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Wirtschaftsordnung
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Inhalt:
Eigentum
Tausch_zwischen_Eigentümern
Kapitalismus
Warum entstand der Kapitalismus in Europa?
Wirtschaftsordnung und individuelle Ethik
Das Geld abschaffen?
Probleme der radikalen Gleichheit
Der "neue Mensch"?
Stärken und Schwächen des Marktes
Text:
Eigentum
In der Eigentumsordnung einer Gesellschaft ist geregelt, wer über 
was verfügen darf. Sie ist damit von fundamentaler Bedeutung für das 
gesamte soziale Leben. So hängt von der Größe meines Eigentums u. a. ab, was ich 
an Sachgütern und persönlichen Diensten verbrauchen kann und wie abhängig ich 
von anderen bin.
Mit der Eigentumsordnung ist ein Großteil der möglichen Konflikte zwischen 
Menschen ("Das will ich haben!"   - "Nein, das habe ich jetzt!") normativ geregelt: 
In einer Gesellschaft ohne abgegrenztes Eigentum gibt es bei allen Gütern, die 
nicht im Überfluss vorhanden sind, entweder Streit oder es bedarf einer 
Regelung, wer wann welches Gut benutzen oder verbrauchen darf.
Allerdings bedeutet die normative Regelung eines Konfliktes noch nicht, dass 
dieser damit aus der Welt geschafft ist, wie die Verstöße gegen das 
Eigentumsrecht zeigen. Besonders im Falle eines Monopols, 
wo sich allgemein benötigte Güter in der Hand eines einzigen Eigentümers 
befinden, bedeutet die Rechtmäßigkeit des Eigentums noch keine Entschärfung des 
Konfliktes.
Mit dem Eigentum ist ein neuer Konflikt entstanden: der
Konflikt zwischen Armen und Reichen. Je ungleicher das 
Eigentum in einer Gesellschaft auf die Individuen und Familien verteilt ist, 
umso schärfer ist dieser Konflikt. 
Wenn das zeitweise Verleihen von Eigentum 
gegen Entgelt erlaubt ist, kann es zu einer Verschuldung kommen, wenn das 
geliehene Eigentum zuzüglich Zinsen nicht vereinbarungsgemäß zurück gegeben 
werden kann. Mit dieser verschärften Form der Armut entsteht ein Konflikt zwischen Gläubigern und Schuldnern. 
Manche Konflikte lassen sich gar nicht durch Abgrenzung von Verfügungsbereichen 
regeln, wie z. B.:
- nachteilige Auswirkungen über die Eigentumsgrenzen hinweg (A pflanzt auf 
seinem Grundstück Bäume, sodass dem Nachbarn B der Sonnenschein fehlt.) 
- die Existenz von Gütern, von deren Nutzung andere nicht ausgeschlossen werden 
können (A baut sich einen Deich gegen Hochwasser und B genießt ebenfalls den 
Schutz des Deiches). 
Eigentumsordnungen lassen sich vor allem danach unterscheiden,
welche Art von Objekten privates Eigentum werden dürfen 
und welche nicht:
- Ist privates Eigentum an andern Menschen zulässig? (Sklaverei, 
Leibeigenschaft) 
- Ist privates Eigentum an Herrschaftspositionen zulässig? (erblicher Adel, 
Dynastie) 
- Ist privates Eigentum an Produktionsmitteln und Infrastruktureinrichtungen wie 
Grund und Boden, Fabriken, Brücken, Straßen etc. zulässig? (Kapitalismus) 
Insbesondere regelt eine Eigentumsordnung: 
 - welche Güter unveräußerlich sind (z. B. die Rechte als Staatsbürger),
 - wie Eigentum erworben wird (Herstellung mit eigenen Mitteln, Vertrag, Tausch, 
Kauf, Erbschaft, Geschenk, Gewohnheitsrecht, staatlicher Zuschuss etc.) 
und 
 - wie Eigentum veräußert wird (Vertrag, Tausch, Verkauf, Erbschaft, 
Geschenk, Enteignung, Besteuerung etc.)
 - welche Güter nicht frei gehandelt werden dürfen (z. B. Menschen, 
Wohnungen, Geld, Medikamente, Rauschmittel, Glücksspiele, Prostitution u. a. m.)..
Außerdem ergeben sich wesentliche Unterschiede durch die unterschiedlich 
gestalteten Eingriffsrechte der politischen Instanzen in 
die privaten Eigentumsrechte (allgemeine Sozialpflichtigkeit des 
Eigentums, Besteuerung des Eigentums sowie seiner 
Veräußerung und 
 Vererbung, Enteignung bei Entschädigung, ...).
Entscheidender Vorzug des Eigentums ist die Erzeugung 
einer starken Motivation des Eigentümers zu schonendem und sparsamem Gebrauch 
von Gütern (Erhaltung des Eigentums) und zur Schaffung neuer Güter (Vergrößerung 
seines Eigentums). 
Wenn sich dagegen jeder - unabhängig von seinen Arbeitsbemühungen - aus dem 
großen Topf bedienen kann, dann fehlt es in der Regel an dem nötigen Anreiz zum 
Arbeiten, Sparen, Investieren, Lernen oder Erfinden.
***
Warum entstand der Kapitalismus zuerst in Europa?
Durch das Zusammentreffen verschiedener Entwicklungen konnte sich in Europa - 
zuerst in Großbritannien -  eine kapitalistische Marktwirtschaft entwickeln:
1.) die Abschaffung des mittelalterlichen Zinsverbotes. 
Dadurch konnte sich ein Bankwesen entwickeln, das überschüssiges Geld sammelte. 
Dies Geld konnten die Banken an private Unternehmer verleihen, die damit die 
erheblichen Investitionskosten einer fabrikmäßigen Produktion finanzieren 
konnten. 
2.) die Befreiung der Wissenschaften und ihrer 
technischen Anwendung von den Einschränkungen durch die religiöse Tradition. 
Dadurch kam es zu einer stürmischen Entwicklung der Naturwissenschaften und der 
Erfindungen auf den Gebieten der Produktionstechnik (mechanischer Webstuhl), der Energiegewinnung 
(Dampfmaschine) und des Transportwesens (Dampfschifffahrt, Eisenbahn).
3.) der Verzicht auf politischer Machtansprüche der Kirche im Zuge der Reformation 
und der Konfessionskriege. Dadurch konnte sich eine 
säkulare
Staatsgewalt herausbilden, die mit Hilfe eines stehenden Heeres das 
Monopol der Gewaltanwendung auf dem eigenen Territorium gegen marodierende 
Söldnerheere, regionale Fürsten und äußere Feinde durchsetzte. 
Außerdem führte der Staat mittels einer straff organisierten Bürokratie und 
Justiz eine Besteuerung der Staatsbürger durch. Der 
moderne Staat garantierte die Eigentumsrechte der Staatsbürger und die Erfüllung 
vertraglich eingegangener Verpflichtungen. In diesem rechtlichen Rahmen konnte sich der europäische Kapitalismus entwickeln, der durch die 
Freisetzung von Forscherdrang, Erfindergeist und Unternehmertum eine stürmische 
und zugleich krisengeschüttelte Entwicklung 
nahm. Daraus ergab sich die globale politische Überlegenheit der europäischen Staaten 
bis zum Ersten Weltkrieg, die im British Empire ihren stärksten Ausdruck fand.
***
Wirtschaftsordnung und individuelle Ethik
Wirtschaftliches und ethisches Handeln fallen in der Marktwirtschaft nicht 
zusammen, sondern widersprechen sich eher.
Nehmen wir den Tausch als eines der Kernstücke des 
marktwirtschaftlichen Geschehens, da sowohl der Kaufvertrag eine Unterform 
des Tausches ist (als Tausch von Gütern gegen Geld) als auch der Arbeitsvertrag 
(als Tausch der eigenen Arbeitskraft gegen Geld). 
Die Tauschpartner sind in der Verfolgung ihrer Interessen weitgehend 
freigestellt. Wenn um den Preis eines Gutes verhandelt wird, darf jede Partei versuchen, den 
eigenen Vorteil zu vergrößern. Man ist nicht moralisch verpflichtet, dabei das 
Interesse der anderen Partei zu berücksichtigen. Ein Geschäft ist in der 
Marktwirtschaft keine Einrichtung zur 
Hilfe für Notleidende sondern ein Institution zum Zweck des Erwerbs und der 
eigenen Existenzsicherung. 
Über sein Eigentum darf jeder frei verfügen und 
niemand darf ihm eine andere Verwendung seines Eigentums vorschreiben. Er darf 
es tauschen, so wie er es möchte. 
Allerdings gibt es ethische und rechtliche Rahmenbedingungen, die einzuhalten 
sind. So darf man den Tauschpartner nicht hinsichtlich der Beschaffenheit des 
Tauschgegenstandes oder hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse täuschen und man 
darf ihn nicht zum Tausch zwingen oder nötigen. 
Da es im Verlauf des Wirtschaftsprozesses bei manchen Menschen zu Not und Armut 
und bei andern zu Reichtum und Luxus kommt, erscheint allerdings im Nachhinein die Moral 
wieder auf der Bildfläche und fordert den Reichen zum wohltätigen Abgeben und Teilen mit den 
Ärmsten auf. 
Ethisches und wirtschaftliches 
Handeln fallen nur in der Utopie einer 
sozialistischen Planwirtschaft zusammen, wo ein Wirtschaftsplan erstellt wird, der dem 
solidarisch bestimmten Gesamtinteresse entspricht, und an dessen Erfüllung alle 
nach besten Kräften mitarbeiten. 
In einem solchen Sozialismus würde es eine Ethik der Erfüllung des 
Wirtschaftsplans geben. Diese Ethik wäre nicht unwirtschaftlich sondern das A 
und O der sozialistischen Planwirtschaft. 
***
Das Geld abschaffen?
Naturaltausch ist äußerst aufwendig und umständlich. ("Suche Segelboot, 
biete Waschmaschine"). Wenn man das Geld abschafft, so sollte man deshalb auch 
den Tausch abschaffen.
Ohne Tausch kann es bei Privateigentum nur eine 
Selbstversorgungs-Wirtschaft 
geben (wenn man einmal von Raub und Geschenk als Mittel einer Umverteilung 
absieht). Eine solche Wirtschaft ist aber nicht sehr leistungsfähig, weil man 
die Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung nicht richtig nutzen kann. 
Wenn man das will, müsste man dann auch das Privateigentum abschaffen. 
Wenn man das Privateigentum abschafft, so muss man 
die Rechte der Einzelnen am Konsum und ihre Pflichten bei 
der Produktion irgendwie anders regeln, da es sonst zu Konflikten kommt 
("Wer bekommt die Wohnung mit Balkon und wer wohnt im Erdgeschoss des 
Hinterhauses?" "Wer wird Bademeister und wer leert die Mülltonnen?") 
Außerdem ist ein Koordinierungsmechanismus nötig, 
um mit den verfügbaren Produktionskapazitäten denjenigen Warenkorb zu erzeugen, 
der den berechtigten Wünschen der Individuen am besten entspricht. Eine Übereinstimmung zwischen der Produktion 
und dem Bedarf der Verbraucher ergibt sich nicht von selbst ("Ladenhüter").  
Dazu ein Beispiel, das die Notwendigkeit einer Koordinierung deutlich macht:
Bei der Produktion eines Flugzeugs, das sich aus mehreren tausend 
Einzelteilen zusammensetzt, deren Entwurf und Herstellung wiederum auf den 
verschiedensten physikalischen, chemischen und ingenieurwissenschaftlichen 
Spezialkenntnissen beruht, ist das richtige 
Zusammenwirken von mehreren Hundert Spezialisten 
erforderlich. Wenn man die Zulieferproduktion dazu nimmt, sind wahrscheinlich mehrere 
Tausend nötig.
Um ein Flugzeug herzustellen, müssen die erforderlichen 
Spezialisten ausgebildet werden, sich zusammenfinden und nach einem 
einheitlichen Plan zusammenarbeiten. Die Frage ist, 
wie diese Individuen ohne den Einsatz von Geld motiviert werden, ihre Aufgaben innerhalb dieses 
arbeitsteiligen Plans zu erfüllen und zu bestimmten 
Zeiten bestimmte Arbeiten auszuführen. 
Dass sich genau die geeigneten mehr als Tausend Individuen spontan, also ohne 
ein sanktioniertes Normensystem zusammenfinden und koordinieren, ist eine 
äußerst unwahrscheinliche, um nicht zu sagen: eine geradezu abenteuerliche 
Annahme. 
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Probleme der radikalen Gleichheit
Meine These ist, dass
eine Gesellschaft, die immer wieder alle Mitglieder 
gleich gut stellt, keineswegs eine Ordnung besitzt, die auf allgemeinen Konsens 
rechnen kann. 
Ich gehe bei der Begründung dieser Ansicht von folgenden m. E. realistischen Annahmen 
aus:
    1. Die Bereitstellung der Mittel zum Leben 
erfordert eigene oder fremde Arbeit, die - wenigstens 
teilweise - für den Betreffenden mit Mühsal und Anstrengungen verbunden ist.
    2. Die meisten Menschen scheuen Mühsal 
und Anstrengungen, wenn es ihnen keinen Vorteil einbringt. 
    3. Dadurch, dass immer wieder alle Mitglieder der 
Gesellschaft gleich gut gestellt werden, bringen eigene 
Anstrengungen dem Betreffenden keinen Vorteil ein.
    4. Folglich werden die meisten Menschen nicht die Mühsal und 
die Anstrengungen zur Bereitstellung von Mitteln zum Leben auf sich 
nehmen.
    5. Das hat zur Folge, dass die 
Gesellschaft zunehmend verarmt und womöglich zugrunde geht. 
    Fazit: Eine solche Gesellschaft ist nicht 
allgemein akzeptabel – im  Gegenteil. 
***
Das Experiment mit einer am Ziel des Kommunismus 
orientierten gesellschaftlichen Ordnung, bei dem sich die Proletarier aller 
Länder unter dem 
Stichwort "internationale Solidarität"   vereinigen sollten, ist – zumindest vorerst – 
gescheitert und  gibt zu denken. 
Der "neue Mensch", der aus 
den sozialistischen Verhältnissen und der sozialistischen 
Erziehung hervorgehen sollte, war der alte geblieben: 
Die "Heimat 
aller Werktätigen"   kämpfte gegen Nazi-Deutschland unter dem 
Banner des "Großen Vaterländischen Krieges". Die "Kommunistische Internationale" 
wurde ein Instrument Stalins. 
Der "1. Sekretär des Zentralkomitees" war kein 
Schriftführer sondern der Titel des gefürchteten Diktators.
Das Eigentum des 
Volkes an den Produktionsmitteln endete in bürokratischer Starre und 
Misswirtschaft. 
Das "Absterben des Staates"   entpuppte sich als 
dessen Allmacht in Form des Staatssicherheitsdienstes. Und 
Aus 
den Vordenkern und Vorkämpfern der ausgebeuteten Klassen wurde eine Nomenklatura 
von Parteibonzen mit einem umfassenden System von Privilegien. 
Menschen sind stark eigeninteressiert.
Das sollte bei allen "revolutionären"   Gesellschaftsentwürfen im Hinterkopf 
behalten werden.
Orientierung am Wohl anonymer Anderer oder dem Wohl der Allgemeinheit ist  
nicht die gewöhnlich vorherrschende Motivation. Der eigene Schmerz 
fühlt sich anders an als der Anblick fremden Schmerzes 
und der Volksmund sagt: "Selber essen macht 
fett".  
Man kann wohl in besonderen Situationen starke solidarische 
Motivationen wecken, aber man kann keine 
soziale Ordnung auf der Prämisse aufbauen, dass die Menschen dauerhaft "Idealisten"   sind und ihr Handeln am allgemeinen Wohl ausrichten. Wohltätigkeit 
alleine stellt deshalb auf lange Sicht keine Lösung der Probleme dar.
***
Stärken und Schwächen des Marktes
  
Der Markt ist stark, ... 
... wenn es um die Motivierung von Menschen zur Arbeit 
geht,  
... wenn es um die Ausrichtung der Produktion auf die Wünsche der 
Konsumenten geht,  
... wenn es um Effizienz und Kostensenkung geht, 
 
... wenn es 
um Innovationen jeder Art geht, ... ... .  
... wenn die Einkommensunterschiede begrenzt werden.
Aber es gibt auch Punkte, an denen der 
Markt versagt. 
Der Markt ...
... hat die Tendenz, die Reichen noch reicher 
zu machen.  
... schafft keine aufgeklärten kritischen Konsumenten sondern eher 
das Gegenteil.
... berücksichtigt 
nur solche Kosten und Nutzen, die sich 
in Geld auszahlen.
... führt bei 
fehlender Konkurrenz zur Bereicherung der 
Kartell- und Monopolinhaber.
... hat die Tendenz zu Ungleichgewichten 
(Schweinezyklus o. ä.).
... setzt 
die Individuen frei zur Verfolgung ihrer Eigeninteressen und nährt damit den 
Schein,
....... dass die Gesellschaft keiner normativen 
Grundlage bedürfe.
***
Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
    
Modell der Marktwirtschaft. Darstellung und 
Kritik *** (239 K)
    
    Kosten der menschlichen Arbeit in der Marktwirtschaft ** (32 K)
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Letzte Bearbeitung: 21.01.2010 / Eberhard Wesche
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