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Die Goldene Regel
(siehe auch Kategorischer Imperativ)
I. Darstellung der Goldenen Regel in der negativen 
Form
II. Eine Begründung der Goldenen Regel
III. Kritische Beurteilung und Grenzen der 
Anwendbarkeit
IV. Die positive Form der Goldenen Regel und ihre 
Kritik
I.) Darstellung der Goldenen Regel in der 
negativen Form
Die "Goldene Regel"   für das Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen 
lautet bezogen auf das, was man nicht tun soll (die negative Form der 
Regel):
"Was du nicht willst, dass man dir tu', das füg auch keinem andern zu!"
Man prüft mit Hilfe 
dieser Regel die moralische Zulässigkeit 
einer bestimmten eigenen Handlung in Bezug auf andere Menschen, indem man sich fragt, ob 
man seinerseits von andern Menschen derart behandelt werden möchte. Wenn man das 
nicht will, dann ist die Handlung unmoralisch und man soll sie unterlassen.
Mit Hilfe dieser allgemeinen Regel kann jeder aus seinen eigenen Abneigungen 
moralische 
Grenzen 
für sein Handeln ableiten. Wenn ich z. B. selber nicht will, dass man mich anschreit, so soll ich es 
gemäß der Goldenen Regel auch meinerseits 
unterlassen, andere  
anzuschreien. 
II.) Eine Begründung der Goldenen Regel
Die Frage ist, wie man die Goldene Regel als ethisches Prinzip begründen kann. 
Meist wird nur die Regel formuliert, ohne dass eine weitere Begründung als 
notwendig erachtet wird.
Eine Begründung könnte durch folgende Prämissen und Schlussfolgerungen gegeben 
werden.
1. Wenn ich einem anderen Menschen etwas zufüge (= antue), was er nicht will, so 
besteht zwischen uns ein Konflikt.  
        (Ergibt sich aus der Definition des Wortes "Konflikt")
2. Wenn ich den Konflikt mit einem andern Menschen vermeiden will, dann darf ich ihm nichts antun, was er 
nicht will.
        (Folgt logisch aus 1.)
3. Ich will Konflikte mit andern Menschen vermeiden.
        (Voraussetzung des Willens zur 
Vermeidung von Konflikten).
4. Der Andere will in Bezug auf das, was ihm angetan wird, dasselbe nicht wie 
ich.
        (Vorraussetzung der Gleichheit aller 
Menschen in Bezug auf das, was sie nicht angetan bekommen wollen).
5. Ich sollte ihm deshalb nichts antun, von dem ich selber nicht mag, dass es 
mir jemand antut.
        (Folgt aus 3. und 4.)  
  
 
Bei gleichartigen Bedürfnissen und entsprechend gleichartigem Wollen der 
Einzelnen kommt bei Anwendung der Goldenen Regel jeder zu den gleichen 
Ergebnissen. So kann jeder diejenigen Regeln des Umgangs miteinander erkennen, die allgemein 
akzeptabel (konsensfähig) sind. Insofern handelt es sich hier in der Tat um eine "goldene"   Regel. 
Sie ist eine genial einfache Faustregel, die 
deshalb bei der moralischen Bildung von Kindern gute Dienste leistet. 
III.) Kritische Beurteilung 
und Grenzen der Anwendbarkeit 
1.) Der Schwachpunkt der "Goldene Regel"   
liegt in der faktischen Voraussetzung, dass die Menschen gleiche Abneigungen 
haben. Zwar gibt es große Bereiche, in denen der Schluss von sich auf andere 
zulässig ist, doch können die Abneigungen von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein: 
Sie hängen von der Situation ab, in der man sich aktuell befindet, sie hängen 
vom Lebensalter, vom Geschlecht, vom Gesundheitszustand, von vergangenen 
Erfahrungen und weiteren Faktoren ab. 
Deshalb kann die Goldene Regel 
nur eine leicht anzuwendende Faustregel sein, die in der Mehrzahl der Fälle zu 
brauchbaren, intersubjektiv übereinstimmenden Ergebnissen führt.
Wenn sich jedoch z. B. ein Frühaufsteher fragt, ob er am Sonntag 
früh um 8 Uhr  einen Bekannten anrufen darf, so kommt er zu anderen 
Ergebnissen, als wenn sich ein ausgesprochener Langschläfer 
diese Frage stellt. Der Schluss von sich selber auf andere – so hilfreich er 
in manchen Fällen sein kann – führt in diesem Fall dazu, dass 
der Frühaufsteher  ohne weitere Skrupel den Langschläfer am 
Sonntag früh um 8 Uhr  aus dem Schlaf klingelt - und das im Einklang 
mit der Goldenen  Regel. Zugleich protestiert der Langschläfer 
dagegen - ebenfalls unter Berufung auf die Goldene 
Regel.
Nun könnte man dies Problem dadurch zu lösen versuchen, dass man das Verhalten: "Jemanden am Sonntagmorgen um 8 Uhr anrufen"   mit einem 
 anderen Handlungsbegriff
beschreibt wie z. B.: "Jemanden im Schlaf stören". Bei Anwendung 
dieser Handlungsbeschreibung kommen Früh- und Spätaufsteher wieder zu 
übereinstimmenden Ergebnissen, falls beide nicht im Schlaf gestört werden 
möchten. 
Ein konkretes Verhalten kann durch zahlreiche 
unterschiedliche Handlungsbegriffe interpretiert werden. So kann ich ein 
und dieselbe Handlung der Person A z. B. mit den Worten beschreiben: "A macht Striche 
auf einem Blatt Papier". Ich kann es aber auch beschreiben mit den Worten: "A 
unterschreibt ein Todesurteil". Beide Beschreibungen können gleichzeitig wahr sein.
Es stellt sich also immer die Frage, welche Interpretation für die Beschreibung 
des Verhaltens sinnvollerweise gewählt werden soll. Um diese Frage beantworten zu können, muss man offenbar 
Kenntnisse über die spezifische Lebenslage und  Bedürfnisse des Anderen mit 
einbeziehen.  
Damit wird die Anwendung der Goldenen Regel jedoch erheblich schwieriger und in ihren 
Resultaten strittiger. 
2.) Ein anderer Einwand gegen die allgemeine Anwendbarkeit der Goldenen Regel lautet: 
Wenn man dem Andern nichts antun soll, von dem man nicht will, dass es andere 
einem selber antun, dann dürfte z. B. eine Politesse einem Parksünder 
keinen Strafzettel verpassen, denn die Politesse will selber ja auch 
keinen Strafzettel bekommen. Solche Probleme entstehen für 
die Anwendung der Goldenen Regel immer dann, wenn die Situation durch bereits 
verbindlich gesetzte Strafen bestimmt wird. 
Diese Schwierigkeit, die bereits Kant gegen die Goldene Regel vorbrachte, könnte man 
allerdings durch die folgende Überlegung auflösen. Wenn ich das Gemeinwesen für befugt 
halte, Parkverbote auszusprechen und 
durchzusetzen, so muss ich auch wollen, dass Verstöße 
gegen ein Parkverbot mit der vorgesehenen Strafe geahndet werden. Dies 
beinhaltet, dass auch ich selber einen Strafzettel bekommen soll, falls ich gegen 
ein Parkverbot verstoße. Insofern "will"   ich als Parksünder zwar 
keinen Strafzettel bekommen, aber als Bürger des von mir mitgetragenen Gemeinwesens 
akzeptiere ich letztlich, dass ich den ("verdienten") Strafzettel bekomme.
3.) Eine weitere Schwierigkeit lässt sich anhand des 
folgenden Beispiels demonstrieren. 
Ich frage mich, ob ich den Rasen mähen darf. 
Ich selber möchte eigentlich wegen des damit verbundenen Lärms nicht, dass mein 
Nachbar seinen Rasen mäht.
Trotzdem ist das sicherlich kein geeignetes Argument gegen mein eigenes Rasenmähen. 
Offenbar versagt die Goldene Regel in 
denjenigen Fällen, wo das Handeln eines anderen 
zwar für mich Nachteile bringt (vorübergehender Lärm), wo aber die 
Vorteile für den andern (gepflegter Garten usw.) allgemein als wichtiger angesehen 
werden. Für jeden von uns ist es offenbar wichtiger, dass der eigene Garten gepflegt wird, als dass der 
damit verbundene Lärm vermieden wird. Deshalb ist das Rasenmähen - mit gewissen 
Einschränkungen - allgemein 
erlaubt.  
IV.) Die positive Form der Goldenen Regel und 
ihre Kritik
Die positive Form der Goldenen Regel 
kann man in die Worte fassen: "Behandele andere so, wie du von 
ihnen behandelt werden möchtest!"   Daraus können Gebote in Bezug auf das eigene 
Handeln abgeleitet werden.
Man kann sich z. B. fragen, ob man andere Menschen höflich behandeln soll. Wenn 
man selber höflich behandelt werden möchte, dann soll man gemäß der positiven 
Goldenen Regel auch 
andere höflich behandeln. 
Die positive Formulierung der Goldenen Regel führt jedoch noch deutlicher als 
die negative Formulierung zu inakzeptablen 
Ergebnissen.
Ein Beispiel: Ich hätte es vielleicht gern, 
wenn meine Frau mir sonntags das Frühstück ans Bett bringt. Dann müsste ich nach 
der positiven Regel aber auch meinerseits ihr sonntags das Frühstück ans Bett bringen. 
Oder ein etwas krasseres Beispiel: Ich hätte es gern, wenn mir mein 
Nachbar monatlich 1000 € schenkt. Gemäß der positiv formulierten Regel 
müsste ich in diesem Fall meinem Nachbarn meinerseits monatlich 1000 € schenken. 
Dies ist aber offensichtlich kein allgemein akzeptables moralisches Gebot.
***
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
        
        Kategorischer Imperativ
 
 
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Letzte Bearbeitung 26.10.2008 / Eberhard Wesche
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