar einen Streit um die Wahrheit zwischen bestimmten Individuen der Gesellschaft X, aber es gibt zugleich ein Interesse daran, diese Wahrheit bzw. bestimmte Teilaspekte davon vor feindlichen Dritten geheim zu halten: Ein Beispiel wäre etwa ein Streit um die überlegenheit von verschiedenen R�stungssystemen. Durch eine �ffentliche Diskussion k�nnte der �u�ere Feind auf Schw�chen der Verteidigung aufmerksam werden, deren Ausnutzung dann katastrophale Folgen für die Bewohner von X haben w�rde. Auch hier wird die Wahrheit (pr�ziser: die m�gliche Wahrheit) bestimmter Aussagen vorausgesetzt, die im Verlauf der Diskussion zur Sprache kommen k�nnten. Aufgrund �u�erer Bedrohungen kann die �ffentlichkeit der Diskussion innerhalb einer Gesellschaft weitgehend abgew�rgt werden, so dass allgemein g�ltige Entscheidungen unter einer extremen Beschr�nkung der allgemeinen Argumentationsfreiheit getroffen werden m�ssen. Das Verfahren muss dann so beschaffen sein, dass diejenigen, die jetzt von der Teilnahme an der Argumentation ausgeschlossen sind, h�tten zustimmen können, wenn sie einbezogen worden wären. (Hier stellt sich ein ähnliches Problem wie bei der Unm�ndigkeit) Allerdings kann auch für den exklusiven Kreis der Entscheidenden die Wahrheitsfindung erschwert sein, insofern als durch die Diskussionsbeschr�nkungen zugleich die Informationslage verschlechtert sein kann.

*VIII-119*
Eine gewisse Entsch�rfung des Problems einer "repr�sentativen" Wahrheitsfindung kann durch nachtr�gliche Kontrollen stattfinden, durch nachtr�gliche �ffentliche Diskussionen über die exklusiv getroffenen Entscheidungen, nachdem die Gefahren einer r�cksichtslosen Wahrheitssuche nicht mehr gegeben sind. Dies ist gewähnlich das Gesch�ft der Historiker, die sich noch nach Jahrzehnten auf die nun ge�ffneten Geheimarchive st�rzen.

*VIII-120*
Diejenigen, die sich prinzipiell gegen jede Konstruktion eines Gesamtinteresses oder Gemeinwohls wenden, vertreten meist andere Konzepte von Kollektivinteressen, zum Beispiel Klassen-, Rassen-, National- oder Staatsinteressen. Die Frage an sie richten, wie sie zu diesen partiell einheitlichen Interessen gelangen können, wo doch auch hier unterschiedliche Interessen von Individuen zusammengefasst werden m�ssen.

*VIII-121*
Den Interessenbegriff klären (vielleicht in Negativ- Demonstration anhand der sowjetischen Theorie. Was hei�t Identit�t der Interessen, v�llige oder teilweise übereinstimmung der Interessen, gemeinsame Interessen, unterschiedliche, widersprüchliche, gegens�tzliche, unversähnliche, antagonistische, Interessen? Was sind individuelle, kollektive, gesellschaftliche Interessen, nationale Interessen, Klasseninteressen, vermeintlich Interessen und wohlverstandenen Interessen, Eigeninteressen?

*VIII-122*
Sowjetische Ethik: Ethik als Anpassung des Individuums an das vorgegebene gesellschaftliche Interesse bzw. an die historische Notwendigkeit

*VIII-123*
L�cherlich, wie manche sowjetischen Ethiker auch die normative Erkenntnis als "Widerspiegelung" deuten m�ssen, um ihnen Wahrheit zusprechen zu können.

*VIII-124*
Wenn jemand für eine Behauptung Wahrheit beansprucht, so impliziert dies, dass diese Behauptung auch für andere Geltung haben soll. Was hei�t aber "für andere Geltung haben"? Andere sollen diese Behauptung teilen, ihr zustimmen, sie ebenfalls für wahr halten. Ein solcher Wahrheitsanspruch kann zum Beispiel auch von dogmatischen Religionen oder anderen Glaubenssystemen erhoben werden: Im Extremfall wird der Anspruch auf Anerkennung der Lehre durch andere mit dem Scheiterhaufen oder mit Gef�ngnis für Dissidenten durchgesetzt.

*VIII-125*
Was ist von einem solchen Wahrheitsanspruch zu halten, der ein blo�er Gehorsamsanspruch in Dingen der Erkenntnis ist, also ein blo�er Glaubensanspruch? Was unterscheidet ihn von einem Wahrheitsanspruch, der sich nur des Zwanges von Argumenten bedient? Aber was sind Argumente und was sind keine Argumente? Was sind g�ltige und was sind ung�ltige Argumente?

*VIII-126*
Argumente schalten Wahrnehmung und Wille des andern nicht aus, sondern versuchen gerade, an die Wahrnehmung bzw. den Willen des andern zu appellieren, allerdings mit der Voraussetzung, dass man sich auf dieser Basis (Gewaltlosigkeit) einigen will, zum Konsens kommen will.

*VIII-127*
Besteht zwischen dem Konsens in empirischen Fragen und dem Konsens in normativen Fragen ein wesentlicher Unterschied darin, als die empirische Wahrheit sich mit jeder individuellen Wahrnehmung deckt, w�hrend das Gemeinwohl sich mit den individuellen Interessen nicht decken muss? In empirischen Fragen kann jedes Individuum allein aus eigener Anschauung zur Feststellung der Wahrheit kommen. In normativen Fragen decken sich die individuellen Interessen gewähnlich nicht mit dem Gesamtinteresse.

Dieser Unterschied ergibt sich allein daraus, dass in empirischen Fragen jeder ohne gr��ere Schwierigkeiten den r�umlichen Standpunkt des andern einnehmen kann. Die wahre Beschreibung eines Sachverhalts ist nicht die Wiedergabe einer einzigen Wahrnehmung von einem bestimmten raumzeitlichen Standpunkt aus, sondern setzt sich aus einer Vielzahl von Beobachtungen zusammen. Man denke etwa an die Erstellung einer Landkarte durch die Landvermesser. In ähnlicher Weise setzt sich das Gemeinwohl aus einer Vielzahl individueller Interessen zusammen. Jeder kann die Interessen jedes anderen nachvollziehen, indem er sich in dessen Lage hineinversetzt. Und damit kann jeder letztlich auch die Beschaffenheit des Gesamtinteresses aus eigenem Erleben nachvollziehen.

Aber besteht nicht ein Unterschied darin, dass die empirische Wahrheit mit jeder m�glichen individuellen Wahrnehmung vereinbar sein muss, w�hrend das Gesamtinteresse nur den tats�chlich vorhandenen Interesse Interessen entsprechen muss? (?)

Vielleicht ist dies auch bei der empirischen Wahrheit so, dass Sie nicht allen m�glichen Wahrnehmung entspricht, sondern nur bestimmten "Blickwinkel", denn jede Beschreibung der Wirklichkeit ist notwendig selektiv, vernachl�ssigt m�gliche weitere Aspekte der beschriebenen Sache.

*VIII-128*
Einmal einen rein subjektiven Wahrheitsbegriff entwickeln, der auf das Kriterium des subjektiven Irrtums bezogen ist (ohne Intersubjektivit�t und nur mit Intertemporalit�t). Ein solcher Wahrheitsbegriff reduziert sich auf Gewissheit, auf die Ausschlie�ung der sp�teren Korrektur einer Behauptung.

*VIII-129*
Zur Unteilbarkeit der Wahrheit. Dagegen k�nnte man S�tze anf�hren, die für den einen wahr sind und für den andern falsch sind, wie zum Beispiel der Satz "Ich bin 1,76 m". Der Trick liegt im Wort "ich", das je nach Sprecher unterschiedliche Person bezeichnet. Insofern handelt es sich um unterschiedliche Behauptungen, die allerdings mit einer Variablen formuliert werden.

*VIII-130*
Zu "Argument, Begr�ndung"siehe Klaus/Buhr: Stichworte "argumentum", "Grund". s.a. Schopenhauer "über die vierfache Wurzel vom zureichenden Grunde"

*VIII-131*
Wenn man eine Methodologie entwickelt, wie man vern�nftig argumentiert, so ist man bereits gezwungen, zu argumentieren. Ist das ein Zirkel? Setzt man damit immer schon voraus, was man erst noch begr�nden will?

Aber vielleicht hei�t hier "begr�nden" nur Kl�rung dessen, was man macht und nicht logische Deduktion. Insofern kann es auch keinen logischen Zirkel geben. Andererseits ist diese Form der Begr�ndung durch Reflexion dessen, was bereits gemeinsame Praxis ist, nicht logisch zwingend. Jeder kann sich dieser Praxis entziehen. Allerdings kann er dann nicht mehr argumentieren im analysierten Sinne.

*VIII-132*
Immunisierung: Die Theorie selber erkl�rt noch, warum Sie von bestimmten Individuen nicht akzeptiert werden kann: "Die wahre Religion findet keinen Glauben bei den Gehilfen des Teufels" Die wissenschaftliche Weltanschauung findet keinen Anklang bei den untergehenden Klassen etc.. Dann braucht man sich um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der eigenen Argumente nicht zu scheren.

*VIII-133*
Das Intersubjektivit�tsgebot nicht überstrapazieren. In der reinen Methodologie muss es beschr�nkt sein auf die Bestimmung der zul�ssigen oder unzul�ssigen Argumente. Demgegenüber liegen die institutionellen Bedingungen der Argumentation auf einer anderen Ebene.

*VIII-134*
Das Intersubjektivit�tsprinzip, die Grundlage jede Argumentation, ist ein deduktiv nicht ableitbarer Anfang. Man kann aber zeigen, dass dieser Anfang, diese Pr�misse nicht beliebig ist, und dass deshalb andere Pr�missen nicht gleichwertig sind. Aber wie sieht die nicht-logische Begr�ndung des Intersubjektivit�tsprinzips aus? Warum ist das Ziel der Wahrheitssuche im weitesten Sinne konstitutiv für jede wissenschaftliche Argumentation? Wenn Erkenntnis auf die Beantwortung von Fragen gerichtet ist, so muss das Ziel der Wahrheitssuche schon im Sinne des Fragens liegen. Fragen suchen nach Antworten, nicht nach beliebigen, sondern "richtigen", "allgemein g�ltigen", die notfalls als Behauptungen (Thesen) gegen Einw�nde argumentativ verteidigt werden können.

*VIII-135*
H�ufig stimmen im Mehrheit System die eigentlichen Verlierer wie die Sieger ab, um nicht unpopul�r zu werden und ihre Alternative doch keine Chance hat. So kann man die wirkliche Interessenstruktur aus den Wahlentscheidungen nur schwer rekonstruieren.

*VIII-136*
Die Untersuchungen zum Mehrheitssystem ausweiten: "
-zum einen durch eine dynamische Betrachtung vor allem des Koalitionsbildungsprozesses,
� durch Einbeziehung der Repr�sentation und der Dezentralisierung,
.- durch Einbeziehung politischer Rechte der Individuen, insbesondere der Grundrechte
- durch Einbeziehung von Problemen der Normverletzung und Sanktionierung insbesondere der "abwehrbereiten Demokratie".

*VIII-137*
Was ist geltendes Recht? Nach Kelsen setzt "Geltung" ein bestimmtes Ma� an Effektivit�t voraus. Deshalb sollte man "Geltung" anders definieren in Relation zu einer Instanz, die willens und in der Lage ist, Normverletzungen zu sanktionieren.

*VIII-138*
Das Solidarit�tsprinzip verlangt nicht, sich die Interessen des anderen zu eigen zu machen, sondern nur, sie bei der Bestimmung des Gesamtinteresses (also nicht unbedingt beim eigenen Handeln) zu ber�cksichtigen.

*VIII-139*
Moral hat etwas damit zu tun, dass es sich bei andern Menschen um Personen handelt, die mit einem Willen und der F�higkeit zur Empfindung ausgestattet sind, dass es ein "Du" ist, mit dem man sich verst�ndigen kann.

*VIII-140*
Zu sagen: "Das Kollektiv X will xyz" ist nicht gleichbedeutend mit der Aussage: "Alle Individuen des Kollektivs X wollen xyz"

*VIII-141*
Was erlaubt es, von einem Kollektiv als einem einheitlichen mit Willen bzw. Interessen ausgestatteten Subjekt zu sprechen? Ist es eine vereinfachte Ausdrucksweise, gewisserma�en eine statistische Abk�rzung indem anstatt von vielen Individuen nur von wenigen Kollektiven die Rede sein muss?

*VIII-142*
In repr�sentativen Gremien gibt es ein taktisches Abstimmungsverhalten der folgenden Form: Wenn man sowieso unterliegt, dann stimmt man für die wahrscheinlich siegreiche Alternative, wenn das für zuk�nftige Wahlen vorteilhaft erscheint, weil die siegreiche Alternative in der W�hlerschaft sehr viel popul�rer ist. Dadurch wahrt man sein Gesicht vor den W�hlern, verdeckt seine wirklichen aber unpopul�ren Interessen. (Gilt diese Taktik auch für direkt Abstimmungen? Sofern sie geheim sind, nicht. Bei offenen Abstimmungen, falls daraus negative Folgen erwachsen können.) Wenn man sowieso unterliegt, kann man diese Folgen durch Anpassung an den Sieger vermeiden.

Ein solcher Mechanismus findet sich zum Beispiel bei Gremien, die Personalentscheidungen f�llen. Niemand stimmt gern vergeblich gegen einen zuk�nftigen Kollegen, von dem er sp�ter selber abh�ngig sein k�nnte. Dieser Mechanismus erschwert die empirische überpr�fung der rationalen Koalitionstheorie anhand des faktischen Abstimmungsverhaltens. Allerdings gilt dies nicht für diejenigen, die die Mehrheitsalternative vertreten. Man m�sste diese jeweils herausfiltern und nur deren Wahlverhalten als empirisches Material nehmen.

*VIII-143*
Vielleicht wäre es sinnvoll, einmal in kleinen Gruppen das Problem des intersubjektiven Nutzenvergleichs experimentell zu erproben. Reichen die angegebenen Bestimmungen aus, um zu einem argumentativen Konsens zu gelangen?

*VIII-144*
Das Gebot: "Strebe einen argumentativen Konsens an!" bzw. "Suche nach Wahrheit!" bezieht sich nur auf die Diskurssituation, auf Streit um Behauptungen. Damit ist nicht gemeint, dass Wahrheit ein unbedingter h�chster Wert ist. Damit ist auch nicht gemeint, dass es sinnvoll ist, auf jede beliebige Frage eine wahre Antwort zu suchen. Nur wenn es einen Streit um die richtige Antwort gibt, tritt das Intersubjektivit�tsgebot in Geltung.

*VIII-145*
Zur empirischen Methodologie. LAKATOS versucht ein Kriterium des Erkenntniswachstums einzuf�hren, "best�tigte Gehaltsvermehrung", um das naive Falsifikationsprinzip, das gegenüber konventionalistischer Kritik zusammenbricht, zu ersetzen. Aber wie lässt sich der"Gehalt"von Hypothesen vergleichen? Mehr Gehalt ist immer besser als weniger Gehalt, klar, aber mehr Gehalt lässt sich eindeutig nur dann feststellen, wenn die neue Theorie den gesamten Bereich der alten Theorie umfasst und darüber hinaus Erkenntnis vermittelt. Das ist aber wohl nicht immer der Fall, wahrscheinlich nie.
Dann muss jedoch der Gehalt bewertet werden, es kommt auf Relevanz an, auf die Wichtigkeit der Fragen, die wir haben. Genau genommen vergleicht man ja nicht zwei Theorien als solche sondern das Entscheidungsproblem zwischen beiden Theorien stellt sich nur angesichts bestimmter Fragen: Welche Theorie gibt hier die bessere Antwort?

*VIII-146*
Einmal die offenen Fragen normative Methodologie zusammenstellen. Die Punkte an den weitergearbeitet werden muss.
1. Kl�rung des Intersubjektivit�tsgebots und seiner Begr�ndung: Nicht deduktiv und nicht zirkul�r Alberts Kritik an Apel heranziehen)

2. Kl�rung der G�ltigkeit von Normen

Unterscheiden:
a. Nach welchen Normen sollen die Individuen handeln?

b. Welche Norm soll gesellschaftlich institutionalisiert werden?

3. (von besonderer Bedeutung:)
Zul�ssigkeit des intersubjektiven Nutzenvergleichs beweisen und dazu die Pr�zision weiter erh�hen. Wie lassen sich quantifizierbare Ergebnisse erzielen?

4. Das Demokratiemodell als praktikable Ann�herung an das Gesamtinteresse über das statische Modell des Mehrheitsprinzips hinaus erweitern: F�deralismus � Repr�sentation - Parteiendemokratie � Grundrechte - dynamische Aspekte, vor allem Zukunftserwartungen, Informations- und Informations- und Kommunikationshemmnisse. Dabei zwei Ebenen unterscheiden
a) Regelungen, die sicherstellen, dass eine vorhandene Mehrheitsalternative realisiert wird.
b) Regelungen, die korrigieren, wenn die Mehrheitsalternative normativ nicht akzeptabel wäre (dazu die Literatur bei FREY und BERNHOLZ ).

(Ab hier bis S.287 über Collective Choice zum Mehrheitsprinzip und über r�umliche Modelle der Koalitionsbildung. Wird nicht mit abgedruckt)

(Ende Heft VIII)

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