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Eine Lösung für das Arrow-Problem

 

Dies ist die stark gekürzte und überarbeitete Fassung eines Beitrags in
W.Fach / U.Degen (Hrsg.): Politische Legitimität. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 1978

Inhalt:

Die Fragestellung Arrows
Der Ausgangspunkt bei den Interessen der Individuen
Arrows Voraussetzungen
Beschränkung auf eine ordinale Erfassung der Interessen
Die Vergleichbarkeit der Interessen verschiedener Individuen

Literatur


Textanfang

Die Fragestellung Arrows

Für den methodisch gesicherten Aufbau einer normativen Sozialwissenschaft ist das von Kenneth J. Arrow in seiner Doktorarbeit  von 1951 entwickelte Unmöglichkeits-Theorem, das 1958 als Buch unter dem Titel "Social Choice and Individual Values" veröffentlicht wurde, von besonderer Bedeutung, obwohl - oder gerade weil - ihr Ergebnis für die Möglichkeiten normativer Theoriebildung extrem negativ ist.

Arrow stellt die Frage:

Ist es möglich, durch Zusammenfassung der individuellen Wertungen – jeweils ausgedrückt durch eine Rangfolge der zur Entscheidung stehenden Alternativen entsprechend ihrem Wert für das betreffende Individuum - zu einer kollektiven Wertung in Form einer Rangordnung dieser Alternativen zu gelangen?

Technischer ausgedrückt:

Gibt es eine Entscheidungsregel (Arrow benutzt den Begriff der 'social welfare function'), die aus individuellen Präferenzordnungen in jedem Fall eine eindeutige kollektive Präferenzordnung bildet?

Oder traditionell ausgedrückt:

Kann man durch Zusammenfassung (Aggregation) der individuellen Interessen das allgemeine Interesse bestimmen?

Arrows Antwort in Bezug auf die Lösbarkeit dieses Aggregationsproblems ist negativ. In seinem "Allgemeinen Unmöglichkeits-Theorem" - auch als Arrow-Paradox bzw. Arrow-Theorem bekannt - hat er nachgewiesen, dass es keine kollektive Entscheidungsregel geben kann, mit deren Hilfe man die durch Präferenzrangfolgen von Alternativen ausgedrückten Interessen der Individuen in allen Fällen zu einer eindeutigen kollektiven Rangordnung zusammenfassen kann, sofern dabei eine Reihe plausibel erscheinender Bedingungen (wie der Ausschluss einer Diktatur, das Pareto-Prinzip und die Unabhängigkeit der kollektiven Entscheidung von irrelevanten Alternativen) erfüllt werden.

Ein grundsätzlich negatives Ergebnis hinsichtlich der Ableitbarkeit eines Gesamtinteresses aus den Einzelinteressen der Individuen wäre natürlich für sämtliche mit normativen Fragen befassten sozialwissenschaftlicher Disziplinen von größter Bedeutung.

Die besondere Leistung Arrows besteht darin, dass er einen logisch zwingenden Beweis liefert, dessen innere Schlüssigkeit bis heute nicht zu erschüttern ist. Wenn man das negative Ergebnis aufheben will, so muss man also bei den Voraussetzungen ansetzen, die Arrow bei der Formulierung des Unmöglichkeits-Theorems gemacht hatte.

Diese Voraussetzungen entsprechen weitgehend jenen, die in der paretianischen Wohlfahrtsökonomie gemacht werden, aus deren Diskussionszusammenhang die Arbeit Arrows stammt. (Zur paretianischen Wohlfahrtsökonomie s. z. B. die Beiträge in den Sammelbänden von Gäfgen 1965 und Arrow/Scitovsky 1969.) Im Folgenden sollen nun Arrows Voraussetzungen daraufhin untersucht werden, ob sich eine der Voraussetzungen als nicht haltbar erweist.

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Der Ausgangspunkt bei den Interessen der Individuen

Eine der grundlegenden Voraussetzungen des gesamten Ansatzes einer Logik kollektiver Entscheidungen besteht darin, dass das Gesamtinteresse aufgrund der individuellen Interessen bestimmt werden soll. Die individuellen Interessen bzw. Wertungen geben gewissermaßen das Datenmaterial ab, aufgrund dessen das Gesamtinteresse bzw. die soziale Entscheidung bestimmt werden soll.

Die Feststellung, dass das Gesamtinteresse auf der Grundlage der individuellen Interessen zu bestimmen ist, bedarf der Erläuterung, um einer vorschnellen Etikettierung mit unscharfen Begriffen wie "individualistisch" oder "kollektivistisch" entgegenzuwirken.

1. Es ist damit noch nicht gesagt, wie die individuellen Interessen bestimmt werden sollen. Gewöhnlich wird entsprechend der liberalen Tradition angenommen, dass jedes Individuum selber am besten beurteilen kann, was seine Interessen sind.

Aber die autonome Interessenbestimmung der Individuen ist natürlich kein oberstes Prinzip, denn zweifellos kann sich ein Individuum auch hinsichtlich seiner eigenen Interessen irren. Dies wird schon dadurch deutlich, dass ein Individuum nachträglich frühere Entscheidungen bereuen kann, z. B. wenn diese aufgrund falscher Informationen, logischer Fehler, mangelnder Reflexion der eigenen Motive oder unter der Androhung von Sanktionen getroffen wurden.

Arrow klammert die Frage nach der Qualifikation der individuellen Interessen aus. Dies ist im Zusammenhang seiner Fragestellung auch berechtigt, da es ihm nur um deren logische Vereinbarkeit mit den genannten Prämissen geht. Dies logische Problem würde selbst dann auftauchen, wenn man voraussetzt, dass die individuellen Interessen richtig bestimmt wurden.

Wo es jedoch nicht um die Logik von kollektiven Entscheidungs-Regeln sondern um die Anerkennbarkeit realer Entscheidungs-Verfahren geht, kommt der Qualität der individuellen Interessenäußerungen eine elementarer Bedeutung zu, denn die kollektive Entscheidung kann nicht besser sein, als es die individuellen Interessenäußerungen sind, auf deren Basis sie getroffen wurde.

2. Als weiteres mögliches Missverständnis sei noch die Annahme ausgeräumt, dass mit dem Ausgangspunkt bei den individuellen Interessen die Existenz von Gruppen oder Klassen mit gemeinsamen Interessen ausgeschlossen oder vernachlässigt werde.

Ganz im Gegenteil wird erst über die Bestimmung der individuellen Interessen sichtbar, welche sozialen Gruppen mit gemeinsamer Interessenlage überhaupt existieren.

3. Man könnte das ganze Aggregationsproblem umgehen, wenn man das Gesamtinteresse unabnängig davon bestimmt, wie die Interessenlage der Individuen ist und was diese wollen.

In dieser Weise verfahren z. B. alle sozialphilosophischen Positionen, die sich bei der Bestimmung dessen, was sein soll, unmittelbar auf den Willen einer überindividuellen Wesenheit berufen, sei es nun der Staat, das Volk, die Rasse, Gott, die Natur, die Geschichte, die Klasse, die Partei oder die Kirche.

Sofern sich der Wille derartig übergeordneter Subjekte unabhängig von den Interessen der einzelnen Individuen bestimmen lässt, so entfällt natürlich das Problem einer Ableitung des Gesamtinteresses aus den individuellen Interessen.

Eine solche Abkoppelung der sozialen Entscheidung von den Interessen der Individuen erscheint jedoch unhaltbar, ähnlich wie es unhaltbar ist, die Wahrheit über die Beschaffenheit der Welt unabhängig von den Wahrnehmungen der Individuen und unter Berufung auf übermenschliche Erkenntnisquellen bestimmen zu wollen. 

Arrows Voraussetzungen

Noch ein anderer 'individualistischer' Aspekt in den Voraussetzungen Arrows wird gelegentlich für das negative Resultat verantwortlich gemacht. Gemeint ist die Forderung, dass alle logisch möglichen individuellen Interessen zur Grundlage für die Aggregation des Gesamtinteresses zugelassen werden müssen, sofern diese sich durch Präferenzordnungen in Bezug auf die zur Entscheidung stehenden Alternativen wiedergeben lassen. Bei Arrow ist dies die 'Bedingung des Unbeschränkten Bereichs' für die individuellen Präferenzen.

Wenn man nicht alle logisch möglichen Präferenzordnungen zulässt, sondern gewisse Interessenkonstellationen voraussetzt, so führen bestimmte kollektive Entscheidungsregeln ohne Probleme in jedem Fall zu einer eindeutigen kollektiven Präferenzordnung. (So hat Black nachgewiesen, dass im Falle 'eingipfliger Präferenzen' die Mehrheitsregel immer zu eindeutigen Entscheidungen führt. Siehe dazu Black 1958, S. 16 ff. sowie Sen 1970, S. 173 ff.)

Eine vorgängige Beschränkung des Bereichs individueller Interessen auf solche, die keine Aggregationsprobleme aufwerfen, erscheint jedoch bedenklich. Denn entweder müsste nachgewiesen werden, dass derart "schwierige" Interessenkonstellationen faktisch nicht vorkommen können - ein Nachweis der bisher nicht geliefert wurde und auch kaum möglich erscheint - oder aber man muss derartige Präferenzkonstellationen "korrigieren" und bestimmte tatsächlich vorhandene Interessen von der Berücksichtigung ausschließen. Dann kann jedoch von einer allgemein akzeptablen, unparteiischen Interessenberücksichtigung keine Rede mehr sein. Auch in dieser Hinsicht halten also die Voraussetzungen Arrows der Kritik stand.

Damit stellt sich die Frage, welche anderen Voraussetzungen aufgehoben werden können, um zu einer eindeutigen Bestimmung des Gesamtinteresses zu gelangen.

Die Bedingung der 'Nicht-Diktatur', die besagt, dass sich nicht die Interessen eines Individuums durchsetzen dürfen, unabhängig von den Interessen der übrigen Individuen, erscheint unter dem Gesichtspunkt unparteiischer Interessenberücksichtigung als unangreifbar.

Das gleiche gilt für die 'Bedingung des 'Pareto-Prinzips', das in der von Arrow verwendeten Fassung besagt: "Wenn eine Alternative x für jedes Individuum besser ist als eine Alternative y, dann ist sie auch für das Kollektiv besser". Diese Bedingung eerscheint ebenfalls als unproblematisch. Wenn nun alle individuellen Interessen einstimmig in die gleiche Richtung weisen, so muss logischerweise bei unparteiischer Berücksichtigung der individuellen Interessen auch das Gesamtinteresse in dieser Richtung liegen.

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Die Beschränkung auf eine ordinale Erfassung der individuellen Interessen

Damit bleiben als anfechtbare Voraussetzungen des Unmöglichkeits-Theorems nur noch zwei Bedingungen übrig: einmal die Bedingung der 'kollektiven Rationalität', die fordert, dass aus jeder beliebigen Konstellation individueller Präferenzordnungen eine kollektive Präferenzordnung in Form einer vollständigen, transitiven Rangordnung der Alternativen gebildet werden kann. Und zum anderen die Bedingung der 'Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen', die besagt, dass die kollektive Entscheidung zwischen zwei Alternativen nur von den individuellen Rangordnungen eben dieser beiden Alternativen abhängen darf. Sie dürfen deshalb z. B. nicht von den Rangordnungen dieser beiden Alternativen gegenüber sonstigen Alternativen beeinflusst werden.

Beide Bedingungen erhalten in der Tat eine Voraussetzung, die problematisch erscheint und durch deren Eliminierung gleichzeitig Arrows negatives Resultat beseitigt werden kann.

Gemeint ist die Voraussetzung, dass die individuellen Interessen nur ordinal erfasst werden, d. h. dass sie nur als wertmäßige Rangfolgen der zur Entscheidung anstehenden Alternativen - als Präferenzordnungen - in Erscheinung treten dürfen.

Mit einer Erfassung der individuellen Interessen ausschließlich durch Präferenzrangordnungen wird jede genauere Berücksichtigung der wertmäßigen Abstände zwischen den Alternativen ausgeschlossen. Es spielt also keine Rolle, ob eine Alternative sehr viel oder nur wenig besser für ein Individuum ist als eine andere Alternative, denn es ergibt sich in beiden Fällen dieselbe Rangfolge der Alternativen: Die Größe der individuellen Nutzendifferenzen bzw. die Stärke der Präferenzintensitäten bleibt unberücksichtigt.

Eine ausschließlich ordinale Erfassung der individuellen Interessen erscheint jedoch ethisch als nicht akzeptabel. Ein Individuum ist nicht nur in der Lage, die Rangplätze der zur Entscheidung stehenden Alternativen entsprechend seinen Wertungen anzugeben, sondern es kann auch zu den Abständen zwischen den Rangplätzen Aussagen machen. Behauptungen wie: "Alternative x ist für mich sehr viel besser als Alternative y, während Alternative y nur wenig besser für mich ist als Alternative z" sind keineswegs sinnlos oder unzulässig.

Dies wird besonders deutlich, wenn zwei getrennte Entscheidungen eines Individuums zu einer einzigen intrapersonalen Entscheidung zusammengefasst werden. Nehmen wir ein einfaches Beispiel aus dem Alltag.

Angenommen, ein Individuum A mag Rindfleisch sehr viel lieber als Schweinefleisch, d. h. dass für A zwischen dem Verzehr beider Fleischsorten eine große Nutzendifferenz bzw. eine starke Präferenzintensität besteht.

Anderseits schmecken A Kartoffeln nur wenig besser als Reis, d. h. dass hier nur eine geringe Nutzendifferenz oder Präferenzintensität bei A besteht.

Wenn Individuum A nun die beiden Entscheidungen hinsichtlich der Fleischsorte und des Gemüses zu einer einzigen Entscheidung zwischen den beiden Gerichten "Rindfleisch mit Reis" oder "Schweinefleisch mit Kartoffeln" zusammenfasst, so wird A das Gericht "Rindfleisch mit Reis" wählen, denn die größere Nutzendifferenz bei der Fleischsorte gibt den Ausschlag (Nutzeninterdependenzen zwischen den beiden Entscheidungen seien dabei einmal ausgeschlossen).

Hätte man jedoch die Interessen des Individuums in Bezug auf die beiden Teilentscheidungen nur ordinal und ohne Berücksichtigung der Größe der Nutzendifferenzen erfasst, so wäre in Bezug auf die Gesamtentscheidung keines der beiden Gerichte überlegen. In Bezug auf das Kriterium "Fleischsorte" wäre das Gericht "Rindfleisch mit Reis" nutzenmäßig überlegen und in Bezug auf das Kriterium "Beilage" wäre das Gericht "Schweinefleisch mit Kartoffeln" überlegen, ohne dass man den Grad der Überlegenheit in beiden Fällen gegeneinander aufwiegen könnte.

Immer, wenn ein Individuum eine Entscheidung in Teilbewertungen nach verschiedenen Kriterien aufspaltet und die zur Entscheidung stehenden Alternativen entsprechend dem Grad der Erfüllung dieser Kriterien nur ordinal bewertet, entsteht bei der intrapersonalen Aggregation zur individuellen Gesamtentscheidung die Möglichkeit von intransitiven Rangordnungen - also das gleiche Problem wie bei der Aggregation der nur ordinal erfassten individuellen Nutzen zu einer kollektiven Entscheidung.

 

Die Vergleichbarkeit der Interessen verschiedener Individuen

Wenn die Interessen der Individuen nur ordinal als Rangordnungen erfasst werden, werden die Interessen bei der Zusammenfassung insofern verglichen, als aufgrund der Anonymitätsbedingung die Rangordnung des einen Individuums das gleiche Gewicht erhält wie die Rangordnung irgendeines anderen Individuums. Man könnte die Namen der Individuen also vertauschen, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändern dürfte. Durch die Anonymitätsbedingung werden die Interessen der Individuen also als austauschbare Rangfolgen "normalisiert" und damit intersubjektiv vergleichbar gemacht.

Durch die Nicht-Berücksichtigung der Nutzendifferenzen zwischen den Alternativen wird zwangsläufig auch der Vergleich der Nutzendifferenzen verschiedener Individuen unmöglich. Es kann also bei der Bestimmung des Gesamtinteresses nicht die unterschiedliche Dringlichkeit der individuellen Interessen, der unterschiedliche Grad der Betroffenheit berücksichtigt werden.

Der Ausschluss eines derartigen interpersonalen Nutzenvergleichs ist unter ethischen Gesichtspunkten jedoch problematisch:

Angenommen es ist zu entscheiden, ob eine Alternative x oder eine Alternative y dem gemeinsamen Interesse der beiden Individuen A und B besser entspricht.

Wenn für Individuum A die Alternative x gegenüber y nur wenig besser ist, während es für Individuum B eine Frage von größter Wichtigkeit ist, dass die Alternative y und nicht x realisiert wird, so muss bei einer ethisch akzeptablen, unparteiischen Interessenberücksichtigung die Alternative y kollektiv gewählt werden.

Bei einer nur ordinalen Erfassung der individuellen Interessen von A und B in Form von Präferenzordnungen erscheinen die Alternativen x und y jedoch unter dem Gesichtspunkt des kollektiven Interesses jedoch als gleichwertig, insofern jede Alternative einmal den ersten und einmal den zweiten Rangplatz in den individuellen Bewertungen einnimmt.

Eine ethisch akzeptable Interessenberücksichtigung verlangt von Individuum A, dass es sich in die Lage von B hineinversetzt und sich dann fragt, welche der Alternativen für beide Individuen insgesamt besser ist. Die Bestimmung des Gesamtinteresses verlangt also das Einnehmen eines "überpersönlichen", "transsubjektiven" oder "unparteiischen" Standpunkts, ähnlich wie dies für die Bestimmung der empirischen Wahrheit verlangt wird. (Siehe dazu auch Harsanyi 1955, S. 276 sowie Lorenzen 1974, S. 35.)

Wenn die Interessen der Individuen jedoch nicht nur ordinal als Rangfolgen der zur Entscheidung stehenden Alternativen erfasst werden, sondern unterschiedliche Dringlichkeiten der Interessen in Form der Nutzenabstände zwischen den Alternativen einbezogen werden, kann es nicht mehr zu einer intransitiven kollektiven Rangordnung der Alternativen kommen, da z. B. bei der Addierung kardinal erfasster individueller Nutzen zu einem Gesamtnutzen keine Inkonsistenzen oder Zirkel in der kollektiven Entscheidung mehr auftreten können.

Als Fazit dieser Überlegungen kann also festgehalten werden: Arrows Unmöglichkeits-Theorem bezeichnet kein grundsätzliches Problem im Konzept eines aufgrund individueller Interessen bestimmten Gesamtinteresses sondern ein Problem, das bei der Beschränkung auf die ordinale, interpersonal nicht vergleichbare Erfassung der individuellen Interessen auftritt.

In Richtung auf eine Abschwächung der Bedingung der 'Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen', die für die Beschränkung auf eine nur ordinale und subjektive Erfassung der individuellen Nutzen vor allem verantwortlich ist, gehen auch Arrows eigene Überlegungen zu einer Überwindung des Unmöglichkeits-Theorems. (Siehe Arrow 1963, S. 114 ff.)

Was Arrow dort 'erweiterte Sympathie' ('extended sympathy') nennt, kommt der oben skizzierten solidarischen Berücksichtigung aller Interessen durch "Sich-hineinversetzen-in-die-Lage-des-anderen" bereits sehr nahe. Allerdings lässt Arrow die Anwendbarkeit derartiger interpersonal vergleichbarer Nutzenbestimmungen offen. '

Was als ein scheinbar vernichtender Schlag gegen jegliche normative Sozialwissenschaft jenseits der paretianischen Wohlfahrtsökonomie begann, entwickelt sich immer mehr zu einer Kritik an den ordinalen Beschränkungen dieses Ansatzes.  

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Literatur:
Arrow, K. J.: Social Choice and Individual Values, 2. ed. 1963
Arrow, K.J.: Values and Collective Decision-Making (1967) in: Arrow, K. J./Scitovsky, T. (Hrsg.): Readings in Welfare Economics, London 1969
Benn, S.I./ Peters, R.S.: Social Principles and the Democratic State, London 1959
Black, D.: The Theory of Committees and Elections, London 1958
Gäfgen, G. (Hrsg. ): Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Köln u. a. 1966
Gäfgen, G.: Theorie der wirtschaftlichen Entscheidung. Tübingen 1968 (11963)
Habermas, J.: Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt/M. 1973
Hare, R.M.: The Language of Morals, London u. a. 1952
Hare, R.M.: Freedom and Reason, London u. a. 1963
Harsanyi, J.C.: Cardinal Welfare, Individualistic Ethics, and Interpersonal Comparisons of Utility (1955). Zitiert nach Phelps 1973, S. 266-285
Hook, S. (Hrsg.): Human Values and Economic Policy.
New York 1967
Kambartel, F. (Hrsg.): Praktische Philosophie und konstruktive Wissenschaftstheorie, Frankfurt/M. 1974
Lenk, H. (Hrsg. ): Normenlogik, München 1974
Lorenzen, P.: Konstruktive Wissenschaftstheorie, Frankfurt/M. 1974
Mittelstrass, J. (Hrsg.): Methodologische Probleme einer normativ-kritischen Gesellschaftstheorie, Frankfurt/M. 1975
Phelps, E.S. (Hrsg. ): Economic Justice, Harmondsworth 1973
Rawls, J.: A Theory of Justice, London u. a. 1972
Sen, A.K.: Collective Choice and Social Welfare, San Francisco u. a. 1970

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Siehe auch die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
  
 Einzelinteresse und Gesamtinteresse, § 37.3

 

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Letzte Bearbeitung 03.08.2007 / 20.03.2016 / Eberhard Wesche
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