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Warum soll man moralisch sein? II
PhilTalk Philosophieforen  
Praktische Philosophie >> Ethik >> warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I 
(Thema begonnen von: Aqvilleia am 23. Aug. 2006, 09:22 Uhr) 
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Titel: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia am 
23. Aug. 2006, 09:22 Uhr 
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Hallo Eberhard -
ich versuche den Thread neu zu eröffnen und hoffe, dass 
es in deinem Sinn ist.
Dabei ersuche ich vor allem jene die nicht an 
einer ernsthaften, d.h. sachlich philosophischen Diskussion interessiert sind 
ihre Kämpfe im vorausgegangenen Thread auszutragen. Da mir Ethik ein Anliegen 
ist, wünsche ich mir in diesem Sinn keine persönlichen Angriffe, und den Begriff 
'Liebe', 'Ich bin Du', sparsam bis gar nicht einzusetzen, denn darüber wurde nun 
meiner Meinung nach genug diskutiert. Dieser Apell geht an alle die hier posten! 
[smiley=danke.gif]
George E.Moore beginnt damit, zu hinterfragen was 
wir damit meinen wenn wir sagen, dass eine Handlung richtig ist, oder dass wir 
sie tun sollten, und ob es eine Eigenschaft gibt, sie sie alle auszeichnet.
Eine große Schwierigkeit in ethischen Diskussionen ist immer, die Frage zu 
finden, die man beantwortet haben möchte. In einer einfachen Darstellung 
versucht Moore eine Theorie zu bilden die ihren Ausgang davon nimmt, dass wir 
oft die Wahl haben zwischen mehreren verschiedenen Handlungen zu wählen.
Er nimmt an, dass unsere Handlungen unserem Willen unterstehen, und wir daher 
entscheiden können, sie zu tun oder zu unterlassen.
Diese Handlungen 
nennt er freiwillige Handlungen.
Damit ist aber nicht gesagt, dass alle 
oder fast alle freiwilligen Handlungen auch gewählt oder gewollt sind.
Weiter sind viele unserer Handlungen deshalb freiwillig, weil wir sie 
unterlassen könnten, aber das sagt nichts darüber, ob wir uns auf diese Weise 
hätten entscheiden können.
Es geht vielmehr darum Regeln oder Bedingungen 
aufzustellen unter denen Handlungen
a) richtig oder falsch sind
b) getan 
werden sollen
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun
LG Aqvileia
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia 
am 23. Aug. 2006, 09:24 Uhr 
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[sun] Eh ich's vergesse -
Eberhard - ich wünsche mir von dir, dass du die 
Moderation übernimmst, in deiner gewohnt sachlichen und ausgeglichenen Art! 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Joy am 23. 
Aug. 2006, 09:40 Uhr 
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Hallo Aqvilleia,
die gesamte Art der Fragestellung unterstellt bereits 
eine Realität, die es als solche gar nicht gibt. Du unterstellst nämlich, dass 
es einen vom Handeln getrennt existierenden Handelnden gibt, der nun entscheidet 
ob er Handlung A oder Handlung B ausführt.
Ich kann nirgendwo eine solche 
real vom Handeln getrennte Entität finden. Das relativistische "Ich" (= Ego), 
die vermeintliche handelnde Person also, sie ist mit der Handlung selbst ident.
Die eigentliche Frage müsste daher ganz anders gestellt und präzisiert 
werden. Daran besteht aber offenbar hier im Forum gar kein wirkliches Interesse 
und es wird halt weiter phantasiert...
Da ich an solchen Phantastereien 
nicht interessiert bin, wird dies mein erster und letzter Beitrag in diesem 
Thread sein.
Joy
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia 
am 23. Aug. 2006, 09:57 Uhr 
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Hallo Joy -
diese Phantasterei wie du sie nennst ist Philosophie, und es 
ist eben nicht jeder deiner Meinung an der du nicht rütteln magst.
Ich habe 
nicht unterstellt, dass eine vom Handelnden unabhängige Person existiert, 
sondern, dass es möglicherweise verschiedene Formen von Determinismus geben 
kann, und dass es trotz aller Verschiedenheit eine Entscheidungsfreiheit gibt, 
etwas zu tun oder zu unterlassen.
Es steht dir frei, deine vermeintlich 
eigentliche Frage zu stellen und dazu Stellung zu nehmen - vielleicht in einem 
eigenen Thread?
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
23. Aug. 2006, 10:05 Uhr 
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Mal so offen in den Raum "gesprochen". 
Hast du dich schon mal gefragt, 
warum sich von Herzen liebenden Menschen die Frage nach "moralisch sein 
sollen..." gar nicht erst stellt?
[smiley=ura.gif] 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia 
am 23. Aug. 2006, 10:13 Uhr 
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ganz offen zurückgesprochen - sind alle Menschen so? [embarrass] 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
23. Aug. 2006, 10:17 Uhr 
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on 08/23/06 um 10:13:11, Aqvilleia wrote:ganz offen zurückgesprochen - sind 
alle Menschen so? [embarrass] 
Ist es nicht unfair von mir eine 
Frage zu stellen, die nur jener Teil der Menschheit beantworten könnte, der die 
Frage auch versteht?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 10:56 Uhr 
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Hi, Aqvilleia,
Du: Es geht vielmehr darum Regeln oder Bedingungen 
aufzustellen unter denen Handlungen
a) richtig oder falsch sind
b) getan 
werden sollen
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun
Sollen diese 
Regeln global allgemeingültige Regeln sein, gültig in der Sekte XY oder nur 
gültig in einer 1-Personen-Sekte?
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
RandolphCarter am 23. Aug. 2006, 11:12 Uhr 
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a)eine handlung ist reichtig oder felsch, wenn ich mir selbst durch sie etwas 
gutes/schlechtes tue (schlißet ein schlechtes gewissen ein)
b)man sollte eine 
handlung ausführen, wenn die folgen des nicht handelns schlecht wären
c)pflicht ist ein gesellschaftliches konstrukt, was aus den werten der mächtigen 
(meist der masse) resultiert...
ob man dieser pflicht nun nachgeht 
entscheidet sich über a) und b)
grüße
Carter 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
23. Aug. 2006, 11:27 Uhr 
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mondial -
Quote:"Die Fähigkeit zur Mitgefühl und Sensibilität ist für 
mich wichtigstes Fundament für das friedliche Zusammenleben" 
..und auch für 
das philosophieren! 
aus einem anderen Thread - vielleicht 
beantwortet das deine Frage - ich meine eine Frage zu stellen in der Motivation 
darauf eine ehrliche Antwort zu erhalten kann nie unfair sein, es sei denn, die 
Frage wird provozierender Weise in dem Wissen gestellt, dass der andere sie 
nicht beantworten kann.
Wolfgang Horn -
es geht um 
allgemeingültige Fragen die Menschen betreffen. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
23. Aug. 2006, 11:54 Uhr 
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on 08/23/06 um 11:27:47, Aqvileia wrote:mondial -
aus einem anderen 
Thread - vielleicht beantwortet das deine Frage - ich meine eine Frage zu 
stellen in der Motivation darauf eine ehrliche Antwort zu erhalten kann nie 
unfair sein, es sei denn, die Frage wird provozierender Weise in dem Wissen 
gestellt, dass der andere sie nicht beantworten kann. 
Nein ich 
denke das Zitat beantwortet die Frage nicht, es umgeht sie vielmehr. 
Möglicherweise in Ermangelung der Erfahrung. Ich weiss es nicht. Wichtiger als 
die Frage zu erschlagen, ist doch die Frage genau verstanden zu haben. Das 
heisst nicht sich vorzustellen was sie meint, sondern sie so zu lesen wie sie da 
steht. Kann das Provokation sein?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
23. Aug. 2006, 12:50 Uhr 
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mondial -
ich denke es ist keine Provokation!
Quote:Hast du dich 
schon mal gefragt, warum sich von Herzen liebenden Menschen die Frage nach 
"moralisch sein sollen..." gar nicht erst stellt 
Wenn du diese Frage 
mir stellst, dann kann ich sie dir aus meiner Sicht beantworten, ja, ich habe 
mich das schon gefragt, und bin zu der Feststellung gekommen, dass alles 
Erkennen subjektiver Natur ist und 'von Herzen liebende Menschen' das aus ihrer 
Sichtweise heraus tun, was nicht heißt, dass dem einen das lieb ist, was auch 
dem anderen lieb ist, obwohl sie herzlich miteinander verbunden sind.
Wie 
würdest du diese Frage beantworten? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 13:05 Uhr 
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Hi, Aqvileia, 
Du: es geht um allgemeingültige Fragen die Menschen 
betreffen.
O.k.
Möchtest Du
a) einen Konsens über Antworten
oder
b) wärst Du zufrieden, wenn sich Dein Thread genauso entwickelt wie seine 
Vorgänger - viel Aneinandervorbeireden, Vorwürfe, Frustration?
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia 
am 23. Aug. 2006, 13:31 Uhr 
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Hallo Wolfgang -
Ich gebe meine Stimme deiner Antwort A.
Mit der 
Einschränkung, dass es mir wichtig ist die Schwierigkeiten die damit verbunden 
philosophisch herauszuarbeiten. Da ich Lehrling bin, würde ich mich freuen dabei 
auch von jenen Philosophen unterstützt zu werden, die sich auf diese Weise schon 
länger mit Ethik auseinandergesetzt haben. Allen voran Eberhard, dessen Beiträge 
ich schon jahrelang verfolge ( ;-) im positiven Sinn).
Natürlich bin ich auch 
der Meinung, dass Ethik und die darin inkludierten Meinungen alle Menschen 
umfassen, aber nicht jedem ist es ein Anliegen ethisch zu handeln oder sich 
überhaupt mit der Thematik ernsthaft auseinander zu setzen, was sich ja leider 
bewiesen hat. 
Eine Diskussion in der jeder nur auf seinem Standpunkt 
beharrt, kann keinen Konsens bringen oder Früchte tragen.
Es kann aber 
durchaus sein, dass ich eine Traumfrau bin, die sich eine derartige Diskussion 
wünscht oder vorstellt.
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Templer am 
23. Aug. 2006, 14:15 Uhr 
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Nun, ich bin neu hier und deshalb korigiert mich bitte wenn ich total daneben 
liege! 
Um die Frage zu beantworten warum man moralisch sein sollte muss man 
meiner Meinung nach erst mal zu dem Kern des Menschen gelangen, um zu sehen was 
denn überhaupt moralisch ist. Ist Moral eine angeborene Fähigkeit? Oder doch 
eher angelernt durch Erfahrungen und Einflüsse unserer Umwelt? 
Um dann die 
Frage zu beantworten, wozu uns Moral eigentlich dient. 
Ist es ein Instinkt, 
dient sie vieleicht dazu unsere Art zu erhalten, oder unser Urgemüt zu zähmen. 
(Aus dem mystischen Aspekt gesehen ist sie der Grundstock der Nächstenliebe)
Ist sie angelernt gibt es sie nur in unserer Vorstellung. (Jede Epoche der 
Geschichte hat ihren ganz persönlichen Wert und jedes Volk seine ganz spezielle 
Eigenart. Die Frage ist nur, ob und wie wir uns in andere Zeiten und Kulturen 
rein versetzen können. (Herder)).
Interessant zum Thema ist auch noch 
Kant: 
Die Fähigkeit über Recht und Unrecht zu unterscheiden tragen wir 
seit Geburt in uns. Alle Menschen fassen die Ereignisse in der Welt als 
ursächlich bestimmt auf – Und alle haben auch Zugang zum selben universellen 
Moralgesetz. Dieses Moralgesetz hat dieselbe absolute Gültigkeit, wie die 
physikalischen Naturgesetze. 
Da es vor jeder Erfahrung liegt, ist es Formal, 
was bedeutet, dass es nicht mit bestimmten moralischen Wahlmöglichkeiten 
zusammen hängt. 
Kant formuliert sein Moralgesetz als kategorisch Imperativ. 
Kategorisch, weil es in allen Situationen gilt. Imperativ, weil es völlig 
unumgänglich ist. 
Wir sollten immer so handeln, dass wir uns wünschen, Die 
Regel nach der wir handeln, wird allgemeines Gesetz. Wir sollen andere Menschen, 
immer als Zweck an sich selbst und nicht nur als Mittel zu etwas anderen 
behandeln. Denn jeder Mensch ist ein Zweck an sich. (Was du nicht willst was man 
dir tut, das tue auch keinem anderen an)
Dies ist eine formale Richtlinie, 
die im Grunde alle ethischen Wahlmöglichkeiten umfasst. 
Kant sah sein 
Moralgesetz kausal. (Er beschreibt mit seinem Gesetz, das Gewissen. Wir können 
das was das Gewissen sagt nicht beschreiben, aber wir wissen es trotzdem. Kants 
Moralethik wird oft als Pflichtethik gesehen. Nur wenn man etwas tut, weil man 
es für seine Pflicht hält, dem Moralgesetz zu folgen, kann man von einer 
moralischen Handlung sprechen)
Nur wenn wir selber wissen, dass wir im 
Einklang mit dem Moralgesetz handeln, handeln wir in Freiheit. Es ist gerade 
diese Freiheit die uns zu Menschen macht. 
Ich kann mich dieser Denkweise 
nur anschliessen, doch bleibt immer noch die Frage offen, aus welcher Sichtweise 
wir moralisch handeln. 
Wann sind wir eigentlich moralisch? 
So das 
nun erst mal von mir [spin] 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 14:47 Uhr 
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Hi, Aqvilleia
Du: Ich gebe meine Stimme ... A, also "einen Konsens über 
Antworten".
A ist natürlich die bessere Alternative für eine Gemeinschaft 
- wie die der Teilnehmer Deines Threads - die nicht nur auf der Stelle strampeln 
will, sondern produktiv voran kommen.
Blättere mal durch die älteren 
Threads zu diesem Thema.
Ich beobachte immer wieder dasselbe Schema:
a) 
Meinungsverschiedenheiten,
b) kollektive Unfähigkeit, über den Dissens zum 
Konsens zu kommen,
c) Vorwürfe, Gegenvorwürfe, für den Totschlag fehlt wohl 
die Konsequenz....:-)
d) Frustration des machtlosen Moderators.
Dies 
ist ein Stand der Diskussionstechnik, der schon im Zeitalter der Scholastik 
verbessert wurde durch die Pflicht an jeden, vor seiner Antwort erst zu 
erklären, wie er den vorigen Beitrag verstanden hatte.
Die Ursachen 
dieses Übels sehe ich in:
a) Machtlosigkeit des Moderators
b) Verwechslung 
von Glauben mit Wissen - die einen führen als Argumente nur das an, dessen 
Wahrheitsgehalt sie auch begründen können. Die anderen stellen unbelegte 
Behauptungen auf und fühlen sich dazu berechtigt, weil sie sich selber Zweifel 
daran verboten haben.
c) Eigensucht vieler Teilnehmer, die ihre persönlichen 
Ziele für wichtiger nehmen als erklärte Ziel des Threads.
Vergleiche diesen 
Prozeß der Wahrheitsfindung mit Prozessen, die da deutlich besser voran kommen - 
ich kenne keinen besseren als den der Naturwissenschaften.
d) Mängel in der 
Formulierung der Ziele. Da kommen Ziele mit logischen Widersprüchen drin vor.
Und dann schätze noch mal Deine Chancen, Dein Ziel unter den 
Randbedingungen dieses Forums zu erreichen.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Templer am 
23. Aug. 2006, 16:04 Uhr 
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Ok, so langsamm verstehe ich wie das gemeint ist. 
Gehen wir also von einer 
gemein gültigen Moral aus. Bleibt dann die Frage warum das Individuum sich daran 
halten sollte. 
Moral macht ein gemeinsammes Leben erst möglich. Da wir 
Rudelwesen sind, brauchen wir Regeln die unser Miteienander möglich machen. 
Die Moral wurzelt aus unserem Instinkten heraus und formt die einfachsten (oder 
auch schwersten (Auch heute sieht man noch wie mächtige Staaten, aus allen Fugen 
ächzen, wenn sie vor einfache Forderungen wie: Friede, Liebe, Essen für die 
Armen oder Vergebung für die Staatsfeinde gestellt werden.)) Regeln die 
Gesellschaft erst möglich macht. 
Wenn man also ein Interesse daran hat in 
einer Gemeinschaft zu leben, sollte man moralisch sein. 
Um aber weiter 
auf das Thema eingehen zu können, brauche ich mehr Informationen was du unter 
moralisch verstehst. ;) greets
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 23. Aug. 2006, 16:17 Uhr 
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Hallo Aqvilleia,
also, du versuchst das schier Unmögliche, nämlich über 
Moral eine sachliche Diskussion zu entwickeln. Wenn ich die bisherigen Beiträge 
sehe... naja. 
Ich setze daher bei deinem ersten Beitrag an, in dem du 
Gedanken von G.E. Moore zu diesem Thema zitierst.
1. Als Definition von 
Moral setzt du Moores Postulat, wonach es darum geht, Regeln oder Bedingungen 
aufzustellen unter denen Handlungen 
a) richtig oder falsch sind 
b) getan 
werden sollen 
c) oder ob es unsere Pflicht ist sie zu tun.
Dem stimme ich 
zu und ich denke, wir sollten uns darauf einigen, dass all diejenigen, die 
dieser Definition nicht folgen können, einen eigenen Thread eröffnen und hier 
nicht weiter stören sollten. 
2. Du schreibst, Moore sagt über die 
Freiwilligkeit von Handlungen: "Damit ist aber nicht gesagt, dass alle oder fast 
alle freiwilligen Handlungen auch gewählt oder gewollt sind."
Das 
verstehe ich nicht. Wenn eine Handlung freiwillig ist, heißt das für mich: Der 
Handelnde hat insofern frei entschieden, als er von mindestens 2 Optionen eine 
gewählt hat. Ob der dabei äußeren Zwängen ausgesetzt war, spielt keine Rolle. 
Die bei Straftaten gelegentlich aufgestellte Behauptung: "Ich habe das nicht 
gewollt" mag von juristischem Vorteil sein, in einer Diskussion über Moral hat 
sie aber keinen Platz. Denn über Moral kann man nur diskutieren, wenn man einen 
Freien Willen ohne Wenn und Aber akzeptiert.
Ich denke, auch darüber müsste 
hier Konsens herrschen.
Bist du mit diesen beiden Voraussetzungen 
einverstanden?
Fragt HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Eberhard am 
23. Aug. 2006, 17:12 Uhr 
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Hallo allerseits,
ich stimme denen zu, die fragen, was mit dem Wort 
"moralisch" gemeint ist. Was meinen wir, wenn wir von "moralischer Empörung", 
einem "moralischen Appell" oder einer "Beurteilung unter moralischem Aspekt" 
sprechen?
Was unterscheiden moralische Regeln und Aspekte von 
Rechtsnormen ("Wer Banknoten nachmacht …, wird mit mindestens x Jahren 
Freiheitsentzug bestraft"), Klugheitsregeln ("Man soll sich 3 mal täglich die 
Zähne putzen"), Regeln der Etikette ("Man soll Kartoffeln nicht mit dem Messer 
schneiden") oder Gebrauchsanweisungen ("Nehmen Sie dazu ein Viertel Liter 
Sahne")?
Wenn wir hier etwas Klarheit gewonnen haben, reden wir weniger 
aneinander vorbei.
Ich vermute, ein Charakteristikum moralischer Regeln 
ist, dass sie in gewisser Weise "unbedingt" gelten, während z. B. eine 
Spielregel nur dann gilt, wenn ich ein bestimmtes Spiel spielen will.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
23. Aug. 2006, 19:00 Uhr 
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hallo zusammen:
die frage:
'warum soll man moralisch sein' 
ist zirkulär, denn die beiden mögichen antwortformen:
'darum soll 
man moralisch sein'
oder
'darum soll man nicht moralisch sein'.
sind beide moralisch, da ein 'sollen' angesprochen wird.
(ich 
glaube, sogar wolfgang horn wäre hier mit mir einverstanden, er würde sagen, 
dass in der frage ein 'denkfehler' steckt. ich würde allerdings sagen, eine 
solche frage kann nur von einem moralisten gestellt werden, der implizit eine 
gegenposition gar nicht in 'seinem' thread besprochen haben will. das hat sich 
genau bestätigt - siehe eberhards ausfall.)
damit die frage sinn 
macht, muss sie anders gestellt werden, sonst wird es logischerweise ein thread 
in dem sich moralisten gegenseitig bestätigen, wie es jetzt der fall ist.
die präzise frage ist:
kannst du moral gutheissen?
(habe einen thread dazu aufgemacht)
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
23. Aug. 2006, 19:19 Uhr 
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Einen schönen guten Abend - ich freue mich wirklich über eure Antworten und 
hoffe, dass wir uns wenigstens in der Begrifflichkeit annähern können. 
[applause]
Randolph Carter - vielleicht ergibt sich die Möglichkeit aus 
den folgenden Beiträgen deine Sichtweise zu erweitern oder zu ergänzen!
Templer - der kategorische Imperativ von Kant ist mir bekannt, und ich stimme 
dir inhaltlich zu, was moralisch sein könnte, doch gibt es dieses Beispiel des 
lügenhaften Versprechens, das nicht ganz unproblematisch ist. Moore stellt auch 
die Frage 'was ist gut' und landet damit in der Erkenntnistheorie, und hier 
bedarf es der Einigung wie Eberhard meint. Gut ist alles....
Wolfgang -
deine Analyse ist toll, und es lässt sich aus dem vergangenen Thread einiges 
herauslesen, aber das ist wieder mit Stellungnahmen verbunden, die u.U. als 
persönlicher Angriff gewertet werden könnten, und das möchte ich vermeiden. Also 
ohne diesen vorbelasteten Randbedingungen schätze ich doch eine ethische 
Diskussion mit lauter intelligenten Menschen als gewinnbringend möglicherweise 
für alle Beteiligten ein.
Hanspeter - ja, um eine Diskussion in Gang zu 
bringen wäre es wünschenswert einen Konsens über die verwendeten Begriffe zu 
erreichen.
Moore meint in seiner Theorie, dass viele Handlungen unserem 
Willen unterstehen, in dem Sinn, dass wir uns entscheiden können sie zu tun, 
oder nicht zu tun, daher nennt er diese Art von Handlungen freiwillige 
Handlungen. Allerdings grenzt er ein, dass es nicht sicher ist, dass alle oder 
fast alle freiwilligen Handlungen auch tatsächlich gewählt oder gewollt sind. 
Sie sagt weiter, dass wir diese Handlung hätten unterlassen können, aber nichts 
darüber ob wir uns auf diese Weise hätten entscheiden können. In Moores Argument 
ist wesentlich, dass eine freiwillige Handlung eine Gesamtmenge an Lust oder 
Unlust hervorbringen kann, und dass wir alle ihre Folgen berücksichtigen 
sollten, die mittelbaren und die unmittelbaren, direkten und indirekten und auch 
das des Gefühls der Lust und Unlust fähige Wesen. Damit meint Moore Tiere und 
eventuelle Wesen des Universums. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
23. Aug. 2006, 19:22 Uhr 
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ich verabschiede mich hiermit aus dem thread, weil mich ethische diskussionen 
nicht interessieren.
viele grüsse
laertes 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
23. Aug. 2006, 19:29 Uhr 
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Hallo laertes,
ich glaube, Du irrst, wenn Du meinst, dass die Frage: 
"Warum soll man moralisch sein bzw. handeln" wiederum mit einer moralischen Norm 
beantwortet werden muss.
Wolfgang Horn hat in der abgebrochenen Runde 
z.B. eine nicht-moralische Begründung gegeben. Es meint, dass es langfristig im 
eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu befolgen. Ich habe diese 
Begründung kritisiert, weil ich vom Standpunkt des eigenen Vorteils aus die 
moralische Norm missachten werde, wenn keine Gefahr der Entdeckung droht. Das 
eigene Interesse reicht als Begründung meines Erachtens nicht. 
Dein 
Irrtum rührt daher, dass Du jedes "Sollen" als ein moralisches Sollen verstehst. 
Die meisten Vorschriften sind jedoch nicht-moralischer Natur. Ein Beispiel für 
nicht-moralische Normen sind z. B. die methodologischen Regeln in den 
Erfahrungswissenschaften (z. B. die Vorschrift, Stichproben zu "randomisieren", 
also nach einer Zufallsauswahl zu ziehen, Versuchanordnungen nachvollziehbar zu 
beschreiben etc.) 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
23. Aug. 2006, 19:35 Uhr 
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Hallo Eberhard - ich freue mich besonders!
Du hast natürlich Recht mit 
deiner Forderung das 'Moralische' an sich zu definieren.
Quote:ich 
stimme denen zu, die fragen, was mit dem Wort "moralisch" gemeint ist. Was 
meinen wir, wenn wir von "moralischer Empörung", einem "moralischen Appell" oder 
einer "Beurteilung unter moralischem Aspekt" sprechen? 
Ich 
gehe davon aus, dass in Moral zwei Begriffe vereint sind, einerseits das 
Positive Recht - Ziel ist eine Rechtslehre die deskriptiv und präskriptiv sein 
kann, und andererseites eine positive Moral, eine Gseamtheit von Einstellungen 
des tägl.Lebens sie ist neutral, Teil der Gesellschaft und enthält keine 
Zwangssanktionen.
Moralische Empörung wäre möglicherweise eine 
Situationsethik oder ein Argument, den eigenen Erfahrungen entsprechend, das 
sich gegen eine Handlung lehnt, oder eine deskriptive Ethik.
Ein moralischer 
Apell ist eine deontische (sollen) Meinung, eine Handlungsanweisung, Vorschrift, 
Gebote, Verbote - eine präskritive Ethik.
Beurteilung unter einem 
moralischen Aspekt ist Metaethik, Sozialfragen d.Todesstrafe, Moral der Römer 
oder Azteken, wann u.wie Kinderpsychologie...!
Ich nehme gerne Anteil an 
eurer Meinung zu diesen Terminis.
laertes - vielleicht kannst du auch 
über deinen Begriff von 'moralisch' hinausgehen?
LG
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 20:40 Uhr 
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Hi, Eberhard 
Du: ...hat eine nicht-moralische Begründung gegeben. Er 
meint, dass es langfristig im eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu 
befolgen.
So ist meine These nur teilweise korrekt wiedergegeben.
Korrekt:
Ausgangssituation: Eine Person steht vor der Entscheidung, ob sie lieber 
bequem-lasterhaft oder mühevoll-tugendhaft handelt.
Grundlagen
Mein 
simples Modell vom menschlichen Verhalten:
GF 1. Jede Person strebt die 
Realisierung ihrer persönlichen Wünsche an. Das ist ihr wichtiger als alles. (1. 
Priorität)
GF 2. Jede Person meidet Mühen, die sie unnötig hält zur 
Realisierung ihrer persönlichen Wünsche. (2. Priorität)
Entscheidungsprozeß
Die Person simuliert beide Verhaltensweise: "Was wäre, 
wenn ich diesen Weg gehe?"
Sie schätzt die Chancen, Mühen und Risiken.
Sie 
denkt auch an Nebenwirkungen. Sicher auch in der vereinfachten Form, in der sie 
auf ihren "Ruf" achtet und ihre Freunde nicht verwirren will durch chaotische 
Verhaltensweisen, sondern lieber ihren "Prinzipien" treu bleibt.
Sie 
vergleicht beide Verhaltensweisen und deren Folgen ab. Und dann entscheidet sie 
sich.
Vielleicht all das ohne Begriffe, nur gefühlsmäßig in der Zeit eines 
Wimpernschlages.
Ihre Weitsicht hat einen großen Einfluß auf den Ausgang 
der Entscheidung.
Laster und Tugenden
"Tugendhaft" nene ich ein 
Verhalten, wenn es zugleich ein aufrichtiges Opfer zugunsten der Gemeinschaft 
dieser Person ist. Vielleicht eine Spende, mehr Mühen, die den persönlichen 
Wünschen nicht unmittelbar nutzen, aber der Gemeinschaft.
"Lasterhaft" 
nenne ich das Verhalten, wenn die Person konsequent nach GF1 und GF2 handelt, 
aber ohne ein Opfer für die Gemeinschaft, sondern eher zu Lasten der 
Gemeinschaft.
Tugendhaft wird sich eine überlegende Person in der 
angenommenen Situation nur dann verhalten, wenn sie genügend Anlasse hat für die 
Erwartung, ihre Gemeinschaft belohne sie für das Opfer auf eine faire Art und 
Weise, und der Lohn rechtfertige die Mühen der Tugend.
Eine Gemeinschaft 
kann diesen Lohn unter bestimmten Umständen erwirtschaften.
Beispiel: 
Fußballfeld, zwei Teams. Im Tugendteam rennt einer für den anderen, und wenn er 
den anderen in der besseren Position vor dem Tor sieht, dann schießt er nicht 
selbst auf den Kasten, sondern gibt eine Vorlage.
Das Lasterteam brauche ich 
nicht zu beschreiben.
Welches gewinnt wohl - unter der Voraussetzung, daß 
die Teams ansonsten gleich stark wären?
Voraussetzungen für tugendhaftes 
Verhalten
Gemeinwille wie "Sieg!". Dieser muß den persönlichen Zielen der 
Spieler dienen. 
Fairneß. Die Gemeinschaft muß auch tugendhaft gegenüber 
dem Einzelnen handeln. Denn wer sich unfair behandelt oder gar ausgebeutet 
fühlt, der stellt sein Engagement für die gemeinsame Sache ein.
Disziplinierung. Gelegentlich reicht der Gruppendruck, hier im Forum aber nicht. 
Dann hilft ein energischer Moderator oder Chef im Beruf. Dann muß er aber auch 
Vorbild sein.
Fazit
Diese Zusammhänge sind zu kompliziert für 
einen Zweisätzer. Oder gar Schlagworte.
Vermutlich einer der Gründe, warum 
"Zivilisiert" mit "Gebildet" und "klug" assoziiert wird.
Ciao
Wolfgang 
Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 23. Aug. 2006, 21:49 Uhr 
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@ Eberhard.
Da ich nach wie vor glaube, eine gute Definition ist die halbe 
Miete, greife ich gerne deinen Vorschlag auf.
Du schriebst: "Was 
unterscheiden moralische Regeln und Aspekte von Rechtsnormen ("Wer Banknoten 
nachmacht …, wird mit mindestens x Jahren Freiheitsentzug bestraft"), 
Klugheitsregeln ("Man soll sich 3 mal täglich die Zähne putzen"), Regeln der 
Etikette ("Man soll Kartoffeln nicht mit dem Messer schneiden") oder 
Gebrauchsanweisungen ("Nehmen Sie dazu ein Viertel Liter Sahne")? 
Wenn 
wir die Definition Moores akzeptieren, ergibt sich folgendes:
1. Rechtsnorm. 
Dies ist eine normierte Moral, also eine moralische Regel, die nicht individuell 
zur Disposition steht, sondern die unbedingt einzuhalten ist.
2. 
Klugheitsregel: Ist ein unverbindlicher moralischer Vorschlag. Der Autor 
empfiehlt Gesundheitsbewusstsein als moralisch wertvoll, doch kann man andere 
Handlungen als wichtiger oder den Gesundheitseffekt als minimal einschätzen.
3. Etikette. (Wobei mir nicht klar ist, mit was man sonst Kartoffeln 
schneiden soll. Mit der Kreissäge?) Egal, auch die Etikette ist ein 
unverbindlicher moralischer Vorschlag. In bestimmten Kreisen ein Muss, aber man 
muss sich nicht in diesen bestimmten Kreisen bewegen.
4. 
Gebrauchsanweisung. Hier sehe ich keinen Zusammenhamg mit Moral, da keine 
Interaktion mit anderen Menschen ersichtlich ist. Ob ich in meinem Zimmer laut 
oder leise furze, hat ebenfalls nichts mit Moral zu tun. 
Damit bleibt 
als Definition erhalten: Moral wertet menschliches Handeln, legt fest, ob es 
"gut" oder "böse" ist. 
@Wolfgang.
Deine Ausgangssituation ist zu 
plakativ. "Lasterhaft" muss nicht unbedingt bequem sein (Ärger mit der Polizei), 
tugendhaft muss nicht unbedingt mühevoll sein (Anerkennung unter den 
Mitmenschen). Und pauschal in die eine oder andere Ecke kann man ohnehin 
niemanden stellen.
Dazu kommt die oft ungeklärte Frage, was konkret nun 
lasterhaft oder tugendvoll sei. Die Werteänderungen in den letzten 60 Jahren ist 
ja evident.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
23. Aug. 2006, 22:02 Uhr 
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on 08/23/06 um 12:50:23, Aqvileia wrote:mondial -
ich denke es ist 
keine Provokation!
Wenn du diese Frage mir stellst, dann kann ich sie dir aus 
meiner Sicht beantworten, ja, ich habe mich das schon gefragt, und bin zu der 
Feststellung gekommen, dass alles Erkennen subjektiver Natur ist und 'von Herzen 
liebende Menschen' das aus ihrer Sichtweise heraus tun, was nicht heißt, dass 
dem einen das lieb ist, was auch dem anderen lieb ist, obwohl sie herzlich 
miteinander verbunden sind.
Wie würdest du diese Frage beantworten? 
Ich würde antworten das meine Meinung unerheblich ist und den Herrn 
Kant, der hier ja Ansehen und Gewicht geniesst antworten lassen.
"Zwei 
Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und 
Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der 
bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."
Diese 
letztlich denkerisch nicht beantwortbaren Fragen sollen ja auf seinem Grabstein 
stehen. Sinnig. Es gibt Fragen die sollte man nur stellen und sonst nichts 
weiter.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
23. Aug. 2006, 22:44 Uhr 
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Halllo Wolfgang,
ich sehe nicht, inwiefern Deine Ausführugen mein 
Argument berühren. Ich hatte gesagt: Auch mein langfristiges Eigeninteresse kann 
kein Grund sein, immer moralisch zu handeln, denn mein Eigeninteresse sagt mir: 
"Du kannst nicht erwischt werden, also steck das fremde Geld unauffällig ein." 
Was stimmt an dem Argument nicht?
Hallo Aqvileia, hallo Hanspeter,
mir kommt es nur darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern 
normativen Phänomenen unterscheidet. 
Rechtsnormen sind etwas anderes als 
moralische Normen. Es kann z.B. moralisch geboten sein, gegen eine bestehende 
Rechtsordnung Widerstand zu leisten. Rechtsordnungen fordern vor allem Gehorsam, 
moralische Normen beanspruchen für sich auch "Richtigkeit".
Auf einen 
Aspekt moralischer Normen will ich noch hinweisen: moralische Normen sind 
"universalisierbar". Wenn ich A wegen einer Tat moralisch tadele, dann muss ich 
auch B tadeln, der unter völlig gleichen faktischen Umständen dasselbe tut. 
Rechtsnormen sind nicht in dieser Weise universalisierbar, denn durch ein 
neues Gesetz wird dieselbe Handlung, die bisher straffrei war, nun rechtswidrig 
und damit strafbar. Moralisch snd beide Handlungen aber gleichwertig.
Andererseits stimme ich Hanspeter darin zu, dass das Recht, wenn es mehr als ein 
Zwangssystem sein will, auf der Moral aufbauen muss, und dass in demokratischen 
Gesellschaften eine enge Verbindung zwischen den moralischen Einstellungen in 
der Bevölkerung und den geltenden Gesetzen besteht. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 23. Aug. 2006, 23:26 Uhr 
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Hi, Hp,
Du: Deine Ausgangssituation ist zu plakativ.
Zu plakativ in 
Bezug auf was? Womit vergleichst Du das? Und wie begründet Dein Vergleich eine 
Antithese zu meinen Ausführungen? Bitte "Butter bei die Fische".1
Du: 
"Lasterhaft" muss nicht unbedingt bequem sein
Weil ich die Mühen einer 
Diskussion um Bezeichnungen und deren Bedeutungen gern meide, habe ich 
definiert: "Tugendhaftes" Handeln ist eines, bei dem sich der Handelnde 
zusätzliche Mühen macht zum Vorteil seiner Gemeinschaft.
Ist das unklar? Ist 
da ein logischer Fehler drin?
Du: tugendhaft muss nicht unbedingt 
mühevoll sein (Anerkennung unter den Mitmenschen
Hier sind wir wieder in der 
Diskussion um Bezeichnungen und deren Bedeutungen.
So, wie ich "tugendhaftes 
Verhaltes" definiert habe, schon.
Wir werden wohl beobachten: Je größer 
die Opfer des Tugendhaften für seine Gemeinschaft, desto weniger sind dazu 
bereit.
Du: Dazu kommt die oft ungeklärte Frage, was konkret nun 
lasterhaft oder tugendvoll sei. Die Werteänderungen in den letzten 60 Jahren ist 
ja evident.
Deshalb halte ich meine Definition besser als das Chaos der 
Tugenden, das sich ergäbe, würden wir die Werte sortieren der "Machos" und 
"Emanzen", von "jung" und "senior", von "Stadt" und "Land", von "Preussen" und 
"Bayern", sogar von "Ober-" und "Unterfranken", und sogar von TSV1860 und FC 
Bayern.
Wenn Du Lust verspürst, die Chaos zu ordnen, gern, ich befürchte 
da eine Schlammschlacht. Deshalb definiere ich auf meine Art und Weise.
Wenn 
Du meinst, was besseres zu haben, dann stelle es vor.
Aber laß mich nicht 
lange warten.
@Eberhard 
Du: ich sehe nicht, inwiefern Deine 
Ausführugen mein Argument berühren. Ich hatte gesagt: Auch mein langfristiges 
Eigeninteresse kann kein Grund sein, immer moralisch zu handeln, denn mein 
Eigeninteresse sagt mir: "Du kannst nicht erwischt werden, also steck das Geld 
unauffällig ein." Was stimmt an dem Argument nicht?
Ich zuvor: " Du: 
...hat eine nicht-moralische Begründung gegeben. Er meint, dass es langfristig 
im eigenen Interesse liegt, die moralischen Normen zu befolgen.
So ist meine 
These nur teilweise korrekt wiedergegeben."
Das ist keine Entgegnung, kein 
Gegenargument, nur eben der Hinweis, so ist meine These nur teilweise 
wiedergegeben.
Oder beziehst Du Dich auf etwas anderes?
Ciao
Wolfgang 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 24. Aug. 2006, 06:46 Uhr 
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Hallo Eberhard,
du schreibst: "Rechtsnormen sind etwas anderes als 
moralische Normen."
Widerspruch. Zunächst historisch: Erst war die Moral, 
dann das daraus abgeleitete Recht.
Dann sachlich. Wenn wir die Moral als die 
Frage nach Gut oder Böse sehen, dann ist der einzige Unterschied zwischen Moral 
und Recht die öffentliche Normiertheit. Darin etwas grundsätzlich anderes zu 
sehen, kann ich nicht nachvollziehen.
Weiter schreibst du: "Es kann z.B. 
moralisch geboten sein, gegen eine bestehende Rechtsordnung Widerstand zu 
leisten."
Das ist relativ. Es kann auch umgekehrt geboten sein, gegen 
eine bestimmte Moral Widerstand zu leisten, zB gegen die moralische Vorstellung, 
Blutrache ausüben zu müssen. 
Deshalb lässt sich auch fordern: "Es kann 
moralisch geboten sein, gegen eine andere Moral vorzugehen."
Eberhard: 
"Rechtsordnungen fordern vor allem Gehorsam, moralische Normen beanspruchen für 
sich auch "Richtigkeit"."
Wenn es eine "richtige Moral" gibt, dann gibt 
es auch ein "richtiges Recht". Ich gehe davon aus, dass unser Staat seine 
Rechtsordnung für richtig = gerecht hält. 
Eberhard: "moralische Normen 
sind "universalisierbar"...." 
Dasselbe verlangt auch das Recht, siehe 
Völkerrecht, Menschenrechte usw. 
De facto aber gibt es weder ein universales 
Recht noch eine universale Moral, weil beide eben nicht universalisierbar sind. 
Sie gelten nur für eine bestimmte Gesellschaft. 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
24. Aug. 2006, 06:58 Uhr 
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hi hanspeter,
diesmal volle zustimmung!
recht und moral kommen aus 
dem selben schosse.
die historische vorform der moral war eine 
ausgrenzung, verbannung, ausschluss aus dem clan, noch ohne verinnerlichung.
mit dem aufkommen der grossstädte und später des christentums wurde dann die 
ausgrenzung innerlich. das schlechte gewissen wurde erfunden, die menschen 
begannen sich zu innerlich in gut und böse zu spalten, die herrschaftsgewalten 
konnten sie innerlich zu lenken beginnen. das ist natürlich ungemein praktischer 
als wenn man die äussere bewegung eines jeden einzelnen kontrollieren muss.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Gnoseias am 
24. Aug. 2006, 08:52 Uhr 
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Guten Morgen, [sun]
on 08/23/06 um 22:44:51, Eberhard wrote:mir kommt 
es nur darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern normativen Phänomenen 
unterscheidet. 
In den vorhergehenden Beiträgen ist die Rede von 
Regeln, Bedingungen, Wünschen, Bewertungen (Tadel (impliziert Rechtfertigung), 
Gleichwertigkeit).
Ich möchte diese wegen der Komplexität nicht explizit 
kommentieren und stattdessen, einige Behauptungen in den Raum stellen, die ich 
auf Wunsch gerne genauer erklären und belegen werde:
Alle möglichen (für 
mich vorstellbaren) Handlungen können moralisch relevant sein.
Der Grad 
dieser moralischen Relevanz ergibt sich (ausschließlich) aus der Reichweite und 
Unvorhersehbarkeit der Wirkung dieser Handlung.
Bei der moralischen 
Bewertung von Handlungen handelt es sich um Vorurteile (nicht nur Werturteile).
Bereits durchgeführte Handlungen haben moralisch gesehen (nur) Einfluss auf 
diese Vorurteile.
Eine Handlung kann moralisch endgültig nur in der 
Berücksichtigung aller Konsequenzen (der Wirkung) bewertet werden, also niemals 
im Voraus.
Die Bewertung der Wirkung selbst ist eine Frage der Ethik.
------------------
Mit Hilfe dieser Überlegungen versuche ich folgende 
grobe Einteilung zur Veranschaulichung zu treffen, (darüber brauchen wir bitte 
nicht zu diskutieren :-)):
Handlungen mit Reichweite und 
Unvorhersehbarkeit:
„kurz/gering“: werden im Allgemeinen mit 
„alltäglichen“ Regeln erklärt.
„mittel“: werden durch derzeit bestehende 
moralische Institutionen (Regeln, Bedingungen und Gesetze) abgedeckt.
„weit/schwierig“: sind immer strittig und können mit unseren bisherigen 
„Mitteln“ nicht zufrieden stellend allgemeingültig „vorverurteilt“ werden.
------------------
Gesetze spielen nur insofern eine Rolle, dass sie für 
allgemein vorausgesetzte Vorurteile eine Strafe aussetzen.
------------------
Meine abschließende Meinung dazu:
Dadurch ergibt sich die Forderung 
moralisch zu handeln nur, um der (nachfolgenden) „Verurteilung“ zu entgehen. 
Wenn das Urteil bereits vor der Handlung feststeht, entsteht 
Handlungssicherheit.
Wer die Reichweite und Unvorhersehbarkeit seiner 
Handlungen besser einschätzen kann, als die geltende Moral festlegt, kann die 
Relevanz selbst korrigieren, doch die Bewertung der Wirkung ist trotzdem eine 
Frage der Ethik.
Deshalb ergibt sich auch die Problematik einer zwar 
geltenden, jedoch dadurch nicht notwendigerweise gültigen Moral.
Gruß, Gnoseias
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 24. Aug. 2006, 09:47 Uhr 
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Hallo,
@Wolfgang:
Vermutlich habe ich es überlesen. Wie lautet deine 
Definition von Moral?
@gnoseias.
zu deinen 6 Thesen.
1. Im 
Prinzip Zustimmung, wobe es hilfreich wäre, wenn du formulieren würdest, was du 
unter Moral verstehst oder wenigstens, unter welchen Bedingungen Handlungen 
moralisch relevant werden.
2. Wenn statt Unvorhersehbarkeit 
Vorhersehbarkeit stehen würde, würde ich zustimmen. So aber macht für mich der 
zweite Teil deiner These keinen Sinn. Oder bedarf der Präzisierung.
3. 
Der Begriff Vorurteil ist normalerweise negativ besetzt. Wenn du Vorurteil 
wertneutral als Urteil vor einem endgültigen Urteil betrachtest, dann 
Zustimmung.
4. Für mich unklar, was damit gemeint sein soll.
5. Im 
Prinzip richtig, aber wenig hilfreich. Der Sinn von Moral ist ja, Handlungen im 
Voraus zu beurteilen und nicht hinterher ein Gutachten über die Handlung zu 
formulieren.
Eine wesentliche Eigenschaft des Denkens allgemein ist der 
Versuch, die Wirkungen von Handlungen vorauszusehen. 
6. Das ist 
Definitionssache. Für mich ist Ethik die Beschreibung von Moralen, nicht die 
Wertung. Dies ist Sache der Moral.
Könntest du deine Definition von Moral 
und Ethik hier darlegen? Dann nämlich lässt sich erst über deine Thesen genauer 
urteilen. 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
24. Aug. 2006, 10:06 Uhr 
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Hi,
mir scheint da ein seltsames Verständnis von Recht vorzuliegen.
Seit wann fordert eine Rechtsordnung Gehorsam - außer in Diktaturen?
Unsere Rechtsordnung verlangt, jedes Gesetz so zu interpretieren, dass es mit 
dem in Art. 1 GG niedergeschriebenen Grundwert "die Menschenwürde ist 
unantastbar" im Einklang steht. Das schließt Gehorsam aus.
Seit wann 
verurteilen Gesetze? Verurteilen tut der Richter, nach genauer Prüfung des 
Einzelfalles und danach, welches Gesetz auf diesen Fall überhaupt anwendbar ist.
Seit wann wird verurteilt im Einklang mit der geltenden Moral? Diese Zeiten 
sind Gott sei Dank vorbei. Damals nannte man die geltende Moral "das gesunde 
Volksempfinden".
Was ist ein Rechtsstreit? Wenn zwei Leute 
unterschiedlicher Auffassung sind, ob und in welchem Grad das, was sie getan 
haben, Recht oder Unrecht ist. Im Falle Strafrecht Angeklagter und Staatsanwalt. 
Entscheiden tut den Streit der Richter. Und der entscheidet nicht nach 
moralischen Maßstäben, sondern danach, ob und welche Spielregel unserer 
Gesellschaft verletzt wurde und inwieweit der Rechtsverletzer deswegen Schuld 
trägt. Dabei kann es schon mal zu gewaltigen Beurteilungsproblemen kommen - 
siehe Kannibale von Rothenburg. Verteidiger sagt: Tötung auf Verlangen - 
straffrei. Landgericht sagt: Totschlag. BGH sagt: Denkfehler. Mordmerkmale nicht 
ausreichend geprüft - macht dat noch mal. Was sagt das 'gesunde Volksempfinden'? 
Was die allgemeine Moral? Die macht sich solche komplizierten Gedanken nicht.
In unserer Rechtsordnung steht auch nicht die Strafe als Vergeltung an 
erster Stelle. Die hat nur eine Funktion, nämlich die Gültigkeit und 
Verlässlichkeit der Spielregeln sicher zu stellen. Was Menschen brauchen. In 
etlichen afrikanischen Ländern mit willkürlicher Rechtssprechung wandern die 
Menschen ab zur Scharia.
An erster Stelle steht in unserer Gesellschaft 
die Resozialisierung. Heißt, wer nicht gerade ein Schwerverbrecher ist oder 
wissentlich und wiederholt die Spielregeln missachtet hat, kriegt, wenn der 
Richter meint, er habe kapiert, dass das so nicht geht, erst mal Bewährung.
Ein Denkfehler, der in dieser Diskussion ständig gemacht wird, ist, ein paar 
typische Fälle menschlichen Verhaltens (und dazu gehören in diesem Kontext auch 
positives Recht und seine Anwendung) heraus zu greifen und sie absolut als das 
menschliche Verhalten schlechthin zu setzen. Das ist falsch, denn es gibt da 
noch weit mehr reguläre ebenso typische Fälle, geschweige denn irreguläre.
Beispiel (weil davon hier und da die Rede war): die Beleidigung. Da kommt 
einer an und sagt: du hast mich beleidigt. Für ihn ist der Fall klar. Ja, von 
wegen.
Da gibt's die undefinierte Beleidigung, § 185 StGB.
Da gibt's 
die Üble Nachrede, § 186, Verbreitung von Tatsachen über einen Menschen, die ihn 
in der öffentlichen Meinung herabwürdigen. Strafbar, es sei denn, was er sagt 
ist erweislich wahr.
Ist die Tatsache wahr, gibt's aber noch § 192: die 
Wahrheit darf nicht zur reinen Beleidigung missbraucht werden. Kommt einer aus 
dem Knast, ist es strafbar, ihn durch Verbreitung dieser Tatsache sozial zu 
mobben.
Dann gibt's Verleumdung, Verbreitung wissentlich unwahrer Tatsachen 
über einen Menschen. § 187. Dat kost' mehr als mal eben zu nem Polizisten "du 
Clown" zu sagen.
Dann gibt's § 193, Wahrnehmung berechtigter Interessen. "Das 
ist keine Kunst, das ist Geschmiere". "Was du da von dir gegeben hast, ist 
dummes Zeug." Sofern begründet, ist das ebenso wenig Beleidigung, als wenn ein 
Arbeitnehmer sagt: "mein Vorgesetzter will mich doch nur los werden, weil ich 
bezeugen kann, dass er Mist gebaut hat". Sofern das wahr ist - keine 
Beleidigung.
Und abschließend auch noch § 199, wechselseitig begangene 
Beleidigung. Kann für einen oder alle beide straffrei ausgehen.
Danach 
wird geprüft, wenn einer sagt, der hat mich beleidigt. Wo steckt da die Moral? 
Und welcher Normalbürger kennt schon diese gesetzlichen Differenzierungen?
Wer sagt, das sei ihm zu kompliziert: bei Tötung und Körperverletzung ist 
das noch viel, viel komplizierter.
Also: Vorsicht bei Gleichsetzungen. 
Rechtswissenschaft ist als Wissenschaft genau so alt wie die Philosophie. Da 
sollte man nicht einfach denken, das sei nix außer willkürlichen Festlegungen, 
gekoppelt mit allgemeiner Moral.
Interessanter wäre da imho die Frage, 
warum wir die Rechtssprechung einer anderen Instanz übertragen haben - offenbar 
betrachtet man nämlich seit sehr langer Zeit das Vertrauen in die allgemeine 
Moral als ziemlich riskante Angelegenheit.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
24. Aug. 2006, 10:47 Uhr 
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Hallo allerseits,
die Fragestellung ist offenbar nicht ohne Tücken. Ich 
will deshalb auf eine Schwierigkeit bei unserer Diskussion hinweisen, die aus 
einer unterschiedlichen Verwendungsweise der Worte "moralisch" und "Moral" 
herrührt, und die das Verständnis der Fragestellung offensichtlich erschwert.
Wenn ein Soziologe oder Ethnologe eine bestimmte Gesellschaft 
untersucht, dann findet er bestimmte Einstellungen und Ansichten darüber vor, 
wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat. Er findet z. B. Normen 
darüber, wie sich Kinder gegenüber ihren Eltern verhalten, wie man einen Gast 
behandelt, der im Hause wohnt, wie man sich verhält, wenn ein Familienmitglied 
oder ein Fremder in Not geraten oder wie man sich kleidet.
Diese Normen 
bilden die moralische Ordnung dieser Gesellschaft. Eine andere Gesellschaft kann 
wieder eine andere Moral haben. Und in komplexen Gesellschaften können sogar 
verschiedene Subkulturen nebeneinander bestehen, die voneinander abweichende 
Moralsysteme haben. Was "moralisch" ist, hängt damit von der jeweiligen 
Gesellschaft und Kultur ab, auf die man sich bezieht. 
Hier werden die 
Worte "Moral" und "moralisch" beschreibend verwendet in dem Sinne von "in den 
Einstellungen der Gesellschaftsmitglieder verankerte Vorstellungen vom richtigen 
Handeln". 
Wenn der Ethnologe sagt: "In dieser Gesellschaft wäre es ein 
schwerer Verstoß gegen die Moral und in höchstem Maße unmoralisch, wenn ein Kind 
dem Vater widerspricht" oder "In dieser Gesellschaft ist es keineswegs 
unmoralisch, einen Fremden, der nicht zur eigenen Gemeinschaft gehört, 
auszurauben", so beschreibt er empirisch vorfindbare soziale Sachverhalte, er 
urteilt selber jedoch nicht moralisch.
Da in jeder Gesellschaft andere 
Regeln hinsichtlich des Verhaltens gelten, so ergibt die Frage: Warum soll man 
moralisch handeln? keinen rechten Sinn, denn es gibt mehrere unterschiedliche 
"Moralen", um einen sprachlich etwas unschönen Plural zu bilden. Welche ist denn 
gemeint? 
Urs hatte wohl ähnliche Schwierigkeiten, denn er schrieb: "Wenn 
es ein Zusammenleben gibt, gibt es auch Moral; die Moral ist nämlich genau das, 
was macht, dass man von einem 'Zusammen' sprechen kann. Da ich 'Moral' in dieser 
Weise verstehe, ist die Frage dieses Threads für mich gleichbedeutend mit der 
Frage: 'Warum soll man mit Menschen zusammenleben?'" Urs versteht die Frage also 
etwa in dem Sinne von "Warum braucht man überhaupt (irgend)eine Moral?"l
Man kann die Fragestellung auch so (miss)verstehen, dass gefragt wird: "Warum 
soll man entsprechend der in der eigenen Gesellschaft vorherrschenden Moral 
handeln?" Dann verstehe ich den Unmut derer, die meinen, damit sei schon vorweg 
entschieden, dass man entsprechend der vorherrschenden Moral handeln solle, und 
es werde nur noch nach einer Begründung dafür gesucht. Wenn die Frage so 
gestellt wäre, wäre auch meine Entgegnung: "Es steht ja noch gar nicht fest, ob 
die vorherrschende Moral überhaupt die richtige ist. Möglicherweise sollte sie 
in bestimmten Punkten geändert werden."
Soweit die beschreibende 
Verwendung der Worte "Moral" und "moralisch". Man kann diese Worte nicht nur in 
einem beschreibenden Sinne verwenden, sondern man kann damit auch selber 
Wertungen vornehmen und Normen aufstellen.
Wenn ein Mullah sagt: "Das 
halbnackte Baden, nur mit einem Badeanzug bekleidet, ist in höchstem Grade 
unmoralisch", dann informiert er damit nicht über die moralischen Einstellungen 
in seiner Kultur, sondern er fordert damit allgemein auf, das halbnackte Baden 
zu unterlassen bzw. dafür zu sorgen, dass es unterlassen wird.
Wenn 
"moralisches Handeln" in diesem wertenden Sinne gemeint ist und "richtiges 
Handeln" bedeutet, dann ist die Einsicht in die Richtigkeit dieser moralischen 
Normen der entscheidende Grund, moralisch zu handeln. 
Dass dieser 
Vernunftgrund nicht immer als Beweggrund ausreicht und dass deshalb durch 
Belohnung und Bestrafung zusätzliche Motive für moralisches Verhalten geschaffen 
werden müssen, ist damit nicht bestritten. Ebenso wenig wird damit bestritten, 
dass sich moralisches und eigeninteressiertes Handeln über weite Strecken decken 
können, was die moralische Motivation spürbar entlastet.
Also: Warum soll 
ich nicht betrügen? Weil ich einsehe, dass es falsch wäre, das zu tun.
Mit dieser Feststellung ist zwar ein Schritt getan, aber es stellt sich 
natürlich sofort die Frage: Und wie bestimmt man, welches das richtige oder das 
falsche Handeln ist? 
Soweit erstmal von Eberhard.
p.s. Ich gebe 
zu, dass die subtilen sprachlichen Unterscheidungen etwas Geduld erfordern, aber 
ohne Genauigkeit der Begriffe gibt es keine haltbaren Resultate. Ob jemand die 
von ihm verwendeten Begriffe in ihrer Bedeutung analysiert und klärt, sagt 
bereits viel über die Qualität seiner Gedanken aus. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 24. Aug. 2006, 11:25 Uhr 
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Hi, Hp,
Du: Wie lautet deine Definition von Moral?
Ich sehe keinen 
Weg, das, was Personen mit "Moral" bezeichnen, allgemeingültig zu definieren.
Weil so viele Personen mit "Moral" nur ihre persönliche Moral bezeichnen, und 
die des anderen nur solange, wie keiner genau nachfragt.
Selbst hier im 
Forum lautet ein Thread "kannst du moral gutheissen?", der Fragesteller hat in 
die Zusatzfrage "welche Moral genau" oder "wessen Moral" völlig unterschlagen.
Wenn sich der andere konsequent widersetzt, dann ist der 
Schurkenpräsident George W. Bush sogar bereit, ihn mit einer Atombombe zu 
vernichten.
Deshalb nenne ich alle Personen "Schurke", die ihre Moral 
anderen Personen mit Gewalt aufzwingen wollen - auch, wenn diese Moral nur das 
Feigenblatt für den Raub von Ölfeldern ist und die Ausrede für Unterdrückung und 
Folter mit Käfighaltung für Andersdenkende.
Aber ich sehe einen Weg, die 
Prozesse "moralisches Denken" und "moralisches Verhalten" so zu definieren, daß 
es für alle Tugenden gilt, die sich eine Gemeinschaft nur ausdenken kann:
"Tugendhaft verhält sich eine Person aus der Sicht ihrer Gemeinschaft, wenn 
sie ihre persönlichen Ziele nicht mit minimaler Mühe anstrebt, sondern sich 
zusätzliche Mühen gibt zum Nutzen ihrer Gemeinschaft."
Erläuterung: Die 
Gemeinschaft, die hier angesprochen ist, urteilt über das Verhalten ihrer 
Mitglieder. 
Kennt Du eine Definition, die a) allgemeingültig sein kann 
und b) kürzer ist?
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
24. Aug. 2006, 12:44 Uhr 
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Hi Eberhard,
ich erhebe Einspruch.
Wenn ein Soziologe oder 
Ethnologe eine bestimmte Gesellschaft untersucht, dann findet er bestimmte 
Einstellungen und Ansichten darüber vor, wie man sich in bestimmten Situationen 
zu verhalten hat.
Was untersucht der Soziologe hier? In der Regel 
Subkulturen oder Stämme.
Aus der Untersuchung diverser Subkulturen und 
Stämme (A;B;C) gewinnt er qua Abstraktion das Merkmal M und nennt das Moral. M 
ist Kitt, der sowohl A als auch B und C zusammen hält.
Wenn er M nun auf 
die komplexe, mehrere Subkulturen enthaltende Gesellschaft D übertragen will, so 
macht er einen logischen Fehler, denn D ist ungleich A, ungleich B, ungleich C.
D zeichnet sich in Bezug auf das Merkmal Moral dadurch aus, dass sie ein 
codifiziertes Recht hat. Dieses Recht steht zu den Moralen in Konkurrenz. Und D 
ist so verfasst, dass im Konkurrenzfalle keine der Moralen gilt, sondern Recht 
R.
Für A, B und C gilt also: wenn Handeln beurteilt wird, dann nach M.
Für D gilt, wenn Handeln beurteilt wird, dann nach M und R.
Wenn M 
ungleich R ist, dann nach R.
Folgt: wenn Handeln letztlich beurteilt wird, 
dann nach R.
Denn wenn es nach M beurteilt wird, so hat dies keine 
unabänderlichen Folgen. Wird z.B. ein Knastologe nach M verurteilt und hat dies 
feststellbare Behinderungen für sein Leben in der Gesellschaft zur Folge, so 
werden diejenigen, die sich an den Maßstab M halten, vom übergeordneten Maßstab 
R zurück gepfiffen.
Somit stellt sich in D die Frage: warum soll man 
überhaupt moralisch handeln - genügt es nicht, sich an das Recht zu halten?
Die Frage hingegen, warum man nicht betrügen soll, ist keine moralische 
Frage, sondern eine ethische. Sie fragt nämlich nicht, wie es sein soll, sondern 
wie es ist. Denn die Frage "warum soll man nicht betrügen" lässt sich nicht 
durch Hinweis auf moralische oder rechtliche Normen beantworten, sondern nur 
unter der Voraussetzung des Eruierens, welche Entscheidung welche Menschen bei 
der Alternative Betrügen ja oder nein fällen (natürlich nicht mit statistischen 
Zielen, sondern, da auch die Philosophie sich mit Tatsachen befasst, mit dem 
Ziel, solche Tatsachen erst mal festzustellen).
Parallele zum Recht:
Warum soll man andere Leute nicht erpressen?
Antwort: Grundgesetz, Recht 
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wird verletzt.
Die Frage, warum denn 
dieses Recht nicht verletzt werden soll, verweist auf Art. 1, Unantastbarkeit 
der Menschenwürde.
Das aber ist kein Recht, sondern ein ethisches Prinzip, 
auf das die 'warum soll' - Frage nicht mehr anwendbar ist.
Du kannst 
nicht fragen: warum soll der Mensch eine Würde haben? Sondern nur: warum hat er 
denn eine Würde?
Und das lässt sich nicht mehr mit empirischen oder 
rechtswissenschaftlichen Methoden beantworten. Für solche Grundlagen ist die 
Philosophie zuständig.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 24. Aug. 2006, 13:17 Uhr 
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Hi, Abrazo,
Recht betrachte auch ich als eine Sammlung kodizifierter 
Verhaltensregeln, was man in welcher Situation tun oder lassen soll.
Die 
10 Gebote galten dem Volke Israel auch als Recht, so wie der Koran im Islam auch 
heute noch Strafgesetzbuch ist.
Die Fragen "wie funktioniert ein Gesetz" 
und "wie funktioniert Moral?" ergeben: Das Gesetz ist eine mächtige und 
kodizierte Moral.
Unter Strafe kann man nur stellen, was sich auch 
beweisen läßt. Also keine Einstellungen, keine Gedanken, aber konkretes 
Verhalten.
„Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem 
anderen zu!“ - das läßt sich nicht als Gesetz formulieren, aber als moralischer 
Appell.
Du: Art. 1, Unantastbarkeit der Menschenwürde.
Ich hab, bald 
nach meinem Abitur, <30 Jahre ists her, mal einen Eid geleistet, diese tapfer zu 
verteidigen.
Aber auch mein Leutnant kam damals über Platitüden zum Begriff 
"Menschenwürde" nicht hinaus, stimmte aber meiner Definition mit dem „Was Du 
nicht willst..." erleichtert zu.
Schwammige Bezeichnungen taugen nur für 
Stumpfdenker, und, um von einer breiten Masse Publikum Zustimmung zu bekommen.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Gnoseias am 
24. Aug. 2006, 17:53 Uhr 
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Hallo Hanspeter,
vielen Dank für die detaillierte Antwort. :-)
Leider 
zwingst Du mich für die weiteren Aussagen dazu, mich sehr weit aus dem Fenster 
zu lehnen.
Ohne den entsprechenden Kontext ist es sehr schwer, über dieses 
Thema zu schreiben.
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Quote:Könntest du deine Definition von Moral und Ethik hier darlegen? 
Dann nämlich lässt sich erst über deine Thesen genauer urteilen. 
Bezüglich einer Definition muss ich leider passen, was jedoch nicht 
verwunderlich sein dürfte, denn auch bei diesem Begriffs besteht eine 
Supervenienz gegenüber aller Erklärungen, so dass es bei diesen bleiben muss.
Quote:Die Bewertung der Wirkung selbst ist eine Frage der Ethik. 
6. 
Das ist Definitionssache. Für mich ist Ethik die Beschreibung von Moralen, nicht 
die Wertung. Dies ist Sache der Moral. 
Nun gut, dann versuche ich es 
doch einmal, obwohl einiges in den bereits angeführten „Behauptungen“ steckt:
Ethik bedeutet für mich „Sittenlehre“ als die Lehre von der Moral als 
„Sittlichkeit“.
Moral hat jedoch eine Doppelbedeutung wie man an der auch 
von Wittgenstein übernommenen deutschen Übersetzung der treffenden Definition 
von George Edward Moore sehen kann:
Ethik ist die „allgemeine 
Untersuchung dessen, was gut ist“.
Im Original: “Ethics deals with the 
question what is good or bad in human conduct.” („Principia Ethica“ 1. Kapitel 
§2, 2)
Insofern ist eine Abgrenzung von Moral und Ethik nur bedingt 
sinnvoll.
Dennoch möchte ich beides trennen, wenn ich sage, Moral ist die 
Bewertung und Untersuchung von Handlungen und Ethik ist die Bewertung und 
Untersuchung der Moral. Sozusagen Ethik als Metamoral. (Wobei sich George Edward 
Moore mit Metaethik beschäftigte.)
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Quote:Alle 
möglichen (für mich vorstellbaren) Handlungen können moralisch relevant sein.
1. Im Prinzip Zustimmung, wobe es hilfreich wäre, wenn du formulieren 
würdest, was du unter Moral verstehst oder wenigstens, unter welchen Bedingungen 
Handlungen moralisch relevant werden. 
Moralisch relevant sehe ich 
alle Handlungen, die für mindestens einen „nicht (mit) Handelnden“ zu einer 
unerwünschten Wirkung führen können.
Problematisch dabei ist:
Es gibt Handlungen, die immer zu einem unerwünschten Ergebnis führen.
Es 
gibt Handlungen, die in der Summe von wirkenden Handlungen keine 
„Einzelrelevanz“ erreichen.
Die Beurteilung der unerwünschten Wirkung ist 
abhängig vom betroffenen Subjekt und kann nicht objektiv verglichen werden.
Es gibt Handlungen, deren Ergebnis nicht vorhersehbar ist.
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Quote:Der Grad 
dieser moralischen Relevanz ergibt sich (ausschließlich) aus der Reichweite und 
Unvorhersehbarkeit der Wirkung dieser Handlung. 
2. Wenn statt 
Unvorhersehbarkeit Vorhersehbarkeit stehen würde, würde ich zustimmen. So aber 
macht für mich der zweite Teil deiner These keinen Sinn. Oder bedarf der 
Präzisierung. 
Die Negierung der Vorhersehbarkeit erfolgte nur zu dem 
Zweck, eine Relation der folgenden Art ausdrücken, dass ein Anstieg von 
Reichweite, sowie von Unvorhersehbarkeit einen höheren Grad von Relevanz 
bewirkt.
Je vorhersehbarer die Wirkung einer Handlung ist, desto geringer die 
Relevanz.
------------------------------------------------------
Quote:Bei der moralischen Bewertung von Handlungen handelt es sich um Vorurteile 
(nicht nur Werturteile). 
3. Der Begriff Vorurteil ist normalerweise negativ 
besetzt. Wenn du Vorurteil wertneutral als Urteil vor einem endgültigen Urteil 
betrachtest, dann Zustimmung. 
Ja, Vorurteil im Sinne von „vor dem 
Urteil“, im Gegensatz zu negativ besetzter Vorverurteilung oder vorschnellem 
Urteil.
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Quote:Bereits durchgeführte Handlungen haben moralisch gesehen (nur) Einfluss 
auf diese Vorurteile. 
4. Für mich unklar, was damit gemeint sein soll. 
Handlungsweisen, deren unerwünschte Wirkung nicht vorhersehbar war, 
können erst nach der erfolgten Handlung in den moralischen Vorurteilen 
berücksichtigt werden.
------------------------------------------------------
Quote:Eine Handlung kann moralisch endgültig nur in der Berücksichtigung 
aller Konsequenzen (der Wirkung) bewertet werden, also niemals im Voraus. 
5. 
Im Prinzip richtig, aber wenig hilfreich. Der Sinn von Moral ist ja, Handlungen 
im Voraus zu beurteilen und nicht hinterher ein Gutachten über die Handlung zu 
formulieren. 
Dies war leider falsch formuliert. Ich wollte damit auf 
die korrigierende Wirkung der Konsequenzen auf die Beurteilung zukünftiger 
Handlungen hinweisen.
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Quote:Eine wesentliche Eigenschaft des Denkens allgemein ist der 
Versuch, die Wirkungen von Handlungen vorauszusehen. 
Das ist der 
menschlichen Vernunft gegeben, doch zunehmend genügen die Fähigkeiten einzelner 
Menschen oder kleiner Gruppen nicht mehr den Anforderungen.
Gruß,
Gnoseias
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
24. Aug. 2006, 18:08 Uhr 
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Hallo an Alle! 
Es gibt hier eine Menge Meinungen in den 
unterschiedlichsten Begriffen die nicht immer dieselbe Extension aufweisen. Vor 
allem kommt mir vor, gibt es zwei Interessensrichtungen, das ist einerseits das 
Positive Recht und andererseits die positive Moral.
Vielleicht könnten wir 
uns doch ersteinmal auf die positive Moral als vorbereitetes Beet für ein darin 
gepflanztes positives Recht beschränken.
Quote:mir kommt es nur 
darauf an, herauszuaarbeiten, was Moral von andern normativen Phänomenen 
unterscheidet. 
Rechtsnormen sind etwas anderes als moralische Normen 
Dass Rechtsnormen etwas anderes als moralische Normen sind ist wohl 
jedem klar, dass Rechtsnormen auch moralische Normen sein könne wohl auch, dass 
moralische Normen Rechtsnormen sind ist von einer theologische bestimmten Moral 
abhängig.
Eine philosoph.Ethik, wie unsere hier versuchte, ist unabhängig von 
Religion oder theolog. GLauben, also ohne göttliche Offenbarung - gehen wir hier 
konform?
Moore gibt als Antwort auf den Fragenkomplex was eine richtige 
Handlung ist: Eine allen richtigen, freiwilligen Handlungen, und zwar nur den 
richtigen unter ihnen zukommende Eigenschaft ist die, dass sie alle zum 
Mindesten ebensoviel Lust bewirken wie irgendeine Handlung, die der Handelnde an 
ihrer Stelle hätte tun können.
Was eine Menge Fragen daraus aufwirft: Was 
bedeutet Willensfreiheit, Handlungsfreiheit, Entscheidungsfreiheit?
Was heißt 
es 'anders handeln- sich anders entscheiden können'?
Ist der Wertbegriff 
'lustvoll' als Synonym für 'gut' haltbar?
Was könnte damit gemeint sein 'ein 
höheres Maß an Lust'?
Vielleicht gibt es auch bei euch Fragen zu dieser 
Schlussfolgerung von Moore!
Quote:Es gibt Fragen die sollte man nur 
stellen und sonst nichts weiter. 
Wer eine Frage stellt hat 
schon eine bestimmte Vorstellung, also ein Wissen, warum sollte man dieses nicht 
vertiefenŽ?
LG
Ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich versuche 
den Garten der Ethik ein wenig übersichtlich zu gestalten. Kraut und Rüben 
vertragen auch Unkraut ( sorry Beikräuter) aber ein philosophischer!? [spin]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
24. Aug. 2006, 18:11 Uhr 
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Noch eine Frage Eberhard - du hast die Frage nach richtigen Handlungen gestellt 
- soll ich Moores These dazu anführen, oder kennen sie sowieso alle, oder ist es 
nicht so wichtig!? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 24. Aug. 2006, 19:30 Uhr 
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Hallo 
@Eberhard.
Vielen Dank, dass du auf die Notwenigkeit einer 
genauen Begriffsklärung hinweist. 
Deiner Beschreibung der Findung von 
Moral in der Ethnologie stimme ich zu. Nebenbei, Verhaltensforscher ermitteln 
die Moral höherer Primaten (Schimpansen, Paviane) auf dieselbe Weise.
@gnoseias.
Ich halte mich im Folgenden an die von mir verwendete 
Nummerierung, die ja deiner ursprünglichen Darstellung entspricht.
6. Ich 
freue mich, dass du deiner ersten Ablehnung, eine Moral-Definition zu geben, 
unmittelbar danach eine solche brachtest. Der stimme ich voll zu, vor allem 
deinen letzten beiden Sätzen. 
Ich hoffe nun, alle Diskussionsteilnehmer 
akzeptieren die folgende Definition: "Moral ist die Bewertung und Untersuchung 
von Handlungen"
1. Moralische Relevanz. 
Du schreibst: "Es gibt 
Handlungen, die immer zu einem unerwünschten Ergebnis führen."
Richtig. Und 
sie sind daher zu unterlassen. Oder meinst du damit, dass es Situationen gibt, 
bei denen jede mögliche Handlung zu einem unerwünschten Ergebnis führt? Also 
eine tragische Situation? Dann sollte der Handelnde jene bevorzugen, welche das 
bestmögliche Ergebnis ergibt. 
"Es gibt Handlungen, die in der Summe von 
wirkenden Handlungen keine „Einzelrelevanz“ erreichen."
Könntest 
du dazu ein Beispiel nennen? 
"Es gibt Handlungen, deren Ergebnis nicht 
vorhersehbar ist."
Im Prinzip ja. Moralisch relevant ist folglich jenes 
Ergebnis, das "nach bestem Wissen und Gewissen" zu erwarten wäre.
Und danach 
sind Handlungen zu beurteilen. 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
24. Aug. 2006, 23:06 Uhr 
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Hallo allerseits,
vorweg zu Deiner Frage, Aqveleia. Ich verstehe mich 
hier als Diskussionsteilnehmer und möchte Dich bitten, weiter zu moderieren. Zu 
Moore: Ich finde es für uns am besten, wenn wir selber argumentieren und uns 
hier nicht um Interpretationsfragen kümmern müssen. Das heißt natürlich nicht, 
dass man die Argumente maßgeblicher Autoren hier nicht einbringen sollte..
Ich würde gern auf die einzelnen Beiträge näher eingehen, aber gegenwärtig 
ist nicht mehr drin als:
einige Gedanken zum Verhältnis "unmoralisch" 
–"rechtswidrig"
Die Frage war: "Warum soll man andere (z.B.) nicht 
betrügen?" 
Meine Antwort darauf war: "… weil dies eine falsche Handlung 
wäre."
Wenn diese Frage im heutigen Deutschland gestellt wird und mit 
"Betrügen" ist "Betrügen im juristischen Sinne" gemeint, dann wäre die erste 
Antwort "… weil es einen gesetzlichen Straftatbestand erfüllt". Diese Antwort 
reicht in den allermeisten Fällen aus. Wenn jemand allerdings generell die 
Legitimation des Bundestages zur Gesetzgebung bestreitet, reicht sie nicht aus.
Wenn jemand ein korrekt zu Stande gekommenes Gesetz inhaltlich für dermaßen 
falsch und katastrophal hält, dass ihm Widerstand dagegen gerechtfertigt 
erscheint, dann reicht der Hinweis auf die rechtlichen Bestimmungen ebenfalls 
nicht aus. 
Wenn die Frage lautet: "Warum soll man nicht einen jüdischen 
Partner lieben und mit ihm Kinder zeugen?" und wurde vor 70 Jahren in 
Deutschland gestellt, dann wäre die erste Antwort vielleicht "… weil es gegen 
die Rassegesetzgebung verstößt"
Aber ist der Hinweis auf die 
Rechtswidrigkeit eine ausreichende Antwort auf die gestellte Frage? Unabhängig 
von der Legitimation des politischen Gesetzgebers?
Man könnte weiter 
fragen: Und warum soll man nicht rechtswidrig handeln? Eine Antwort darauf ist: 
Die Auffassungen vom richtigen Handeln gehen unter Umständen auseinander. Um 
trotzdem soziale Koordination und Kooperation zu ermöglichen, werden 
Normsetzungsverfahren geschaffen, deren Entscheidungen Verbindlichkeit für 
jedermann beanspruchen, auch wenn er sie nicht immer für inhaltlich richtig 
hält. Dies ist die Rechtsordnung. Natürlich sollten diese Entscheidungen selber 
möglichst inhaltlich richtig sein. Im Falle katastrophaler irreversibler 
Entscheidungen gibt es deshalb Grenzen der Verbindlichkeit.
Soviel von 
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
25. Aug. 2006, 00:54 Uhr 
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Hi,
zunächst mache ich darauf aufmerksam, dass das StGB ein bisschen 
älter ist als die Bundesrepublik Deutschland; auch das StGB geht letztlich 
zurück auf Römisches Recht, auch damals gab es schon Betrug als Straftatbestand. 
Ich finde es schon wichtig darauf hinzuweisen, dass dies sehr alte Normen sind, 
die unterschiedliche Gesellschaften, Verfassungen und Staaten überstanden haben.
Was das Recht und die Ethik, auf der das deutsche Recht (im Gegensatz zum 
angelsächsischen, das ist da eher pragmatisch am fiktiven Gesellschaftsvertrag 
orientiert) gemeinsam haben gegenüber der Moral, ist das Verlangen nach 
Objektivität. Genau das ist der Konflikt zwischen Ethikern und Moralisten. Denn 
die Existenz einer objektiven humanen Ethik in dem Sinne, dass Menschen in 
bestimmten geistigen Verfassungen einige Fragen gleich beurteilen, streiten 
Moralisten ab. Das ist übrigens ein ganz bedeutender politischer Konflikt. Denn 
wenn ich die Moral an die Gesellschaft binde, dann komme ich zu der Auffassung, 
dass die (angeblich) höher entwickelte Gesellschaft auch die höhere, bessere 
Moral hat, die nunmehr für alle anderen auch als zumindest erstrebenswert, 
letztlich aber als das Bessere zu gelten hat. Vulgo: dat wird denen einfach über 
gedeut. Alte Sache. Ob Adel, Klerus, Eroberer oder Großkapitalist, wird die 
Existenz einer allgemeinen humanen Ethik negiert und statt dessen 
gesellschaftliche Moral gepredigt, kommt eben das raus.
Warum soll ich 
moralisch handeln? Wie wär's mit Patriotismus? Oder Bekenntnis zu einer 
bestimmten gesellschaftlichen Schicht? Dürfte häufiger der Fall sein, oder? Wird 
auch gerne verlangt - man denke an die Diffamierung von 
Kriegsdienstverweigerern, die bei uns auch erst in den Siebzigern aufhörte.
Aber irgendwie sind wir damit nicht zufrieden, ne?
Wie Du sagtest, 
Eberhard, es kann auch der gesellschaftlichen Moral entsprechen, sich von seinem 
jüdischen Partner zu trennen ...
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
25. Aug. 2006, 05:58 Uhr 
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Guten Morgen -
also doch Jurisprudenz oder Gesellschaftsnorm? Hier 
überlasse ich euch gerne das Feld, dazu bin ich zuwenig informiert.
Quote:Die Frage war: "Warum soll man andere (z.B.) nicht betrügen?" 
Meine Antwort darauf war: "… weil dies eine falsche Handlung wäre 
Um darauf eine 'richtige' Antwort geben zu können sollte doch erst einmal 
definiert sein, was unter 'betrügen' verstanden wird.
Ich würde darauf 
antworten - jeder der andere betrügt betrügt sich letztlich selbst und damit 
sind seine Erkenntnisse vom falschen Bild der Erfahrung geprägt, was nicht nur 
psychologische sondern auch intellektuelle Konsequenzen nach sich zieht.
Die Grenzen der Verbindlichkeit in einer Gesellschaftsordung sind sehr dehnfähig 
und können wie die Geschichte zeigte ebenfalls irreversibel sein.
War 
denn der Nationalsozialismus kein Bekenntnis zu einer bestimmten Schicht? Das 
beantwortet die Frage nach Moral nicht sondern nur die Frage nach einer 
kurzsichtigen Nützlichkeit.
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
25. Aug. 2006, 09:35 Uhr 
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Hi,
§ 263 StGB: Betrug
(1) Wer in der Absicht, sich oder einem 
Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines 
anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch 
Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder 
unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe 
bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders 
schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn 
Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 
1. 
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur 
fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat, 
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht 
handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen 
in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen, 
3. 
eine 
andere Person in wirtschaftliche Not bringt, 
4. 
seine Befugnisse oder 
seine Stellung als Amtsträger mißbraucht oder 
5. 
einen Versicherungsfall 
vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von 
bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder 
teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.
...
Klare Definition. Juristen sprechen von 3 Betrugsmerkmalen: 
Irrtumserregung (was der Täter erzählt oder tut), Täuschung (was das Opfer tut, 
weil bei ihm der Irrtum erregt wurde), Vermögensvorteil.
Fehlt eins 
dieser Merkmale, ist es kein Betrug.
Das ist eben der Wunsch der 
Rechtswissenschaft nach möglichst großer Objektivität.
Deine Definition, 
Aqvileia, ist gewiss poetischer und romantischer, aber die juristische scheint 
mir für den Alltag wesentlich zuverlässiger und brauchbarer zu sein.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvilleia 
am 25. Aug. 2006, 10:00 Uhr 
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Hi Abrazo -
Poesie und Romantik hat noch niemand geschadet es sei denn 
er/sie hat sich darin verloren. Unabhängig davon setzt deine Beantwortung wie 
auch die Antwort von Eberhard zur Frage
Quote:Die Frage war: "Warum soll 
man andere (z.B.) nicht betrügen?" 
Meine Antwort darauf war: "… 
weil dies eine falsche Handlung wäre 
bereits eine vorhandene 
Moral und deren Normen voraus.
In der Frage wurde aber nicht nach einer 
Normbegründung d.h. ob diese richtig/falsch ist gesucht sondern darum ob es 
moralisch (unabhängig von Gesetz oder Religion) ist zu betrügen. Meine Antwort 
darauf gründet sich auf eine Kenntnis der Handlung also das Bewusstsein zu 
betrügen und die daraus resultierenden Folgen. Romantik ist für mich etwas 
anderes, aber es könnte durchaus auch Menschen geben für die es romantisch ist 
zu betrügen, ich wage das nicht zu behaupten.
Meine Def. für Betrug ist: eine 
Übervorteilung des Ich auf Kosten anderer.
[nosee] 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 25. Aug. 2006, 10:01 Uhr 
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Hallo, 
Ob man Ethiker und Moralisten trennen kann, wie Abrazo meint, 
bezweifle ich und ich sehe zu dieser Trennung in der Literatur auch keinen 
Anlass. Doch das ist letztlich Nebensache.
Die entscheidende Frage 
lautet: Gibt es eine objektive, das heißt für alle Mensch gültige Moral? Und die 
ist nicht theoretisch, sondern praktisch zu beantworten: NEIN. Es ist nicht der 
Fall.
Es sein denn, wir schaffen eine einheitliche Weltkultur mit einer 
einheitlichen Ideologie. Doch dazu sehe ich keinen Ansatz.
Eberhard 
schrieb: 
"Warum soll man andere (z.B.) nicht betrügen?" "… weil dies 
eine falsche Handlung wäre." 
Die Antwort auf diese Frage könnte auch 
lauten: Weil es "böse" ist, weil es verboten ist, weil es dem Ziel einer 
friedlichen Gesellschaft zuwider läuft, usw. 
Noch einmal: Betrügen ist ein 
negativ definierter Begriff. Und deshalb ist es definitionsgemäß in allen 
Moralsystemen verboten. Die moralisch entscheidende Frage ist nicht: Ist Betrug 
verboten, sondern, handelt es sich bei dieser oder jener Handlung um einen 
Betrug oder nicht. 
Anders gesagt, das moralisch relevante Problem lautet: In 
welche Kategorie ist eine Handlung einzuordnen. Das ist ja auch die Aufgabe 
eines Gerichts. 
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
25. Aug. 2006, 10:03 Uhr 
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Hallo allerseits,
Warum soll man moralisch handeln?
Wenn man den 
sprichwörtlichen "Mann auf der Straße" fragen würde, dann würde der einen 
vielleicht wegen einer derartigen Frage komisch angucken und schließlich sagen: 
"Na weil die Moral ja gerade die Regeln enthält, an die man sich halten soll. … 
Komische Frage .."
Ein junger Mann, der die Frage mitgehört hat, gibt 
seinen Kommentar: "Moral? Da pfeif ich drauf. Alles verstaubte, repressive 
Vorschriften von vorgestern, mit denen die Leute brav bei der Stange gehalten 
und für dumm verkauft werden sollen. Ohne mich …"
Und seine Begleiterin 
fügt hinzu: "DIE Moral gibt es doch gar nicht. Die Eltern einer Mitschülerin 
finden es z.B. unmoralisch, wenn ein Mädchen im Badeanzug schwimmen geht, und 
wollen nicht, dass ihre Tochter am Schwimmunterricht teilnimmt. " 
Eine 
Frau, die interessiert stehen geblieben ist, sagt: "Aber wenn jeder sich an 
gewisse Regeln halten würde, dann läge hier nicht so viel Müll auf der Straße, 
man könnte ohne Befürchtungen auch spätabends noch allein nach Hause kommen und 
ich brauchte nicht viel Geld für neue Schlösser und Riegel ausgeben, um meine 
Wohnung vor Einbruch zu schützen."
Es entwickelt sich offenbar eine 
Diskussion. Ein Mann fortgeschrittenen Alters wendet sich an den jungen Mann: 
"Aber soll denn jeder tun und lassen können, was er will? Wo kämen wir denn da 
hin? Finden Sie es etwa richtig, wenn ein 13jähriges Mädchen im Park einer alten 
Frau die Handtasche entreißt und damit wegläuft, wie man es gestern wieder in 
der Zeitung lesen konnte? Da ist doch in der Erziehung etwas schief gelaufen …. 
wenn überhaupt was gelaufen ist. Sie wollen doch wohl nicht behaupten, dass 
Handtaschenraub in Ordnung ist, oder? Irgendwelche Regeln im Umgang miteinander 
werden Sie doch wohl auch anerkennen, junger Mann."
Der junge Mann wird 
nachdenklich: "Mag schon sein, dass ich so was nicht in Ordnung finde. Wird ja 
auch mit Knast bestraft. Ich hab da auch so meine Vorstellungen, wie man die 
Sachen besser regeln könnte. Aber auf irgendein Moralsystem lass ich mich nicht 
festnageln und ich würde meine Vorstellungen vom richtigen Verhalten auch 
niemandem aufzwingen. Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse."
Der 
Mann: "Wer redet denn von 'aufzwingen'? Wie man die Leute dazu bringt, sich 
richtig zu verhalten, ist ja bereits der zweite Schritt. Erstmal muss man ja 
festhalten, was richtig ist und was falsch, um das Wort 'moralisch' zu 
vermeiden, das für Sie offenbar ein rotes Tuch ist." . 
Die Frau: "Ja, 
wenn sich die Leute wenigstens einig darüber wären, was die beste Lösung ist, 
dann sähe es schon besser aus. Aber wie soll das passieren, wenn jede Gruppe 
ihre eigene Tradition predigt und wenn viele Kinder gar nichts mitkriegen außer 
Action-Filmen und Nintendo-Spielen."
Ich klinke mich mal aus der 
Diskussion aus und stelle als These in den Raum: 
"Moralisch" (nicht im 
beschreibenden sondern im auszeichnenden, empfehlenden, präskriptiven Sinne) 
können nur Regeln sein, die allgemeingültig in dem Sinne sind, dass alle 
gemeinsam dieser Regel aus freier Einsicht zustimmen können. Das macht zugleich 
den Grund aus, warum man moralisch handeln soll.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
25. Aug. 2006, 12:05 Uhr 
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hi eberhard,
"Ich klinke mich mal aus der Diskussion aus und stelle als 
These in den Raum: 
"Moralisch" (nicht im beschreibenden sondern im 
auszeichnenden, empfehlenden, präskriptiven Sinne) können nur Regeln sein, die 
allgemeingültig in dem Sinne sind, dass alle gemeinsam dieser Regel aus freier 
Einsicht zustimmen können."
eine regel, der alle zustimmen können 
macht nur dann sinn, wenn potentiell alle/viele n o c h n i c h t ihre 
handlungen nach ihr ausrichten.
das ist also etwas absurd.
'ich stimme 
einer regel zu, die ich bisher nicht ausgefüllt, gelebt habe.'
denn sonst 
wäre das erstellen der regel ja gar nicht nötig, man wäre gar nicht auf die idee 
dieser regel gekommen.
das heisst im klartext:
das erstellen einer 
solchen freiwilligen regel ist ein v e r s p r e c h e n.
wieder einmal mehr 
macht man eine aussage über zukünftiges, das man g la u b t in den griff zu 
kriegen.
ich habe mehrfach geschrieben, moral sei die installierung einer 
drittinstanz; hier ist diese eine differenz von zukünftiger und vergangener 
handlung. also etwas völlig virtuelles, für das es keinerlei garantie gibt. 
ergo: es wird - bei aller freiwilligkeit - nicht klappen, da der mensch keinen 
zugriff auf die zukunft hat.
das wird man merken und aus der regel ein recht 
machen müssen mit der nötigen durchsetzungsgewalt.
dann hat sich die 
allgemeine freiwilligkeit selbst ad absurdum geführt.
ich keine keine moral, 
die nicht diesem weg gehen musste.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
25. Aug. 2006, 13:31 Uhr 
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Hallo Eberhard -
zu deiner These - was heißt es eine freie Einsicht zu 
haben?
Wonach trachten alle Menschen?
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
25. Aug. 2006, 16:47 Uhr 
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Hallo allerseits,
ich schrieb: "'Moralisch' im präskriptiven Sinne können 
nur Regeln sein, denen alle gemeinsam aus freier Einsicht zustimmen können."
Wenn jeder sowieso gemäß dieser Regel handelt, braucht man keine Norm. Das 
ist unstrittig. Hier geht es um Verhaltensweisen, denen alle gemeinsam zustimmen 
können, sofern sich alle daran halten, die aber nicht mehr konsensfähig sind, 
wenn einige sich daran halten und andere nicht.
Ein Beispiel: Es wurden 
im Park Grünflächen und Beete angelegt. Die Wege führen drum herum. Es mag nun 
im Interesse aller liegen, diese Anpflanzungen zu schonen und nicht "quer Beet" 
zu latschen. Gleichzeitig mag es für den Einzelnen vorteilhaft sein, selber 
darüber zu gehen, denn der dadurch entstehende Schaden ist kaum merklich und es 
spart ihm Zeit.
In überschaubaren Gruppen, wo jeder jeden kennt, reicht 
in solchen Fällen der moralische Konsens und die moralische Ächtung des 
Regelverletzers, um die Einhaltung der Regel zu erreichen. 
In anonymen 
Großgruppen klappt das gewöhnlich nicht und die Einhaltung muss durch weitere 
Sanktionen bewirkt werden (Verrechtlichung).
Zu Aquileias Frage: "Aus 
freier Einsicht zustimmen können" heißt soviel wie: "es gibt nachvollziehbare 
Argumente oder Evidenzen" dafür. 
Dies von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
25. Aug. 2006, 19:43 Uhr 
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Hallo Eberhard -
ist es das, was du unter moralischer Empörung verstehst?
Dein Beispiel mutet ein wenig nach Schul- oder Hausordnung an, aber nichts 
destotrotz könnte auch daraus ein handfester Streit entstehen und plötzlich 
stimmen nicht mehr alle dieser Regel zu. Wenn z.B. jemand gehbehindert ist und 
der Weg durch den Rasen der einzige ist, den er kräftemäßig beschreiten kann, 
und das aber der Rasenliebhaber nicht einsieht, dann?
Zählt eine 
utilitaristische Einstellung?
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
26. Aug. 2006, 07:10 Uhr 
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Hi an Alle -
@ HP
Quote:Die entscheidende Frage lautet: Gibt es 
eine objektive, das heißt für alle Mensch gültige Moral? Und die ist nicht 
theoretisch, sondern praktisch zu beantworten: NEIN 
Ist es nicht 
schwierig etwas praktisch zu beantworten?
Theoretisch wäre ein Nein als 
Antwort in meinen Augen schon eher möglich. 'Praktisch' hieße erfahrungsgemäß 
alle Möglichkeiten auszuschließen dass es etwas gibt, das alle Menschen 
gemeinsam auszeichnet bzw. das sie wollen.
Wollen alle Menschen nicht das 
'Gute'? 
Hier hätte dann doch die 'Alles ist Liebe' Fraktion Recht wenn sie 
meint es bräuchte keine Moral, denn wenn alles Liebe wäre, dann wäre alles gut 
und diese Begrifflichkeit einer moral.Wertung überflüssig.
Oder trachten alle 
Menschen nach Lust?
Ich ändere Mal die Frage: Gibt es allgemein verbindliche 
moralische Regeln, nach denen man das Handeln der Menschen beurteilen kann, oder 
entzieht sich das konkrete Verhalten eines Menschen wegen seiner Einzigartigkeit 
einer solchen Beurteilung? Kann man in der Ethik allgemeine Regeln und Normen 
aufstellen, da doch offenbar zwei konkrete, singuläre Situationen niemals völlig 
gleich sein können?
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 26. Aug. 2006, 10:52 Uhr 
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Hallo Aqvileia,
die Frage, ob es nur eine oder verschiedene Katzenarten 
gibt, lässt sich nur damit beantworten, dass man die Welt durchsucht und 
feststellt: Verschiedene Katzenarten gefunden. Wenn du der Meinung bist, es 
dürfte nur Hauskatzen auf dieser Welt geben, dann musst du alle anderen 
Katzenarten ausrotten.
Dasselbe gilt für die Moral. Es gibt de facto sehr 
verschiedene Moralen. Und wenn du nur eine willst, musst du die anderen 
beseitigen. Versuche dazu gab und gibt es; sie sind aber bisher alle 
gescheitert. Gottseidank! 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Sheelina am 
26. Aug. 2006, 11:34 Uhr 
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on 08/26/06 um 10:52:01, Hanspeter wrote:Es gibt de facto sehr verschiedene 
Moralen. 
Gruß HP 
Moral hat kein Plural. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
26. Aug. 2006, 12:05 Uhr 
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Hallo allerseits,
Hanspeter schrieb: Gott sei Dank gibt es nicht nur eine 
Moral. 
Dagegen: Die Alternative zur Entwicklung gemeinsamer 
Verhaltensregeln, die für alle beteiligten Parteien akzeptabel sind, ist der 
Konflikt, der in letzter Konsequenz Krieg heißen kann.
Zu dem Argument, 
es sei nicht sinnvoll, allgemeine Normen aufzustellen, weil jeder Mensch 
einzigartig sei und keine Situation der andern völlig gleiche.
Wenn ich 
begründe, warum das Verhalten von Stephan gestern abend gerechtfertigt (oder zu 
verurteilen) ist, dann beschreibe ich die Umstände dieses singulären Falls, 
sowohl was die Person von Stephan als auch was die äußeren Umstände angeht.
Ich sage zum Beispiel: "Durch einen Stau ist Stephan aufgehalten worden und 
kam auf die letzte Sekunde hier an. Wenn er nicht quer Beet gelaufen wäre, wäre 
er zu spät gekommen, was für ihn mit schweren Nachteilen in Form von x, y, z 
verbunden wäre. Deshalb ist sein Verhalten gerechtfertigt."
Wenn man 
moralische Urteile für universalisierbar hält, dann folgt daraus, dass ich alle 
Fälle, auf die diese Beschreibung ebenfalls zutrifft (außer dass der Handelnde 
einen anderen Namen hat), genauso als gerechtfertigt ansehen muss. Damit hat man 
jedoch bereits eine allgemeine Regel.
Soviel erstmal von Eberhard. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 13:59 Uhr 
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Hi, Eberhard 
Du: Moralisch' im präskriptiven Sinne können nur Regeln 
sein, denen alle gemeinsam aus freier Einsicht zustimmen können.
Hat da 
irgendwer einen besseren Vorschlag als:
„Was Du nicht willst, das man Dir tu, 
das füg auch keinem anderen zu!“ („Quod tibi fieri non vis, alteri ne feceris!“, 
römisches Sprichwort)
"Tu keinem etwas an, wovon Du nicht willst, daß es Dir 
geschehe - in diesem Grundsatz liegt alle Tugend, liegen alle Pflichten des 
Menschen gegen die Gesellschaft." (Friedrich der II. v. Preußen)
?
Wer 
kann begründen, warum sich der Aufwand einer weiteren Diskussion zum Thema 
lohnen sollte?
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
26. Aug. 2006, 15:51 Uhr 
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Hallo allerseits, hallo Wolfgang,
Du zitierst die Goldene Regel "Tu 
keinem etwas an, wovon Du nicht willst, dass es Dir geschehe!" und damit 
scheinen Dir alle Fragen der Moral beantwortet.
In der Tat ist die 
Goldene Regel eine geniale Faustformel für die Beantwortung moralischer Fragen 
und in der moralischen Erziehung unentbehrlich. Die Goldene Regel gibt in den 
meisten Fällen die richtige Antwort auf eine moralische Frage.
Es bleibt 
allerdings eine Faustformel, die in manchen Fällen zu nicht akzeptablen 
Ergebnissen führt. Wie ich dazu an anderer Stelle geschrieben habe, macht die 
Goldene Regel nur dann Sinn, wenn Menschen in ihren Bedürfnissen ähnlich sind. 
Wenn ich selber am Wochenende gerne ausschlafe und nicht vor 9 Uhr angerufen 
werden will, dann braucht das mich nicht daran zu hindern, den notorischen 
Frühaufsteher Wolfgang am Sonntag bereits um 8 Uhr anzurufen. 
Ein 
anderer Einwand gegen die allgemeine Anwendbarkeit der Goldenen Regel lautet: 
"Dann dürfte ja zum Beispiel eine Politesse einem Parksünder auch keinen 
Strafzettel verpassen. Denn die Politesse selber will ja ebenso wie der 
Parksünder möglichst keinen Strafzettel bekommen und nach der Goldenen Regel 
dürfte sie ihm dann keinen Strafzettel verpassen". 
Diese Schwierigkeit 
könnte man aber auflösen. Wenn ich das Gemeinwesen für befugt halte, Parkverbote 
auszusprechen und durchzusetzen, so muss ich auch wollen, dass Verstöße gegen 
ein Parkverbot mit der vorgesehenen Strafe geahndet werden. Dies beinhaltet, 
dass auch ich selber einen Strafzettel bekommen soll, falls ich gegen ein 
Parkverbot verstoße. Insofern "will" ich als Parksünder zwar keinen Strafzettel 
bekommen, aber als Bürger des von mir mitgetragenen Gemeinwesens akzeptiere ich, 
dass ich den ("verdienten") Strafzettel bekomme.
Ein anderer Einwand: Ich 
will eigentlich nicht, dass mein Gartennachbar Rasen mäht, weil das mit Lärm 
verbunden ist, und Lärm mag ich nicht. Trotzdem ist das für mich kein geeignetes 
Argument dagegen, dass ich selber Rasen mähe und dabei meinem Nachbarn einen ihm 
unerwünschten Lärm beschere. 
Offenbar versagt die Goldene Regel in 
solchen Fällen, wo das Handeln eines anderen zwar für mich Nachteile bringt 
(vorübergehender Lärm), wo aber die Vorteile für den andern (gepflegter Garten 
usw.) allgemein als wichtiger angesehen werden. Für uns beide ist es wichtiger, 
dass unser Garten gepflegt wird, als dass der damit verbundene Lärm vermieden 
wird. ( www.ethik-werkstatt.de/Goldene_Regel.htm )
Die entscheidende 
Frage an ein ethisches Kriterium wie die Goldene Regel ist, ob verschiedene 
Individuen bei Anwendung des jeweiligen Kriteriums zu übereinstimmenden 
Ergebnissen gelangen. Nur dann kann ein Kriterium die methodische Grundlage für 
die allgemeingültige Beantwortung moralischer Fragen bilden. Denn einander 
widersprechende Antworten können keine Frage beantworten. Die Goldene Regel 
führt nur dann zu übereinstimmenden Ergebnissen, wenn alle Individuen 
hinsichtlich der Behandlung durch andere die gleichen Abneigungen haben.
Und noch ein letzter Punkt: Die Goldene Regel, zumindest in ihrer negativen 
Formulierung, kann keine Antwort geben, wo es um moralisch gebotene Handlungen 
geht, wie z. B. dem Gebot der Hilfeleistung für Menschen in unverschuldeter Not.
Es lohnt sich auch angesichts der von Dir zitierten genialen Forme weiter 
über Moral nachzudenken, 
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 17:36 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Goldene Regel...und damit scheinen Dir alle Fragen der 
Moral beantwortet.
Alle Fragen beantwortet? Nein. Es wird immer Grenzfälle 
geben.
Deshalb frage ich ja ausdrücklich, ob jemand eine bessere Regel 
vorstellt.
Wobei ich an "besser" folgende Maßstäbe anlege:
* 
Facharbeiterverständlichkeit. Die Regel muß so simpel sein, daß der 
duchschnittliche Facharbeiter sie versteht und sie auch seinem Sohnemann 
verständlich machen kann. Denn eine Regel, die nur eine Elite verstehen und 
einhalten könnte, kann niemals gerecht sein.
* Allgemeingültigkeit. Denn eine 
Regel, die nur für einen Teil der Gemeinschaft gilt, kann auch nicht gerecht 
sein.
* Dem Gemeinwohle dienend. Denn Gerechtigkeit ist als Kompromiß der 
streitenden Parteien nie zu erreichen, allenfalls ein Waffenstillstand. 
Gerechtigkeit ist leichter zu definieren, wenn wir das Gemeinwohl als Maßstab 
nehmen, in dessen Namen die Gemeinschaft von einem Mitglied auch Verzicht 
zugunsten der Gemeinschaft fordern kann und Drohung der Verbannung.
Voraussetzung: Das Gemeinwohl wiederum muß letztlich zum Wohle des Individuums 
mehr beitragen, als seine Opfer ihm kosten.
Meine Arbeitshypothese: Seit 
den Anfängen der Geschichtsschriebung haben sich meines Wissens nur zwei Regeln 
durchgesetzt, die diese Kriterien gut erfüllen:
a) die Goldene Regel bis zum 
Kategorischen Imperativ
b) "Liebe deinen Nächsten, wie auch dich selbst.,
wobei mir beide verwandt zu scheinen, indem a) das Verhalten anspricht und 
b) mehr die Einstellung, aus der man seine Verhaltensweise wählt.
Ich 
halte die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Tage eine deutlich bessere Regel 
gefunden wird, für höchst unwahrscheinlich.
Aber ich schließe es nicht aus. 
Wer in diesem Forum hat eine oder kennt eine?
Wer sieht denn wenigstens 
eine Chance dafür?
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
26. Aug. 2006, 21:59 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
Du hattest gefragt: "Wer kann begründen, warum sich der 
Aufwand einer weiteren Diskussion zum Thema lohnen sollte?" Das muss man doch so 
verstehen, dass Du keine Gründe mehr kennst, warum man sich weiter mit dem Thema 
beschäftigen sollte.
Nun habe ich zu zeigen versucht, dass die Goldene 
Regel nur eine Faustregel ist und weite Bereiche der Moral nicht angemessen 
behandelt. Offenbar akzeptierst Du die Kritik, denn Du argumentierst nicht 
dagegen. Anstatt hieraus die Konsequenz zu ziehen, dass die Problematik genauer 
analysiert werden müsste, stellst Du als Maßstab und Grenze für mögliche 
Ergebnisse das Verständnis eines Facharbeiters auf. Das halte ich allerdings für 
eine äußerst problematische Einschränkung der wissenschaftlichen Diskussion. Ich 
kann mir nicht vorstellen, dass Physiker, Physiologen, Mathematiker oder 
Psychologen eine derartige Einschränkung auf das Verständnis eines Facharbeiters 
akzeptieren würden. 
Ich glaube nicht, dass diese methodischen 
Richtlinien uns weiter bringen werden. Ich befürchte eher, dass man dann immer 
an der Oberfläche herumrührt mit komplizierten Begriffen wie Gemeinwohl, 
Allgemeingültigkeit oder Gerechtigkeit, die nach einer näheren Bestimmung 
förmlich schreien.
Ich schlage stattdessen vor, dass wir diskutieren, was 
denn mit der "Richtigkeit" einer Handlung oder der zugrunde liegenden 
moralischen Norm gemeint sein kann. 
Ich hatte die Frage: "Warum soll man 
moralisch sein?" beantwortet mit dem Satz: "Man soll moralisch handeln, weil 
dies die richtigen Handlungen sind."
Wenn man etwas als "richtig" 
bezeichnet, dann erhebt man dafür einen Geltungsanspruch. 
"Richtig" 
bedeutet hier "richtig" nicht nur für mich sondern richtig für alle gemeinsam.
Darin steckt also ein Anspruch auf allgemeine Geltung. 
Wenn 
dieser Geltungsanspruch für eine moralische Norm mehr sein soll als die 
Aufforderung zur Befolgung der Norm, also mehr sein will als Aufforderung zu 
gehorchen, dann müssen diejenigen, die der Norm Folge leisten sollen, diese Norm 
ohne Zwang anerkennen können.
Oder anders ausgedrückt: Die moralische 
Norm muss für jeden der Beteiligten mit nachvollziehbaren und übernehmbaren 
Argumenten begründet sein.
Kriegen wir so Boden unter die Füße?
fragt Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 26. Aug. 2006, 22:14 Uhr 
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Nein, Eberhard, weil das nicht möglich ist.
Du bist bei deinen Beispielen 
stets in unserem Kulturkreis geblieben und hast deshalb für die hier Anwesenden 
ziemlich plausibel argumentiert. 
Betrachten wir jedoch stark 
unterschiedliche Kulturkreise, dann ist eine Einigung oft nicht möglich. Wenn 
Kühe für einen Hindu als heilig gelten und deren Schlachtung ein Sakrileg erster 
Ordnung ist, sie dagegen im Westen fabrikmäßig getötet werden, dann sind 
nachvollziehbare und übernehmbare Argumente für keine Seite denkbar.
Aber 
wir müssen gar nicht in die Ferne blicken. Die katholische Moral ist mit manchen 
der derzeit gängigen Moralvorstellungen ebenfalls nicht kompatibel. Beispiele 
gefällig?
Gruß HP
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 26. Aug. 2006, 22:38 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Das muss man doch so verstehen, dass Du keine Gründe 
mehr kennst, warum man sich weiter mit dem Thema beschäftigen sollte.
Muß man 
das? Keine Alternative?
Du: ..Goldene Regel nur eine Faustregel...
Kein Einwand.
Du: dass die Problematik genauer analysiert werden müsste, 
Kann durchaus. Von einem "müßte" würde ich aber erst sprechen, wenn aus der 
Analyse auch etwas werden könnte, das besser ist als das bisher beste.
Natürlich kann man noch viel diskutieren.
Meine Alternative besteht aus 
zwei Teilen:
a) Eine neue Regelung muß besser sein als die bisher besten. 
Andenfalls hat sie keine Chance auf Umsetzung.
b) Eine neue Regelung kann nur 
dann besser sein als die bisher beste, wenn sie auch machbar ist.
Die 
Voraussetzungen, die mir dazu eingefallen sind, habe ich genannt.
Du: 
...stellst Du als ... Grenze für mögliche Ergebnisse das Verständnis eines 
Facharbeiters auf. Das halte ich allerdings für eine äußerst problematische 
Einschränkung der wissenschaftlichen Diskussion....
Exakt. Die Einschränkung 
auf das Machbare schränkt aber nur diejenigen ein, die das Unmachbare bedenken 
wollen.
Du: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Physiker, Physiologen, 
Mathematiker oder Psychologen eine derartige Einschränkung auf das Verständnis 
eines Facharbeiters akzeptieren würden. 
Das wirst Du schon recht haben.
Aber die Umstände sind andere - wer eine ungewöhnliche Antenne konstruiert, der 
muß sich seinen Facharbeitern gegenüber verständlich machen und anderen 
gegenüber nicht.
Wer aber eine allgemein gültige Moral umsetzen will, der 
muß sich allen Personen verständlich machen, die diese anwenden sollen.
Du: Ich glaube nicht, dass diese methodischen Richtlinien uns weiter bringen 
werden. Ich befürchte eher, dass man dann immer an der Oberfläche herumrührt...
Ob "weiter" oder nicht, das hängt von dem Ziel ab, welche Schritte in welcher 
Richtung als "weiter" gelten sollen.
Wenn Du nur um der Diskussion wegen 
diskutieren willst ohne jeden Anspruch auf verwertbare Ergebnisse, dann ist ist 
jede Einschränkung unwillkommen.
Dann verkünde das, und dann werde ich 
diesen Deinen "Funkkreis" nicht mehr stören.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
26. Aug. 2006, 23:25 Uhr 
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Hi,
1. Von den allgemeinen 'goldenen Regeln' halte ich überhaupt nichts. 
Sie alle sind im Kern rein subjektiv. Was man entscheidet, hängt also vom 
persönlichen Geschmack ab.
1a) Nächstenliebe. 
Zum einen kann man 
Liebe nicht befehlen. Wer das versucht, zerstört sie de facto.
Liebe wird 
immer in den Gegensatz gesetzt zu Hass. Das ist Quatsch. Wenn ich jemanden nicht 
liebe, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn hasse. Vielleicht ist er mir 
sogar sympathisch, vielleicht aber nur gleichgültig. 
Es gibt eine Menge 
Dinge, die ich weit mehr liebe als die meisten meiner Mitmenschen. Deswegen mag 
ich Menschen trotzdem. Wer aber befiehlt, sie nun zu lieben, den verdächtige ich 
immer, dass er überhaupt keine Ahnung hat, was Liebe ist. Sonst käme er 
wahrscheinlich nicht auf solch merkwürdige Ideen.
Dass wir mit der 
Nächstenliebe denkbar schlecht gefahren sind, zeigt ein Blick in die Geschichte. 
Aus reiner Nächstenliebe wurden Hexen gefoltert und verbrannt, weil man meinte, 
ihnen so doch noch das ewige Leben zu verschaffen, dessen sie sonst verlustig 
gehen würden. Aus reiner Nächstenliebe wurden Juden zwangsgetauft, gehen uns die 
fundamentalistischen Evangelikalen mit ihren Missionierungswünschen auf die 
Nerven, und schließlich sei noch an Mielkes Wort erinnert: "Ich liebe euch doch 
alle!"
Also, mir kann man mit der Nächstenliebe gestohlen bleiben. Und ich 
möchte bitte auch nicht, dass alle möglichen Leute mich als ihren Nächsten 
lieben; etwas mehr Distanz ziehe ich doch vor.
1b) "Was du nicht willst 
...". Tja. Da hätten wir zunächst einmal uns' Oma. Der wir mühselig abgewöhnen 
mussten, uns das nicht anzutun, von dem sie selbst nichts hielt. Vorzugsweise, 
in Ruhe gelassen zu werden.
Und wie steht es mit dem Amokläufer, der gerne 
sterben möchte und so freundlich ist, dabei diesen frommen Wunsch auch anderen 
Leuten zu erfüllen?
Für mich sind das Allgemeinplätze, unbrauchbar im 
praktischen Leben.
Ethik - Recht - Moral. Das sind Tatsachen, die 
miteinander ein Spannungsfeld ergeben, damit sollte man sich befassen.
Fragen wir doch mal: warum gibt es überhaupt das Recht, und zwar nicht nur in 
unserer Gesellschaft und Kultur? Wird es doch wohl einen triftigen Grund für 
geben, oder?
Schauen wir uns die Moral an. Darüber wurde viel Positives 
gesagt. Was ist denn mit dem Negativen?
Moral verurteilt Taten. Und zwar 
ohne sich mit den Hintergründen näher zu befassen, denn Moral hat 
Absolutheitsansprüche. Moral schließt aus. Der Unmoralische wird von der 
moralischen Gesellschaft in Acht und Bann gelegt. Kriegt kein Bein mehr an die 
Erde. Und Moral zwingt zur Gleichmacherei. M.E. genügend Gründe, Moral mit 
Skepsis zu betrachten.
Und m.E. genügend Gründe, sich lieber auf das 
Recht zu verlassen, das auf solche Konsequenzen nicht aus ist.
Ich möchte 
noch darauf hinweisen, dass es angelsächsisches Denken ist, nicht zwischen Moral 
und Ethik zu unterscheiden. Nach angelsächsischem Denken wird die Moral von der 
Gesellschaft bestimmt, gemäß fiktivem Gesellschaftsvertrag. Daraus folgen andere 
Staatsverfassungen und andere Rechtssysteme als das unsere. Daraus folgt aber 
auch eine konstante Überheblichkeit anderen Gesellschaften mit anderen Moralen 
gegenüber. Es folgt ein gesellschaftlicher Missionierungsdrang. Man meint, 
andere Gesellschaften zu ihrem Glück zwingen zu dürfen, weil sie ja unter ihren 
komischen Moralvorstellungen angeblich leiden müssen. Die anderen Gesellschaften 
sind da allerdings anderer Auffassung.
Schließlich: was Freiwilligkeit 
und Konsens betrifft, da sollte man sich keine Illusionen machen. Wann hätte es 
diesen Konsens jemals gegeben? Gab es eine Zeit, in der es keine Mörder, Räuber, 
Diebe gab? Keine Aggressoren und keine terroristischen Gruppen? Auch die haben 
eine Moral. Eine andere. 
Was geschah denn immer dann, wenn eine 
beherrschende Gruppe einer Gesellschaft Recht, Moral (ihre Moral) und Ethik in 
einen Topf zusammen rührte? Bürgerkrieg.
Sind wir ganz sicher, dass wir 
die Schwelle zum Weltbürgerkrieg nicht bereits überschritten haben? Welchen Sinn 
hat es dann, über eine zivilisierte Moral zu diskutieren, die subjektiv an 
unsere Kultur gebunden ist, gleich machen will und die angeblich Unzivilisierten 
mit ihren Moralen in Acht und Bann legt?
Grüße 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
27. Aug. 2006, 09:43 Uhr 
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Hallo allerseits,
In der Frage "Warum soll man moralisch handeln?" 
bezieht sich das Wort "moralisch" nicht auf irgendeines der vorfindbaren 
unterschiedlichen Moralsysteme, sondern auf diejenigen Regeln für den Umgang 
miteinander, die man selber bejaht. Die Frage richtet sich dabei auf den 
verpflichtenden Charakter moralischer Regeln und auf die Gründe hierfür.
Zur Erläuterung meines eigenen Sprachgebrauchs:
Wenn man sich in einer 
tatsächlichen oder möglichen Konfliktsituation mit andern Menschen fragt: "Wie 
soll ich - unter Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte – handeln?" dann 
nenne ich das eine "moralische Frage" oder eine "Frage der normativen Ethik".
Wenn man sich fragt "Welche Regeln des Umgangs mit anderen gelten in dieser 
Gesellschaft oder Subkultur?", so nenne ich das eine "moralsoziologische Frage".
Wenn man fragt: "Welche moralischen Einstellungen und Überzeugungen hat 
diese Person?" so nenne ich das ein "moralpsychologische Frage".
Wenn man 
fragt "Welche moralischen Regeln und Kriterien soll man in welcher Weise Kindern 
vermitteln?" nenne ich das eine "moralpädagogische Frage".
Wenn man sich 
in einer Konfliktsituation fragt: "Wie soll ich unter Berücksichtigung der 
faktisch geltenden Moral handeln?" so ist das eine Frage nach der 
vorherrschenden moralischen Konvention und ihrer Interpretation. Dies nenne ich 
eine "Frage der Interpretation einer gegebenen Moral".
Wenn man sich in 
einer Konfliktsituation fragt: "Wie soll ich unter Berücksichtigung des faktisch 
geltenden Rechts handeln?" dann ist das eine Frage nach der faktisch geltenden 
Rechtsordnung und ihrer Interpretation. Dies nenne ich eine "Frage der 
Interpretation einer gegebenen Rechtsordnung" oder kurz eine "rechtliche Frage".
Wenn man sich angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man 
moralische Fragen richtig beantworten?" dann nenne ich das eine 
"moralphilosophische oder (meta-)ethische Frage". 
Ich schlage für unsere 
weitere Diskussion vor, dass wir uns auf diese grundlegende moralphilosophische 
Fragestellung ("Wie kann man moralische Fragen richtig beantworten?") 
konzentrieren, weil die Beantwortung dieser Frage Konsequenzen für alle weiteren 
Fragen hat – einschließlich unserer etwas vertrackten Ausgangsfrage.
Gibt 
es Einwände gegen diesen Vorschlag? fragt Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 27. Aug. 2006, 10:10 Uhr 
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Deine Spracheinteilung macht Sinn.
Du fragst also letztlich: Warum soll 
man die moralischen Regeln, die man gut heißt, auch selbst einhalten? 
Da 
muss man unterscheiden zwischen moralischen Regeln, die man sich selbst 
auferlegt und denen, die man von anderen erwartet. Naive Betrachter könnten 
annnehmen, dass beide identisch sein sollten ("Was du nicht willst..."). Doch 
das muss nicht sein. Man kann sehr wohl Wasser predigen und Wein trinken.
Man 
definiert sein Handeln als moralisch korrekt und stellt an andere Menschen 
Forderungen, die einem selbst nützen. Und moralische Forderungen anderer 
versucht man, so gut wie möglich zu seinem eigenen Nutzen "umzuinterpretieren".
Die Antwort auf die Frage, was ist gut oder böse lautet dann: Gut ist, was 
mir nützt. Damit reduziert sich die Frage, warum man moralisch sein soll auf die 
Frage, warum soll ich das tun, was mir nützt. Diese Frage wiederum halte ich für 
obsolet.
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
27. Aug. 2006, 10:44 Uhr 
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Einen schönen Sonntag an alle!
Grundsätzlich stimme ich in Eberhard's 
Meinung darin überein, dass es besonders wichtig ist sich auf Moral und wie ich 
dazu noch meine auf ihre Werte zu besinnen, in Zeiten in denen eine stetig 
voranschreitende Globalisierung vorherrscht, und politische wie menschliche 
Grenzen zu verschwinden und verschwimmen drohen. Der Faktor für den Grund einer 
moralischen Handlung entsteht aus der persönlichen Einstellung und der 
Erwartung, dass der andere diesen Grund akzeptiert. Ich bin nicht dafür Ethik 
auf jede wie hier bezeichnet einzelne Moral (verschiedene 
Gesellschaftsschichten, Religionen) zu relativieren, sondern nur dafür, diese 
miteinzubeziehen.
Das Ziel der Begründung einer Ethik, die aus Verfahren 
hervorgeht mit denen ein gemeinsamer Standpunkt gefunden werden soll, bleibt 
dennoch attraktiv. Diskussionen im Rahmen einer vorstellbaren Ethik, mittels 
rationalistischer Vorgehensweise wären kooperative Versuche gemeinsame Lösungen 
für gemeinsame Probleme zu finden. (allein ich fürchte, dass dieser Rahmen hier 
nicht ausreicht) Zustimmung zu Eberhard: Ethisch gerechtfertigte Prinzipien 
wären dann solche, denen in jedem vernünftigen Verfahren, mit dem eine 
Übereinstimmung über unsere Handlungen angestrebt würde, zugestimmt werden 
könnte.
Die Fundamente der moralischen Motivation liegen zwar nicht in den 
Verfahrensregeln eines solchen Diskurses, sondern sind in den Gefühlen 
beheimatet (nicht nur Liebe), aber gerade sie sind es, die uns immer wieder 
daran erinnern Ethik in den Vordergrund rücken zu lassen.
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
27. Aug. 2006, 11:09 Uhr 
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Hi,
Wenn man sich angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man 
moralische Fragen richtig beantworten?" dann nenne ich das eine 
"moralphilosophische oder (meta-)ethische Frage". 
Damit bin ich 
natürlich einverstanden.
Allerdings plädiere ich dafür, dass man, bevor 
man sich an die Antwort macht, erst einmal eruiert, was denn der Fall ist. 
Heißt, wie Menschen denn entscheiden.
Wenn wir das tun, stellen wir fest, 
das ist verschieden (wäre das nicht der Fall, bräuchte man kein Recht).
"Lasst alle Hoffnung fahren" - stürzen wir uns hinein.
Ich nehme einen 
aktuellen praktischen Fall. Vor paar Wochen fuhr eine anscheinend gut in ihre 
Gesellschaft integrierte hochschwangere Frau, die allerdings ihre 
Schwangerschaft stets abgestritten und verheimlicht hatte, mit ihren Freundinnen 
nach Köln, um sich dort einen schönen Tag zu machen. Sie bekam Wehen, begab sich 
in die Toilette eines Cafés und gebar dort ein Kind. Sie nabelte es ab und 
steckte es kopfüber in einen Abfallbehälter für Hygieneartikel.
Warum 
nicht?
Denken wir an die Herkunft des Wortes Hebamme. Das war die Frau, 
die nach der Geburt das Neugeborene aufheben und damit am Leben lassen durfte - 
auf Geheiß des Vaters.
Meines Wissens gibt es in Ostasien Stämme, bei 
denen sich Frauen zur Geburt in ein Gebüsch zurück ziehen, das Kind auf dem 
Boden 'werfen' und dann entscheiden, ob sie es aufheben oder nicht.
In 
Koran Sure 81 steht über das Jüngste Gericht: "Wenn das Mädchen, das (nach der 
Geburt) verscharrt worden ist, gefragt wird, wegen was für einer Schuld man es 
umgebracht hat" (8f) - heißt, es war damals üblich, sich ungewollten weiblichen 
Nachwuchses zu entledigen, indem man ihn kurz nach der Geburt im Sand eingrub.
Es war also normal, seinen Nachwuchs um die Ecke zu bringen. Das gute Recht 
der Eltern, und keinen scherte es, wenn sie es ausübten.
Normal ist so 
etwas auch für das Viehzeug. Mutterinstikt funktioniert nur in Verhältnissen, 
die danach sind. Sonst nicht.
Folgt: dass wir solche Vorgänge heute 
(hoffentlich) mit Entsetzen betrachten, ist unnormal.
Diese 
Unnormalitäten jedoch sind einer ganzen Reihe von Menschen etwas Unantastbares, 
Heiliges. Wofür andere wiederum kein rechtes Verständnis haben.
Warum? 
Was ist der Grund?
Grüße 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
27. Aug. 2006, 13:29 Uhr 
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Hallo allerseits,
Hallo Hanspeter,
Du schreibst: "Da muss man 
unterscheiden zwischen moralischen Regeln, die man sich selbst auferlegt und 
denen, die man von anderen erwartet. Naive Betrachter könnten annnehmen, dass 
beide identisch sein sollten ("Was du nicht willst..."). Doch das muss nicht 
sein. Man kann sehr wohl Wasser predigen und Wein trinken." 
Wenn jemand 
für sich andere moralische Regeln gelten lässt als für andere und sich z.B. von 
der Befolgung bestimmter Regeln ausnimmt mit der Begründung "weil ich es bin", 
dann verstößt er damit gegen die Eigenschaft der "Universalisierbarkeit" 
(englisch universalizability), die nach Auffassung der meisten Autoren 
moralischen Urteilen zukommt. Die abweichende Regel für Dich selber ("Niemand 
darf einen andern beleidigen ausgenommen ich selber, weil ich es bin") wäre nach 
Auffassung mancher Autoren dann keine moralische Regel mehr.
Mein 
Argument gegen eine solche persönliche Spezialnorm ist, dass ich dieser 
Spezialnorm nicht zustimmen kann und dass sie damit keine allgemeine Richtigkeit 
(Allgemeingültigkeit) beanspruchen kann.
Die einzelnen Schritte in meiner 
Argumentation sehen dann so aus: 
Wir haben einen Konflikt. A belegt B 
mit Schimpfwörtern. B findet das gar nicht gut. 
Die moralische Frage 
ist: Darf A so reden? 
Hierauf wird eine Antwort gesucht, und zwar nicht 
irgendeine, sondern die richtige, die richtige für alle gemeinsam 
("allgemeingültig"). 
Wenn ein moralisches Urteil richtig sein soll, ohne 
dass ich selber einsehen kann, dass es richtig ist, dann ist es für mich 
ununterscheidbar von einem Dogma, das ich zu akzeptieren habe. Damit ist es 
buchstäblich "indiskutabel" und kann keine allgemeine Gültigkeit besitzen.
Anders ausgedrückt: 
Wir suchen auf moralische Fragen 
übereinstimmende, gemeinsame Antworten. 
Wenn die Antwort nicht 
dogmatisch sein soll, bedeutet dies, dass die gesuchte Antwort für jeden 
nachvollziehbar und einsichtig begründet oder unmittelbar evident sein muss, 
dass sie - kurz gesagt - akzeptabel sein muss. 
Die Bevorzugung oder 
Benachteiligung von Beteiligten mit der einzigen Begründung, weil sie es seien, 
ist nicht für alle akzeptabel.
Soviel erstmal von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27. 
Aug. 2006, 13:30 Uhr 
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Hallo Eberhard
on 08/27/06 um 09:43:05, Eberhard wrote:Wenn man sich 
angesichts einer moralischen Frage fragt: "Wie kann man moralische Fragen 
richtig beantworten?" dann nenne ich das eine "moralphilosophische oder 
(meta-)ethische Frage". 
Ich schlage für unsere weitere Diskussion vor, 
dass wir uns auf diese grundlegende moralphilosophische Fragestellung ("Wie kann 
man moralische Fragen richtig beantworten?") konzentrieren, weil die 
Beantwortung dieser Frage Konsequenzen für alle weiteren Fragen hat – 
einschließlich unserer etwas vertrackten Ausgangsfrage.
Gibt es Einwände 
gegen diesen Vorschlag? fragt Eberhard. 
Das ist wirklich der Kern 
aller moralischen Fragestellungen, den Du hier herausgeschält hast.
Die 
Voraussetzung, eine Frage richtig oder falsch beantworten können, ist die 
Existenz eines objektiv gegebenen Sachverhalts, auf den sie sich bezieht. Die 
Frage, ob die Erde eine Scheibe ist, kann ich also richtig oder falsch 
beantworten. Ich kann aber beim besten Willen keinen objektiven Sachverhalt 
erkennen, anhand dessen ich erkenen kann, ob es moralisch falsch ist, z.B. ein 
ungeborenes Kind abzutreiben, oder nicht. 
Wenn Du schreibst:
Quote:Wenn man etwas als "richtig" bezeichnet, dann erhebt man dafür einen 
Geltungsanspruch. 
"Richtig" bedeutet hier "richtig" nicht nur für mich 
sondern richtig für alle gemeinsam. 
Darin steckt also ein Anspruch auf 
allgemeine Geltung. 
Selbst wenn alle Menschen behaupten, daß z.B. 
die Erde eine Scheibe sei, wird diese Behauptung deswegen nicht richtig - in der 
Bedeutung von wahr. Gleichermaßen ist auch die Übereinstimmung aller Menschen 
darüber, was moralisch richtig ist, kein Maßstab für die Richtigkeit ihrer 
Moralverstellungen. Bei einer Aussage über objektive Sachverhalte, habe ich 
allerdings die Möglichkeit, aus einer Aussage überprübare Sachverhalte zu 
folgern und das Ergebnis dieser Überprüfungen als intersubjektiven Maßstab der 
Wahrheit meiner Aussage zu akzeptieren.
Wie sollte dies aber bei moralischen 
Aussagen gelingen? Wenn alle Menschen glauben, etwas sei moralisch gut, anhand 
welcher logischen Folgerung läßt sich auch nur theoretisch eine Übeprüfung 
dieser Annahme leisten?
Meine Thesen daher:
a) Die Forderung nach 
einer moralisch richtigen Handlung oder Aussage beinhaltet einen 
Kategorienfehler. Denn Kategorien wie richtig / falsch oder wahr / falsch kann 
ich sinnvoll nur innerhalb eines Bezugssystems geben, anhand dessen ich meine 
Aussagen oder Handlungen zumindest theoretisch überprüfen kann. Während mir in 
den Naturwissenschaften die Welt mit ihren Phänomenen ein solches Kriterium zur 
Hand gibt, vermisse ich ein solches in der moralischen Welt.
b) Deswegen 
müssen grundlegende moralische Forderungen aufgestellt werden, die weiter nicht 
hinterfragt werden können. Ähnlich wie Axiome in der Mathematik. Ein Beispiel 
wäre Kants Kategorischer Imperativ.
c) Es gibt keinen Grund für die 
Annahme, daß irgendeine grundlegende moralische Forderung aufgestellt werden 
kann, die von allen verschiedenen Kulturen gemeinsam akzeptiert wird.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
27. Aug. 2006, 14:35 Uhr 
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Hallo Hel -
würdest du mir bitte Punkt c näherbringen!
Das würde 
heißen du tolerierst zwar nicht, dass die Frau in Köln ihr Kind getötet hat, 
aber wenn z.B. in Indien ein Mädchen auf Grund ihrer Nichtwertigkeit getötet 
wird dann ist das moralisch gerechtfertigt?
LG 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27. 
Aug. 2006, 15:20 Uhr 
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on 08/27/06 um 14:35:20, Aqvileia wrote:Hallo Hel -
würdest du mir 
bitte Punkt c näherbringen!
Das würde heißen du tolerierst zwar nicht, 
dass die Frau in Köln ihr Kind hat, aber wenn z.B. in Indien ein Mädchen auf 
Grund ihrer Nichtwertigkeit getötet wird dann ist das moralisch gerechtfertigt?
Der Fall von Köln deutet aus meiner Sicht auf eine Art 
Bewußtseinsstörung der armen Frau hin. Aber letztendlich kenne ich den Fall 
nicht und kann ihn deswegen auch nicht beurteilen.
Aber generell:
Hätte ich die Macht, würde ich mein Wertesystem auch dort durchsetzen, wo es 
z.Z. nicht geteilt wird. Zum Beispiel würde ich ein Rechtssystem auflösen, das 
geschlechtsspezifisch unterschiedliche Wertmaßstäbe ansetzt. Es bleibt aber 
trotzdem MEIN Wertsystem. Ich würde nicht in Versuchung kommen, es philosophisch 
als absolut gültig zu setzen. Ich richtete die Welt eben nach meinen 
Vorstellungen ein, in dem Bewußtsein, daß es andere Menschen als Unrecht 
empfinden könnten und sowohl deren als auch mein Standpunkt nicht weiter 
begründbar ist.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
27. Aug. 2006, 15:52 Uhr 
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Laaaaaaaaangsam.
Während mir in den Naturwissenschaften die Welt mit 
ihren Phänomenen ein solches Kriterium zur Hand gibt, vermisse ich ein solches 
in der moralischen Welt. 
b) Deswegen müssen grundlegende moralische 
Forderungen aufgestellt werden, die weiter nicht hinterfragt werden können. 
Ähnlich wie Axiome in der Mathematik. Ein Beispiel wäre Kants Kategorischer 
Imperativ. 
Haste denn schon genau hingeguckt, was der Fall ist, so 
dass Du sagen könntest, in der Ethik lässt sich kein Kriterium anhand der 
beobachtbaren Phänomene finden? Sonst wäre das ein bisschen voreilig.
In 
dem Zusammenhang erinnere ich daran, dass Kant selbst seine Moralphilosophie als 
Provisorium ansah - und zwar, wie sollte es anders sein, im Zusammenhang mit 
seiner Aussage, wonach es ein Skandal der Philosophie sei, dass die Realität der 
Außenwelt noch nicht bewiesen ist. 
Also: was ist der Fall?
Nachdem ich probeweise davon abgerückt war, kehre ich nun doch zu meiner 
ursprünglichen These zurück: Ethik (man gestatte mir, dass ich es zwecks 
Klarheit vorziehe, dieses Wort zu gebrauchen) hat nichts damit zu tun, was man 
tun soll. Auch von daher postuliere ich einen Unterschied zwischen Ethik und 
Moral. Statt dessen manifestiert sich die Ethik im rigorosen Nein zu einer ganz 
normalen, natürlichen Handlung. Ein Nein, das wir mit dem Ausdruck benennen: 
"ich will nicht". Und zwar auch dann nicht, wenn das Vorhaben sozial gebilligt 
oder vernünftig ist.
Inzwischen habe ich erfahren, dass das sogar mit 
Libets neurophysiologischen Erkenntnissen korrespondiert. Der stellte nämlich 
fest, Handlungen haben sich unbewußt vorbereitet, bevor sie als Willen ins 
Bewußtsein dringen, allerdings gäbe es eine winzige Zeitspanne, in der die 
vorbereitete Handlung durch ein Veto abgebrochen werden kann. Das ist zwar kein 
philosophisches Argument, aber immerhin interessant.
Wer sagt, man müsse 
eine Moralphilosophie auf dem aufbauen, was wir wollen? Ebensogut möglich ist es 
imho, eine Moralphilosophie auf dem aufzubauen, was wir nicht wollen.
Ich 
behaupte, Menschen wollen im Allgemeinen (!) einander nicht umbringen. Im 
Allgemeinen heißt, im Besonderen ist das dennoch üblich. Nichts desto trotz gibt 
es offenbar in allen Kulturen (mir ist jedenfalls vom Gegenteil nichts bekannt) 
ein mehr oder minder eingeschränktes moralisches Tötungsverbot. Ein moralisches 
Verbot auf der Grundlage des ethischen Nein: und wenn noch so viele gute Gründe 
dafür sprechen, ich will nicht.
Den Grund möchte ich hier vorläufig auf 
Eis legen. Mir ist nämlich noch nicht einmal klar, ob es dafür überhaupt einen 
Grund gibt.
Ich möchte mich nun mit dem Eingraben weiblicher Neugeborener 
in vorislamischer Zeit befassen. Deswegen, weil durch das Auftreten Mohammeds 
ein Umdenken statt fand. Also ein Bruch in der Sichtweise.Vorher normal, nachher 
in hohem Maße verwerflich, Mord. Wie kömmt's?
Wobei ich anmerke, wenn 
Religionen solche ethischen Grundprinzipien (10 Gebote z.B.) als göttliches 
Gesetz ansahen, schließe ich daraus, die wussten auch nicht, warum man nicht 
töten soll. Also schoben sie es dem lieben Gott als Gesetzgeber zu, der, sonst 
könnte es ja Menschen eventuell nicht scheren, beim Jüngsten Gericht auch den 
zur Rechenschaft zieht, der das Gebot unbemerkt und also ungestraft gebrochen 
hat. Entbehrt nicht einer gewissen logischen Notwendigkeit. Denn wozu taugt ein 
absolutes Gebot, wenn die Einhaltung nicht sanktioniert wird?
Dass wir 
heute damit ein schwerwiegendes philosophisches Problem haben, weil wir uns 
nicht mehr mit Hinweis auf den lieben Gott um die Frage herummogeln können, 
dürfte klar sein.
Zurück zu Mohammed. Ich stelle zur Diskussion, der 
Perspektivwechsel könnte in der Aussage liegen, "wenn das Mädchen ... gefragt 
wird". Das Mädchen ist ein Neugeborenes. Das kann man fragen, so viel man will, 
das antwortet nicht. Nach paar Jahren allerdings sieht die Sache schon anders 
aus. Dann wäre es allerdings auch in vorislamischen Zeiten Mord gewesen, es 
umzubringen. Die Entwicklung, dass das Mädchen antworten kann, wird denkend 
vorweg genommen.
Und damit passiert etwas entscheidendes: aus dem 
bewußtlos zappelnden Gegenstand, für den man Verwendung haben kann oder auch 
nicht, wird ein Mensch. Und dieser Mensch löst, wenn es an seine Tötung geht, im 
Täter das ethische Nein aus. Hingegen: so lange dieses Wesen nicht als Mensch 
angesehen wird, ist die Tötung vielleicht nicht gerade eine lobenswerte 
moralische Handlung, aber immerhin nichts hoch Dramatisches.
Von hier aus 
springe ich in die Jetzt-Zeit.
Kurnaz wurde nach viereinhalb Jahren aus 
Guantanamo freigelassen. Nach Deutschland transportiert wurde er in einer 
gewaltigen Militärmaschine, angekettet auf dem Boden liegend und mit zugeklebtem 
Mund. Hannibal Lecter lässt grüßen. Gibt es irgend einen vernünftigen Grund, so 
mit einem Menschen umzugehen? Zu verstehen als nüchterne Frage; Empörung ist 
hier fehl am Platz. Anders gefragt: was hätte er denn anrichten können, wenn man 
ihn anders transportiert hätte? Das Polster des Sessels mit den Zähnen 
zerreißen, auf den Sitz pinkeln und aus Protest gegen seine Freilassung 
unausstehliche revolutionäre Lieder singen? Also warum?
Ich sehe nur eine 
Antwort: weil er nicht als Mensch angesehen wurde.
Gewisse Dinge macht 
man mit Menschen nicht. Meint man, man könne es doch tun, steht das ethische 
Veto dagegen auf. 
Wir kennen die Begriffe Untermensch, Gegenmensch, 
Satansmensch, Barbar, Wilder. Neuerdings auch den islamisch-fundamentalistischen 
Terroristen. In all diesen Fällen hieß und heißt es, dass die an sich gar nicht 
in Frage gestellten Menschenrechte auf sie nicht anwendbar sind.
Vielleicht sind wir uns in Sachen moralischer Konsens gar nicht so sehr uneins. 
Vielleicht steckt die Uneinigkeit eher in der Frage, was ein Mensch ist, oder 
besser vielleicht, wann und warum ein Mensch nicht als Mensch angesehen wird.
Grüße
P.S.:
Der Fall von Köln deutet aus meiner Sicht auf eine Art 
Bewußtseinsstörung der armen Frau hin. Aber letztendlich kenne ich den Fall 
nicht und kann ihn deswegen auch nicht beurteilen.
Nach den bisherigen 
Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon derzeit nicht aus. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 27. 
Aug. 2006, 17:10 Uhr 
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Hallo Abrazo
on 08/27/06 um 15:52:17, Abrazo wrote:Haste denn schon genau 
hingeguckt, was der Fall ist, so dass Du sagen könntest, in der Ethik lässt sich 
kein Kriterium anhand der beobachtbaren Phänomene finden? Sonst wäre das ein 
bisschen voreilig. 
Finde mir einen objektiven Sachverhalt, anhand 
dessen ich z.B. Hanspeter widerlegen könnte, wenn er sagt: Moralisch gut ist, 
was Hanspeter nützt, moralisch verwerflich, was ihm schadet und moralisch 
neutral, was sein Leben nicht verändert; wobei nur er Auskunft geben darf, was 
als nützlich und schädlich für Hanspeter gilt.
Das Problem bei einem 
moralischen oder ethischen Rahmensystem erinnert mich an das von Spielregeln. 
Zum Beispiel Schach. Man kann das Schachbrett nehmen und die Spielfiguren und 
andere Regeln für das Ziehen und Schlagen der Figuren aufstellen. Auch ein 
anderes Spielziel. ( Wie Freßschach z.B.) Aber die Behauptung, das eigentliche 
Schachspiel wäre falsch und meine neuen Regeln richtig ist irgendwie aus der 
Luft gegriffen und kann nicht begründet werden.
Quote:In dem 
Zusammenhang erinnere ich daran, dass Kant selbst seine Moralphilosophie als 
Provisorium ansah - und zwar, wie sollte es anders sein, im Zusammenhang mit 
seiner Aussage, wonach es ein Skandal der Philosophie sei, dass die Realität der 
Außenwelt noch nicht bewiesen ist. 
Also: was ist der Fall? 
Wenn man die Realität der Welt bestreitet, dann beraubt man auch die faktischen 
Aussagesätze ihrer Wahrheitswerte. Das endet dann in fruchtlosen 
nondualistischen Endlosschleifen.
Von mir aus kannst Du das Postulat 
objektiver Sachverhalte als das Rahmensystem sehen, innerhalb dessen die 
Wissenschaften ihren Konsens finden. Aber ein solches doch sehr universelles 
Rahmensystem sehe ich eben im Bereich der Ethik nicht.
Quote:Wer 
sagt, man müsse eine Moralphilosophie auf dem aufbauen, was wir wollen? 
Ebensogut möglich ist es imho, eine Moralphilosophie auf dem aufzubauen, was wir 
nicht wollen. 
Natürlich, aber es bleibt ein Konstrukt, das sich 
weiter nicht rechtfertigen läßt.
Quote:Anders gefragt: was hätte er [ 
Kurzmaz ]denn anrichten können, wenn man ihn anders transportiert hätte? Das 
Polster des Sessels mit den Zähnen zerreißen, auf den Sitz pinkeln und aus 
Protest gegen seine Freilassung unausstehliche revolutionäre Lieder singen? Also 
warum?
Ich sehe nur eine Antwort: weil er nicht als Mensch angesehen 
wurde.
Gewisse Dinge macht man mit Menschen nicht. Meint man, man könne 
es doch tun, steht das ethische Veto dagegen auf. 
Du übersiehst eine 
psychologische Komponente. Feindschaft. 
Wenn ein Tier oder gar eine 
Umweltkatastrophe einen lieben Verwandten tötet, dann gibt es kein Objekt Deines 
Ärgers. Wird dies aber von einem Menschen absichtlich getan, verwandelt sich 
dieser (und vielleicht auch seine Freunde) in Deinen Feind. Und gerade, weil es 
ein Mensch ist, kann man ihn hassen und seinerseits quälen wollen.
Quote:Vielleicht sind wir uns in Sachen moralischer Konsens gar nicht so sehr 
uneins. Vielleicht steckt die Uneinigkeit eher in der Frage, was ein Mensch ist, 
oder besser vielleicht, wann und warum ein Mensch nicht als Mensch angesehen 
wird. 
Naja, wie ist es mit Dingen wie:
Unterordnung der Frau 
unter den Willen des Mannes.
Unterordnung des Individuums unter die Gemeinde.
Vorehelicher Sex. Onanie. Homosexualität. Alkoholgenuß.
Ist Lügen an sich 
unmoralisch? Ist die Ehe heilig?
Religiöse Gebote generell.
etc...
Grüße
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Aqvileia am 
27. Aug. 2006, 17:23 Uhr 
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Abrazo - Regeln erstellen und Regeln befolgen sind zwei Paar Schuhe!
Meinungen aus Erfahrungen für eine allgemeingültige Regel sollten nicht aus 
Glaubensvorstellungen oder usus von Indianerstämmen oder Kannibalen sein, 
sondern unser derzeitiges Verständnis auf Grund von Wissen und Erfahrung unter 
Einbeziehung möglicher zukünftiger Konsequenzen.
Auch wenn die Frau wie 
hel meint ein eingeschränktes Bewusstsein zu diesem Zeitpunkt besaß, was auch 
ich bezweifle, so ist das höchstens als mildernder Strafgrund zu werten, rüttelt 
aber nicht an der Tatsache, dass sie ihr Kind tötete. Die Umstände der Geburt 
sagen zwar möglicherweise etwas über das Sozialempfinden der Frau aus, aber 
nichts darüber ob sie geistig zurechnungsfähig warund auch nicht darüber ob es 
geistig Behinderten erlaubt ist Menschen zu töten.
Die Welt nach seinen 
Vorstellungen einzurichten hieße anderen seinen Willen aufzwängen, das bedarf 
keiner ethischen Regel 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
27. Aug. 2006, 17:23 Uhr 
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Hallo hel,
freut mich, Dich hier wieder zu treffen. Gegenwärtig sind die 
Zustände hier bei PhilTalk so wie ich sie mir vorstelle: Leben und leben lassen. 
Jede Art zu philosophieren verfolgt Ihre eigene Fragestellung auf ihre Art und 
jeder hat die Möglichkeit, die verschiedenen Ansätze zu vergleichen. Es gibt 
keine ungebetenen Dauergäste, die mit der Fragestellung und der Art, sie 
anzugehen, nichts im Sinn haben, aber trotzdem – oder gerade deswegen - die 
Seiten umso mehr mit ihren Traktaten füllen. Also nutzen wir die gute 
Gelegenheit zur inhaltlichen Diskussion.
Ich glaube, mit Deinem schlüssig 
formulierten Beitrag hast Du Hanspeter und manch anderem aus der Seele 
gesprochen. Ich hatte die Frage gestellt: "Wie kann man moralische Fragen 
richtig beantworten?" Du bist der Ansicht, dass man auf moralische Urteile nicht 
die Kategorien "richtig" oder "falsch" (bzw. "wahr" oder "falsch") anwenden 
kann, denn es gibt bei einem moralischen Urteil keinen objektiven Sachverhalt, 
auf den sich das Urteil bezieht, so wie in den Naturwissenschaften. 
Darin hast Du recht. Moralische Urteile besagen nicht, wie die Welt beschaffen 
ist, so wie beschreibende, deskriptive Aussagen. Beschreibende Sätze sind wahr, 
wenn es so ist, wie die Sätze besagen. Und wie die Welt beschaffen ist, können 
wir anhand unserer intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen entscheiden. 
Wie Menschen handeln sollen, kann man jedoch nicht allein anhand von 
Wahrnehmungen und Logik entscheiden. Soweit stimme ich Dir zu und soweit bin ich 
logischer Empirist.
Andererseits beantworten moralische Urteile Fragen 
und insofern sind sie eine Form von Erkenntnis. Außerdem haben moralische 
Urteile eben Urteilscharakter und sind keine Poesie: Sie werden – ähnlich wie 
deskriptive Aussagen – behauptet, bestritten, gefolgert oder als widersprüchlich 
widerlegt. Man erhebt bei moralischen Behauptungen einen allgemeinen 
Geltungsanspruch (das Urteil zu bejahen, zu übernehmen und dem eigenen Denken 
und Handeln zu Grunde zu legen) ähnlich wie bei beschreibenden Behauptungen. 
Die Frage ist, wie der Geltungsanspruch moralischer Urteile argumentativ für 
jeden Verständigen nachvollziehbar eingelöst werden kann. Dass das Kriterium der 
intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen kein Kriterium für moralische 
Urteile sein kann, bedeutet ja noch nicht, dass es nicht ein anderes Kriterium 
geben kann, das eine intersubjektive Übereinstimmung und damit eine Begründung 
des allgemeinen Geltungsanspruchs moralischer Urteile ermöglicht. 
Du 
könntest Dir eine wissenschaftliche Ethik oder Moralphilosophie höchstens nach 
Art der Formalwissenschaften Mathematik und Logik vorstellen. Dabei würde man 
von nicht weiter begründbaren normativen Axiomen ausgehen (Du nennst als 
Beispiel den Kategorischen Imperativ), aus denen dann logisch-deduktiv weitere 
Normen gefolgert werden. 
Das Problem einer derartigen Ethik ist jedoch, 
dass es keine intersubjektive Übereinstimmung hinsichtlich dieser Axiome gibt. 
Dann kann es jedoch auch keine allgemein nachvollziehbare Begründung von Normen 
geben. Trotzdem bleibt es sinnvoll, die logischen Implikationen bestimmter 
ethischer Grundsätze, Prinzipien oder Kriterien zu entfalten und zu untersuchen, 
inwiefern diese mit den real praktizierten Normen oder den Folgerungen aus 
anderen Prinzipien übereinstimmen.
Was mit der Richtigkeit von 
moralischen Handlungsnormen gemeint ist, lässt sich durch den Satz bestimmen: 
Eine moralische Handlungsnorm ist richtig, wenn man so handeln soll, wie die 
Norm besagt. Die Frage, die sich angesichts dieser Lage für die Ethik stellt 
lautet: Welches allgemein akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug 
auf normative Urteile, das eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende 
allgemeine Übereinstimmung ermöglicht (ähnlich wie es das Kriterium der 
Wahrnehmung in Bezug auf empirische Aussagen tut).
Ich mache hier mal 
einen Einschnitt, sonst wird der Diskussionsbeitrag zu einem Aufsatz.
Es 
grüßt alle an diesen Fragen Interessierten Eberhard.
p.s. Ich habe die 
inzwischen zu hel eingegangenen Beiträge noch nicht berücksichtigt. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
27. Aug. 2006, 18:22 Uhr 
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Hi,
Hel schrieb:
Finde mir einen objektiven Sachverhalt, anhand 
dessen ich z.B. Hanspeter widerlegen könnte, wenn er sagt: Moralisch gut ist, 
was Hanspeter nützt, moralisch verwerflich, was ihm schadet und moralisch 
neutral, was sein Leben nicht verändert; wobei nur er Auskunft geben darf, was 
als nützlich und schädlich für Hanspeter gilt. 
Mein Einwand: 
Sprachmissbrauch. Moral setzt soziale Gemeinschaft voraus, in der Menschen 
miteinander agieren. Robinson steht nicht vor der Frage, warum er einen Menschen 
nicht umbringen soll; alldieweil kein anderer Mensch da ist außer ihm.
Bezogen einzig auf das Individuum und das, was ihm nützlich oder schädlich ist, 
wäre es eine Frage der Moral, ob Robinson sich einen Fisch fängt und eine 
Palisade baut oder nicht. So gebrauchen wir das Wort Moral aber nicht. Das ist 
nicht damit gemeint.
Man kann das Schachbrett nehmen und die Spielfiguren 
und andere Regeln für das Ziehen und Schlagen der Figuren aufstellen.
Kann man. Dann kannste aber nur mit denen Schach spielen, die Deine Regeln 
übernehmen. Die anderen werden es ablehnen, das Spiel nach Deinen Regeln zu 
spielen. 
Außerdem sollte man nicht übersehen, die Regeln des Schachspiels 
sind unsinnig ohne Schachspiel. Heißt, Regeln, nach denen Du ziehen und schlagen 
kannst, setzen, sobald Du den Bereich reiner Vorstellung verlassen willst (und 
das ist der Fall, wenn Du einen Mitspieler hast) die Existenz eines 
Schachbrettes und von Schachfiguren voraus.
Wobei Du Dir diese Figuren im 
Falle Schach selber basteln kannst. Im Falle Mensch nicht.
Natürlich, 
aber es bleibt ein Konstrukt, das sich weiter nicht rechtfertigen läßt.
Das ist eine Behauptung, die ich gern bewiesen hätte.
Wenn ich sage, es gibt 
Taten, die Menschen aus ethischen Gründen unabhängig von Zeit und Kultur rigoros 
ablehnen, so ist dies eine Tatsachenbehauptung. Inwiefern ist es ein Konstrukt, 
solche Tatsachen zur Basis einer zu entwickelnden allgemeinen Moral zu machen? 
Es sei denn, Du betrachtest z.B. auch die Naturwissenschaften als Konstrukte. 
Dann wird aber das Wort 'Konstrukt' entweder zum allgemeinen und damit 
nichtssagenden Begriff - oder wir sind wieder bei dem Außenweltproblem; darauf 
nochmals einzugehen ist mir aber die Situation hier in Philtalk noch zu labil.
Du übersiehst eine psychologische Komponente. Feindschaft.
Tatsächlich? Ist das nicht ein altbekanntes Phänomen, Ursache zunächst zur 
Einführung einer neutralen Rechtssprechung und später der Übergabe des 
Gewaltmonopols an den Staat? Oder meinst Du, Lynchjustiz sei zwar für Individuen 
nicht angebracht, Staaten hingegen dürften sie ohne weiteres ausüben? Mal 
abgesehen von der Frage: welche psychologisch bedingte Feindschaft soll denn 
zwischen Kurnaz und seinen Bewachern geherrscht haben? Wen aus der 
Verwandtschaft seiner Bewacher hat Kurnaz denn umgebracht?
Unterordnung 
der Frau unter den Willen des Mannes. 
Unterordnung des Individuums unter die 
Gemeinde. 
Vorehelicher Sex. Onanie. Homosexualität. Alkoholgenuß. 
Ist 
Lügen an sich unmoralisch? Ist die Ehe heilig? 
Religiöse Gebote generell.
Nehmen wir die Frage nach der Lüge heraus. Haben die zu einer Gesellschaft 
gehörenden Menschen nicht das Recht, sich nach genau diesen Maßstäben zu 
organisieren? In ganz Südostasien, China eingeschlossen, ist es 
selbstverständlich, dass sich das Individuum unter die Gemeinschaft 
unterzuordnen hat. Mit welchem Recht willst Du ihnen andere Maßstäbe aufzwingen? 
Du hast das Recht nicht. Genau so wenig, wie sie das Recht haben, uns ihre 
Maßstäbe aufzuzwingen.
Du kannst mit ihnen diskutieren, inwieweit ihre 
Maßstäbe der humanen Ethik entsprechen. Wobei Du selbstverständlich damit 
rechnen musst, dass sie die gleiche Frage an Dich und Deine Maßstäbe richten. 
Wenn etwas auf den Prüfstand kommt, dann alles, keine individuell bevorzugte 
Auswahl. Doch ein solcher Prüfstand setzt eine tatsächliche Basis voraus - siehe 
oben. Die erst einmal geschaffen werden muss. Erst ne Näs, und dann ne Brill, 
wie mein alter Vater stets sagte.
Aqvileia schrieb:
Meinungen aus 
Erfahrungen für eine allgemeingültige Regel sollten nicht aus 
Glaubensvorstellungen oder usus von Indianerstämmen oder Kannibalen sein, 
sondern unser derzeitiges Verständnis auf Grund von Wissen und Erfahrung unter 
Einbeziehung möglicher zukünftiger Konsequenzen. 
Bin ich gegen, weil 
damit der Gültigkeitsanspruch aufgehoben wird. Nehmen wir zur Kenntnis, unsere 
Regeln sind anderen Kulturen ein Greuel. Mindestens so, wie ihre uns. Hierüber 
ist ein Diskurs nicht möglich. 
Ein Diskurs ist nur möglich auf der Basis, 
was alle gleichermaßen gut heißen oder - das halte ich für wahrscheinlicher - 
verabscheuen.
Wenn eine Moral zu dem im Widerspruch steht, dann kann man 
sagen, muss wohl was falsch sein. Vorher nicht.
Grüße 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 27. Aug. 2006, 21:59 Uhr 
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Eberhard schreibt: 
"Wenn jemand für sich andere moralische Regeln gelten 
lässt als für andere und sich z.B. von der Befolgung bestimmter Regeln ausnimmt 
mit der Begründung "weil ich es bin", dann verstößt er damit gegen die 
Eigenschaft der "Universalisierbarkeit" (englisch universalizability), die nach 
Auffassung der meisten Autoren moralischen Urteilen zukommt."
Was heißt 
hier "Universalisierbarkeit". Wenn damit gemeint ist, dass moralische Regeln 
universell gelten sollen, dann ist das falsch, weil es keine universell gültige 
Moral gibt.
Wenn damit gemeint ist, dass die Regel innerhalb einer bestimmten 
Moral gelten soll, dann erlaube ich mir die Feststellung, dass diese Moral eben 
für mich nicht gilt. 
Kurz, entweder es gibt eine universell gültige 
Moral oder es gilt die Beliebigkeit der Moralen. Ersteres ist de facto nicht 
gegeben, also kann ich mir den Luxus erlauben, meine eigene Moral 
zurechtzuzimmern und danach zu handeln. Wenn ich dann in Konflikt mit anderen 
Moralen (zB der Staatsmoral)komme, ist mein Scharfsinn gefordert, für mich das 
Beste herauszuholen.
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
27. Aug. 2006, 22:18 Uhr 
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Öhm ...
Wenn damit gemeint ist, dass moralische Regeln universell gelten 
sollen, dann ist das falsch, weil es keine universell gültige Moral gibt. 
Und Du meinst nicht, Mensch könne eine solche - selbstverständlich nur 
rudimentäre, denn Kulturen sind verschieden, und das ist auch gut so - Moral 
schaffen? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 27. Aug. 2006, 22:30 Uhr 
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Natürlich könnte Mensch es schaffen. Am ehesten die Variante Amerikaner. 
US-Mensch legt seine Moral als "Alleinseligmachend" fest und rottet alle anderen 
Moralen aus. Ähnliche Versuche hat es bereits früher gegeben, aber sie 
scheiterten. Die Päpste hatten eben niemals so tolle Waffen wie G.W.Bush.
Nur wer die Macht hat, kann seine Moral durchsetzen und sie 
universalisieren. 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
27. Aug. 2006, 23:15 Uhr 
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Erleben wir nicht gerade das Gegenteil? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 28. Aug. 2006, 08:11 Uhr 
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Auf was spielst du hier an? 
Erfreulicherweise haben die USA eben nicht 
die Macht, ihre Moral durchzusetzen. Atombomben und bunkerbrechende Bomben 
taugen nur bedingt gegen eine ausgefeilte Guerilla-Taktik. Aber mögen täten sie 
schon wollen. ;-)
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
28. Aug. 2006, 08:46 Uhr 
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Hallo Hanspeter,
zur Erläuterung des Begriffs "Universalisierbarkeit", 
demzufolge. moralische Normen unzulässig sind, die unter Nennung bestimmter 
Personen bzw. Personengruppen formuliert werden. 
Bei Sidgwick, einem 
Utlitaristen des 19. Jahrhunderts, findet sich folgende Formulierung für dieses 
Prinzip:
"Wenn eine bestimmte Verhaltensweise, die bei mir richtig .. ist, 
bei jemand anderem nicht richtig .. ist, so darf der Grund hierfür nicht allein 
darin liegen, dass er und ich zwei verschiedene Personen sind, sondern es muss 
einen anderen Unterschied zwischen beiden Fällen geben." (in: Methods of Ethics, 
S.379., eigene Übersetzung.)
Bei zahlreichen Autoren werden Prinzipien 
formuliert, die diesem Prinzip entsprechen oder es beinhalten. Die Frage ist, ob 
und wie sich ein derartiges Prinzip, das im Folgenden "Prinzip der 
Personunabhängigkeit" genannt werden soll, begründen lässt. Sidgwick selbst hält 
das Prinzip der Personunabhängigkeit für evident. Er zählt es zu den "absoluten 
praktischen Prinzipien, deren Wahrheit manifest ist, wenn man sie explizit 
formuliert." (S. 379.) (Näheres unter 
www.ethik-werkstatt.de/Universalisierbarkeit.htm )
Im Recht entspricht 
dies Prinzip dem Präjudiz. 
Dies von Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 28. Aug. 2006, 09:53 Uhr 
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Hi, Hanspeter,
Wer weiter blickt, ist im Vorteil.
Begründung:
Du: ...entweder es gibt eine universell gültige Moral oder es gilt die 
Beliebigkeit der Moralen.
Allgemeingültig sind die Naturgesetze und das, was 
uns allen angeboren ist. Denn alles, was eine Person gemacht hat, das wird sie 
schon nach ihren persönlichen Interessen gestaltet haben, zumindest werden 
andere das befürchten.
Eine von den Genen diktierte Moral wäre aber 
keine, sondern Selbstverwirklichung. Dazu gehören Ängste und Vorlieben, 
besipielsweise unser Geschmack und Schönheitssinn und unser Gefühl bei der 
Simulation verschiedener Verhaltensweisen.
Du: ...also kann ich mir den 
Luxus erlauben, meine eigene Moral zurechtzuzimmern und danach zu handeln. Wenn 
ich dann in Konflikt mit anderen Moralen (zB der Staatsmoral)komme, ist mein 
Scharfsinn gefordert, für mich das Beste herauszuholen.
Das gilt für Dich und 
andere Mündige, die also selber denken können. Es darf nicht gelten für 
Unmündige, denen müssen die Eltern sagen, was gut und böse ist, oder eben der 
Priester.
Betrachten wir aber zwei Personen: "Herr Bauer" und "Frau 
Königin". Beide bewegen sich eigenständig auf dem Schachbrett des Lebens.
"Herr Bauer" hat einen Denkhorizont, der reicht genau ein Feld weit, und er 
kennt vor jedem Zug nur vier Alternativen - nichtstun, vor, schräglinks oder 
schrägrechts schlagen.
Frau Königin kann weiter ziehen - und auch weiter 
denken und strategisch denken.
Folgerung: Herr Bauer muß die Chancen 
nehmen, wie sie kommen. Aufgrund seiner Kurzsichtigkeit kann er nicht 
investieren in seine Zukunft.
Frau Königin dagegen kann eine Gelegenheit, die 
dem Bauern lohnend erscheinen würde, durchaus vorbeigehen lassen und in 
Miteinander investieren mit der Absicht, später einen Return einzufahren, der 
weit größer ist als der des Bauern.
Fazit: Wer weiter blickt, ist im 
Vorteil.
Oder: Egoismus? Ja gern, aber bitte mit Weitblick!
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
28. Aug. 2006, 10:23 Uhr 
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Hallo allerseits, 
hallo hel,
ich will fortfahren, auf die 
grundlegenden Einwände von hel zu antworten.
Ich denke, der Einwand des 
"Kategorienfehlers" gegen die Verwendung der Wörter "richtig / falsch" für die 
Antworten auf moralische Fragen ist ausgeräumt, denn wie bereits gezeigt, sind 
moralische Urteile mit einem Anspruch auf Geltung verbunden.
Wie lässt 
sich dieser allgemeine Geltungsanspruch durch intersubjektiv nachvollziehbare 
und übernehmbare, also einsichtige Argumente begründen?
Gemeinsame Normen 
sind - einmal abgesehen von Koordinierungsproblemen - dort nötig, wo es 
Konflikte zwischen Menschen gibt, weil der eine das tut, was der andere nicht 
will. Insofern es sich um Willenskonflikte handelt, lässt sich das Problem durch 
die Frage ausdrücken: Wie lässt sich durch Argumente ein allen gemeinsamer 
Wille, ein Konsens über das, was gewollt wird und damit sein soll, bilden?
Wer das Ziel, durch Argumente einen Konsens zu erzielen, nicht akzeptiert, 
der kann für die von ihm vertretenen Normen zwar Gehorsam fordern und 
möglicherweise auch erzwingen, er kann jedoch nicht beanspruchen, in Bezug auf 
diese Normen in irgendeiner Weise "Recht" zu haben oder die "Wahrheit" zu 
vertreten. Der Anspruch auf "Richtigkeit" unterscheidet sich vom bloßen Anspruch 
auf Glauben oder Gehorsam gerade dadurch, dass dieser Anspruch einsichtig 
begründet werden kann. Auf diese Möglichkeit hat er jedoch mit seiner Haltung 
verzichtet. Er scheidet damit aus der Diskussion aus.
Wenn jeder auf 
seinen individuellen Willensinhalten beharrt, so ist offensichtlich kein 
allgemeiner Wille herstellbar. Beharrt jemand trotzdem auf seinen individuellen 
Willensinhalten, so gibt er damit das Ziel allgemein akzeptabler Normen auf und 
scheidet damit ebenfalls aus der Diskussion aus.
In der Diskussion zur 
Formulierung eines allgemeinen Willens kann von jedem Diskussionsteilnehmer 
verlangt werden, dass er nur solche Normen vorschlägt, die allgemein akzeptabel 
sind. Wenn jemand also eine Norm als "richtig" behauptet, so muss er annehmen, 
dass die andern Beteiligten dieser Norm ebenfalls zustimmen können. 
Deshalb muss er sich auch die Frage stellen lassen, ob er selber dieser Norm 
auch dann noch zustimmen würde, wenn er in der Position eines der anderen 
Beteiligten wäre. 
Dazu ein Beispiel: Wenn jemand die Forschung an 
menschlichen Stammzellen verurteilt, so muss er zu diesem Verbot auch dann noch 
stehen, wenn er selber z. B. die Alzheimersche Krankheit bekäme. Ist er damit 
nicht einverstanden, so gibt er damit implizit das Ziel auf, nach allgemein 
konsensfähigen Normen zu suchen.
Das bedeutet, dass man sich bei der 
Beantwortung moralischer Fragen auch in die Lage der anderen Beteiligten 
versetzen muss und von diesem allgemeinen Standpunkt aus urteilen muss.
Das heißt jedoch nicht, dass man dabei auch die bestehenden moralischen 
Überzeugungen der andern mit übernehmen soll. Es geht ja gerade darum, diese 
miteinander unvereinbaren moralischen Überzeugungen zu überprüfen. Folglich 
können sie nicht unkritisiert in die Überlegungen eingehen. 
So weit 
erstmal eine grobe Skizze, wie man moralische Fragen "richtig" beantworten kann. 
Wenn man diesen Gedankengang in eine Formel bringen wollte so könnte man sagen:
"Wir sollen das tun, was wir alle gemeinsam dauerhaft wollen." 
Oder 
als methodisches Prinzip formuliert:
"Suche nach Normen, von denen alle 
gemeinsam am ehesten dauerhaft wollen können, dass sie von allen befolgt werden"
Nun noch zu einem weit verbreiteten Missverständnis. Wenn ich sage, dass die 
Antwort auf eine moralische Frage dann richtig ist, wenn sich über sie allein 
durch Argumente ein dauerhafter Konsens herstellen lässt, so heißt das nicht, 
dass diejenige Antwort richtig ist, die alle gegenwärtig tatsächlich für richtig 
halten. Die Richtigkeit einer Antwort entscheidet sich nicht durch Abstimmungen. 
Deshalb lautet die Formulierung auch: "Richtig ist, worüber sich ein allgemeiner 
(d.h. intersubjektiver und intertemporaler) Konsens herstellen lässt" und nicht 
"Richtig ist, worüber ein allgemeiner Konsens gegenwärtig besteht." 
Zu 
dem Einwand, dass bei Einbeziehung unterschiedlicher Kulturkreise ein Konsens 
unmöglich sei (heilige Kühe, Tötung Neugeborener etc.). 
Ein Großteil der 
Uneinigkeit in moralischen Fragen beruht auf unterschiedlichen deskriptiven 
Weltbildern. Wenn ich annehme, dass in dem Frosch vor mir die wiedergeborene 
Seele eines Menschen steckt, dann werde ich in Bezug auf seine Behandlung andere 
Normen aufstellen als wenn ich nicht an diese Art der Wiedergeburt glaube. 
Für die Diskussion um die richtige Beantwortung moralischer Fragen heißt 
dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen können, über die ein 
intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente und übereinstimmende 
Beobachtungen herstellbar ist.
Wer diese Versuche, zu vernünftig 
begründeten moralischen Normen zu gelangen, abtut, der muss sich darüber im 
Klaren sein, dass die Alternative zur vernünftigen Einigung der Konflikt und 
damit der Kampf und letztlich der Krieg ist,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
28. Aug. 2006, 11:14 Uhr 
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Hallo Diskussionsgemeinde,
Eberhard: "Wer diese Versuche, zu vernünftig 
begründeten moralischen Normen zu gelangen, abtut, der muss sich darüber im 
Klaren sein, dass die Alternative zur vernünftigen Einigung der Konflikt und 
damit der Kampf und letztlich der Krieg ist"
Dem könnte ich beipflichten 
und ergänzen: hier wird auf eine globale Einigung über moralisches Verhalten zur 
Voraussetzung von Kriegsvermeidung verwiesen, die tatsächlich naturgesetzlich 
gar nicht zu erzielen ist. 
So lange verschiedene Staaten, 
Glaubensgemeinschaften oder Kulturkreise (also Systeme höherer Ordnung) von 
ihren Bürgern (Mitgliedern) jeweils eigene Glaubensinhalte verlangen (z.B. 
Frosch als Wiedergeburt), was eine praktische Intoleranz anderen 
Glaubensinhalten gegenüber darstellt, wird mit Krieg zu rechnen sein. 
Zum 
Glück werden sich derartige Systeme höherer Ordnung weiter auflösen, weil die 
Individuen mehr und mehr ihre Eigeninteressen verfolgen. In den wirtschaftlich 
entwickelten Staaten kann man dies seit langem deutlich beobachten. Leider 
werden mancherorts moralische Normen jedoch immer noch nicht vernünftig, sondern 
religiös begründet und in unserem Kulturkreis scheinen leider derzeit wieder 
religiöse Begründungen überhand zu nehmen.
Global besteht eben noch nicht die 
Übereinkunft, die Vernunft als Maßstab anzuerkennen und den Einfluss des 
Glaubens weiter zu minimieren. Die einzige Einigkeit auf Vernunftsebene scheint 
seit der Cubakrise immer noch die zu sein, einen nuklearen Krieg vermeiden zu 
wollen.
Ein bisschen wenig an Konsens, meint rudi, aber zu mehr sind Systeme 
höherer Ordnung nicht fähig. Er beruht auch nicht auf Vernunft, sondern ist 
Ergebnis des Selbsterhaltungsinteresses.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 28. Aug. 2006, 16:39 Uhr 
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@Eberhard,
das "Prinzip der Personenunabhängigkeit", wie es offenbar 
diverse Moralphilosophen formulieren, ist nichts anderes als ein verkappter 
Universalitätsanspruch. Dahinter steht der Glaube an die Gleichheit aller 
Menschen und die Gleichheit aller Kulturen.
Mag sein, dass es Menschen gibt, 
die das für wünschenswert halten, die Realität ist aber anders.
Ansonsten 
stimme ich Rudi zu: Die Durchsetzung einer einheitlichen Moral bedeut Krieg und 
Moral wird in der Tat meist nicht vernünftig, sondern religiös begründet. Und 
das ist eben der Grund, weshalb es keine einheitliche Moral gibt. Auf eine 
einheitliche Vernunft können sich die Vernünftigen einigen, eine Einigung auf 
eine einheitliche Religion ist auch unter den Religiösen nicht möglich.
Das beste, was du mit deinem Unterfangen also erreichen kannst, ist es, eine 
Moral für Vernünftige zu entwickeln, die aber möglicherweise einen nur sehr 
kleinen Geltungsbereich haben könnte. 
@Wolfgang
Deine strenge 
Unterteilung in Mündige und Unmündige entspricht nicht der Realität. Ich könnte 
mir vorstellen, dass auch du einmal unmündig warst und dir Eltern oder 
"Priester" gesagt haben, wo es ihrer Ansicht nach lang gehen soll. Und wie 
mündig dann schlussendlich der "mündige Bürger" ist, sei dahingestellt.
Weder die Dame noch der Bauer denken strategisch, genausowenig wie Keule oder 
Kalaschnikov strategisch denken können. 
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 28. Aug. 2006, 17:09 Uhr 
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Hi, Hanspeter,
eigenartige Einwände. Ich entnehme ihnen, daß Du keine 
wichtigeren hattest.
Du Deine strenge Unterteilung in Mündige und 
Unmündige entspricht nicht der Realität.
Natürlich ist "Unmündigkeit" keine 
Eigenschaft wie die angeborene Haarfarbe. Sondern bezieht sich auf einen 
bestimmtes Kompetenzgebiet.
Muß das erörtert werden, ist das nicht 
selbstverständlich?
Du: Weder die Dame noch der Bauer denken strategisch,
Klar, Holz und Holzfiguren denken gar nicht.
Auch das steht wohl außer Frage.
Sie dienten als Beispiel für Personen mit unterschiedlich großem Denkhorizont 
und unterschiedlichen Denkfähigkeiten.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
28. Aug. 2006, 21:35 Uhr 
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ist nicht Mündigkeit ein Begriff, den Kant gern benutzte und der in der 
sogenannten "Aufklärung" für den verwendet wurde, der seinen Verstand benutzt?
Weit denken nutzt natürlich nichts ohne die entsprechenden 
Handlungsmöglichkeiten.
Der Einzeller hat übrigens (ohne Hirn und ohne 
denken) in bestimmten Katastrophenfällen weitaus bessere Überlebenschancen als 
der weit denkende Mensch. [cry]
(nicht nur) Deshalb unterscheide ich 
Selbsterhaltung (da ist der Mensch schlecht ausgestattet) und Selbstentfaltung 
(da macht keiner dem Menschen etwas vor). [cheesy]
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
28. Aug. 2006, 23:08 Uhr 
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Hi Eberhard,
hast Du einbezogen, dass die Normfrage verbunden ist mit der 
Wertfrage?
Wenn in ostasiatischen Gesellschaften die soziale Gemeinschaft 
einen höheren Wert hat als das Individuum: wie willst Du dann eine das 
Individuum in unserem Verständnis schützende Norm vernünftig begründen? Was uns 
als Wert erscheint, kann anderen als Unwert erscheinen.
Die Vernunft 
kalkuliert mit Daten. Sofern Daten unvernünftig kalkuliert werden, wirst Du 
Zustimmung finden. Wie aber sieht die Sache aus, wenn mit anderen Daten 
kalkuliert wird?
Bis jetzt kannst Du mich nicht davon überzeugen, dass es 
einen anderen Weg gibt als den, das fest zu machen, was Menschen 
unterschiedlicher Kulturen und Religionen gleichermaßen verabscheuen und auf 
dieser Basis ein allgemeines Normensystem zu entwickeln, das dennoch kulturell 
unterschiedliche Bewertungen ausklammert, indem es entsprechende Fragen erkennt 
und das Recht zugesteht, diese Fragen nach eigenem Gusto zu beantworten, auch 
wenn die Antwort anderen Moralen widerspricht.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
29. Aug. 2006, 09:45 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Hanspeter,
ich habe den Eindruck, Du 
missverstehst das Prinzip der Universalisierbarkeit bzw. das Prinzip der 
Verallgemeinerbarkeit, wie es auch genannt wird.
Es bedeutet nicht mehr 
und nicht weniger, als dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werden darf. Dies 
ist ein elementarer Bestandteil jeder Konzeption von Gerechtigkeit.
Wenn 
man einen Fall 1 moralisch beurteilt und kommt zu einem bestimmten Ergebnis, und 
man hat einen Fall 2, der sich empirisch in nichts vom Fall 1 unterscheidet 
außer in den Namen der Akteure, dann muss ich Fall 2 genauso beurteilen wie Fall 
1. Der Grund hierfür liegt meines Erachtens darin, dass für denjenigen, der für 
die eine Handlung verurteilt wird, die beim andern gebilligt wird, eine 
derartige Diskriminierung nicht konsensfähig ist. Moralische Positionen, die in 
dieser Weise parteiisch sind und das Prinzip der Personunabhängigkeit verletzen, 
können nicht allgemein akzeptabel sein und können deshalb nicht richtig sein.
Für Dich ist dies Prinzip "nichts anderes als ein verkappter 
Universalitätsanspruch. Dahinter steht der Glaube an die Gleichheit aller 
Menschen und die Gleichheit aller Kulturen. 
Mag sein, dass es Menschen gibt, 
die das für wünschenswert halten, die Realität ist aber anders." 
Wenn 
ich Dich richtig verstehe, denkst Du dabei an Sprüche wie: "Wenn zwei dasselbe 
tun, ist es nicht dasselbe" bzw. "Quod licet Iovi non licet bovi" ("Was Jupiter 
erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt").
Der erste Spruch 
ist paradox formuliert: Wenn B dasselbe tut wie A, dann tut B nicht dasselbe wie 
A. Wie soll dieser Widerspruch aufgelöst werden? 
Wenn damit gesagt 
werden soll, dass zwei Handlungen von zwei verschiedenen Personen niemals 
vollkommen und in jeder Hinsicht gleich sind, so ist das ohne weiteres 
zugestanden: Gut, Person A hat eine Plombe mehr in seinen Zähnen als Person B. 
Aber soll nun aus dieser Ungleichheit der beiden Akteure gefolgert werden, dass 
eine bestimmte Handlung h in einer bestimmten Situation s zu billigen ist, wenn 
sie durch A vollzogen wird, aber zu verurteilen ist, wenn sie von B vollzogen 
wird? 
Es muss sich doch um Unterschiede handeln, die für eine moralische 
Beurteilung relevant sind. Diese moralisch relevanten Aspekte müssen jedoch in 
der Beschreibung des Falles und in der Begründung dafür, warum das Handeln von A 
zu billigen ist, genannt werden. 
Wenn auf die Handlung von B genau die 
Beschreibung zutrifft, die für die Handlung von A gegeben wird, dann gleichen 
sich Fall 1 und Fall 2 in ihren moralisch relevanten Aspekten und müssen deshalb 
moralisch gleich bewertet werden. 
Wenn aber der bloße 
Identitätsunterschied zwischen A und B ein moralisch relevanter Aspekt sein 
soll, dann ist diese Position für die diskriminierte Person B nicht akzeptabel. 
Damit lässt sich der allgemeine Geltungsanspruch für eine derartige moralische 
Position nicht aufrechterhalten.
Dieser Gedankengang entspringt 
sicherlich der europäischen Denktradition, er ist m. E. aber auch in anderen 
Kulturen anwendbar. Die moderne Naturwissenschaft und die moderne 
Maschinentechnik sind ebenfalls aus der europäischen Denktradition entstanden, 
sind jedoch auch in anderen Kulturen anwendbar. Diese nicht kulturspezifisch 
begründete Art von Erkenntnis und Wissen, die am Kriterium der Intersubjektiven 
Nachvollziehbarkeit orientiert ist, macht gerade deren besondere 
Leistungsfähigkeit aus,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
29. Aug. 2006, 10:34 Uhr 
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Hi,
kleiner Einwurf:
was Du hier ansprichst, Eberhard,
Wenn 
aber der bloße Identitätsunterschied zwischen A und B ein moralisch relevanter 
Aspekt sein soll, dann ist diese Position für die diskriminierte Person B nicht 
akzeptabel. Damit lässt sich der allgemeine Geltungsanspruch für eine derartige 
moralische Position nicht aufrechterhalten. 
Dieser Gedankengang 
entspringt sicherlich der europäischen Denktradition, er ist m. E. aber auch in 
anderen Kulturen anwendbar.
ist das Verlangen nach Rechtssicherheit (kein 
glücklicher Begriff, aber ich hoffe, Du verstehst einigermaßen, was ich damit 
meine). Das hat imho überhaupt nichts mit unterschiedlichen Kulturen zu tun, 
auch nichts mit Geltungsansprüchen von moralischen Positionen, vielmehr nehme 
ich (selbstverständlich nach einigermaßen sorgfältiger Beobachtung mit 
anschließendem Überdenken) an, dass die Forderung nach Rechtssicherheit dem 
Bereich der humanen Ethik zuzuordnen ist. Heißt, Un-recht im von Dir genannten 
neutralen Sinne zieht, trotz aller vernünftigen Argumente, das ethische Nein 
nach sich.
Noch ein (vorläufiges) Ergebnis meines Nachdenkens über Ethik, 
das gerade mit der Verletzung der Rechtssicherheit in Verbindung steht: offenbar 
ist, entgegen christlicher Glaubenstradition, das Humanum keineswegs 
aggressions- und gewaltlos. Auch nicht in unserem Kulturraum (man denke an 
Aufstände und Revolutionen). Heißt, werden ethische Prinzipien verletzt, 
reagieren die Opfer mit Gewalt, bis hin zu blindwütigem Umsichschlagen. Sollte 
man imho beim Bemühen, moralische Normen irgendwie festzuklopfen, unbedingt 
berücksichtigen. Man kann die Wirklichkeit nicht straflos vergewaltigen.
Insofern scheint mir der islamische Dschihad - jetzt mal ganz abgesehen von 
diversen Bemühungen, selbigen auszurufen - durchaus auf einen hier aus 
Glaubensgründen vernachlässigten Aspekt hinzuweisen.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 29. Aug. 2006, 16:25 Uhr 
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Hallo Eberhard,
du schreibst über die Universalisierbarkeit: "Es bedeutet 
nicht mehr und nicht weniger, als dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werden 
darf. Dies ist ein elementarer Bestandteil jeder Konzeption von Gerechtigkeit."
Dem stimme ich zu, vorausgesetzt handelt sich um eine Gesellschaft mit eine 
einheitlichen Moral. Doch wenn verschiedene Kulturen (sprich Moralen) 
aufeinandertreffen, dann gibt es keine Universalisierbarkeit.
Beispiele: 
Selbst in unserer Gesellschaft gelten zB für die katholische Kirche 
Sonderrechte, weil ihre Kultur in einigen Dingen nicht mit der unseres Staates 
kompatibel ist. Wenn sich ein kirchlicher Angestellter scheiden lässt kann er 
entlassen werden. Die Kirche hat das Recht, katholische Bewerber für eine 
Arbeitsstelle zu bevorzugen, sie darf also religiös diskriminieren usw. 
Wenn du also nicht mit zweierlei Maß misst, dann heißt das, dass du deine 
Moralvorstellungen jenen aufoktroyieren musst, die deine Moralvorstellungen 
nicht akzeptieren. 
Gruß HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
29. Aug. 2006, 16:55 Uhr 
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Hallo Hanspeter,
ich bin mir nicht sicher, ob Dein Beispiel mit den 
Sonderrechten für die katholische Kirche stimmt. Wenn ich mich nicht irre, gibt 
es bestimmte Sonderbestimmungen für alle so genannten "Tendenzbetriebe", wozu 
nicht nur weltanschauliche und religiöse Organisationen zählen, sondern z. B. 
auch Gewerkschaften und Parteien. 
Eine Besonderheit stellen allerdings 
die Verträge zwischen der katholischen Kirche bzw. dem Vatikan und der 
Bundesrepublik Deutschland dar, die es in dieser Form mit anderen Organisationen 
meines Wissens nicht gibt.
Hallo allerseits,
die Kritik, die 
bisher gegen meine Vorschläge zur Beantwortung moralischer Fragen vorgebracht 
wurde, hat mich nicht sonderlich beeindruckt, weil sie recht pauschal daherkam. 
Ich habe meine Konzeption ja als einen logischen Begründungszusammenhang 
aufgebaut. Eine wirksame Kritik müsste deshalb an meinen Prämissen und 
Schlussfolgerungen ansetzen, d.h. sie müsste näher am Text bleiben. 
Grüße von Eberhard. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
29. Aug. 2006, 17:56 Uhr 
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ja da könnten wir doch zur grundsätzlichen Kritik kommen, die ich schon in 
anderen threads zur Moral/Ethik angeführt habe, nämlich Moral und Ethik in den 
Mülleimer zu schmeißen und sich nur auf Handlungen zu konzentrieren und 
Handlungsregeln aufzustellen. 
Zum Beispiel: Verzicht auf Anwendung 
körperlicher Gewalt bei der Durchsetzung persönlicher Interessen.
Das muss 
doch gar nicht moralisch bewertet werden.
Handlungen, die das Individuum 
aus Rücksichtnahme auf die Gemeinschaft lassen soll, brauchen doch nur definiert 
werden und zuwiderhandeln bestraft werden.
Das heißt, die Zuwiderhandlungen 
werden lediglich als Handlungen definiert, die Motivation der Personen, deren 
Gründe fürs Zuwiderhandeln usw. wird nicht bewertet. Es werden nur Handlungen 
sanktioniert, egal welche Persönlichkeit die Handlung begeht. 
Keine 
Personenbewertung, sondern lediglich eine Bewertung der Handlung.
Das reicht 
doch völlig.
Beispiel: ein Mann bringt seine Frau um. Das wird bestraft, weil 
das Umbringen eines Menschen verboten ist.
Ob der Täter nun meint, sie hätte 
nicht des Recht gehabt, Sex mit nem anderen zu treiben oder meint, aus 
religiösen Gründen, weil sie von einem anderen vergewaltigt wurde, müsse er sie 
umbringen, oder weil sie ihn geärgert oder genervt hatte usw.
egal. Sein 
Verhalten wird nicht moralisch bewertet, also braucht er sich auch keine 
Entschuldigungen für sein Handeln auszudenken. Ihm werden auch keine Vorwürfe 
gemacht. Er muss einfach 15 Jahre in den Knast (sogenanntes lebenslänglich). Das 
war ihm vorher bekannt und nun wirds auch so gemacht.
Wozu noch Ethik mit 
Vorwürfen und Rechtfertigungen?
Allgemein oder universal benötigen wir nur 
Handlungsregeln ohne ethische Bewertung.
Die Bestrafung könnte sich einfach 
nach Höhe des Schadens richten. Wer was für 10 Euro klaut wird entsprechend 
weniger bestraft als der, der einen Betrugsschaden von 2 Millionen Euro 
anrichtet. 
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von magrabs am 
29. Aug. 2006, 20:15 Uhr 
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Hi
moral dient der reduzierung der inneren reibung einer gemeinschaft. 
befolgen alle mitglieder die gerade angesagte moral, ist diese gemeinschaft 
leistungsfähig und kann sich gegen die natur durchsetzen oder erfolgreich andere 
gemeinschaften verdrängen. 
die form der moral hängt an den werten, wobei es 
hier natürlch eine wechselwirkung gibt.
sie hängt davon ab wie hoch wir 
besitz , tot, schmerz, ruhm usw bewerten.
die germanen kommen an odins tafel 
wenn sie im kampfe fallen.
Degenhardt:
blut'ge löcher in den köpfen zeigte 
man den knaben gern, doch von jenem loch der löcher hielt man sie mit hieben 
fern.
immer wie man's braucht.
moral gilt meistens nur für mitglieder der 
gemeinschaft untereinander, nach aussen zeigen sich moralische gemeinschaften 
oft anders.
Beispiel: christentum und kreuzzüge..busch und todesstrafe...
Grüße
Manfred 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 29. Aug. 2006, 21:59 Uhr 
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Hallo Rudi,
du machst es dir schon ein bisschen einfach. Du schaffst die 
Moral ab und willst an ihrer Stelle Handlungsregeln.
Aber genau das macht 
auch die Moral, die du als Handlungsregeln deklarierst. 
Durch Änderung der 
Begriffe löst sich das Problem nicht.
Klar, wenn hier in der BRD jemand 
(s)eine Frau aus religiösen oder rituellen Gründen umbringt, gehört er in den 
Knast. Weil jemand, der aus einem anderen Kulturkreis hierher kommt, auch das 
hier übliche Recht akzeptieren muss. Das ändert aber nichts an der Tatsache, 
dass sich der Täter möglicherweise für unschuldig hält, weil er argumentiert, in 
seinem Land wäre er dafür nicht betraft worden. 
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
29. Aug. 2006, 22:21 Uhr 
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richtig Hanspeter,
mein Vorschlag stellt eine Vereinfachung dar.
Warum 
soll ich durch Verwendung überflüssiger Begriffe etwas verkomplizieren?
Ich 
würde die Frage hier auch ganz anders stellen:
warum soll man den Begriff 
Moral verwenden?
Für den Zweck, ein friedliches Zusammenleben der Individuen 
zu ermöglichen, ist er nutzlos, ja kontraproduktiv. Er schafft Probleme und löst 
keins.
Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich selektiere. 
Überflüssige Begriffe sondere ich aus. Ich muss mich doch nicht mit dem 
rumplagen, wofür bisher keine Lösung gefunden wurde.
Auch unser Hirn ist so 
konstruiert: je höher man kommt, desto einfacher wird es, die unteren Etagen 
selektieren und lassen nur das ins Großhirn, was wichtig ist. Zum Glück 
:-)
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
29. Aug. 2006, 23:28 Uhr 
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Hi Eberhard,
was soll ich denn noch sagen?
Du bestehst darauf, die 
Basis einer vernünftigen Moral entwickeln zu wollen.
Ich sage, das geht so 
nicht, wenn Du eine vernünftige Moral entwickeln willst, brauchst Du eine andere 
Basis, Tatsachenl.
Tatsachen sind die ethischen Entscheidungen von Menschen, 
unabhängig von Kulturen und Religionen.
Mit denen muss man sich zunächst 
befassen, daraus Prinzipien zu gewinnen trachten, dann erst kann man sich an 
eine vernünftige Entwicklung machen.
Soll ich das immer wiederholen?
Also beschränke ich mich auf Hinweise, wie den, dass Du damit
Ein 
Großteil der Uneinigkeit in moralischen Fragen beruht auf unterschiedlichen 
deskriptiven Weltbildern. Wenn ich annehme, dass in dem Frosch vor mir die 
wiedergeborene Seele eines Menschen steckt, dann werde ich in Bezug auf seine 
Behandlung andere Normen aufstellen als wenn ich nicht an diese Art der 
Wiedergeburt glaube. 
Für die Diskussion um die richtige Beantwortung 
moralischer Fragen heißt dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen 
können, über die ein intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente 
und übereinstimmende Beobachtungen herstellbar ist.
scheitern wirst.
Du wirst nämlich, außer denen, die Deiner Ansicht sind, und die wirst Du 
vorwiegend in Deinem Umkreis finden, keine Diskussionspartner haben, mit denen 
Du Deine Moral entwickeln kannst. Der Mehrheit der Menschen sind nun mal andere 
Dinge (auch ihre Glaubensangelegenheiten) wichtiger als eine allgemeine Moral.
Hat keinen Sinn, sich idealistisch von der Wirklichkeit abzuwenden.
Grüße
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 30. Aug. 2006, 07:57 Uhr 
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Hallo Rudi,
du schreibst: "Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich 
selektiere. Überflüssige Begriffe sondere ich aus."
Es ist gut, aus der 
Evolution zu lernen. So zeigen Beobachtungen von sozial lebenden Tieren, 
besonders Paviane und Schimpansen, dass es dort ebenfalls eine Bewertung von 
Handlungen nach Gut und Böse gibt und daraus resultierend einen Verhaltenskodex, 
der mit unseren Begriff Moral identisch ist. Spielregeln im sozialen Miteinander 
wie: Ehrfuchtsvolles Verneigen vor dem Chef, pflegen sozialer Kompetenz, 
Freundlichkeit zu Kindern usw. 
Gut, wenn dir der Begriff Moral nicht 
gefällt, dann darfst du dir selbstverständlich einen anderen suchen. Das 
Phänomen aber kannst du nicht "aussondern", höchstens neu benennen.
Gruß 
HP 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
30. Aug. 2006, 10:30 Uhr 
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Hallo allerseits, 
ich schlage vor, dass wir an diesem Punkt der 
Diskussion etwas freien Lauf rund um das Phänomen "Moral" lassen und sehen, 
wohin wir gelangen. 
"Moral":
Das sind diejenigen Regeln des 
Umgangs miteinander, die nicht rein konventionell (Kleiderordnung) oder rein 
koordinierend sind (Rechtsverkehr), sondern die direkt die Interessen, das Wohl 
und Wehe der Mitglieder betreffen (Totschlag, Vergewaltigung, Hilfeleistung, 
Belügen, Betrügen, Rauben, Gotteslästerung etc.).
Eine Moral wird 
praktiziert und gilt in einer Gesellschaft, wenn die Mitglieder einer 
Gesellschaft oder Gemeinschaft deren Regeln verinnerlicht haben, wenn sie diese 
vertreten, ihre allgemeine Befolgung verlangen, Verletzungen missbilligen und 
den Regelbrecher informell sanktionieren, sei es durch Abbrechen der sozialen 
Kontakte und soziale Ausgrenzung, sei es durch Ächtung und moralische 
Verurteilung, sei es durch Steinigen oder Erhängen.
Soll man in dem Sinne 
moralisch sein, dass man die geltenden Regeln befolgt? Nicht unbedingt, denn 
bestimmte Regeln können "veraltet" sein (Anti-Baby-Pille) oder können ungerecht 
sein (Patriarchat), insbesondere unter den sich rasch wandelnden Bedingungen 
einer technischen Zivilisation. Dann gibt es in der Gesellschaft einen 
moralischen Dissens, es bilden sich Subkulturen (Hippies) oder die Positionen 
bekämpfen sich offen (Fundamentalisten zum Schwangerschaftsabbruch).
Wenn 
man davon ausgeht, dass der rasche soziale Wandel - bedingt durch technische 
Neuerungen - anhalten wird, dann ist es für den Bestand einer Gesellschaft 
wichtig, wie sie auf den Wandel der Bedingungen reagiert. Meines Erachtens 
bedarf es der ständigen Diskussion und Überprüfung der tradierten moralischen 
Regeln. In einer auf Meinungsfreiheit und freien Abstimmungen beruhenden 
Demokratie sind die Grundvoraussetzungen dafür gegeben. Woran es jedoch mangelt 
ist ein Konsens über das, was man eigentlich mit der Richtigkeit oder Gültigkeit 
eines moralischen Urteils meint. Was ist das Kriterium hierfür und inwieweit 
kann man hier vernünftig argumentieren und begründen?
Was ich hier für 
die einzelne Gesellschaft gesagt habe, trifft auch auf die Weltgesellschaft als 
Ganzer zu: Die Staaten, Kulturen und Religionen rücken sich ständig näher, 
Teheran ist wenige Flugstunden entfernt, Shanghai 1 Internetsekunde. Dass sich 
eine einzige Kultur und Religion weltweit als herrschend durchsetzen wird, halte 
ich für unwahrscheinlich. Also werden die Spannungen und Reibungen weiter 
zunehmen, vor allem, wenn es sich um Moralsysteme und Weltanschauungen handelt, 
die gegenüber "Fremden" und "Ungläubigen" keinerlei moralische Verpflichtungen 
kennen.
Deutschland hat den 30jährigen Krieg durchgemacht, der die 
Bevölkerung erheblich dezimierte, bis schließlich ein geregeltes Nebeneinander 
der Konfessionen gefunden wurde. 
Um derartiges zu vermeiden, muss eine 
übergreifende Methode der Verständigung über Moral entwickelt werden. Ich habe 
meine Gedanken dazu hier skizziert. Kernpunkt meiner Überlegungen ist dabei der 
Grundsatz, dass nur intersubjektiv nachvollziehbare Argumente in die Entwicklung 
einer solchen "universalen" Moral eingebracht werden dürfen, wenn es sich um 
mehr als ein neues Dogma handeln soll.
Hallo Abrazo,
Du versuchst 
einen anderen Weg. Du schlägst vor, von Tatsachen auszugehen. Die Tatsachen, die 
Du meinst, sind in allen Kulturen gleichermaßen vorfindbare ethische 
Entscheidungen in Form einer Ablehnung bzw. Verabscheuung bestimmter 
Handlungsweisen. Eine derartige allen Menschen gemeinsame Grundlage der Moral 
würde die Lösung des Problems natürlich erheblich vereinfachen. 
Ob es 
derartige Tatsachen gibt, ist eine empirische Frage. Ich kenne allerdings keine 
empirische Untersuchung zu dieser Frage. Das einzige, was mir in Bezug auf 
universal vorkommende moralische Normen bekannt ist, ist die Tatsache, dass es 
in allen menschlichen Gesellschaften Verbote hinsichtlich inzestuöser 
Beziehungen gibt.
Hallo rudi,
das Wort "Moral" muss kein rotes 
Tuch sein, bei dem gleich alle Alarmglocken klingeln. Der Begriff ist für mich 
gegenwärtig unverzichtbar, wenn ich z. B. die tradierten und verinnerlichten 
Regeln von den kodifizierten Regeln der Großorganisationen unterscheiden will. 
Wie willst Du das Verhältnis zwischen beiden Normensystemen diskutieren, wenn 
Dir die unterscheidenden Begriffe (Moral, Recht) fehlen?
Grüße an alle 
Interessierten von Eberhard. 
p.s.: Ich freue mich über das angenehme 
Diskussionsklima und hoffe, dass es so bleibt.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 11:22 Uhr 
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Hi, doc_rudi.
Du: Aus der Evolution lerne ich folgendes: ich selektiere. 
Überflüssige Begriffe sondere ich aus.
Klasse [applause] [applause] 
[applause]
Ich werde Dich zitieren.
Du hast Ockhams Regel gerade in einen 
Zusammenhang mit der Evolution gebracht. Fein.
Naturwissenschaft als die 
Evolution - nicht der Arten, sondern der Modelle über die Wirklichkeit.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
30. Aug. 2006, 13:32 Uhr 
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Hallo Diskussionsrunde,
Begriffe haben im Lauf der Evolution des Geistes 
immer ihre Bedeutung geändert und manche sind fallen gelassen worden. Ich halte 
aus oben genannten Gründen den Begriff Moral für nicht mehr angebracht.
Die 
zu beobachtenden Phänomene – z.B. Verhaltensweisen in Primatengruppen, von 
Hanspeter angeführt -, die ethisches oder moralisches Verhalten zeigen, 
bezeichne ich als Sozialverhalten. Schon hier scheint mir dieses Verhalten 
einerseits genetisch angelegt, anderseits erworben, bei Affen in erster Linie 
durch Imitation.
Der Mensch sucht nach Begründungen für sein Verhalten und 
hat dazu Theorien erfunden, die sich zu Theoriegebäuden und Ideologien 
entfalten. Diese Ideologiebildung und ihre Tradierung lag lange in den Händen 
von Priestern u.a. Religionsführern. Die monotheistischen Religionen betrachte 
ich als Ideologien, die weitgehend austauschbar sind: ein katholischer Priester 
und ein gläubiger Katholik wären, wenn sie in Israel aufgewachsen wären, dort in 
vergleichbarer Funktion, ebenso im Moslemischen Kulturkreis, der Nichtgläubige 
wäre überall nichtgläubig.
Das Problem ist die Trennung in unterschiedliche 
Glaubensinhalte und Glaubenseinflussbereiche und die allen gemeinsame jeweilige 
Aussonderung des Andersgläubigen. 
Eberhard hat bereits auf den 30jährigen 
Krieg hingewiesen. In Europa hatten wir dann noch (den 7jährigen Krieg), 
Aufklärung, die (französische) Revolution, die industrielle Revolution, den 
Marxismus und in der Summe die Trennung von religiösen und weltanschaulichen 
Ideologien. Noch bis vor kurzem gab es auf der Erde 2 durch einen eisernen 
Vorhang getrennte ideologische Blöcke, derzeit bilden sich neue Blöcke, deren 
Ideologien auf beiden Seiten mehr religiösen Inhalts sind, was ich sehr bedaure.
Jede Ideologie hat ihre Moral und nutzt diese zur moralischen Bewertung 
menschlichen Handels und Trennung in Gut und Böse.
Wir sind uns wohl einig 
darüber, dass wir uns um die Zukunft der Menschheit Sorgen machen müssen, wenn 
das so bleiben sollte.
Neben dieser Entwicklung auf der Ebene der Systeme 
höherer Ordnung sehe ich jedoch auch eine Entwicklung auf der Ebene der 
Individuen:
Der einzelne Mensch ist im Durchschnitt selbstbewusster geworden, 
hat sich dem Einfluss der Ideologien mehr und mehr entzogen stellt 
dementsprechend seine persönlichen Interessen denen des Staats entgegen. Die 
Menschenrechte sind verkündet worden usw.. 
Wie kommt das?
Meine 
Erklärung: Ideologien wirken als „Gewissen“ im „Über-Ich“. Das Über-Ich hat 
psychodynamisch die Funktion, sozial störende triebhafte Verhaltensweisen, die 
aus dem „Es“ kommen, gegenzuregulieren. Die Moral hat eine triebsteuernde 
Funktion. Dies hat Freud erkannt und er hat ebenfalls erkannt, dass diese Kräfte 
des Es und des Über-Ich weitgehend unbewusst wirken. Die allgemeine 
Bewusstwerdung dieser bislang unbewussten Verhaltenssteuerung ist ein Faktor, 
der die Wirksamkeit von „Moral“ zum Glück beeinträchtigt und den Moralbegriff 
überflüssig macht.
Der zweite Faktor ist die zunehmende Bedeutung des Geldes: 
das Individuum benötigt keine moralischen Vorschriften mehr zur Steuerung seines 
Verhaltens, weil seine Handlungsmöglichkeiten und insbesondere seine 
Befriedigungsmöglichkeiten weitgehend von der Geldmenge begrenzt werden, die ihm 
zur Verfügung steht.
Das „Ich“ (im Freudschen Modell psychischer Instanzen) 
der Individuen ist im Schnitt stärker geworden und übernimmt zunehmend die 
Steuerung des Handelns.
Deshalb ist aus meiner Sicht die Verwendung der 
Begriffs Moral nicht mehr zeitgemäß.
Das Individuum ist 
kulturkreisübergreifend mehr und mehr ein selbststeuerndes lebendes System, so 
dass sich die Menschen sehr gut auf vernünftige Verhaltensregeln einigen 
könnten, die ihr friedliches Zusammenleben und die Entfaltung persönlicher 
Interessen erleichtern. 
Es gilt einfach nur, die Interessen des Individuums 
mit denen der Menschengemeinschaft in Einklang zu bringen.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
30. Aug. 2006, 14:59 Uhr 
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Hi,
Eberhard, die Crux empirischer Untersuchungen ist Dir gewiss bekannt: 
die Fragestellung. Du bekommst immer Antworten auf Fragen, also darauf, wie die 
gestellte Frage verstanden wird. Wie aber willst Du eine präzise Frage stellen, 
die Du gar nicht präzise kennst? An ethische Fragen kann man imho nicht 
vermittels Stichprobenerhebung heran gehen, denn die kann immer nur den 
unüberlegten Status quo festhalten. Das kann bei zeit- und kulturübergreifenden 
Fragen nicht zu brauchbaren Ergebnissen führen.
Tatsächlich liegen die 
'Ergebnisse' bereits vor, nämlich in den mehr oder minder codifizierten 
unterschiedlichen Normenkomplexen. Die warten nicht auf empirische Erhebung, 
sondern auf Analyse.
Beispiel Tötungsverbot. Mir ist keine derzeitige 
oder vergangene Kultur bekannt, in der das Töten eines Menschen generell erlaubt 
ist. Alle enthalten jedoch eine Menge Ausnahmen, die nach Analyse verlangen. 
Übrigens gibt es, falls ich nicht falsch informiert bin, auch beim Inzestverbot 
Ausnahmen. Nicht nur bei den Inkas, sondern auch in der Bibel: Lot.
Eine 
generelle Ausnahme ist das Notwehrrecht. Relativ unproblematisch, da konkurriert 
Leben gegen Leben.
Weitere Ausnahme: Krieg. Speziell der 
Verteidigungskrieg. Heißt, die Tötung von Menschen ist erlaubt oder gar 
erwünscht, um überlebenswichtige Interessen der eigenen sozialen Gemeinschaft 
gegen einen Aggressor zu schützen. Also praktisch auch Notwehrrecht, 
Konkurrenzsituation. Hätte also das Tötungsverbot absolute Gültigkeit, dürfte es 
keine Angriffskriege geben.
Gibt es auch nicht. Jeder kriegerische 
Angriff wird nämlich als Verteidigung ausgelegt. Heißt, der Sachverhalt, auf den 
sich das ethische Nein bezieht, wird anders dargestellt, als er ist. Daraus 
folgt ein Grundsatz, den man m.E. bei Ethikdiskussionen mit Blick auf die 
Tatsachen beachten muss:
Die Verschleierung eines Sachverhalts bestätigt 
das Vorhandensein eines ethischen Prinzips, das bei einem unverschleierten 
Sachverhalt zu einer anderen Entscheidung zwingen würde.
Betrachte unter 
diesem Aspekt mal die systematische Ermordung der Juden unter den Nazis. Setzen 
die das ethische Tötungsverbot außer Kraft? Keineswegs. Denn diese Ermordung war 
nur möglich, weil ihnen die Juden qua Biologie nicht als Menschen galten, 
sondern als Parasiten am Menschentum in einigermaßen menschlicher Gestalt 
getarnt. Für Fliegen, Ratten, Wanzen, Mücken, Schlangen und ähnliches Geziefer 
gibt es kein ethisches Tötungsverbot (bei Säugetieren und Vögeln hingegen in 
abgeschwächter Form durchaus). Hitler sprach vom Antimenschen oder 
Gegenmenschen. Schädel wurden vermessen, um 'objektiv belegbare' Gründe zu 
erhalten, Menschen von 'Scheinmenschen' zu unterscheiden. In der Propaganda 
wurden Juden entsprechend dargestellt. Und schließlich wurden zwar nicht die 
'legitimen' Angriffe = 'Selbstverteidigungshandlungen' und Deportationen geheim 
gehalten, wohl aber die Vernichtungslager, denn wären sie öffentlich gewesen, 
man hätte mit dem ethischen Nein der eigenen Bevölkerung rechnen müssen. Wobei 
zu bemerken ist, um nicht selbst in Gewissenskonflikte zu kommen, dürften die 
meisten gar kein Interesse daran gehabt haben, zu erfahren, was denn nun mit den 
deportierten Juden geschehe. Hätte ja zwingend Probleme geben können. 
Vermeidungstaktik. Eine Vermeidungstaktik, die aber ohne (intuitives) Wissen um 
das Vorhandensein der Ethik gar nicht nötig gewesen wäre.
Ich skizziere 
hier nur, in welche Richtung ich denke. Aber ich halte diesen Weg für 
fruchtbarer, um zu einem wirklich tragfähigen allgemeinen Konsens zu kommen.
Noch eine übergeordnete Anmerkung: Wesentlich für die ethische Entscheidung 
ist die Erkenntnis des Sachverhaltes (die Hauptaufgabe der Normenfindung besteht 
m.E. darin, den allgemeinen Sachverhalt präzise zu definieren, zu beschreiben, 
für den die ethisch begründete Norm gilt, sonst sind solche Normen das Papier 
nicht wert, auf das sie niedergeschrieben werden sollen). Darum ist m.E. der 
Kern aller Philosophie die Ethik. Denn Wahrheit heißt, wie kann ich sicher sein, 
dass ich den Sachverhalt nicht falsch erkenne - und daraufhin ethisch falsch 
handle, was ich als Mensch nicht will.
Deswegen ist Wahrheit ein zentraler 
ethischer Wert.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
30. Aug. 2006, 15:22 Uhr 
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Hi Rudi,
Die zu beobachtenden Phänomene – z.B. Verhaltensweisen in 
Primatengruppen, von Hanspeter angeführt -, die ethisches oder moralisches 
Verhalten zeigen, bezeichne ich als Sozialverhalten.
Der Mensch 
unterscheidet sich vom übrigen Viehzeug durch seine Fähigkeit zur Reflexion. 
Ethik und Ästhetik gehören zu diesem Bereich.
Ethik zeigt sich darin, 
dass Menschen gegen ihre natürliche, biologisch programmierte Verhaltensweise 
ein ethisches Veto einlegen, was Reflexion über eben diese biologisch 
programmierten Verhaltensweisen voraussetzt.
Das Tier ist amoralisch, 
weil es über seine Verhaltensweisen (Gründe, Folgen) nicht reflektieren kann.
Herr Hund verprügelt junge Rüden nicht aus moralischen Gründen, sondern um 
sie in die soziale Hierarchie des Rudels einzubinden, in dem diese Tierart 
überlebt.
Menschen sind zwar vergleichbare Verhaltensweisen biologisch 
einprogrammiert, sie merken das aber und können sie deswegen ändern.
Der 
Mensch sucht nach Begründungen für sein Verhalten 
Warum sollte er - wenn er 
keine Alternativen hätte?
Der einzelne Mensch ist im Durchschnitt 
selbstbewusster geworden, hat sich dem Einfluss der Ideologien mehr und mehr 
entzogen stellt dementsprechend seine persönlichen Interessen denen des Staats 
entgegen.
Wird bestritten. Deutschland ist nicht die Welt. In der Welt 
sieht es genau andersherum aus.
Es gilt einfach nur, die Interessen des 
Individuums mit denen der Menschengemeinschaft in Einklang zu bringen. 
In Südostasien leben erheblich mehr Menschen als in Europa und dort gelten 
individuelle Interessen allgemein als erheblich weniger schwerwiegend als 
Gemeinschaftsinteressen - auch bei den Individuen. Europäischen Individualismus 
dort verbreiten zu wollen dürfte auf massiven Widerstand treffen.
Ich 
fürchte, Deine Sichtweise ist allzu sehr eurozentrisch.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
30. Aug. 2006, 16:09 Uhr 
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richtig abrazo,
meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich halte diese 
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie 
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen 
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich 
ausbreiten wird.
Du benutzt den Begriff "ethisches Veto". Der ist 
ausgezeichnet. Er beschreibt nämlich, dass der Mensch dem Trieb eine bewusste 
Entscheidung entgegensetzen kann und dass der Beginn seiner Freiheit im 
Neinsagen besteht.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 17:49 Uhr 
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Hi, doc_rudi
Du: meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich halte diese 
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie 
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen 
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich 
ausbreiten wird.
Wieso "ausbreiten wird"?
Egozentrisch fühlen und 
denken alle Menschen, die ich kenne.
Egozentrisches fühlen und denken halte 
ich den Menschen angeboren, und zwar schon vor der Zeit, als sie lernten, 
begrifflich zu sprechen.
Hier besteht die Gefahr der Verwechslung und 
Verwischung von "egozentrisch fühlen und handeln" mit "kurzfrist-egoistisch 
denken und handeln auf Kosten des Mitmenschen."
Das einzelne Mitglied im 
Team will "Zukunft und Wachstum für mein Einkommen", das ist egozentrisch, der 
Gemeinwille im Beruf ist "Zukunft und Wachstum für unsere Firma!"
Das 
Engagement für den Gemeinwillen dient auch dem individuellen, egozentrischen 
Willen.
Allerdings ist dieser egozentrische Wille ein weitdenkender, und 
wer so weit denkt, der ist auch zu Opfern zugunsten seiner Gemeinschaft bereit. 
Weil er weiß, diese dienen dem Gemeinwohl und dann auch seinem eigenen.
(Der Sündenfall ist hier, wenn Unternehmer die Belegschaft zu Opfern aufrufen, 
diese einkassieren und dann die Firma platt machen.)
Also: 
Egozentrisch fühlen und denken, das tun alle Menschen, die ich kenne. ist also 
schon längst verbreitet.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
30. Aug. 2006, 19:36 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
kann weitblickende Egozentrik Grundlage des 
Zusammenlebens der Individuen sein?
Offenbar bejahst Du die Frage.
Ich habe da meine Zweifel. Richtig ist, dass sich eigeninteressiertes 
Handeln und moralisches Handeln über weite Strecken decken. Wenn der Reiche für 
die Armen spendet, verhindert er möglicherweise einen gewaltsamen Aufstand der 
Armen, der für ihn gefährlich sein könnte. Heute weit verbreitet ist auch die 
Image-Pflege.
Trotzdem dürfte ich dem Egozentriker nicht völlig 
vertrauen. Denn in günstigen Situationen ("kein Mensch wird je wissen, dass ich 
das getan habe") wird der Egozentriker meine Interessen missachten und etwas 
außerhalb der geltenden Regeln seinen Reibach machen,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
30. Aug. 2006, 19:47 Uhr 
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Hallo rudi,
Du schreibst: " meine Sichtweise ist eurozentrisch und ich 
halte diese Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner 
Evolutionstheorie (Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der 
genetischen Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich 
naturgesetzlich ausbreiten wird."
Kann Deine Theorie den Gang der 
Geschichte vorhersagen? Ist dies eine Bewegung zum Besseren?
Bei den 
Marxisten nannte ich das "Fortschrittsglaube".
Und bei Dir?
fragt 
sich Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 30. Aug. 2006, 19:58 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: kann weitblickende Egozentrik Grundlage des 
Zusammenlebens der Individuen sein? Offenbar bejahst Du die Frage. Ich habe da 
meine Zweifel. 
Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht.
Du: Wenn der Reiche für die Armen spendet, verhindert er möglicherweise 
einen gewaltsamen Aufstand der Armen, der für ihn gefährlich sein könnte.
Mein Musterbeispiel: Werner von Siemens und seine Arbeitnehmerwohnungen. Für 
nur seine Arbeitnehmer.
Manche halten das für ein Zeichen "sozialer 
Einstellung" und altruistisch.
Ich halte es für knallhart-wirtschaftlich und 
langfristig-egoistisch. Je wohler sich seine Arbeiter in Siemens-Wohnungen 
fühlen, desto engagierter im Betrieb, desto geringer die Fluktuation, dsto 
gebremster die Streiklust. Desto größer auch Erfahrung und Können in der 
Belegschaft - all das dient der Zukunft und dem Wachstum des Siemens-Vermögens.
Du: Trotzdem dürfte ich dem Egozentriker nicht völlig vertrauen.
Völlig 
klar. Wem denn? Außer Du Dir selbst.
Du: Denn in günstigen Situationen 
("kein Mensch wird je wissen, dass ich das getan habe") wird der Egozentriker 
meine Interessen missachten und etwas außerhalb der geltenden Regeln seinen 
Reibach machen,
Zustimmung, je größer der Schatz, je geringer das Risiko, 
desto schwächer unsere Schwäche.
Aber in der Frage "Soll man moralisch 
handeln oder nicht?" bietet das langfristig-egoistische Denken eine dritte 
Möglichkeit, die ich für die Synthese halte.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
30. Aug. 2006, 20:22 Uhr 
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Ich habe in diesem Thread das moralische Gesetz angesprochen. Wie könnte das 
konkret aussehen?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
30. Aug. 2006, 23:29 Uhr 
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Hi Wolfgang,
an Deinen Überlegungen fehlt was, damit sie rund und 
vollständig sind: die Heilung des zerrissenen wölfischen Menschen durch den 
protestantischen Glauben, der ihn Wolf sein lässt, ihm aber durch den Glauben 
dennoch Erlösung von allem Übel (auch dem seiner eigenen Natur) im Jenseits 
verspricht.
Warum? Weil Menschen nun mal nicht so sind, wie Du dir das 
vorstellst. Wenn sie so sein sollen, fühlen sie sich unvollständig; ihnen fehlt 
was. Gibt etliche Leute, die sofort bereit sind, für Ersatz zu sorgen.
Heißt, bei dem, was Du sagst, drängt sich mir umgehend die Assoziation Max Weber 
auf.
Doc_Rudi, Adolfen meinte, nach seiner Evolutionstheorie müssten die 
Deutschen naturgesetzlich den Endsieg davon tragen.
Als er feststellte, dem 
sei nicht so, korrigierte er seine Theorie und meinte, dann sollten sie eben 
untergehen, sie hätten es nicht besser verdient.
Nebenbei bemerkt, was Du 
fortschrittlich im Sinne Deiner Evolutionstheorie nennst, nennen andere Leute 
morbide und dekadent.
Willste's drauf ankommen lassen, dass die Faust 
entscheidet, wer Recht hat?
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 01:18 Uhr 
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Hi, Abrazo,,
Du: an Deinen Überlegungen fehlt was, damit sie rund und 
vollständig sind:
"Rund und vollständig" verglichen mit welchem Maßstab?
Sollte es da einen Maßstab geben? Dann erzähl mal.
Ich suche nur die 
beste Erklärung für die beobachtbaren Phänomene. Wenn Du eine bessere hast, 
stell sie vor und verteidige, warum sie besser sei.
Hast Du keine bessere, 
dann nörgle nicht rum.
Du:..die Heilung des zerrissenen wölfischen 
Menschen durch den protestantischen Glauben, der ihn Wolf sein lässt, ihm aber 
durch den Glauben dennoch Erlösung von allem Übel (auch dem seiner eigenen 
Natur) im Jenseits verspricht.
Klar, das war mal sehr attraktiv für 
Personen, die die Bibel für wahr hielten, die ihr Leben als Eintrittskarte ins 
Paradies verstanden und die katholische Lehre ablehnten.
Du: Warum? Weil 
Menschen nun mal nicht so sind, wie Du dir das vorstellst.
Erstens ist 
mir das klar, weil meine Sinne und mein Gehirn nun mal nicht perfekt sind. 
Deshalb suche ich auch gar nicht die perfekte Beschreibung des Menschen, sondern 
nur die beste.
Zweitens: Ah. Du weißt, "wie die menschen sind". Du kannst 
es belegen?
Das interessiert mich. Stells vor, begründe, warum Deine 
Vorstellung als die bessere zu gelten hat - oder nörgle nicht rum.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
31. Aug. 2006, 06:56 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
wenn ich Deine im Telegrammstil gehaltenen Sätze richtig 
verstehe, dann kann man niemandem vertrauen außer sich selbst. Ich kenne 
allerdings einige Menschen, denen ich meine gefüllte Brieftasche zur 
Aufbewahrung geben kann ohne vorher nachgezählt zu haben, wie viel drin ist. Das 
sind die Menschen, "für die man die Hand in's Feuer legen würde." Ich brauche 
solche Menschen, sonst könnte ich mit Ihnen nicht eng zusammenleben.
Ich 
sehe auch, dass kein Mensch vollkommen ist und dass jeder schwach werden kann 
(deshalb beten die Christen: "und führe uns nicht in Versuchung"). 
Aber 
wenn Du den weitsichtigen Egoismus als Alternative zum moralischen Handeln 
propagierst, dann geht es nicht um menschliche Schwächen, sondern dann lebe ich 
mit Menschen zusammen, für die ich nur solange tauge, wie ich Ihnen nützlich 
sein kann, die meine Interessen nur so lange berücksichtigen, wie es ihren 
Interessen entspricht. Das heißt: Das gegenseitige Misstrauen gehört zur 
Grundlage unserer Gemeinsamkeit, 
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 09:44 Uhr 
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Das moralische Gesetz scheint hier kein Thema zu sein. Warum spricht Kant von 
einem Gesetz? Und warum "in mir"? Weil es unausweichlich ist und das ignorieren 
dieses Gesetzes Konsequenzen haben muss, sonst wär es keins. Also nochmals die 
Frage. Was könnte damit konkret gemeint sein? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 31. Aug. 2006, 09:58 Uhr 
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Hallo Wolfgang und Eberhard! 
Mir scheint, dass der Ausdruck 
"Egozentrik" etwas überstrapaziert wird, wenn er auch eine Rücksicht auf das 
Gemeinwohl integrieren soll. Denn die Perspektive des Gemeinwohls ("Was ist gut 
für alle?") ist der egozentrischen ("Was ist gut für mich, unabhängig davon, was 
gut für die anderen ist") doch entgegengesetzt. 
Wolfgangs 
"weitsichtiger" Egozentriker hat einen Lernprozess durchgemacht, in dem er 
seinen ursprünglich desinteressierten, gegen die Interessen anderer 
abgeblendeten "Standpunkt" verließ. Seine Motivation mag dabei durchaus 
egozentrisch gewesen sein; sein "Bewusstsein" ist es nach dem Sinneswandel nicht 
mehr. Denn er kann nun sein eigenes Bestreben und Handeln auch aus der 
Perspektive der anderen kritisch beurteilen - er hat eine "soziale" Perspektive 
"internalisiert". 
Wenn er sich nach diesem Lernprozess immer noch im vollen 
Brustton "Egozentriker" nennt, unterliegt er m.E. einem Selbstmissverständnis. 
Oder er gebraucht einen überstrapzierten, also unklaren Begriff. 
Was Eberhards "Vertrauen" in andere angeht: Dieses Vertrauen halte ich auch 
für grundlegend im Umgang der Menschen miteinander - sowohl im privaten wie im 
öffentlichen. Aber ich möchte bezweifeln, dass es sich allein rational erklärt. 
Um es pointiert zu sagen: Ich vertraue jemandem nicht, weil ich erkenne, dass er 
nur solche Normen befolgt, deren Begründung allgemein konsensfähig wäre. 
Und so sind auch Normen, die nach Eberhards Sprachgebrauch "dogmatisch" 
genannt werden müssten, nicht per se "irrational". Um es allgemein zu sagen: 
Angesichts der sozialen Wirklichkeit, in der Normen eigentlich gar nicht anders 
"existieren" als in den Handlungen und Handlungsweisen von Menschen, scheint es 
mir überzogen, die Geltung von Normen "rein rational" begründen zu wollen. 
Wolfgangs "Egozentrik" und Eberhards "Rationalismus" erscheinen mir je auf 
ihre Weise als theoretische Konstruktionen, die beide nicht geeignet sind, die 
ethische Wirklichkeit (und die Geltung von Normen) verständlich zu machen. 
Grüß Euch,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 10:10 Uhr 
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Hallo,
erst mal muss ich einen interessanten Lesefehler aufklären:
Abrazo 
befürchtete bei mir eine eurozentrische Sichtweise, nicht eine 
egozentrische.(#104)
Ich musste seine Befürchtung, weil ich ja bei der 
Wahrheit bleiben möchte, bestätigen und fügte hinzu, dass sich nach meiner 
Analyse diese eurozentrische Sichtweise ausbreiten wird.
„... ich halte diese 
Sichtweise im übrigen auch für fortschrittlich im Sinne meiner Evolutionstheorie 
(Evolution des Geistes als Fortsetzung der Entwicklung der genetischen 
Datenspeicherung) und bin der Überzeugung, dass sie sich naturgesetzlich 
ausbreiten wird.“ (#105)
Wolfgang Horn (#106) fragt nun „wieso ausbreiten 
wird?“ und Eberhard: „Kann Deine Theorie den Gang der Geschichte vorhersagen? 
Ist dies eine Bewegung zum Besseren?“
Mit meiner Evolutionstheorie meine 
ich die Sichtweise, dass sich die biologische Evolution in der Evolution des 
Geistes fortsetzt, dass also der wissenschaftliche Fortschritt eine Fortsetzung 
der Evolution (im Sinne der Biologie) nach analogen Regeln ist. Die 
Überproduktion von Nachkommen setzt sich in der Überproduktion 
wissenschaftlicher Hypothesen fort und das Experiment, das die eine Theorie 
falsifiziert und die andere verifiziert, ist das Analogon zur „Selektion“. 
Dahinter steht meine Idee, dass beides ein Vorgang ist, durch den sich Daten 
ausbreiten und die Welt immer präziser abbilden (zunächst genetisch gespeicherte 
Daten, nunmehr geistige Daten).
@Eberhard: ob dies eine Bewegung zum Besseren 
ist und ich die Geschichte vorhersagen kann, ist ganz allgemein eine Frage an 
jegliche Evolutionstheorie. Besser und Schlechter macht sich immer an einem 
Bezugspunkt fest und mit geht es nicht um (Moral) Bewertung, sondern um die 
Frage, in welcher Weise sich die Daten, die sich dort ausbreiten, verändern.
Da sehe ich beispielsweise die Veränderung, dass es sich anfangs um 
Handlungsprogramme handelt (z.B. angeborene Auslösemechanismen), dass die 
Entwicklung jedoch zu zielprogrammiertem Verhalten geht: das Programm legt nur 
noch das Ziel fest (Sollwerte) und überlässt es dem lebenden System, mittels 
eines Hirns den besten Weg zur Erreichung dieses Ziels zu finden (das ist unsere 
Freiheit).
Was mich daran fasziniert ist, dass derartige Programme insgesamt 
viel einfacher sind, in meinen Augen lassen sie sich auf 2 reduzieren, nämlich 
auf das Programm Selbsterhaltung und das Programm Selbstentfaltung (im Tierreich 
sind es hingegen viele unterschiedliche Programme, die bestimmte Handlungen zur 
Erreichung dieser Ziele genau festlegen).
Da ich nun aber nicht nur 
wissenschaftlich denke, sondern auch Gefühle habe, muss ich gestehen, dass ich 
diese Entwicklung für einen Fortschritt halte, für einen Weg hin zum Besseren, 
weil Einfacheren.
Dieser evolutionäre Fortschritt betrifft nun allerdings 
keine Art und keine menschliche Rasse (das zu abrazos Hinweis auf die 
Rassenideologie der Nazis, die ja Rassenreinheit wollten, was der Evolution 
widerspricht: diese will Durchmischung), sondern
Individuen.
Das 
menschliche Individuum zeigt jeweils in seinem Verhalten Hinweise auf eine mehr 
oder weniger fortgeschrittene Evolution und macht sich im Schnitt immer 
unabhängiger von den Einflüssen der Systeme höherer Ordnung, in denen es lebt 
(Staat, Religionsgemeinschaft). 
Ein Kriterium dafür ist beispielsweise die 
Kinderzahl: Zeugung biologischer Nachkommen ist ein genetisch gesteuertes 
Verhalten zur Evolution genetisch gespeicherter Daten. Wissenschaftliche 
Tätigkeit hingegen fördert die Evolution des Geistes.
Gemessen an dieser 
für mich sichtbaren Entwicklungstendenz kann ich sagen: der europäische Mensch 
ist in seiner Evolution im Durchschnitt weiter fortgeschritten als der 
vorderasiatische Mensch.
Und weil sich das Fortschrittliche stets 
durchsetzt, meine ich, dass die Evolution der Gene von der Evolution des Geistes 
weiter abgelöst werden wird, und für Eberhard eine Prognose:
Auf längere 
Sicht wird die Anzahl der Menschen auf dem System Erde sinken.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
31. Aug. 2006, 10:19 Uhr 
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Hi,
trotz Übereinstimmung im Großen und Ganzen mit Urs' Aussagen, in 
diesem Punkt möchte ich eine Korrektur anbringen:
Denn er kann nun sein 
eigenes Bestreben und Handeln auch aus der Perspektive der anderen kritisch 
beurteilen - er hat eine "soziale" Perspektive "internalisiert". 
An 
'andere zu denken' heißt noch lange nicht, die Dinge auch aus der Perspektive 
des anderen zu betrachten bzw. sich um eine solche zu bemühen. Kennzeichnend für 
den Egozentriker ist doch, dass er eine andere Perspektive als die seine 
entweder ausschließt oder als minderwertig und deswegen vernachlässigenswert 
betrachtet.
Ganz schlichtes Beispiel: der Egozentriker beschallt sein 
Wohnhaus mit Heavy Metal. Er denkt an die anderen - die sollen diese Musik auch 
genießen, ohne sich CD's und Lautsprecher für teures Geld kaufen zu müssen. Dass 
darunter Leute sind, die keine laute Fremdmusik, schon gar nicht Heavy Metal 
ausstehen können, kommt ihm entweder nicht in den Sinn - oder er hält sie für 
vernachlässigenswerte Unkundige.
Tatsächlich wird unsere Gesellschaft von 
Egozentrikern erheblich belästigt. Allein schon die Werber z.B., die uns über 
alle Medienkanäle bombardieren, müssten, wären sie keine Egozentriker, erkennen, 
wie sehr sie uns belästigen.
Egozentrisch auch G.B. in seiner Erwartung, 
die Iraker müssten die US-Truppen freudig begrüßen; dass denen andere Dinge 
wertvoll sind als ihm und seiner Gesellschaft, war offenbar außerhalb seines 
Vorstellungsvermögens und ist es wohl noch immer - sonst würde man nicht vom 
Bösen sprechen, wenn Leute etwas einfach nur anders sehen.
Grüße 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 10:25 Uhr 
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Hey Abrazo: wieso Egozentrik??
Was soll die Themenabweichung?
Du hast mich 
doch selbst der Eurozentrik bezichtigt. Darüber diskutieren wir. Lies doch erst 
mal meinen Beitrag 116.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 31. Aug. 2006, 11:00 Uhr 
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Hallo Mondial,
du fragst nach dem moralischen Gesetz, das Kant in sich 
fühlte?
Für Gesetze gilt.
1. Sie lassen sich nachweisen und gelten 
unter allen Umständen (Naturgesetze, Gesetze der Logik)
2. Sie werden 
erlassen und von einer entsprechende Macht durchgesetzt (Rechts-Gesetze).
Kants moralisches Gesetz gehört zu keinem der genannten Fälle, es existierte 
nur in seiner Vorstellung.
Für alles was mit Moral zu tun hat, gilt 
ausschließlich Fall Nr. 2. Und da haben sich die Mächte seit Kant grundlegend 
geändert.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 11:26 Uhr 
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Eine interessante Theorie doc.Ich weiss zwar nicht wo jetzt der direkte Bezug 
zur Fragestellung des Threads gefunden werden soll, aber ich geb mal trotzdem 
meine 2 Cents dazu. Ich pflichte dir bezüglich deines Postulates einer geistigen 
(durch den Menschen initierten) Evolution bei. Die von dir genannten Systeme wie 
Staat, Religion etc. sind allerdings durchaus als Individuen zu verstehen. Sie 
treten als Einheit auf. Ich meine dein Verständnis von (evolutionär 
vorangetriebener) Durchmischung kann man noch von andere Seite betrachten. Die 
Natur macht keine Versuche, sie präsentiert immer ein fertiges Endprodukt. Als 
sichtbaren Beweis möchte ich die Einzigartigkeit des menschlichen Fingerprints 
und andere Merkmale anführen. Man kann das aus menschlicher Sicht als Variation 
ansehen, tatsächlich so meine Überlegung ist es immer ein fertiges Produkt. Das 
Individuum ist immer ein vollständig beendetes Projekt der Natur und vergeht als 
solches. Der Versuch ist immer definitiv und gültig, von dieser Warte her 
eigentlich gar nicht Versuch zu nennen. Der menschliche Versuch und hier meine 
ich kann man von Versuch sprechen, besteht darin die Natur zu manipulieren um 
erwünschte Ergebnisse zu erzielen (Genforschung.) Der Geist will die Natur, wozu 
selbstredend auch seine eigene gehört vollständig vereinnahmen. Eine Diktatur 
des Geistes ist zu befürchten. Um zum Thema zurück zu kommen, ist die 
Genforschung, Forschung überhaupt nun jeglicher moralischer Gesetzmässigkeit 
enthoben? Kann sie sich ungestraft an sich sich selbst vergehen? Ich bin 
natürlich vollkommen überzeugt das dies nicht geht. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 11:38 Uhr 
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on 08/31/06 um 11:00:09, Hanspeter wrote:Hallo Mondial,
du fragst 
nach dem moralischen Gesetz, das Kant in sich fühlte?
Für Gesetze gilt.
1. Sie lassen sich nachweisen und gelten unter allen Umständen (Naturgesetze, 
Gesetze der Logik)
2. Sie werden erlassen und von einer entsprechende Macht 
durchgesetzt (Rechts-Gesetze).
Kants moralisches Gesetz gehört zu keinem 
der genannten Fälle, es existierte nur in seiner Vorstellung.
Für alles 
was mit Moral zu tun hat, gilt ausschließlich Fall Nr. 2. Und da haben sich die 
Mächte seit Kant grundlegend geändert.
Gruß HP 
Hallo 
Hanspeter,
also ich habe als erstes eine frohe Botschaft für dich. Nicht 
nur das Genie Kant konnte das moralische Gesetzt in sich finden. Jeder kann es.
;-)
Zu deinem Punkt eins. Du hast vollkommen recht. Naturgesetze und 
logische Gesetze lassen sich nachweisen. Und wie sollte es bei einem moralischen 
Gesetz anders sein? Ursache, Wirkung.
Zum Punkt zwei. Gut das du und 
nicht ich das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher wieder in die esoterische Ecke 
gedrängt worden. ;-)
Ich glaube du greifst da in deiner Schlussüberlegung 
mit deiner Logik etwas zu kurz. Das Gesetz ist in mir und nicht von aussen 
aufdoktriert. Es garantiert mir mich als freier Mensch meinen Möglichkeiten nach 
zu entfalten.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 12:45 Uhr 
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Hallo mondial,
(mit deiner Frage, warum hier? hast du recht, aber warum fragt 
mich sowas keiner im thread: Fragen zur Philosophie lebender Systeme)
Ich 
sehe einiges anders als Du:
Du: „Der menschliche Versuch und hier meine ich 
kann man von Versuch sprechen, besteht darin die Natur zu manipulieren um 
erwünschte Ergebnisse zu erzielen (Genforschung.) 
Der Geist will die Natur, 
wozu selbstredend auch seine eigene gehört vollständig vereinnahmen. 
Eine 
Diktatur des Geistes ist zu befürchten.“ 
Aus meiner Sicht der Evolution 
stellt sich das anders dar: 
Da die Evolution des Geistes die Fortsetzung der 
Datenausbreitung mit anderen Mitteln darstellt, gehorcht sie den gleichen 
Regeln: Überproduktion von Ideen (geistigen Kindern) und Selektion, ich sage: 
Verifizierung der Wahreren.
Die zwei Zielvorgaben sind: Überleben 
(Selbsterhaltung) und Ausbreitung (Selbstentfaltung).
Was nun die 
Entwicklung genetisch gespeicherter Handlungsprogramme (beim Menschen bereits 
überwiegend zielorientiert) betrifft, so ist diese ja durch die 
wissenschaftliche Entwicklung (=Evolution des Geistes) überflüssig.
Das 
bedeutet:
Es wäre in Anbetracht dieser Entwicklung falsch (bzw., um mit 
Eberhard zu sprechen: unmoralisch), durch Manipulation des menschlichen Erbguts 
an seinen Eigenschaften oder Fähigkeiten herumzumanipulieren. Denn eine 
Verbesserung der menschlichen Gene wird für die allgemeine Evolution nicht 
benötigt.
Positiv gesagt: die allgemeine Evolution zielt nicht in 
Richtung Verbesserung von Körperorganen. Diesbezüglich ist beim Menschen das 
Optimum erreicht: seine Fähigkeiten erlauben ihm sogar eine hirnexterne 
Datenspeicherung, damit Wissenschaft und damit den Bau körperexterner Organe.
Es müssen nicht mehr durch genetische Veränderungen irgendwelche Organe 
verbessert oder hinzuerfunden werden, weil es das Großhirn gestattet, Organe zu 
bauen, die den Vorteil haben, nicht mehr mit herumgetragen zu werden zu müssen: 
das Auto als körperexterne Ergänzung der Beine, das nur bei Bedarf benutzt wird, 
ebenso der Computer als Ergänzung zum Gedächtnisteil des Hirn. Der Mensch hat 
sich sogar Organe geschaffen, die viele Individuen gemeinsam nutzen, wie 
beispielweise das Flugzeug als körperexterner Flügel usw. usw.
Für unsere 
Zwecke benötigt nicht jeder seine eigenen Flügel, vielleicht einige Manager.
Die technische Entwicklung ist also die Fortsetzung der genetischen 
Anstrengungen, Organe zu optimieren.
Genetische Forschung zur Verbesserung 
der Regenerationsfähigkeit menschlicher Körperorgane bzw. zu medizinischen 
Zwecken ist etwas anderes.
Auf der anderen Seite: 
die derzeitigen 
„unmoralischen“ Handlungen der Menschen - nämlich die Kriege und die Vernichtung 
von Mitmenschen - sind Aktionen, die der Entwicklung der genetisch gespeicherten 
Handlungsprogramme dienen, sie regen einerseits die Nutzung wissenschaftlicher 
Forschungsergebnisse zur Verbesserung der Waffentechnik an und dienen 
andererseits der Selektion.
Auch diese, nämlich die Staaten, die Soldaten, 
die Waffen und die Kriege, werden nicht mehr benötigt, weil ja unsere 
wissenschaftliche und technische Entwicklung die Verbesserung der Gene 
überflüssig gemacht hat.
Der Geist will die Natur nicht vereinnahmen, 
sondern er ist von der Natur geschaffen, sein Denken gehorcht den Regeln der 
Natur und sein Ziel ist lediglich seinen Trägern (nämlich den menschlichen 
Individuen) das Leben, nämlich das Überleben und das sich Entfalten (z.B. durch 
Genussoptimierung) zu erleichtern.
Der Missbrauch der wissenschaftlichen 
Ideen, die „unmoralischen“ Handlungen sind lediglich Folge des Einflusses 
unserer steinzeitlichen genetisch gespeicherten Handlungsprogramme.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31. 
Aug. 2006, 13:24 Uhr 
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Hallo miteinander,
Hallo Eberhard
Ich möchte meinen Vorwurf des 
Kategorienfehlers doch noch ein bisschen verteidigen. Eberhard schreibt:
Quote:Ich denke, der Einwand des "Kategorienfehlers" gegen die Verwendung der 
Wörter "richtig / falsch" für die Antworten auf moralische Fragen ist 
ausgeräumt, denn wie bereits gezeigt, sind moralische Urteile mit einem Anspruch 
auf Geltung verbunden. 
Der Anspruch auf Geltung bedeutet noch nicht, 
dass ein solcher berechtigt ist. Wenn z.B. zwei Gourmets darüber streiten, ob 
ein bestimmtes Gericht gut gelungen ist, oder nicht, ist deren Diskussion nur 
dann sinnvoll, wenn sie sich auf gemeinsame Kriterien geeinigt haben, nach denen 
qualifiziert wird. Und selbst wenn sie untereinander Konsens gefunden haben ist 
natürlich ein universeller Geltungsanspruch ihres Geschmacksurteils nicht 
gefunden.
Bei der Frage Eberhards:
Quote:Wie lässt sich dieser 
allgemeine Geltungsanspruch durch intersubjektiv nachvollziehbare und 
übernehmbare, also einsichtige Argumente begründen? 
möchte ich also 
noch offen lassen, ob ein solcher Geltungsanspruch durch Argumente überhaupt 
möglich ist.
Ich gehe mal auf Eberhards Beispiel ein:
Quote:In 
der Diskussion zur Formulierung eines allgemeinen Willens kann von jedem 
Diskussionsteilnehmer verlangt werden, dass er nur solche Normen vorschlägt, die 
allgemein akzeptabel sind. Wenn jemand also eine Norm als "richtig" behauptet, 
so muss er annehmen, dass die andern Beteiligten dieser Norm ebenfalls zustimmen 
können. 
Deshalb muss er sich auch die Frage stellen lassen, ob er selber 
dieser Norm auch dann noch zustimmen würde, wenn er in der Position eines der 
anderen Beteiligten wäre. 
Dazu ein Beispiel: Wenn jemand die Forschung 
an menschlichen Stammzellen verurteilt, so muss er zu diesem Verbot auch dann 
noch stehen, wenn er selber z. B. die Alzheimersche Krankheit bekäme. Ist er 
damit nicht einverstanden, so gibt er damit implizit das Ziel auf, nach 
allgemein konsensfähigen Normen zu suchen. 
Mein Kritikpunkt (ich 
glaube Hanspeter ist auch schon darauf eingegangen) ist, dass die Forderung 
ihrerseits Wertmaßstäbe beinhaltet: 
1.) Jedes Individuum ist gleich 
wertvoll, wie das andere.
2.) Ein Wertmaßstab kann nur dann richtig sein, 
wenn darüber theoretisch Konsens erzielt 
kann. 
Ein Alzheimer-Kranker 
kann aber argumentieren, dass er zu einer Gruppe Menschen gehört, die aus seiner 
Sicht wertvoller ist, als andere. Während im allgemeinen das Recht ungeborener 
Menschen als höher zu bewerten sei, als die Heilung gewöhnlicher Sterblicher, 
müsse für eine Gruppe X eine Ausnahme gemacht werden, und er gehöre dazu. Diese 
Gruppe zeichnet sich z.B. durch besonders hohe geisteswissenschaftliche Bildung 
aus – er könne Latein, Griechisch und Althebräisch. Dieses Wissen trägt seinen 
Wert in sich und es ist für ihn vollkommen evident, dass jemand mit dieser 
Bildung wertvoller sei, als andere. Ein Nutzen für die Allgemeinheit sei 
irrelevant. Angenommen, er kann diesen Bildungsgrad nachweisen, dann hört die 
Diskussion an diesem Punkt auf, sie ist bei einer Letztbegründung angelangt, die 
entweder akzeptiert werden kann, oder nicht.
Aus meiner Sicht ist dies 
das Kernproblem bei moralischen Fragestellungen. Wenn ich jemandem sage, er 
solle soundso handeln, kann er mich zurecht nach dem Warum fragen. Und jede 
meiner Antworten – denn sie entbehrt ja zwangsläufig des Rückgriffes auf 
irgendeine eine objektiv entscheidbare Tatsache – kann wiederum nach dem Warum 
hinterfragt werden, bis ich bei einer Letztbegründung angelangt bin. Diese kann 
aber ihrerseits entweder akzeptiert werden, oder nicht.
Beispiel:
A: 
Du sollst nicht stehlen! 
B: Warum?
A: Es schädigt das Opfer! 
B: Warum 
ist sein Schaden höher zu bewerten als mein Nutzen?
A: Es geht nicht darum, 
sondern du müsstest dann auch akzeptieren, dass man dich bestiehlt.
B: Warum?
....etc. ad infinitum oder bis zu einer Letztbegründung die sowohl A als auch B 
akzeptieren.
Ich halte deswegen jede Diskussion, in der man gewisse 
Handlungen als richtig oder falsch beurteilt nur dann für sinnvoll, wenn man 
sich über gewisse Grundwerte (Die ich als Axiome bezeichnet hatte) geeinigt hat 
und man die Spielregeln einhält, dass Handlungen, welche diese Grundwerte 
verletzen als falsch und diejenigen, die es nicht tun als richtig oder moralisch 
neutral bezeichnet. Die von Eberhard gesetzten Grundwerte können als 
Ausgangsbasis dienen. Man sollte sich nur darüber im klaren sein, dass sie zwar 
einen sehr weiten Rahmen bilden, aber keinen Anspruch auf Universalität haben.
Der Vorschlag von Eberhard:
Quote:Wir sollen das tun, was wir 
alle gemeinsam dauerhaft wollen." 
Oder als methodisches Prinzip 
formuliert: 
"Suche nach Normen, von denen alle gemeinsam am ehesten 
dauerhaft wollen können, dass sie von allen befolgt werden" 
verabschiedet sich aus meiner Sicht ohnehin von einem Moralsystem, das 
universelle Gültigkeit beansprucht und sucht nach einem, das von allen Menschen 
akzeptiert werden kann.
Ich habe nur die Befürchtung, dass die Menge der 
von allen akzeptierbaren Regeln eine leere Menge sein wird. Der Hauptgrund dafür 
basiert auf der von Eberhard genannten Tatsache, dass die unterschiedlichen 
Moralregeln großteils auf unterschiedlichsten inkompatiblen Weltbildern beruhen, 
die als Glaubenssysteme gegen jede Kritik immunisiert sind.
Denn:
Quote:Für die Diskussion um die richtige Beantwortung moralischer Fragen heißt 
dies, dass nur solche deskriptiven Aussagen zählen können, über die ein 
intersubjektiver Konsens durch nachvollziehbare Argumente und übereinstimmende 
Beobachtungen herstellbar ist. 
Diese Forderung ist sehr vernünftig, 
schließt aber die Unzahl Gläubiger – ich befürchte sogar, die Mehrheit aller 
Menschen – aus der Diskussion aus.
Jetzt aber ein positiver Beitrag für 
das Programm zur Suche nach einem konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder 
Mensch will glücklich sein. Basisaxiome für moralisches Handeln könnten also 
sein: 
A) „Der Mensch soll danach streben mit seinen Handlungen das 
größtmögliche Glück für eine größtmögliche Menge von Menschen zu fördern. 
Diejenige Handlung ist moralisch neutral, die das Glück der Menschen nicht 
tangiert. Handlungen, die das Glück der Menschen verringern, sind moralisch 
schlecht.“
B) (Eberhard implizit) „Jeder Mensch ist gleich wertvoll, sein 
Glück wiegt nicht mehr oder weniger
als das anderer“ 
C) (Eberhard 
explizit) „Intersubjektiv nicht überprüfbare Weltbilder können nicht 
berücksichtigt werden“. Beispiel: Das Verbrennen einer Hexe, um ihre Seele zu 
läutern und ihr die ewige Glückseligkeit zu verschaffen ist moralisch schlecht, 
solange die Existenz einer unsterblichen Seele, die dadurch im Himmel glücklich 
wird, nicht intersubjektiv nachweisbar ist.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
31. Aug. 2006, 13:28 Uhr 
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hallo zusammen,
"Jetzt aber ein positiver Beitrag für das Programm 
zur Suche nach einem konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder Mensch will 
glücklich sein."
ist glück nicht das gegenteil von pech, also 
etwas kontingentes?
wenn nicht, was ist es dann?
viele 
grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 13:50 Uhr 
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Hallo doc,
Zitat:
"Denn eine Verbesserung der menschlichen Gene wird 
für die allgemeine Evolution nicht benötigt."
Und:
"Der Geist will die 
Natur nicht vereinnahmen, sondern er ist von der Natur geschaffen, sein Denken 
gehorcht den Regeln der Natur ..."
Was, wenn nun das Programm 
Genmanipulation zur Verbesserung der Physis um den damit verquickten Geist in 
deinem Sinne effizienter zu gestalten von der Natur dem Geist zur 
Selbstverbesserung aufgegeben ist, zBsp. um "steinzeitliche Programme" auf 
Hardware-Ebene zu tilgen? (Das wäre ja in deinem Sinne konsequent gedacht.) 
Gerät deine Theorie dadurch nicht in Konflikt mit seinem 'moralischen' Anspruch.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 14:09 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Deine im Telegrammstil gehaltenen Sätze
Ich 
bekenne mich halt zur Denk- und Schreibfaulheit - wie kann ich das, was ich dem 
Leser mitteilen will, mit einem Minimum an Worten und Mühen für ihn und mich 
rüberbringen?
Das ist die Gegenbewegung seit meiner Vorliebe zu meiner 
Abiturzeit, alles möglichst geschachtelt auszudrücken.
Macht Dir dieser 
knappe Stil Schwierigkeiten?
Zur Sache.
Du: ..richtig verstehe, dann 
kann man niemandem vertrauen außer sich selbst.
Manche Personen halten 
"Vertrauen" für eine Primärtugend. Da wird sogar gefordert "vertrauen sie mir".
Gleichzeitig erleben wir heute in der Wirtschaft tiefste Klüfte zwischen 
Mitarbeitern und ihrem Vorgesetzten. Also alles andere als Vertrauen, sondern 
Mißtrauen, Gegeneinander, Minderproduktivität, Verluste von Kapital und 
Arbeitsplätzen.
Die Phänoene rund um das, was wir Vertrauen nennen, 
lassen sich mit Prozessen leichter erklären, mit weniger Unbekannten, und nach 
Ockham ist diese Erklärung daher als eher wahr einzuschätzen.
[Betriebsart Scharfdenken on]
Die Bezeichnung "Vertrauen" ist eine 
nützliche, letztlich aber überflüssige Bezeichnung. Sie läßt sich als 
Nominalisierung verstehen von "ich fühle Vertrauen in meine Mutter".
Im Leben 
wird mit weniger Blessuren vorankommen, wer "Vertrauen" als "Berechenbarkeit" 
versteht.
Vorausgesetzt, er ist in sich eins, er ist innerlich weitgehend 
frei von Konflikten, insbesondere von Konflikten zwischen seiner Intuition 
(=nichtbegriffliches, sinnesnahes Denken) und seinem Intellekt (begriffliches, 
logisches Denken).
Als die Menschen in der Entwicklung der Menschheit 
noch nicht begrifflich reden und denken konnten, da mußten sie dennoch treffend 
entscheiden, vor wem sie sich besser verstecken und wem sie besser folgen.
Solche vorbegrifflichen Entscheidungen muß das Gehirn sich ja irgendwie 
selbst mitteilen, und das Gefühl "Vertrauen" scheint mir dazu geeignet.
Das Gefühl "Vertrauen" entsteht nicht zufällig. Auch nicht aufgrund 
begrifflicher, logischer Überlegungen. Sondern da muß ein Entscheitungsprozeß 
angeboren sein.
Dieser angeborene Entscheidungsprozeß muß simpel sein. Die 
Sinneserfahrungen, auf denen er beruht, müssen ebenfalls simpel sein, nämlich so 
simpel, wie die Gehirne unserer ältesten Urahnen winzig waren.
Zu diesen 
Merkmalen zähle ich:
* Körperbau und Gesichtsform. Knuddelteddys sind uns 
sympathischer als Wolfsfiguren mit gefletschten Zähnen oder lauerndem Blick. 
Anwendung: Bitte einen Notar, das Sinnbild für Vertrauen, sich leicht nach 
Mephistopheles schminken zu lassen. Miß dann, wieviele Erstkunden nach dem 
Erstgespräch seine Dienste in Anspruch nehmen und wievele lieber zum Kollegen 
gehen.
*der Nichtangriff. Wenn das Baby bemerkt, daß den starken Armen mit 
dem spezifischen Geruch keine Reißzähne folgen, dann wäre das schon erster Grund 
für Entspannung.
* Zeichen der Liebe und Fürsorge: Wenn es statt Reißzähnen 
Streicheln und Herzen erfährt, dannn ist das ein weiterer Grund, sich wohl zu 
fühlen.
* Harmonie der Personen. Wir erleben sie, wenn wir ein Kind in den 
Armen wiegen und es sich wiegen läßt. Später, wenn wir singen, und es singt mit. 
Wir erleben die Harmonie nicht, wenn wir es wiegen wollen und es zu strampeln 
beginnt. Wir können einem Duo im Biergarten auf Sichtweite ansehen, ob die sich 
eher verstehen oder eher nicht. An der Harmonie ihrer Bewegungen.
* 
Nahrungsopfer. Wer uns Nahrung wegnimmt, den empfinden wir sofort als Feind. Wer 
uns aber nährt, der tut uns wohl.
* Stimmigkeit, Widerspruchsfreiheit. Das, 
was die Person sagt, erscheint frei von Widersprüchen. Sie tut auch das, was sie 
gesagt hat.
* Verständnis der Absichten. Beim Notar wissen wir: Er will die 
Zukunft seines Einkommens und nicht in den Knast. Er ist vereidigt, Vertöße 
gegen seine Pflichten als Notar bringen ihn in den Knast. So teuer diese 
Verstöße gegen den Vorteil, den er gewinnen könnte, wenn er die Hypothek auf das 
falsche Grundstück ausstellt, so sorgfältig wird er sein.
Diese Zeichen 
empfinden wir durch angeborene Prozesse der Wahrnehmung und des Urteils, und 
das, was uns angeboren ist, hat unsere Menschheit sehr erfolgreich gemacht.
Gelegentlich müssen wir uns gegen besonders erfolgreiche Verkäufer und 
Demagogen wehren, die diese Zeichen des Vertrauens sehr geschickt vortäuschen.
Dann ist unser Intellekt gefragt, der das Auto der Drückerkolonne in der 
Nebenstraße in Verbindung bringt mit dem unschuldig aussehenden Aboverkäufer in 
der Tür.
Du: Ich kenne allerdings einige Menschen, denen ich meine 
gefüllte Brieftasche zur Aufbewahrung geben kann ohne vorher nachgezählt zu 
haben, wie viel drin ist. Das sind die Menschen, "für die man die Hand in's 
Feuer legen würde." Ich brauche solche Menschen, sonst könnte ich mit Ihnen 
nicht eng zusammenleben.
Das macht die Brisanz der Millionendollar-Frage 
aus. Der Milliardär auf dem Polterabend zur Braut eines anderen: "Wenn ihnen 1 
Million biete, würden sie mir das Recht der ersten Nacht gewähren?"
Ziemlicher Schlag für den Bräutigam, nicht wahr?
Du: Aber wenn Du den 
weitsichtigen Egoismus als Alternative zum moralischen Handeln propagierst, dann 
geht es nicht um menschliche Schwächen, sondern dann lebe ich mit Menschen 
zusammen, für die ich nur solange tauge, wie ich Ihnen nützlich sein kann, die 
meine Interessen nur so lange berücksichtigen, wie es ihren Interessen 
entspricht.
Und das wäre klar noch zu wenig, dann würde der Staat Kosten 
sparen und Greisen ohne Verwandte einen seligen Tod spendieren und sie in der 
Abdeckerei entsorgen.
Meinen "weitsichtigen Egoismus" zeitlich nur auf 
das Ende der Transaktionen von Person A mit Person B zu beschränken ist zu noch 
kurz gedacht.
Die Weitsicht, die ich meine, die endet erst am eigenen 
Grabstein.
Ob mein zukünftiger Weg eine Autobahn ist oder ein Labyrinth mit 
Geröll, Dschungel, Schlingpflanzen, das programmiere ich heute schon mit meinem 
Verhalten, indem mein Verhalten die Saat ist, deren Ernte mein Ruf ist.
Die 
Qualität meines Rufes hängt von meinen weitreichenden Absichten ab, meiner 
Weitsicht und meiner Konsequenz.
Das Verhalten von Person A gegenüber Person 
B ist dann kein Einzelkalkül mehr, welches Du völlig zu Recht bemängelst, 
sondern ist Ausdruck meines persönlichen Stils.
Wenn wir in unserer 
Gemeinschaft bestehen wollen gegen konkurrierende Gemeinschaften, dann arbeiten 
wir besser produktiver zusammen.
Im Miteinander und bei gegenseitigem 
Vertrauen sind wir deutlich produktiver als ohne.
Gegenseitiges Vertrauen 
benötigt Stimmigkeit im Verhalten unserer Gemeinschaft, insbesondere auch dem 
Einzelnen gegenüber.
Und genau deshalb wird solch eine Gesellschaft ihre 
Senioren in Ehren halten.
[Betriebsart Normaldenken on]
Nu is doch 
etwas länger geworden, aber das lag nicht an Gelaber, sondern an der Menge der 
Aussagen.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 14:11 Uhr 
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Hi mondial,
leider ist durch ein Missverständnis ein Nebendiskussionszweig 
über Vertrauen eröffnet worden. Dazu kann ich kurz sagen: Vertrauen haben wir 
nie in andere, sondern immer nur in unsere eigene Einschätzung dazu, wie ein 
anderer, in den wir angeblich Vertrauen haben, handeln wird. In das 
Brutpflegeverhalten können wir natürlich auch deshalb Vertrauen haben, weil das 
nun genetisch besonders festgelegt ist. 
also mondial,
fürwahr, die 
Versuchung wäre groß, durch Genmanipulation aggressive Methoden der 
Datenverbreitung "wegzuoperieren", damit diese sich nicht genetisch 
weiterverbreiten. Das mit dem Ziel, zukünftige Kriege zu verhindern. Diese 
Absicht fände eine gute moralische Begründung.
Was kommt heraus, wenn man 
das theoretisch durchdenkt?
Erstens gäbe es technische Schwierigkeiten: 
diese Operation müsste bei allen Menschen durchgeführt werden, insbesondere 
natürlich bei denen konkurrierender Staaten. Auch aus Kostengründen käme das 
nicht in Betracht. 
Viel praktischer und billiger wäre eine globale Einigung 
über die Geburtenrate.
Aber zum Anderen: Aggressivität ist ja nicht nur 
körperlicher Art, sondern auch geistiger Art: die Wissenschaftler handeln im 
Grunde sehr aggressiv, besonders die Quantenphysiker: sie zerstören möglichst 
gründlich das Atom und seine immer kleineren Bausteine. (den Schrott, den sie 
damit produzieren, erklären sie zu den kleinsten Bausteinen der Natur. So ein 
Schwachsinn)
Aber abgesehen von diesem Negativbeospiel: 
Aggressivität als 
solche wird benötigt, z.B. als Konkurenz in Wissenschaft und Technik. Dieses 
Konkurrenzprinzip ist ja auch der Motor unseres geistigen Fortschritts.
Deshalb die sich ergebende ("ethische") Forderung: keine Genmanipulation zur 
"Verbesserung" des menschlichen Genoms.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
31. Aug. 2006, 17:00 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
ich gebe zu ich habe Probleme mit dem Telegrammstil a la;
"Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht."
Was die Inhalte 
betrifft, bleibe ich auch nach Deinen längeren Ausführungen dabei, dass ich 
gegenüber einem "weitsichtigen Egoisten" auf der Hut sein sollte, auch wenn er 
seinen guten Ruf und seinen Stil bis zum Grabstein erhalten will. 
Denn 
für bestimmte "günstige" Situationen kann ich im Voraus berechnen, dass der 
weitsichtige Egoist mein Wohl seinem Wohl opfern wird. 
(Ich würde hier 
nicht sagen: "Ich vertraue darauf, dass er mein Wohl dem seinigen opfern wird." 
'Vertrauen' beinhaltet im Unterschied zur 'Berechenbarkeit' ein wohlwollendes 
Verhältnis zu einander)
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 17:57 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: ich gebe zu ich habe Probleme mit dem Telegrammstil a 
la;
"Kann: Ja. Muß: Nein. Zweifel sind also angebracht."
Welche 
Unklarheiten, wenn sich knapp sagen läßt, was sich auch weitschweifiger erzählen 
ließe.
Mit Schwierigkeiten meinte ich "Verständnisschwierigkeiten", also, 
ist etwas unklar geblieben?
Du: ...bleibe ich auch nach Deinen längeren 
Ausführungen dabei, dass ich gegenüber einem "weitsichtigen Egoisten" auf der 
Hut sein sollte
Natürlich. Nach dem Stande meiner Erkenntnisse ist das 
vernünftig. Für ein Vertrauen in Person A, das über deren Grabstein hinaus geht, 
müßte es einen Anlaß geben.
Solchen finden wir z.B. im Hochadel. Wo der 
Einzelne nicht allein in seinem Namen handelt, sondern im Namen seiner Familie, 
die noch viele Generationen lang erfolgreich sein will.
Oder wo sich der 
Einzelne der irrigen Hoffnung hingibt, nach seinem Tode warte ein Platz im 
Paradies auf ihn.
Du: 'Vertrauen' beinhaltet im Unterschied zur 
'Berechenbarkeit' ein wohlwollendes Verhältnis zu einander)
Diese Färbung ist 
vorhanden, ganz klar.
Und nun: Hast Du einen besseren an junge Leute, wie 
sie einerseits flott voran kommen im Miteinander, und andererseits sich hüten 
vor "blindem Vertrauen" in ihren Ausbeuter?
@doc_rudi, jetzt noch 
zu Deiner Bemerkung Nebendiskussionszweig über Vertrauen eröffnet worden.
Der 
Begriff "Vertrauen" kam hinzu, ja.
Ich habe diesen Faden aufgenommen, weil 
die Entscheidung der Person A, moralisch und tugendhaft ein Opfer für ihre 
Gemeinschaft zu geben, auch von ihrem Vertrauen in die Gemeinschaft abhängt, daß 
auch sie sich tugendhaft verhalten werde, daß sie Person A fair beteiligt an 
ihren Vorteilen aus solchen Opfern.
Tugendhafte Opfer ohne Vertrauen sind 
Torheit.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 19:09 Uhr 
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Hallo doc,
Dr. Frankenstein hätte seine wahre Freude an solchen Visionen. 
Natürlich müsste die Veränderung nicht bei allen Menschen sondern nur bei 
Neugeburten stattfinden. Ansonsten scheint mir deine Argumentation hin zum 
ethischen Standpunkt schlüssig zu sein. Man könnte das noch ausspinnen aber das 
geht mir dann doch zu weit. Vielleicht ein Thema für einen Science-Fiction 
Thriller.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mbl am 31. 
Aug. 2006, 20:10 Uhr 
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Quote:Geberländer versprechen 730 Millionen Euro für Libanon
Erst 
jetzt wird das Ausmaß der Zerstörung im Libanon bekannt: 1800 Gebäude und 
Hunderte Straßen sind nach Angaben der EU während des Krieges zerstört worden. 
Eine Hilfskonferenz in Stockholm sagte großzügige Unterstützung zu. Spiegel 
Seltsam. Erst wird alles willkürlich zerstört und dann "hilft" man. 
Warum die Zerstörung nicht gleich bleiben lassen? 
Aber das ist eben Moral. 
Auf beiden Augen blind. (Falls Ihr immer noch nicht wisst, was Moral ist.) ;-)
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
31. Aug. 2006, 20:28 Uhr 
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laertes,
das "Regelsystem" ist ja bereits vorhanden. Wie du ganz richtig 
feststellst, will jeder Mensch glücklich sein. Verhält er sich so wie es das 
moralische Gesetz, welches als Harmoniegesetz verstanden werden kann von ihm 
fordert, so bereitet er sich den Weg zum glücklich sein. Es ist innere Pflicht, 
Selbstverpflichtung. Verhält er sich nicht danach, so bestraft er im Grunde sich 
selbst mit Disharmonie. Vergleichbar mit einem falsch gestimmten Instrument.
So und jetzt harre ich in aller Harmonie darauf, dass mir gleich der 
berufene louisquinze seinen Aggro um die Ohren schlägt.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 21:02 Uhr 
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Hi mondial,
schade, dass Du angst hast, in die Zukunft zu extrapolieren.
Wer sollte das sonst tun, als die Philosophen? [applause]
Willst Du das 
science-fiction Autoren überlassen? [nixweiss]
(die Prognosen von science 
fiction werden übrigens immer zutreffender, während Philosophie diesbezüglich 
völlig versagt) 
@Wolfgang
wie schon gesagt: Vertrauen gibts nur in das 
eigene Denken, in die eigenen Überzeugungen, in die eigenen Vorstellungen, in 
die eigenen Vermutungen von dem, was der andere tun wird.
@mbl
geplant 
sind die Zerstörungen von Menschen, von Genträgern, von Vätern, die Kinder 
zeugen könnten, von Überzeugungen und Absichten. Erreicht wird nur das 
Gegenteil: die Verstärkung der Aggressivität. Das hat nichts mit Moral zu tun, 
sondern mit Dummheit und Schwäche. 
Die Kollateralschäden an Häusern und 
Infrastruktur schaffen Arbeitsplätze. Hoffentlich bei uns.
Gruß
rudi 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31. 
Aug. 2006, 21:15 Uhr 
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Hallo Laertes
on 08/31/06 um 13:28:24, laertes wrote:hallo zusammen,
"Jetzt aber ein positiver Beitrag für das Programm zur Suche nach einem 
konsensfähigen moralischen Regelsystem. Jeder Mensch will glücklich sein."
ist glück nicht das gegenteil von pech, also etwas kontingentes?
wenn 
nicht, was ist es dann? 
Ich meine nicht "Glück" das im Gegensatzpaar
Glück-Pech zum Ausdruck kommt, sondern
Glück als Gegenteil zum Unglück. Das, 
was Freude macht im Gegensatz zu Trauer.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 31. Aug. 2006, 21:23 Uhr 
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Hi, doc_rudi,
Du: wie schon gesagt: Vertrauen gibts nur in das eigene 
Denken, in die eigenen Überzeugungen, in die eigenen Vorstellungen, in die 
eigenen Vermutungen von dem, was der andere tun wird.
Und nur, solange Du 
lebendes System mit Dir selbst einig bist.
Ein Dr. Jekyll muß mißtrauisch 
sein gegenüber seinem Dr. Hyde.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 21:28 Uhr 
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hel, was soll das nun fürn moralisches Regelwerk sein, das jeden zum Glück 
führt?
Eine Anleitung zum Umgang mit Drogen?
@Wolfgang: umgekehrt auch. 
wer aus 2 Systemen besteht, hat natürlich Probleme und sollte die 
ungeschlechtliche Vermehrung durch Teilung bemühen. Dann können sich 2 Arten 
entwickeln.
Du bist doch doch das beste Beispiel dafür, dass es nur das 
Vertrauen in sich selbst gibt - oder vertraust Du irgend jemandem?
Abrazo 
vertraut natürlich seinem Hund mehr als jedem Menschen. 
(übrigens: 
eigentlich gings um egozentrisch statt eurozentrisch)
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Hanspeter 
am 31. Aug. 2006, 21:45 Uhr 
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Hallo Mondial,
du schreibst: "Zum Punkt zwei. Gut das du und nicht ich 
das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher wieder in die esoterische Ecke gedrängt 
worden."
Was hat die Durchsetzung des Rechts mit Esoterik zu tun? 
Weiter schreibst du über das "Moralische Gesetz": "Das Gesetz ist in mir und 
nicht von aussen aufdoktriert. Es garantiert mir mich als freier Mensch meinen 
Möglichkeiten nach zu entfalten."
Wen dem so wäre, müssten alle Menschen 
das gleich moralische Gesetz in sich haben. Doch das ist offensichtlich nicht 
der Fall. Denn sie haben nachweislich nicht dieselbe Moral.
Gruß HP
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 21:52 Uhr 
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haben alle Menschen eine Moral in sich?
woher käme die, Hanspeter?
Gruß
rudi 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 31. 
Aug. 2006, 22:25 Uhr 
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Hallo doc
on 08/31/06 um 21:28:38, doc_rudi wrote:hel, was soll das nun 
fürn moralisches Regelwerk sein, das jeden zum Glück führt?
Eine Anleitung 
zum Umgang mit Drogen?
Ich persönlich glaube nicht, daß Drogen 
das einzige Mittel zum Glück darstellen. Aber, vorausgesetzt ein Staat sieht 
ein, daß er den Drogenkonsum nicht repressiv verhindern kann, ohne durch die 
Verletzung der Bürgerlichen Freiheitsrechte quasi auf der anderen Seite Unglück 
zu stiften, könnte es moralisch sein, ein staatliches Drogenmonopol zu errichten 
und Drogen sauber und günstig abzugeben. Dadurch können mafiöse Strukturen 
zerschlagen werden und die Drogensüchtigen können u.U. sozial angepaßt und 
glücklich leben.
Ziel: möglichst großes Glück einer größtmöglichen Anzahl von 
Individuen.
Der Rest ist purer Utilitarismus. Die Regeln ergeben sich aus der 
Erkenntnis, was zum Ziel führt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
31. Aug. 2006, 22:35 Uhr 
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natürlich sind Drogen nicht der einzige Weg zum Glück.
Aber was macht unser 
Staat?
Anstatt gleich Heroin zu verteilen und damit der Drogenmafia den Hahn 
abzudrehen, verteilen sie Mathadon über die Ärzte. Ein Mittel, das gar keine 
Glücksgefühle macht.
Aber soll Glücksgefühl tatsächlich im Interesse des 
Individuums sein? Liegt es nicht vielmehr im Interesse des Systems höherer 
Ordnung - um die Individuen ruhig zu stellen? 
Galeerensklaven bekamen 
Heroin.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 31. Aug. 2006, 23:14 Uhr 
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Hallo Abrazo! 
Quote:An 'andere zu denken' heißt noch lange nicht, 
die Dinge auch aus der Perspektive des anderen zu betrachten bzw. sich um eine 
solche zu bemühen. Kennzeichnend für den Egozentriker ist doch, dass er eine 
andere Perspektive als die seine entweder ausschließt oder als minderwertig und 
deswegen vernachlässigenswert betrachtet. 
Nun, Wolfgang sprach 
vom "Gemeinwohl", und die Berücksichtigung dessen, was für alle gut ist oder 
sein könnte, ist doch unbestritten etwas anderes als 
eine ich-zentrierte 
Ausblendung anderer als der eigenen Interessen. Ich sehe bei dem, der den 
Gesichtspunkt des Gmeinwohls berücksichtigt, jedenfalls einen Lernschritt, eine 
"Bewusstseinserweiterung". Es handelt sich dann nicht mehr um Egozentrik im 
strikten, asschließlichen Sinne. Und das ist doch unbedingt zu begrüßen - oder?
Umgekehrt ist doch zu fragen, ob das Interesse am eigenen Wohl nicht 
sogar eine völlig legitime Motivation ist, wenn sie die Einsicht anbahnt, dass 
das eigene Wohl mit dem Gemeinwohl verflochten ist. Eine völlige Preisgabe der 
eigenen Interessen - "Selbstlosigkeit" - kann wohl von niemandem 
vernünftigerweise verlangt werden. 
Ich erinnere mich an eine Diskussion 
mit Eberhard, in der er das Gemeinwohl durch die Rückbindung an die Interessen 
der Gemeinschaftsmitglieder legitimierte. Und wenn Normen letztlich dadurch 
begründet sind, dass sie von allgemein akzeptablen Argumenten gestützt werden, 
so verweist auch das darauf, dass die subjektive Einsicht jedes Einzelnen nicht 
übergangen werden darf. Die angemessene Berücksichtigung individueller 
Interessen und persönlicher Akzeptanz bei allen Betroffenen ist eben das, was 
eine rational begründete Norm von einer rücksichtslos diktierten unterscheidet.
Nach meinem Verständnis ist in der Tat das Gemeinwohl nicht auf eine 
Summe von Einzelinteressen zurückzuführen - oder durch eine solche Rückführung 
zu legitimieren. Ich halte die Vorstellung für irrig, derzufolge Individuen und 
ihre ("atomistischen") Interessen die Legitimationsbasis für alle Arten von 
Restriktionen bilden, die das gemeinschaftliche Zusammenleben den Individen 
auferlegt. Dieser - in sich bereits rechtsförmige - Begründungstyp scheint mir 
nur für das Recht zu passen, nicht für die Moral. 
Grüße,
Urs 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
31. Aug. 2006, 23:16 Uhr 
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freude und glück würde ich nicht gleichsetzen.
freude ist innere 
aktivität, die nach aussen strahlt. kann grundlos sein.
ist stärker als 
realität.
glück ist von aussen eingelöste erwartungshaltung, also 
reaktion auf eigene vorstellungen. (drogen, strandferiengewinn, 
karrieredurchsetzung, erfüllter kinderwunsch, volles bankkonto, sexualleben nach 
wunsch, etc.)
all diese dinge garantieren aber noch keine freude.
wie 
will man also aus glück eine moral basteln?
und freude kann nicht 
vermoralisiert werden - viel zu beweglich.
viele grüsse
laertes
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 08:11 Uhr 
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Hallo allerseits,
Hallo Wolfgang
Du empfiehlst das Handeln gemäß einem 
weitsichtigen Eigeninteresse. Ist das die richtige Antwort auf die Frage: Wie 
sollen wir handeln?
Ich meine: "Nein". Der Egoismus – auch wenn er 
weitsichtig ist – kann keine richtigen Antworten auf die Frage geben: "Wie 
sollen wir handeln?"
Ein Beispiel: Ich bin mit einem alleinstehenden 
älteren Herrn ohne Anhang befreundet, dem ich manchmal behilflich bin und zu 
dessen Wohnung ich auch einen Schlüssel besitze. Er ist vermögend und hat mich 
in seinem Testament als Alleinerben eingesetzt. Als ich eines Tages in seine 
Wohnung komme, stelle ich fest, dass er verstorben ist. Ich ziehe die Schublade 
von seinem Schreibtisch auf, da fällt mir ein handgeschriebenes Testament 
neueren Datums in die Hände, in dem nur die eine Hälfte des Vermögens an mich 
gehen soll und die andere Hälfte an Greenpeace.
Wie soll ich in dieser 
Situation handeln? Ich erinnere mich an das, was bei PhilTalk empfohlen wurde. 
Da keinerlei Entdeckung zu befürchten ist, folge ich meinem Eigeninteresse und 
verbrenne das Testament.
War es richtig, was ich getan habe? Muss ich 
keinerlei Schuldgefühle haben deswegen?
fragt Dich Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 09:19 Uhr 
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Hallo Hel,
vorweg meine Anerkennung für Deinen Beitrag und die darin 
vorgetragenen Kritik an meiner Position. Ich denke, wenn wir in dieser Art 
verfahren, sind Erkenntnisfortschritte möglich.
Aber zur Sache: 
Kategorienfehler
Macht man einen Kategorienfehler, wenn man nach 
"richtigen" Antworten auf moralische Fragen sucht?
Ich meine nein, denn 
moralische Urteile werden mit dem Anspruch auf Geltung verbunden und dieser 
Anspruch kann argumentativ begründet und bestritten werden (A: "Das hättest Du 
nicht tun dürfen!" B: "Aber warum denn nicht?" ….) Es macht Sinn zu fragen: Wer 
hat recht? Wessen Urteil ist richtig?
Der Vergleich mit den 
Feinschmeckern hinkt. Wenn sich zwei Feinschmecker streiten und A sagt: "Der 
Heringssalat schmeckt gut" und B sagt: "Nein, falsch! Der Heringssalat schmeckt 
nicht gut", so ist das so etwas wie ein Kategorienfehler, weil die Geschmäcker 
verschieden sein können und weil das, was dem einem gut schmeckt, dem andern 
noch lange nicht gut schmecken muss. Genauer müssten sie deshalb sagen: "Das 
schmeckt mir gut." Dann kann A sagen: "Das schmeckt mir gut" und B kann sagen: 
"Das schmeckt mir nicht gut", wobei beide recht haben können.
Dies ist 
jedoch bei moralischen Fragen nicht so, und darin unterscheiden sie sich von 
Geschmacksfragen. Es ist immer ein Widerspruch wenn A sagt: "Das hättest du 
nicht tun dürfen!" und B sagt: "Aber sicherlich durfte ich das tun". Hier kann 
nur einer recht haben, und das heißt: Hier geht es um so etwas wie 
'Richtigkeit'.
Setze ich implizit die Gleichwertigkeit von Menschen als 
normative Prämisse voraus?
Das tue ich nicht. Allerdings kommt durch das 
Ziel, zu einem allgemeinen Konsens zu gelangen, insofern eine gewisse 
Gleichstellung der Individuen ins Spiel, als es egal ist, wer es ist, der nicht 
zustimmt, wenn der Konsens verfehlt wird. Der Konsens wird genauso verfehlt, 
wenn A nicht zustimmen kann wie wenn B nicht zustimmen kann. Die Einbeziehung 
aller Individuen in dieser Weise wird durch den Anspruch der allgemeinen Geltung 
notwendig ("allgemein" <> "alle gemeinsam").
Es ist durch den Ansatz 
übrigens keineswegs ausgeschlossen, dass jemand meint, die Erhaltung seines 
Lebens sei wichtiger als die Erhaltung des Lebens anderer Personen. Er wird 
allerdings Schwierigkeiten haben, diese Position einsichtig zu begründen und auf 
argumentative Wege eine Zustimmung aller anderen zu erreichen. Für mich sind 
Situationen denkbar, in denen das Leben von Menschen einen unterschiedlichen 
Wert hat. So ist bei einer gefährlichen Expedition durch den Dschungel das Leben 
des einzigen Ortskundigen besonders wertvoll, weil von seinem Überleben das 
Überleben aller anderen abhängt.
Benötigt man gemeinsame Grundwerte, die 
nicht weiter begründet werden können?
Im Alltagsleben werden 
Meinungsverschiedenheiten über moralische Fragen sicherlich meist in der Weise 
beigelegt, dass man versucht, gemeinsame Prämissen zu finden, von denen her sich 
ein gemeinsames Urteil ableiten lässt.
Allerdings ist ein solcher Zustand 
nicht sehr befriedigend, weil möglicherweise keine gemeinsamen Grundwerte 
gefunden werden können.
Das Kriterium, das ich vorgeschlagen habe und das 
ich der Kürze halber als "argumentative Konsensfähigkeit" moralischer Urteile 
bezeichnen will, ist jedoch kein willkürlich bestimmter Grundwert.
Das 
Kriterium der "argumentativen Konsensfähigkeit" ist von besonderer Art. Wenn 
jemand die Frage stellt: "Warum soll ich denn meine Position nachvollziehbar 
begründen?" dann verlangt er damit eine derartige nachvollziehbare Begründung.
Seine Frage nimmt das bereits in Anspruch, was in der Frage noch offen zu 
sein scheint. 
Er verlangt Gründe für die Widerlegung seiner These, dass 
man keine Gründe verlangen darf. 
(Ich gebe zu, diese "transzendentale", 
"reflexive" Art zu denken ist gewöhnungsbedürftig und führt leicht zur 
Verwirrung.) 
Hier ist ein Endpunkt der Warum?-Fragen erreicht, ohne dass 
man die logische Deduktion willkürlich abgebrochen hat. Dies ist insofern eine 
"Letztbegründung", als es für die Notwendigkeit von Begründungen selber keiner 
Begründung mehr bedarf. Denn wer das bestreitet, kann dies wiederum nur mit 
Begründungen tun: Bestreiten als Element einer Diskussion ist immer an Gründe 
gebunden.
Damit ist allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass jemand auf 
das Ganze pfeift und ohne jede Begründung handelt. Das kann man machen, aber 
damit hat man sich selber jede Möglichkeit der Argumentation und der Kritik 
genommen.
Grüße an Dich und an alle, denen es um Klarheit der Gedanken 
und der Argumente geht von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 09:52 Uhr 
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Hallo Urs,
willkommen in den ungeschützten Gefilden von PhilTalk, wo 
Diskussionen, die auf großes Interesse stoßen, immer in der Gefahr sind, zu 
andern Zwecken benutzt zu werden. Aber Dein Name "Urs" bürgt für produktive 
Sebstdisziplin im Umgang mit frei zugänglichen Foren wie diesem. 
Du 
schreibst kritisch zu meiner Position, dass es Dir "überzogen (scheint), die 
Geltung von Normen 'rein rational' begründen zu wollen".
Wie kann den 
Geltungsanspruch von Normen anders begründen (im Sinne von 'rechtfertigen') als 
rational? fragt Dich 
Eberhard. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 09:57 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Wie sollen wir handeln?... Testament
In der 
Sache hast Du Deine Entscheidung ja schon getroffen und GreanPeace hat sich auch 
gefreut.
Meine Antwort Deine Frage, die Du stellvertretend für so viele 
in der Menschheitsgeschichte stellst, "Wie sollen wir handeln?": Für mündige 
Fragesteller ist die Frage an sich eine falsche Frage.
Ich könnt' auch 
sagen: Ein Denkfehler. Und zwar dieser: Wenn Du Dir bewußt bist, daß Du mündig 
bist, also selbst verantwortlich für Deine Entscheidungen, dann kommt Dir die 
Frage "wie soll ich handeln?" an eine andere Person gar nicht erst in den Sinn.
Deshalb stimme ich vorbehaltlos zu mit: "Nein". Der Egoismus – auch wenn 
er weitsichtig ist – kann keine richtigen Antworten auf die Frage geben: "Wie 
sollen wir handeln?"
Und ergänze: Nichts und niemand kann das. Kein Buch 
kann das. Keine Lehre. Keine Ideologie. Kein Mensch.
Auch die Goldene 
Regel nicht, weil viel zu pauschal. Auch nicht das "Liebe Deinen Nächsten wie 
auch Dich selbst", denn in Notwehr muß man den Bösen umbringen können, oder das 
Böse siegt.
Wer sich die Frage "wie soll ich handeln mit dem Testament?" 
selbst stellt, den kann man allerdings unterstützen mit Modellen (wie z.B. 
Landkarten für den Routenplaner) und Prozessen (beispielsweise erfordert die 
Reiseplanung bestimmte Denkprozesse wie "zielorientiertes Denken".
Bisher 
gab es solche Hilfestellung aus der theologisch geprägten Tradition. Als 
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor dem Kreuz gemeinsam das Knie beugten und sich 
damit zu den kirchlichen Lebensregeln bekannten, da waren die hervorragend 
geeignet, das Volk zu einigen.
Diese Regeln haben ihre Legitimation 
verloren, sind deswegen aber nicht falsch geworden, sondern das Gebot "Liebe 
deinen Nächsten wie auch dich selbst" hat zwar die göttliche Legitimation 
verloren, wird bei sachlicher Betrachtung aber zum persönlichen Erfolgsfaktor.
Wir brauchen heute etwas, das für die Menschen von heute geeignet ist, für 
mündige Personen, die auch sehr kritisch sind.
Da arbeite ich an einem 
naturwissenschaftlichen Modell vom menschlichen Verhalten. Das hat einen 
kleinen. aber überaus mächtigen Teil, der angeboren ist und allgemeingültig für 
homo sapiens, und einen großen, aber schwachten Teil der Phantasie und des 
Individuellen. (Jeder hat seine eigene Vorstellung von seinem Lieblingsessen. 
Das ist das Individuelle. Aber kein gesunder auf der Welt trinkt konzentrierte 
Schwefelsäure gern - all unser Geschmack bevorzugt das Nahrhafte, das ist das 
allgemeingültige.)
Mein Gedanke mit dem weitblickenden Egoismus ist mit 
diesem Modell entstanden. Wer weiter denkt, denkt deswegen noch nicht absolut 
richtig, aber besser.
Deswegen halte ich mein Modell und den Appell
Mensch! Strebe allein die Realisierung Deiner persönlichen Wünsche an! Meide 
alle Mühen, die Du dafür für unnötig hältst! Aber entscheide nicht fahrlässig, 
sondern mit Weitblick nach vorn, zu den Seiten und nach hinten. Und Du wirst 
erkennen: Deine Ziele erreichst Du im Miteinander leichter!
für den derzeit 
besten Appell für mündige Individuen.
Aber ich gern bereit, das mit 
ähnlichen, konkurrierenden Appellen zu vergleichen, welcher als Leitlinie ein 
Individuums in seiner Gemeinschaft erfolgreicher werden lasse.
Also, 
Eberhard, Fazit: Die Fragestellung an sich ist falsch. Nicht kann sie 
beantworten. Aber meine Antwort ist die beste. Ätsch:-)
Ciao
Wolfgang 
Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 10:36 Uhr 
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Hallo Wolgang,
das verblüfft mich nun etwas, wenn Du schreibst, dass die 
Fragestellung ("Wie sollen wir handeln?") an sich falsch ist und von nichts und 
niemand beantwortet werden kann. In der Konsequenz müsstest Du damit ja auf 
Sätze wie "Das hättest Du nicht tun sollen!" verzichten.
Ich weiß nicht, wie 
ernst Du genommen werden möchtest, wenn Du in einer Zeile schreibst; "Die 
Fragestellung an sich ist falsch" und "Aber meine Antwort ist die beste."
Aber Du wirst schon wissen, auf welche Frage Deine Antwort antwortet, meint
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
01. Sept. 2006, 10:44 Uhr 
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on 08/31/06 um 21:45:59, Hanspeter wrote:Hallo Mondial,
du schreibst: 
"Zum Punkt zwei. Gut das du und nicht ich das gesagt habe. Sonst wäre ich sicher 
wieder in die esoterische Ecke gedrängt worden."
Was hat die Durchsetzung des 
Rechts mit Esoterik zu tun? 
Weiter schreibst du über das "Moralische 
Gesetz": "Das Gesetz ist in mir und nicht von aussen aufdoktriert. Es garantiert 
mir mich als freier Mensch meinen Möglichkeiten nach zu entfalten."
Wen 
dem so wäre, müssten alle Menschen das gleich moralische Gesetz in sich haben. 
Doch das ist offensichtlich nicht der Fall. Denn sie haben nachweislich nicht 
dieselbe Moral. 
@Hanspeter
ein bisschen Vorstellungskraft 
brauchts schon in der Philosophie. ;-)
Denk mal an eine Schöpfungsinstanz 
ungeachtet dessen als was oder wo du sie verorten willst.
Ja HP, alle 
Menschen haben das gleiche moralische bzw. harmonische Gesetz in sich, aber 
weder sind sich dessen alle Menschen bewusst noch befolgen es alle 
(bewusst/unbewusst). Es enthält nach dem überaus konstruktiven Entwurf von 
Lüscher (Psychologe mit starkem philosophischen Background) vier Säulen: 
Selbstachtung, innere Freiheit, Zufriedenheit, Selbstvertrauen. Dieses 
Harmoniegesetz in dem ich das moralische Gesetz ausgekleidet wieder erkenne ist 
so zutreffend das ich mir eigene weitere Überlegungen dazu sparen kann. Ich kann 
gerne einen Buchtipp im "Buchthread" hinterlassen.
Bevor jetzt der Hammer 
der Anti-Psychologie Vertreter auf mich niedersaust, schicke ich schon mal 
voraus das es sich nicht um eine von Freud geprägte Psycholgie handelt. 
Dringende Bitte erst lesen, dann kritisieren.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 01. Sept. 2006, 11:29 Uhr 
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Hallo Eberhard! 
Quote:Wie kann den Geltungsanspruch von Normen 
anders begründen (im Sinne von 'rechtfertigen') als rational? 
Das weiß ich auch nicht, weil "Begründung" und "Rechtfertigung" die 
"Rationalität" sozusagen analytisch einschließen. Eine "irrationale 
Rechtfertigung" wäre ein hölzernes Eisen. 
Meine Kritik richtet sich auch 
nicht gegen eine rationale Begründung von Normen schlechthin, sondern gegen die 
"Reinheit" (im Sinne von Ausschließlichkeit) Deines Begründungsmodells. Deine 
Argumentation ist, so weit ich sie verstehe, in sich schlüssig. Aber ihr 
Ergebnis befriedigt mich intuitiv mit Regelmäßigkeit nicht, und wenn ich nach 
Gründen für dieses Missbehagen suche, stoße ich immer auf Deine Voraussetzungen 
und ihr Verhältnis zur sozialen Wirklichkeit, das in meinen Augen ein 
Miss-Verhältnis ist. 
Um es mit einem Bild vorläufig anzudeuten: Wenn wir 
alle Engel wären, wäre die Begründung von Normen durch ihre "argumentative 
Konsensfähigkeit" völlig angemessen. Keiner von uns würde auf "Dogmen" 
verweisen, sondern alle würden nur konsensfähige Argumente vorbringen und jeder 
würde ihre Konsensfähigkeit unmittelbar einsehen und daher auch faktisch sofort 
zustimmen können. Nur: Wenn wir Engel wären, hätten wir keine 
Begründungsdiskurse nötig, weil wir nämlich gar keine Konflikte hätten. Schon 
gar nicht über Normen - denn brauchen Engel überhaupt Normen? Offenbar nicht, 
weil ihnen die zweifelnde Frage: "Wie soll ich handeln?" niemals in den Sinn 
käme. (Ich lasse mal die "gefallenen Engel" außen vor. :-) ) 
Das 
Missverhältnis, das ich in Deinem Modell sehe, besteht also zwischen der reinen 
Rationalität der Begründung und der Faktizität unserer menschlichen 
Beschränktheit, die die Quelle aller Konflikte sein dürfte. Ich ziele damit auf 
die Voraussetzungen Deines Modells, also die faktischen "Bedingungen seiner 
Möglichkeit", die mir in der Schlüssigkeit seiner Argumentationsfolge in 
Vergessenheit zu geraten scheinen. Was nützt am Ende ein schlüssiges Modell, 
wenn es nur unvollkommen zu praktizieren ist und wenn seine Anwendung, die den 
"Dogmatismus der Faktizität" bekämpfen soll, womöglich nur eine andere Art von 
Dogmatismus hervorbringt (einen, der dann "vernünftig begründet" heißen darf)? 
Bleibt dann nicht am Ende nur die Hoffnung, dass wir durch konsequent 
praktizierte Vernunft auf die Dauer vielleicht ein bisschen engelähnlicher 
werden? 
:-) 
Das ist jetzt alles sehr "allgemein" gesagt, aber im 
Moment kann ich nicht ins Detail gehen. Kommt schon noch. 
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
01. Sept. 2006, 11:52 Uhr 
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Hallo doc,
Deinem "Vertrauensvotum" kann ich nur beipflichten. Die 
Enttäuschung bei gegebenem Anlass überkommt schliesslich nicht den anderen 
sondern uns. Der andere ist seiner Empathie überlassen. Es ist im eigentlichen 
die Enttäuschung über die Fehlerhaftigkeit unserer Einschätzung. Vertrauen 
(geben) hat einen funktionellen Charakter. Die darunter liegenden Schichten 
(Zweck, Absicht) mögen variieren.
Es ist nicht Angst, die mich davon 
abhält in die Zukunft zu extrapolieren. Ich bin aber der Überzeugung das die 
Zukunft eine Ein-Bild-ung in die Gegenwart bedeutet, die sich notwendig aus dem 
Nach-denken über die Vergangenheit speist. Ich bin kein Wahrsager, auch wenn die 
Versuchung zugegeben manchmal gross ist.
Was liesse sich dazu noch sagen?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 13:25 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: das verblüfft mich nun etwas, wenn Du schreibst, dass 
die Fragestellung ("Wie sollen wir handeln?") an sich falsch ist...und "Aber 
meine Antwort ist die beste."
Dann lies noch mal und schärfer die 
Formulierung: "Denke weit...und du wirst erkennen..."
Ich gebe eben keine 
Anleitung zum Handeln als direkte Antwort auf die Frage "soll ich das Testament 
ernst nehmen oder verbrennen?", sondern eine Anleitung zum "richtigeren Denken", 
damit der Klient sich seine Anleitung zum Handeln selber ausdenken kann.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
01. Sept. 2006, 14:00 Uhr 
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Ich denke, dass Deine Theorie abscheulich ist.
Welche Anleitung hast Du 
dafür? 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
01. Sept. 2006, 14:06 Uhr 
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Hi Mondial,
ich bin auch kein Wahrsager, kenne jedoch die Regeln, nach denen 
Menschen handeln. Deshalb kann ich sagen, dass die Menschheit in Zukunft 
schrumpfen wird.
Ein Grund dafür ist die Größenzunahme der Individuen, die 
man bei den Individuen in den wirtschaftlich entwickelten Ländern schon jetzt 
beobachten kann, und die sich in anderen Ländern fortsetzen wird. Wie man sieht, 
ist aufgrund dieser Größenzunahme die Geburtenrate beispielsweise in den 
westeuropäischen Ländern bereits rückläufig.
Gruß
rudi
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von mondial am 
01. Sept. 2006, 16:59 Uhr 
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Hi doc,
Prognosen sind immer von verschiedenen Parametern abhängig. Sie 
sind damit beschränkt gültig.
Ich kann z.Bsp. folgende Vorhersage 
treffen:
WENN es mit Funkdichte und Intensität ungebremst so weitergeht wie 
es sich bisher abgezeichnet hat,
DANN wird in ca. 20 Jahren die elektronische 
Abschirmung beim Bau von Häusern eine Normalität sein.
Diese Aussage bezieht 
sich auf einen aktuellen Trend. Ändert sich dieser, so wird die Aussage 
hinfällig.
Ob sich dieser ändert, hängt wiederum davon ab, wie abhängig sich 
die Gesellschaft von den positiven Effekten der rundum-jederzeit-Verfügbarkeit 
abhängig macht. Oder allenfalls sich die Politik dazu gezwungen sieht der 
Wirtschaft einen Riegel vorzuschieben, weil die Kosten für die Behandlung von 
Dauerbestrahlungsschäden, den Nutzen der solche Dauerberieselung beinhaltet 
überwiegt.
Was nun genau eintreten wird, vermag ich nicht zu sagen. Es 
ist eine Trendanalyse. (Hier als Beispiel ohne exakte Zahlen, sprich ohne 
Gewähr.)
(Ja, wir driften vom Thema ab...)
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von doc_rudi am 
01. Sept. 2006, 17:14 Uhr 
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meine Prognose ist nicht von Parametern abhängig. Die derzeitigen Parameter 
würden zu einer gegenteiligen Prognose führen, wie Du weißt (mit dem 
Bevölkerungswachstum der Erde beschäftigen sich - mit gegenteiligem Ergebnis - 
viele kluge Leute. Die haben keider alle "vergessen", zunächst einmal eine 
Definition des Menschen zu geben. Deshalb kommen sie zu falschen Ergebnissen.
Eberhard fragte übrigens nach Prognosen, die sich aus meiner Philosophie 
ergeben.
Vielleicht kann er die Diskussion mal wieder auf einen Nenner 
bringen
Gruß
rudi 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 19:19 Uhr 
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Vielleicht könnt Ihr selber die Kurve zum Thema wieder kriegen oder Eure 
Diskussion in der Runde zu den lebenden Systemen weiterführen. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 01. Sept. 2006, 19:33 Uhr 
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Hi, Abrazo,
Du: ...dass Deine Theorie abscheulich ist...
Wertung 
entgegen genommen.
Hast Du etwas besseres? Hast Du eine bessere und 
allgemeinverständliche Anleitung zum besseren Handeln, und wie sieht die aus?
Du: Welche Anleitung hast Du dafür?
Natürlich keine. Dein Geschmack 
ist Dein Geschmack.
Darüber zu diskutieren bringt nix.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
01. Sept. 2006, 19:50 Uhr 
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Hallo allerseits, 
hallo Wolfgang,
wenn aus Deinen Überlegungen 
nichts zur Beantwortung der Frage folgt, wie man in bestimmten Situationen 
handeln soll ("Soll man Testamente, die zum eigenen Nachteil sind, unauffällig 
verschwinden lassen?"), dann nehme ich das zur Kenntnis. 
Wenn Du 
allerdings meinst, dass mündige Menschen sich die Frage, wie man handeln soll, 
nicht stellen, dann bist Du im Irrtum. Es gibt soziale Regeln. Gerade das ist 
ein Zeichen der Mündigkeit, dass man wagt, diese Regeln in Frage zu stellen und 
zu fragen: "Welche Gründe gibt es für oder gegen diese Regeln?" Und es ist ein 
Zeichen von Mündigkeit, dass jeder Regeln für die es keine ihm einsichtigen 
Gründe gibt, als Dogmen kennzeichnet und kritisiert. (Das bedeutet übrigens 
nicht, dass man sich an diese Regeln nicht hält. Es gibt Regeln, die verbindlich 
sind, obwohl sie inhaltlich falsch sind.) 
Wenn man fragt: "Wie soll man 
in dieser bestimmten Situation handeln?" dann wendet man sich nicht an eine 
Autorität, die einem sagt, was richtig ist, sondern man fragt nach Argumenten, 
um ein eigenes Urteil in dieser Sache abzugeben.
So machen das auch die 
modernen Menschen von heute. Meint
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 01. 
Sept. 2006, 20:24 Uhr 
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Hallo Eberhard,
es ist schon schrecklich mit Dir. Du zwingst einen richtig 
zum Nachdenken :-(
Ich konzentriere mich auf den m. E. zentralen 
Hauptpunkt:
Benötigt man gemeinsame Grundwerte, die nicht weiter 
begründet werden können? 
Denn wenn Du in diesem Punkt schon recht hast, 
dann kann ich den Anspruch auf Kategorienfehler ohnedies nicht aufrechterhalten. 
Meine Argumentation geht ja dahin, dass der Anspruch auf „richtig / falsch“ bei 
moralischen Urteilen solange ein Kategorienfehler ist, als sich die Argumente 
der Beteiligten nicht auf gemeinsame (aber nicht mehr weiter begründbare) 
Grundwerte beziehen lassen, die als Maßstab für die Richtigkeit der jeweiligen 
Argumente dienen. 
Du verwirfst aber deutlich diesen Ansatz:
Quote:Im Alltagsleben werden Meinungsverschiedenheiten über moralische Fragen 
sicherlich meist in der Weise beigelegt, dass man versucht, gemeinsame Prämissen 
zu finden, von denen her sich ein gemeinsames Urteil ableiten lässt. 
Allerdings ist ein solcher Zustand nicht sehr befriedigend, weil möglicherweise 
keine gemeinsamen Grundwerte gefunden werden können. 
und setzt 
folgendes dagegen:
Quote:Das Kriterium, das ich vorgeschlagen habe 
und das ich der Kürze halber als "argumentative Konsensfähigkeit" moralischer 
Urteile bezeichnen will, ist jedoch kein willkürlich bestimmter Grundwert. 
Das Kriterium der "argumentativen Konsensfähigkeit" ist von besonderer Art. 
Wenn jemand die Frage stellt: "Warum soll ich denn meine Position 
nachvollziehbar begründen?" dann verlangt er damit eine derartige 
nachvollziehbare Begründung. 
Die Forderung „Du sollst Deine 
Position nachvollziehbar begründen?“ bedeutet, dass, wenn ich Dich recht 
verstanden habe, jede moralische Wertung einer Handlung (als richtig oder 
falsch) einem Gesprächspartner rational begründet werden können muß. 
Wie 
kann so ein Begründungsschema aussehen?
Setzen wir voraus, dass sowohl A 
und B dasselbe intersubjektiv nachvollziehbare Weltbild teilen und die 
Faktenlage zwischen den beiden geklärt ist. Ihr Wissensstand diesbezüglich ist 
identisch.
A: Du sollst X tun.
B: Warum?
Wonach fragt dieses 
Warum? Irgendein objektiver Sachverhalt kann es nicht sein, denn erstens gibt 
ein solcher keine Antwort auf Werturteile und zweitens haben A und B den 
gleichen Wissensstand. Die Frage kann nur bedeuten, dass B die moralische 
Geltung der Handlung an sich nicht akzeptiert und nachfragt, welchen 
eigentlichen moralischen Zweck diese Handlung erfüllt.
A: Wenn Du X tust, 
erzielst Du E(rgebnis) X und es ist moralisch richtig EX anzustreben anstatt EY, 
was das Ergebnis wäre, wenn Du X nicht tust.
Aber auch hier ist es 
möglich, dass B die Evidenz, dass „ EX besser EY“ nicht nachvollziehen kann und 
nach dem moralischen Zweck von EX oder der Vermeidung von EY fragt.
B: Warum 
ist „EX besser EY“? 
A: Weil EX zu EX2 führt, was man anstreben soll, während 
EY EY2 impliziert, was moralisch verwerflich ist.
und so weiter, bis ein 
moralischer Zweck auf irgendeiner Ebene der Begründungskette des A vom 
Gesprächspartner B akzeptiert wird. Angenommen A und B stimmen bezüglich EX2 
überein. Was ist das aber, worüber sie übereinstimmen? Der Zweck einer 
moralischen Handlung, der aber, egal auf welcher Ebene der Begründungen, selbst 
nur eine moralische Forderung sein kann (EX2 ist anzustreben). Und eine solche 
muß nach Deiner Forderung „argumentativen Konsensfähigkeit“ auch als gemeinsame 
Position von A und B ihrerseits weiter begründbar sein. Das ergibt also für jede 
beliebige moralische Position die Forderung einer unendlichen Kette von 
Begründungen. (Zirkelbegründungen sind natürlich verboten!).
Dein 
Kriterium der „argumentativen Konsensfähigkeit“ verlangt also, dass nur solche 
moralischen Forderungen das Prädikat richtig (oder falsch) erhalten können, die 
eine infinite Kette von Begründungen aufweisen.
Genügen dir aber die 
Begründungen, die einer bestimmten endlichen Anzahl von Begründungsschritten 
möglichst großen Konsens erzielen, hast Du nur diesen Konsens, aber nicht die 
„Richtigkeit“ einer moralischen Begründung bewiesen.
Meine These aber 
ist, dass alle moralischen Forderungen nach ein paar Begründungsebenen 
irgendwann nicht weiter begründbar sind sondern demjenigen, der sie vertritt als 
„vollkommen evident“, oder „universell gültig“ erscheinen. „Jeder Mensch bei 
klarem Verstand muß sie vertreten“. Oder: „Mein Gewissen sagt es mir so.“ 
Als Beispiel nehme ich eine Variante deines Testament-Beispiels 
(interessant, dass wir unabhängig voneinander auf eine sehr ähnliche 
Problemstellung gestoßen sind (beim Spenden-Empfänger hatte ich allerdings an 
den WWF gedacht). 
Angenommen der alleinstehende ältere Herr ohne Anhang 
gibt einem Familienvater P vor einer dringenden Operation sein Barvermögen mit 
dem Auftrag, er möge es, falls er den Eingriff nicht überlebt an den WWF 
spenden. Der Rest seiner Angelegenheiten sei schon geregelt. Leider überlebt er 
die Operation nicht.
P erzählt die Geschichte seiner Frau F und will sich 
aufmachen, die Spende einzuzahlen.
Dabei entspinnt sich aber folgender 
Dialog.
F: Tu das nicht. Wer weiß schon, was der WWF mit dem Geld anfängt. 
Aber genau mit dieser Summe könnten wir unserem Kind das heiß ersehnte 
Auslandsstudium finanzieren. Wir würden unser Kind zum glücklichsten Menschen 
der Erde machen.
P: Das ist absolut nicht möglich. Mein Freund hat mir 
bedingungslos vertraut. Es wäre ein Verrat an ihm.
F: Aber er ist tot. Wir 
beide wissen, dass wir ihn nicht mehr glücklich oder unglücklich machen können. 
Er hat sein Leben gehabt und kann sich weder über Deinen Verrat kränken noch 
sich über die Spende freuen. Aber unser Kind kannst Du glücklich machen damit.
P: Und der Schaden, den wir WWF zufügen?
F: Was ist dir wichtiger: der WWF 
oder unser Kind?
P: Gut – unser Kind. Aber darum geht es nicht. Ich fühle 
mich meinem Freund noch immer verpflichtet.
F: Aber das ist doch irrational! 
Du sagst doch selbst, dass dich der Schaden am WWF, den der sowieso nicht einmal 
merken würde, für dich nicht relevant ist. Aber das Glück Deines Kindes ist dir 
weniger Wert als die Verpflichtung jemandem gegenüber, dem es jetzt nichts mehr 
bedeutet.
P: Ich würde unserem Kind die Möglichkeit ja auch gerne bieten, und 
ich kann dich verstehen. Aber der Verzicht auf das Auslandsstudium ist unserem 
Kind zuzumuten. Er kann schließlich auch hier studieren. In diesem Fall empfinde 
ich die Verpflichtung gegenüber meinem Freund stärker.
F: Es ist doch ganz 
klar, dass hier der vernünftige Wunsch, unserem Kind zu nützen, einem 
sentimentalen Bedürfnis, das niemandem nützt, gegenüber steht!
P: Ich gebe 
zu, dass die Verpflichtung meinem Freund gegenüber nicht rational zu 
rechtfertigen ist.
Ich fühle sie einfach. Es wäre wie ein Verrat an ihm. Aber 
wie ist es mit Deinem Wunsch, unserem Kind das Auslandsstudium zu ermöglichen. 
Du willst es glücklich machen! Ist dieses Bedürfnis rational zu rechtfertigen? 
Ich behaupte, dass auch der Wunsch, unserem Kind zu nützen nicht rational zu 
rechtfertigen ist. Was ist, wenn wir diesen Wunsch eben nicht so stark empfinden 
würden sondern uns mit dem Geld lieber selbst etwas Gutes damit tun? Wäre das 
dann irrational?
Meine Standpunkt: Ich gebe P recht. Beide Dialogpartner 
sind an einem Punkt angekommen, wo unterschiedliche Verpflichtungen und Werte – 
die Freundespflicht und die Mutterliebe – einander gegenüber stehen, ohne dass 
sie durch rationale Begründungen gerechtfertigt werden können. Die beiden fühlen 
eben so. Eberhard, kannst Du den Dialog rein rational zu einem Ende führen, das 
den Zwist klärt? Oder, wie es Dein „argumentatives Konsensprinzip“ eigentlich 
verlangt, ad infinitum weiterspinnen?
Wenn nicht, dann stehen einander 
zwei Empfindungen gegenüber, die beide berechtigt sind und weder P noch F sagen 
dürfen, dass die eine Handlung falsch oder richtig sei.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
01. Sept. 2006, 22:00 Uhr 
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Ich gebe zu, dass die Verpflichtung meinem Freund gegenüber nicht rational zu 
rechtfertigen ist.
Doch. Das Geld wurde ihm treuhänderisch übergeben und 
ist nicht sein Eigentum.
In diesem Falle greift § 246 StGB:
Unterschlagung
(1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem 
Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder 
mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit 
schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Ist in den Fällen des Absatzes 1 die 
Sache dem Täter anvertraut, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren 
oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Für die 
liebreiche Gattin greift § 26 StGB:
Anstiftung
Als Anstifter 
wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen 
vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Und da es sich um 
eine größere Geldsumme handeln müsste, würde ich nicht darauf bauen, dass das 
nicht auffällt, denn nicht zu Unrecht sind die meisten Menschen der Ansicht, 
dass Geld nicht auf Straßenbäumen wächst.
Die moralische Frage entpuppt 
sich also als eine schlichte und eindeutige Rechtsfrage, für die letztlich nicht 
das Gewissen zuständig ist, sondern der Richter im Landgericht.
Ich 
schlage vor, wir lassen solche Beispiele. Die sind nämlich längst geklärt.
Philosophie ist Grundlagenwissenschaft. In ihren Bereich gehört nicht die 
Kritik an einzelnen Strafrechtsnormen (oder will man Philosophen ein neues StGB 
schreiben, also quasi das Rad neu erfinden lassen?), sondern die Frage, warum es 
überhaupt solche Normen gibt, und zwar schon seit so langer Zeit und in so 
vielen unterschiedlichen Kulturen, dass man einen gewissen Konsens darüber 
durchaus annehmen kann. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 01. 
Sept. 2006, 23:30 Uhr 
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on 09/01/06 um 22:00:35, Abrazo wrote:Ich gebe zu, dass die Verpflichtung 
meinem Freund gegenüber nicht rational zu rechtfertigen ist.
Doch. Das 
Geld wurde ihm treuhänderisch übergeben und ist nicht sein Eigentum.
In 
diesem Falle greift § 246 StGB:
......
Die moralische Frage entpuppt sich 
also als eine schlichte und eindeutige Rechtsfrage, für die letztlich nicht das 
Gewissen zuständig ist, sondern der Richter im Landgericht.
Ich schlage 
vor, wir lassen solche Beispiele. Die sind nämlich längst geklärt. 
Ich sehe überhaupt keine Relevanz, ob solche Fragen rechtlich geregelt sind oder 
nicht. Geltendes Recht und die Moral der Individuen sind zwei paar Schuhe. 
Schön, wenn Recht und Moral harmonieren, unangenehm wenn nicht. Dann wäre 
nämlich das jeweilige Individuum, dessen moralisches Empfinden mit geltendem 
Recht kollidiert, moralisch verpflichtet, dagegen zu verstoßen. Ein sehr gutes 
Beispiel sind z.B. einige Gesetze des nicht ganz so 1000jährigen Reiches.
Quote:Philosophie ist Grundlagenwissenschaft. In ihren Bereich gehört nicht 
die Kritik an einzelnen Strafrechtsnormen (oder will man Philosophen ein neues 
StGB schreiben, also quasi das Rad neu erfinden lassen?), sondern die Frage, 
warum es überhaupt solche Normen gibt, und zwar schon seit so langer Zeit und in 
so vielen unterschiedlichen Kulturen, dass man einen gewissen Konsens darüber 
durchaus annehmen kann. 
Mein Deinerseits vom Strafrechtsparagraphen 
verfolgtes Beispiel dient lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer 
Konsens nicht so ohneweiteres herstellbar ist. Kann sein, daß es ein schlechtes 
Beispiel ist. Kann aber auch sein, daß Du einfach keine Lust hast, Dich mit 
meinen Argumenten abzugeben.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 01:29 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Wenn Du allerdings meinst, dass mündige Menschen sich 
die Frage, wie man handeln soll, nicht stellen, dann bist Du im Irrtum. Es gibt 
soziale Regeln.
"In Fragen des sozial und ethisch korrekten Verhaltens 
wenden sie sich entweder an ihre Eltern, ihren Klassenlehrer, ihren Priester, 
ihren Ethikprofessor oder ihren Psychotherapeuten. Aber befragen sie nie mehr 
als eine Person."
"In Fragen des nach den Gesetzen korrekten Verhaltens 
befragen sie ihren Rechtsanwalt."
"In Fragen des sozial korrekten Verhaltens 
fragen sie entweder ihren CDU-Politiker, ihren SPD-Politiker....WASG, aber 
niemals mehr als einen."
Soziale Regeln gibt es nur dann, wenn sie 
allgemein anerkannt sind, das heißt, wenn niemand im Brustton der Überzeugung 
das Gegenteil behauptet.
Das ist selbst bei Gesetzen so schwer, wie sich die 
Richter in dem Gesetzesdschungel tun.
Natürlich wird sich eine mündige 
Person anpassen wollen - so weit, wie sie es für vorteilhaft hält.
Du: 
Gerade das ist ein Zeichen der Mündigkeit, dass man wagt, diese Regeln in Frage 
zu stellen....als Dogmen kennzeichnet und kritisiert.
Volle Zustimmung.
Du: (Das bedeutet übrigens nicht, dass man sich an diese Regeln nicht hält. 
Es gibt Regeln, die verbindlich sind, obwohl sie inhaltlich falsch sind.) 
Das ist keine Frage der Mündigkeit. Sondern der Loyalität gegenüber der 
Gemeinschaft.
Du: Wenn man fragt: "Wie soll man in dieser bestimmten 
Situation handeln?" dann wendet man sich nicht an eine Autorität, die einem 
sagt, was richtig ist, sondern man fragt nach Argumenten, um ein eigenes Urteil 
in dieser Sache abzugeben.
Volle Zustimmung, wenn diese Argumente keine 
getarnten Gängelbänder sind wie Regeln nach dem Motto "man soll...."
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 02. Sept. 2006, 04:09 Uhr 
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Hallo hel! 
Quote:Meine Argumentation geht ja dahin, dass der 
Anspruch auf „richtig / falsch“ bei moralischen Urteilen solange ein 
Kategorienfehler ist, als sich die Argumente der Beteiligten nicht auf 
gemeinsame (aber nicht mehr weiter begründbare) Grundwerte beziehen lassen, die 
als Maßstab für die Richtigkeit der jeweiligen Argumente dienen. 
Ich stimme Dir im Wesentlichen zu: Eine Diskussion über die Begründung von 
Normen kann nur erfolgreich sein - und kann überhaupt nur geführt werden -, wenn 
die Beteiligten sich (faktisch) schon über Werte, Normen, Lebensformen einig 
sind, die in der Diskussion nicht in Frage stehen. 
Aber anders als Du 
betrachte ich solche "Grundwerte" nicht als "Axiome". Axiome sind theoretische, 
also bewusste, reflektierte "Setzungen". Das, was die Beteiligten an einem 
Begründungsdiskurs teilen, ist weit mehr als das. Es sind vor allem gemeinsame 
"Lebensformen". So müssen sie sich - scheinbar ganz simpel - ja verstehen, also 
eine gemeinsame Sprache mit gemeinsamen Regeln haben. Und eine Sprache ist immer 
eingebettet in praktische Zusammenhänge, ohne die sie sich gar nicht verstehen 
ließe. 
Begründungsdiskurse, in denen einzelne Normen diskutiert werden, 
lassen sich nur führen vor dem Hintergrund vieler "gelebter" Gemeinsamkeiten, 
die ihrerseits nicht Thema der Diskussion sein können. So kann man ja auch 
einzelne fragliche Wörter nur erklären, wenn man die Sprache im großen und 
ganzen beherrscht. Man kann die gemeinsame Sprache nicht von einem Standpunkt 
der Sprachlosigkeit aus konstruieren. Analog gilt das auch für Handlungsnormen. 
Man hat immer schon eine (gemeinsame) Moral, bevor man moralische Normen 
bezweifeln und diskutieren kann. 
Aber dieser grundlegende normative 
Konsens verdankt sich nicht einer reflektierten Begründung, er ist auch nicht in 
reflexiver Einstellung "gesetzt" und dürfte sich auch kaum vollständig reflexiv 
durchschauen lassen. Das macht ihn aber nicht per se "irrational" oder 
"dogmatisch" in dem Sinne, wie Eberhard dieses Wort gebraucht: "Dogmatisch" ist 
es für ihn, wenn jemand innerhalb einer Diskussion auf ein kontingentes Faktum 
verweist und dies als Begründung einführt. Der gemeinte grundlegende Konsens 
kann in diesem Sinne nicht "dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und 
zustande gekommen ist. 
Das Hauptproblem von Eberhards 
Normenbegründung durch "konsensfähige Argumente" liegt m.E. darin, dass dieses 
Begründngsmodell von (faktischen) Voraussetzungen abhängt, die es selbst nicht 
einholen kann. Oder anders gesagt: Die vernünftige Argumentation kann nicht ihre 
eigene Konsensfähigkeit erzeugen. Sie bedarf eines schon bestehenden Konsenses, 
den sie selbst nicht geschaffen hat. 
Eberhard möchte die faktischen 
Voraussetzungen (und Hindernisse wie z.B. faktische Ungleichheit) für den 
rationalen Diskurs gerne als "Randbedingungen" behandeln, die nicht zum 
rationalen "Kern" gehören. So steht auch der faktische Konsens, der aus einer 
Diskussion hervorgehen mag, bei ihm immer unter einem theoretischen Vorbehalt; 
nicht der faktische Konsens zählt, sondern die Konsensfähigkeit seiner 
Begründung und des Begründungsverfahrens. Aber irgendwo muss der Scheck der 
Konsensfähigkeit durch einen faktischen Konsens gedeckt sein, denn er muss ja im 
faktischen, gemeinsamen, normenkonfomren Handeln eingelöst werden. Erst da zeigt 
sich, was eine vernünftige Begründung wert ist. 
Das sei für den 
Augenblick erst mal genug. 
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 11:48 Uhr 
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Hi, Urs,
danke erst mal für Dein Fußnotenzitat, ich googele gerade nach 
weiteren Arbeiten von ihm.
Dein Text ist schwer verständlich. Was die 
Veständlichkeit erschwert, das sind Ausdrücke wie: 
"Es sind vor allem 
gemeinsame "Lebensformen"" - Was genau bezeichnest Du damit?
"er ist auch 
nicht in reflexiver Einstellung "gesetzt"" - Was bezeichnest Du damit?
"Kontingentes Faktum" - was heißt das denn? (Wikipedia: Ein Kontingent ist eine 
im vorhinein zugeteilte Menge, aus der sich Teile einzeln entnehmen lassen.) Wie 
läßt sich das auf ein Faktum anwenden?
"Der gemeinte grundlegende Konsens 
kann in diesem Sinne nicht "dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und 
zustande gekommen ist." Wie ist das zu verstehen? Irgendeine Person wird das, 
was sie für den "grundlegende Konsens" hält, als "Gebot X" oder so formulieren, 
und wenn sie Gebot X nicht vernünftig legitimieren kann, aber trotzdem 
durchsetzen will, muß sie "Gebot X" zum Dogma erklären und Scheiterhaufen 
aufschütten zur Disziplinierung der Ketzer. Nach der Formulierung des 
"grundlegende Konsens" wird zeigt das Echo, ob er eine Selbsttäuschung war.
"Kern" - Welchen Kern meinst Du, was unterscheidet den Inhalt vom Kern vom Rest?
Kannst Du das ganze auch einfacher ausdrücken?
So kann ich damit nix 
anfangen, kann Deine Thesen weder bestätigen noch widerlegen.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
02. Sept. 2006, 12:33 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Wolfgang,
Regeln nach dem Motto "Man 
soll…" sind dann keine getarnten Gängelbänder, wenn man eingesehen hat, dass es 
vernünftigen Gründe für diese Regeln gibt.
Hallo hel,
versuchen 
wir, die Positionen zu klären.
Du bist der Ansicht, dass sich eine 
moralische Regel wiederum nur durch Ableitung aus einer anderen moralischen 
Regel begründen lässt. Deshalb kommst du zu dem Schluss, dass ich mit dem 
Kriterium des "argumentativen Konsens" praktisch eine unendliche Kette von 
Begründungen verlange.
Das sehe ich anders. Wenn ich eine moralische Norm 
daraufhin untersuche, ob sie von allen gemeinsam gewollt werden kann, dann wende 
ich nicht nur moralische Normen an sondern zusätzlich methodologische Normen. 
(Unter "Methodologie" verstehe ich die Regeln der wissenschaftlichen 
Erkenntnisgewinnung.)
Ein Vergleich mit der Methodologie der 
Erfahrungswissenschaften kann dies verdeutlichen. Wenn ich einen positiven (= 
das Gegebene betreffenden), empirischen Satz, wie z. B. "Ein Quader Granit ist 
schwerer als ein gleich großer Quader Marmor", begründen will, dann tue ich dies 
nicht allein dadurch, dass ich den zu begründenden Satz aus anderen positiven 
Sätzen logisch ableite. Die Begründung erfolgt zusätzlich durch meine 
Wahrnehmungen ("Ich sehe, dass die Waage auf der Seite nach unten geht, wo der 
Quader aus Granit liegt").
Die methodologische Regel, die hier zur 
Anwendung kommt lautet: "Leite aus der zu begründenden Aussage eine Prognose ab 
und prüfe, ob die Prognose mit deiner Wahrnehmung übereinstimmt." Dies ist 
selber kein positiver Satz sondern eine methodologische Regel. Es kommt deshalb 
hier auch nicht zu einem unendlichen Regress.
In ähnlicher Weise verhält 
es sich bei normativen Sätzen. Die methodologische Regel "Prüfe die behauptete 
Norm daraufhin, ob ihr alle Individuen gemeinsam zustimmen könnten " erfordert 
keinen unendlichen Regress. Ein konkretes Beispiel hierfür habe ich bereits 
gegeben, indem ich zu zeigen versucht habe, dass der Egoismus eines Individuums 
nicht allgemein konsensfähig sein kann.
Hier mache ich erstmal eine 
Pause, damit die Brocken nicht zu groß werden, die man zu zerbeißen und zu 
verdauen hat.
Grüße an alle, die sich über ungestörte Diskussionen unter 
gleich Interessierten freuen von 
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
02. Sept. 2006, 14:07 Uhr 
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Hi,
super, Urs. Das war überfällig, dass einer unsere Diskussion auf das 
solide Fundament bestehender philosophischer Erkenntnisse stellt. Spart die 
Klärung längst geklärten Beiwerks.
Diese Argumentation, Wolfgang, findest 
Du bei Ludwig Wittgenstein, z.B. in den Philosophischen Untersuchungen. Mit dem 
würde ich mich an Deiner Stelle nicht anlegen, ohne ihn gelesen zu haben.
dient lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer Konsens nicht so 
ohneweiteres herstellbar ist. 
Das ist auch nicht nötig, Hel, siehe Urs. 
Der besteht nämlich längst (siehe auch meine Äußerungen im Thread "Vertrauen"). 
Denn auf diesen Konsens vertrauen wir, auch wenn einige ihn nicht einhalten.
Woher dieses Vertrauen und auf was vertraut wird, das ist eine Frage der 
Ethik. Denn es ist eine Frage nach dem, was ist, und nicht danach, wie es sein 
soll.
Damit werden Eberhards Bemühungen nicht nutzlos, im Gegenteil. Sie 
bekommen dadurch erst 'Fleisch'. Denn wenn wir das Fundament freigelegt haben, 
auf dem Moral aufbaut, können wir uns der Forderung widmen, dass die praktischen 
moralischen 'Vorschriften' sich von diesem Fundament logisch abzuleiten haben. 
Eine klare, einsichtige Struktur erscheint mir nämlich die Voraussetzung eines 
Konsenses zu sein.
Dir, Hel, liefere ich ein anderes Beispiel, das mir 
gerade wieder über den Weg gelaufen ist. Das ist nämlich nicht rechtlich 
geregelt:
In unserem Haus wohnt eine immer noch attraktive über 
siebzigjährige Witwe, die seit anderthalb Jahren, also seit ihr Mann gestorben 
ist, ihr Leben entspannt genießt.
Dazu hat sie auch allen Grund, denn ihr 
Mann saß über 10 Jahre lang im Rollstuhl, baute geistig immer mehr ab und war 
die letzten zweieinhalb Jahre seines Lebens gar nicht mehr vernünftig 
ansprechbar. Sie pflegte ihn.
Der Mann, den sie wohl liebte, war er also 
schon lange nicht mehr, was ihr klar war. Sie hat nicht übermäßig getrauert, als 
er verstorben war, war im Grunde erleichtert, und doch hätte sie nie anders 
gehandelt, als - ihre Pflicht zu tun. Sie sagte, ihn wegzugeben und ein eigenes 
Leben zu führen (was man natürlich, trotz Hilfe, nicht kann, wenn man einen 
pflegt, der mangels Verstand unberechenbar ist und dauernder Aufsicht bedarf) 
sei ihr niemals in den Sinn gekommen. So etwas tue 'man' nicht, jedenfalls nicht 
in ihren Kreisen. Natürlich konnte sie, bodenständig und gut gebildet, dennoch 
nicht den Grund präzise angeben. Ich denke, es trifft diesen Grund, wenn ich 
sage, in ihren Augen wäre es unmoralisch gewesen.
Die Frage, warum soll 
man moralisch handeln, stellte sich ihr nicht. Sie handelte so, fertig. Was 
findest Du als Letztbegründung beim Überdenken der Möglichkeit, den Mann in ein 
Heim zu geben? Vernunft? Weitreichenden Egoismus?
Ich erkenne nur das 
ethische Nein.
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 15:54 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: Regeln nach dem Motto "Man soll…" sind dann keine 
getarnten Gängelbänder, wenn man eingesehen hat, dass es vernünftigen Gründe für 
diese Regeln gibt.
Wozu dann das Wort "soll"? Dann wäre "du darfst" 
besser.
Gerade die Wahl des Wortes "soll" ist das kennzeichnende Merkmal 
für eine Anleitung zum Handeln, welche die Zielgruppe nicht freiwillig ausführen 
würde. Deswegen ist der Begriff "Gängelband" eher treffend als falsch.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
02. Sept. 2006, 16:01 Uhr 
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Hallo hel,
ich setze die Auseinadersetzung mit Deiner Kritik fort.
Du demonstrierst Deine Position anhand eines Beispiels ("Soll man ein 
Versprechen gegenüber einem Verstorbenen einhalten?") 
Abrazo ist mit dem 
Beispiel nicht einverstanden, weil hier – so wie in meinem Beispiel ("Darf man 
ein unvorteilhaftes Testament vernichten?") die moralische Frage sich als 
Rechtsfrage entpuppe. 
Ich gebe Abrazo insofern recht, als sich die 
moralische Situation ändert, wenn eine einschlägige Rechtsnorm existiert. Dann 
stellt sich wohl als erstes die (moralische) Frage: "Soll ich die Rechtsnorm 
befolgen?" und die Situation wird sehr viel komplexer. 
Andererseits kann 
man das Beispiel trotzdem diskutieren und die rechtliche Regelung ausklammern.
Mir ist aufgefallen, dass die Frau eigentlich keine moralische Argumente 
vorträgt, wenn Sie vorschlägt, das Geld des verstorbenen Freundes für die 
Ausbildung ihres Sohnes zu verwenden. Sie argumentiert damit, dass das Geld dem 
Sohne nützt und das müsse dem Vater doch wichtiger sein als die Einhaltung eines 
Versprechens oder die Unterstützung des World Wildlife Fonds. 
Ich sehe 
nicht, wie diese Argumente eine allgemeine Anerkennung finden könnten. Ich sehe 
Millionen von Leuten, die eine bessere Verwendung für das fremde Geld hätten, 
als es dem Sohn von Frau X für dessen Ausbildung zu geben.
Auch der Mann 
argumentiert eigentlich nur schwach moralisch, wenn sein Hauptargument das 
vernünftig nicht zu rechtfertigende Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem 
verstorbenen Freund ist. Wenn man Versprechen halten soll, dann ist er doch 
verpflichtet, das Geld nach dem Willen des Eigentümers zu verwenden und wie 
versprochen weiter zu geben. Wie will er hier für eine Ausnahme plädieren?
Ich kann also auch in Deinem Beispiel nicht die Problematik des infiniten 
Regresses erkennen und sehe keine unlösbaren Widersprüche.
Es grüßt Dich 
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 02. Sept. 2006, 17:56 Uhr 
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Hallo Wolfgang! 
Quote:ein Text ist schwer verständlich. Was die 
Veständlichkeit erschwert, das sind Ausdrücke wie: 
"Es sind vor allem 
gemeinsame "Lebensformen"" - Was genau bezeichnest Du damit? 
Als 
Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata von unterschiedlicher 
Komplexität. Das morgendliche Kaffeekochen ist ebenso eine Lebensform wie eine 
arbeitsteilig organisierte Institution. Auch ein eingebürgerter Sprachgebrauch 
kann eine "Lebensform" genannt werden. Handlungsschemata sind nicht ohne 
weiteres durch empirische Sätze zu beschreiben, sie enthalten wegen ihrer 
Zweckstruktur auch normative Momente. So kann etwa das Handlungsschema des 
Kaffeekochens durch eine Gebrauchsanweisung beschrieben werden, die angibt, 
welche Teilhandlungen in welcher Reihenfolge auszuführen sind, damit das 
Handlungsziel nicht verfehlt wird. Handlungen, die für einen ahnungslosen 
Beobachter dem Kaffeekochen zwar sehr ähneln mögen, die aber keinen brauchbaren 
Kaffee hervorbringen, kann man eben nicht "Kaffeekochen" nennen. 
Quote:"er ist auch nicht in reflexiver Einstellung "gesetzt"" - Was 
bezeichnest Du damit? 
Eine Handlung vollziehen ist nicht 
dasselbe wie über sie sprechen, sie beschreiben oder analysieren. Oben habe ich 
nicht Kaffee gekocht, sondern in "reflexiver Einstellung" über das Kaffeekochen 
gesprochen. Es diente dabei nur als Beispiel für ein Handlungsschema. 
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne ich sie "gesetzt", 
wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt werden. Solange man 
über Normen oder Zwecke nur nachdenkt/diskutiert, hat man sie noch nicht "in 
Geltung gesetzt" oder "beschlossen". 
Zweifellos besteht die Möglichkeit, 
zweckmäßige Handlungen zu vollziehen, über deren Zwecke man sich nicht im klaren 
ist. So wird einem auch erst in einer ernstlich lebensgefährlichen Situation 
bewusst, wie sehr man "am Leben hängt"; man hat eben sehr deutlich den "Kampf" 
in sich erfahren. Für Schüler ist es Alltag, Fertigkeiten lernen zu müssen, ohne 
eine klare Vorstellung davon zu haben, wofür sie eigentlich gut sein sollen. Und 
es gibt sehr viele Dinge in unserem Leben, die wir "einfach so" tun, ohne je 
einen Gedanken an ihren Nutzen verschwendet zu haben. Solche Handlungen müssen 
keineswegs nutzlos oder irrational sein; nur spielt die explizite Formulierung 
des Nutzens oder der Zweckmäßigkeit keine Rolle für uns. 
Quote:"Kontingentes Faktum" - was heißt das denn? (Wikipedia: Ein Kontingent ist 
eine im vorhinein zugeteilte Menge, aus der sich Teile einzeln entnehmen 
lassen.) Wie läßt sich das auf ein Faktum anwenden? 
Kontingenz 
ist ein alter philosophischer Terminus, der das "So-oder-anders-sein-können" 
einer Aussage oder eines Sachverhalts bezeichnet. "Kontingent" ist eine Aussage, 
wenn sie entweder wahr oder falsch sein kann. "Notwendig" wird sie genannt, wenn 
sie entweder nur wahr oder nur falsch sein kann. 
Fakten ("bestehende 
Sachverhalte") sind eigentlich immer kontingent. - Eine Gesetzesaussage, die 
Variable enthält, ist ihrer "Form" nach "notwendig"; d.h. sie gilt z.B. für alle 
x oder y. Solange aber die Variablen nicht durch Werte ersetzt werden, handelt 
es sich nicht um eine empirische Aussage. Die - kontingenten! - Werte, die x 
oder y nun annehmen kann, machen aus der Formel erst einen Erfahrungssatz. 
Quote:"Der gemeinte grundlegende Konsens kann in diesem Sinne nicht 
"dogmatisch" sein, weil er präreflexiv besteht und zustande gekommen ist." Wie 
ist das zu verstehen? Irgendeine Person wird das, was sie für den "grundlegende 
Konsens" hält, als "Gebot X" oder so formulieren, und wenn sie Gebot X nicht 
vernünftig legitimieren kann, aber trotzdem durchsetzen will, muß sie "Gebot X" 
zum Dogma erklären und Scheiterhaufen aufschütten zur Disziplinierung der 
Ketzer. Nach der Formulierung des "grundlegende Konsens" wird zeigt das Echo, ob 
er eine Selbsttäuschung war. 
Nach meiner Erläuterung der 
"reflexiven Einstellung" und der "Setzung" oben müsstest Du das Gemeinte 
verstehen können. "Dogmatisch" - so hatte ich Eberhards Wortgebrauch erläutert - 
sei der Hinweis auf ein Faktum als Argument in einem Begründungsdiskurs. 
Beispiel: "Sex vor der Ehe ist unmoralisch, weil der Papst ihn verboten hat." Es 
wäre aber denkbar, dass in einer Gesellschaft seit eh und je Sex vor der Ehe 
verpönt ist, ohne dass jemand die Frage beantworten könnte, wieso eigentlich. Es 
wäre dann einfach ein zwanglos "gelebter" Konsens, der nicht in Frage gestellt 
und explizit begründet wurde und wird. So einen Konsens kann man m.E. nicht 
"dogmatisch" nennen. 
Grüß Dich, 
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 02. Sept. 2006, 20:05 Uhr 
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Hi, Urs
Du: Als Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata 
von unterschiedlicher Komplexität...arbeitsteilig organisierte 
Institution....0eingebürgerter Sprachgebrauch kann eine "Lebensform" genannt 
werden.
Habe ich Dich dann richtig begriffen, wenn ich dies so 
beschreibe: "Das Paar hat eine morgendliche Routine entwickelt, zu deren 
Beschreibung sich die Regel formulieren ließe: 'Wer zuerst in die Senkrechte 
kommt, der schmeißt die Espresso-Maschine für zwei Tassen an.'"
Du: 
Handlungsschemata sind nicht ohne weiteres durch empirische Sätze zu beschreiben
Wenn ich das Beispiel "Schachspiel" denke, dann kommen sogar Supercokputer 
ins Schwitzen.
Du: sie enthalten wegen ihrer Zweckstruktur auch normative 
Momente
Was bezeichnest Du hier wieder mit "normatives Element"?
Normieren muß ich doch nur, was man sinnvoll auch anders machen könnte. 
Beispielsweise kann man auf den Straßen Linksverkehr oder Rechtsverkehr 
einführen, beides geht gut, es darf nur keine Geisterfahrer geben. Das muß ich 
normieren.
Daß ich für den Espresso erst Kaffeebohnen einfüllen muß, 
bevor ich starte, ergibt sich aus den sachlichen Notwendigkeiten aber so 
zwingend, daß ich gerade das nicht normieren muß.
Du: Eine Handlung 
vollziehen ist nicht dasselbe wie über sie sprechen, sie beschreiben oder 
analysieren.
In welche Diskussionsrunde mußt Du das betonen?
Du: 
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne ich sie "gesetzt", 
wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt werden.
Ist 
die Reflektion dazu aus Deiner Sicht notwendig? Wer in eine Firma eintritt, der 
lernt sehr schnell, sich zu benehmen, manches wird ihm gesagt, Vieles lernt er 
durch Nachahmung.
Du: Für Schüler ist es Alltag, Fertigkeiten lernen zu 
müssen, ohne eine klare Vorstellung davon zu haben, wofür sie eigentlich gut 
sein sollen.
Halte ich für einen Mangel des Pädagogen.
Du: 
"Kontigent" ist eine Aussage, wenn sie entweder wahr oder falsch sein kann.
Dann reg mal die Aufnahme in phillex an, und wenn Du solche seltenen 
Begriffe hier einführst, dann definiere sie bitte gleich.
Du: Eine 
Gesetztesaussage, die Variable enthält, ist ihrer "Form" nach "notwendig"; d.h. 
sie gilt z.B. für alle x oder y. 
Welche Art von x oder y bezeichnest Du 
hier?
Nee, ich brech ab.
Ich kann das Wertvolle in Deinem Text 
nicht sehen, daß es die Mühe wett machen würde, ihn verstehen zu wollen.
Wir regen mit Moral über etwas, das sich im Verhalten unserer Urahnen schon 
gefunden haben muß, als deren Schädel noch zu winzig waren für kluge Gedanken.
Denn auch eine Affenhorde muß zusammen halten, sie muß sich auf gemeinsame 
Verhaltensweisen einigen, notfalls, indem der Affenhäuptling droht oder das 
Alphaweibchem ihm die kalte Schulter zeigt.
Die Vorgänge dabei können 
nicht so kompliziert sein, wie Deine Beschreibung schildert.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
02. Sept. 2006, 20:39 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Urs,
was Du über grundlegende 
Voraussetzungen vernünftiger Argumentation sagst, kann ich über weite Strecken 
akzeptieren, mit dem Vorbehalt, dass du Deine angedeuteten Bezüge 
konkretisierst. Ohne Zweifel: Wir brauchen eine gemeinsame Sprache 
einschließlich ihrer grammatischen Regeln, wir brauchen funktionierende Gehirne 
und Sinnesorgane, wir brauchen Zeit zum Argumentieren und Nachdenken, wir 
brauchen ein Vorverständnis des Problems, um das es geht, wir brauchen die 
Fähigkeit zum Verstehen der Argumente, wir brauchen eine gewisse Mündigkeit, 
damit man sich überhaupt an eine derartige Frage heranwagt usw. usw.
Diese Voraussetzungen werden nicht durch rationale, intersubjektiv 
nachvollziehbare Argumente geschaffen. Das habe ich jedoch auch gar nicht 
behauptet: Mir geht es ja um die Geltung moralischer Normen nicht um die Genesis 
dieser Normen. Dein Motto ist ja die Theorie, die der gelungenen Praxis folgt, 
sie aber nicht schafft.
Es gab schon eine Marktwirtschaft und 
Optimierungsprozesse, bevor die Theorie der Marktwirtschaft formuliert wurde. 
Und es gab schon Echolote in der Natur, bevor die zugrunde liegende Technik 
erforscht war.
Probleme bekomme ich allerdings, wenn Du die notwendigen 
Voraussetzungen für vernünftiges Denken und Argumentieren als "grundlegenden 
normativen Konsens" bezeichnest, "der sich auch kaum vollständig reflexiv 
durchschauen lassen" dürfte.
Kann man angeben, was der Inhalt dieses Konsens 
ist? Wenn ja, dann sollte man das tun, wenn nein, sollte man nicht von "Konsens" 
sprechen. Eine Zustimmung, von der der Zustimmende nicht angeben kann, wem oder 
was er zustimmt, ist eine Überdehnung des Begriffs.
Ich sehe deshalb 
nicht, an welchem Punkt meine Ausführungen korrekturbedürftig sind. Dies auch zu 
Abrazo. Ich habe niemals auch nur den Anschein erweckt, man könne so ohne 
weiteres einen Konsens in moralischen Fragen erzielen. Ich bin sogar der 
Meinung, dass eine Gesellschaft nicht mittels eines "argumentativen Konsens" 
geordnet werden kann. Der Streit der Gelehrten ist niemals definitiv beendet und 
viele Fragen bleiben angesichts beschränkter Erkenntnis unbeantwortbar. 
Deshalb wird unsere Gesellschaft nur teilweise durch Normen geordnet, wie man 
handeln oder häufiger noch, wie man nicht handeln soll. Von größter Bedeutung 
sind die so genannten Ermächtigungsnormen, wie: "Die Kinder haben den Eltern zu 
gehorchen", "Streit über die Einhaltung von Verträgen wird durch Gerichte 
entschieden", "Der Untergebene hat den Anordnungen des Vorgesetzten Folge zu 
leisten", "Der Eigentümer einer Sache darf über diese nach seinem Belieben 
verfügen", "Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik", "Jede 
mündige Person kann sich durch Versprechen selbst verpflichten", "Jeder hat das 
Recht, seinen Beruf frei zu wählen" etc.
Diese Normen beziehen sich auf 
Verfahren, die ihrerseits Normen setzen, die Verbindlichkeit beanspruchen, weil 
sie formgerecht zustande gekommen sind und nicht, weil sie inhaltlich 
einwandfrei sind.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
02. Sept. 2006, 20:42 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
schreibt Eure Mahnabteilung an die säumigen Zahler, dass 
sie zahlen sollen oder dass sie zahlen dürfen?
Eine Welt ohne Pflichten 
findest Du nur auf Wolke neun,
vermutet Eberhard. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 02. 
Sept. 2006, 21:12 Uhr 
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Hallo urs
on 09/02/06 um 04:09:27, Urs_meinte_Euch wrote:.... anders als 
Du betrachte ich solche "Grundwerte" nicht als "Axiome". Axiome sind 
theoretische, also bewusste, reflektierte "Setzungen". Das, was die Beteiligten 
an einem Begründungsdiskurs teilen, ist weit mehr als das. Es sind vor allem 
gemeinsame "Lebensformen". So müssen sie sich - scheinbar ganz simpel - ja 
verstehen, also eine gemeinsame Sprache mit gemeinsamen Regeln haben. 
Deine Bemerkung, daß diese Grundwerte keine Axiome sind, ist natürlich 
richtig. Ich wollte vor allem deutlich machen, daß sie allerdings etwas mit 
Axiomen gemeinsam haben: sie sind nicht weiter begründbar und sie sind die 
notwendigen Ankerpunkte, mit deren Hilfe Handlungen als moralisch richtig oder 
falsch beurteilt werden können. Bei dem Fehlen eines gemeinsamen grundlegenden 
Konsens, wie du es nennst, wird die Diskussion über den moralischen Wert von 
Handlungen sinnlos bleiben.
Quote:Aber dieser grundlegende normative 
Konsens verdankt sich nicht einer reflektierten Begründung, er ist auch nicht in 
reflexiver Einstellung "gesetzt" und dürfte sich auch kaum vollständig reflexiv 
durchschauen lassen. Das macht ihn aber nicht per se "irrational" oder 
"dogmatisch" in dem Sinne, wie Eberhard dieses Wort gebraucht 
Nun 
irrational nicht. Aber unrational, indem die moralische Norm selbst rational 
nicht begründbar ist. Außer in dem Sinne, als Verhaltensforscher, Psychologen, 
Anthropologen etc. vielleicht begründen können, wie moralische Maßstäbe 
entstehen. Aber das ist ja nicht der Gegenstand unserer Erörterungen.
Quote:....Die vernünftige Argumentation kann nicht ihre eigene Konsensfähigkeit 
erzeugen. Sie bedarf eines schon bestehenden Konsenses, den sie selbst nicht 
geschaffen hat. 
exakt! Um Mißverständnisse zu vermeiden, sage ich es 
aber noch mit eigenen Worten. Moralische Werte sind an sich weder vernünftig 
noch unvernünftig. Die Vernunft selbst kommt erst bei der Erkenntnis und 
Erreichung der sich aus ihnen ergebenden Ziele zu tragen. Die Werte selbst aber 
können durch vernünftige Argumentation weder widerlegt noch gesetzt werden. 
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fort
Beitrag von Urs_meinte_Euch am 
02. Sept. 2006, 23:45 Uhr 
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Hallo Wolfgang! 
on 09/02/06 um 20:05:41, Wolfgang_Horn wrote:Du: Als 
Lebensformen bezeichne ich faktische Handlungsschemata von unterschiedlicher 
Komplexität...arbeitsteilig organisierte Institution....0eingebürgerter 
Sprachgebrauch kann eine "Lebensform" genannt werden. 
Habe ich Dich dann 
richtig begriffen, wenn ich dies so beschreibe: "Das Paar hat eine morgendliche 
Routine entwickelt, zu deren Beschreibung sich die Regel formulieren ließe: 'Wer 
zuerst in die Senkrechte kommt, der schmeißt die Espresso-Maschine für zwei 
Tassen an.'" 
Ja, das wäre ein Beispiel. 
Quote:Was 
bezeichnest Du hier wieder mit "normatives Element"? 
Normieren muß ich doch 
nur, was man sinnvoll auch anders machen könnte. Beispielsweise kann man auf den 
Straßen Linksverkehr oder Rechtsverkehr einführen, beides geht gut, es darf nur 
keine Geisterfahrer geben. Das muß ich normieren.
Daß ich für den 
Espresso erst Kaffeebohnen einfüllen muß, bevor ich starte, ergibt sich aus den 
sachlichen Notwendigkeiten aber so zwingend, daß ich gerade das nicht normieren 
muß. 
Dass sich eine technische Handlungsfolge "zwingend" ergibt, 
ist aber doch kein Naturereignis. Den Beeren des Kaffeestrauchs ist es nicht an 
der Wiege gesungen worden, dass sie getrocknet, geröstet, zermahlen und mit 
kochendem Wasser übergossen zu einem belebenden Getränk werden sollten. Die 
Grundschritte dieser Zubereitung ergeben sich nur zwingend, wenn man Kaffee 
kochen will. Die technische Verfeinerung und Normierung des 
Herstellungsverfahrens ergibt sich aus dieser Zielsetzung und - das Verfahren 
muss sich vor allem auch daran messen lassen! 
Abgesehen davon: Man kann 
Kaffee selbstverständlich kochen, ohne die Imperative einer Gebrauchsanleitung 
im Kopf zu haben. Man muss da nichts explizit normieren. Aber da die Handlung 
des Kaffeekochens durch eine Gebrauchsanleitung angemessen "beschrieben" werden 
kann - so dass sie intersubjektiv verfüg- und reproduzierbar wird -, muss das 
Verfahren impliziten Normen folgen. Allerdings ergibt sich aus der 
Gebrauchsanleitung (oder dem Rezept) kein anschauliches "Bild" des 
Kaffeekochens; was Kaffeekochen bedeutet, wird vielmehr durch den Nachvollzug 
der Handlungsschritte verstanden. 
In diesem Verhältnis "impliziter" 
Normen zu "expliziten" liegt die Pointe meiner Argumentation. Diese Pointe 
scheint Dir aber, wie Deine Antwort zeigt, leider entgangen zu sein. Du denkst 
bei "Normen" immer nur an die expliziten Imperative. (Das hast Du übrigens mit 
Eberhard gemein). 
Ich empfehle als Verfahren bei der Antwort, nicht Satz 
für Satz aufzugreifen und gesondert zu kommentieren, sondern zunächst den 
Gedankengang im Ganzen zur Kenntnis zu nehmen, damit klar werden kann, worauf er 
abzielt. 
:-) 
Quote:Dann reg mal die Aufnahme in phillex an, 
und wenn Du solche seltenen Begriffe hier einführst, dann definiere sie bitte 
gleich. 
Pardon, aber "Kontingenz" und "kontingent" sind in der 
philosophischen Literatur seit 2000 Jahren "eingeführt". Es handelt sich um 
einen geläufigen und wichtigen Terminus. Als die Philosophie Deutsch zu sprechen 
begann - also im 18. Jahrhundert -, wurde "kontingent" ziemlich irreführend mit 
"zufällig" übersetzt. 
Quote:Ich kann das Wertvolle in Deinem 
Text nicht sehen... 
Offenbar nicht, nein. :-) 
Quote:Wir reden mit Moral über etwas, das sich im Verhalten unserer Urahnen 
schon gefunden haben muß, als deren Schädel noch zu winzig waren für kluge 
Gedanken.
Denn auch eine Affenhorde muß zusammen halten (...)
Die 
Vorgänge dabei können nicht so kompliziert sein, wie Deine Beschreibung 
schildert. 
Naja, eine Affenhorde muss ja auch keinen Kaffee 
kochen (um von noch etwas komplizierteren, spezifisch menschlichen 
"Lebensformen" zu schweigen). 
Gruß,
Urs 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 03. Sept. 2006, 00:22 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: schreibt Eure Mahnabteilung an die säumigen Zahler, 
dass sie zahlen sollen oder dass sie zahlen dürfen? Eine Welt ohne Pflichten 
findest Du nur auf Wolke neun,
Nix, ungültiger Einwurf. Denn in dem 
Moment, in dem ich einen Kauf zugesagt habe, habe ich auch meine Gegenleistung 
zugesagt. Damit bin ich freiwillig Pflichten eingegangen, die ich dann auch zu 
erfüllen habe.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
03. Sept. 2006, 00:56 Uhr 
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Kann man angeben, was der Inhalt dieses Konsens ist? Wenn ja, dann sollte man 
das tun, wenn nein, sollte man nicht von "Konsens" sprechen. 
Langsam, 
Eberhard. So schnell geht dat nich. Da muss man noch was buddeln.
Aber 
ganz unberechtigt ist Dein Einwand nicht.
Zunächst: rational kann der 
Grundkonsens deswegen nicht sein, weil er dann abgeleitet wäre und damit eben 
kein Grundkonsens mehr.
Auch die gemeinsame Zustimmung kann keine 
Zustimmung in dem Sinne sein, dass man dem zustimmt, was man genau so gut 
ablehnen könnte. Denn auch dann wäre es kein Grundkonsens mehr. Zustimmung und 
Ablehnung wären abhängig von etwas anderem. Das ist halt die generelle 
Schwierigkeit, wenn man im menschlichen Urgrund stochert.
Ich komme 
zurück zu der Frage: warum soll man moralisch handeln?
Du weißt, ich 
unterscheide Moral, das, was sein soll, von Ethik, das, was ist. Danach wäre die 
Frage, warum man moralisch handeln soll, selbst eine moralische Frage. Daraus 
ergibt sich, dass sie gar nicht moralisch beantwortet werden kann.
Im Bereich 
der Ethik hingegen stellt sie sich vergleichbar gar nicht. Denn ethisch wird 
nicht gefragt, warum man dies oder das tun soll, es wird getan. Oder vielmehr 
nicht getan.
Danach ist die Frage "warum soll ich moralisch handeln" eine 
Frage a posteriori. Heißt für die Ethik, daraus, dass mir bewußt ist, dass ich 
ethische Entscheidungen treffe, folgt die Möglichkeit, auch anders zu 
entscheiden.
Was aber bedeutet diese mögliche andere Entscheidung? Was ziehe 
ich dann als das bessere vor?
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
03. Sept. 2006, 02:13 Uhr 
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hey abrazo,
langsam steigerst du dich wieder in hochform!
"Zunächst: rational kann der Grundkonsens deswegen nicht sein, weil er dann 
abgeleitet wäre und damit eben kein Grundkonsens mehr."
richtig. 
"Auch die gemeinsame Zustimmung kann keine Zustimmung in dem Sinne sein, 
dass man dem zustimmt, was man genau so gut ablehnen könnte. Denn auch dann wäre 
es kein Grundkonsens mehr. Zustimmung und Ablehnung wären abhängig von etwas 
anderem. Das ist halt die generelle Schwierigkeit, wenn man im menschlichen 
Urgrund stochert."
auch richtig, deshalb ist moral fern vom 
menschlichen 'urgrund'.
"Ich komme zurück zu der Frage: warum 
soll man moralisch handeln? 
Du weißt, ich unterscheide Moral, das, was 
sein soll, von Ethik, das, was ist."
hä?
ethik ist das, was ist? 
war das nicht die ontologie?
"Danach wäre die Frage, warum man 
moralisch handeln soll, selbst eine moralische Frage."
das habe ich 
schon geschrieben und gezeigt. schön, dass du es auch erfasst hast!
"Daraus ergibt sich, dass sie gar nicht moralisch beantwortet werden kann."
nein, sie kann nur moralisch bewortet werden und das wird nie zu einem 
schluss führen, wie der verlauf des threads zeigt, ausser man weitet die frage 
aus, indem man die frage ausserhalb der moral neu befragt.
"Denn 
ethisch wird nicht gefragt, warum man dies oder das tun soll, es wird getan. 
Oder vielmehr nicht getan."
was soll daran ethisch sein?
"Heißt für die Ethik, daraus, dass mir bewußt ist, dass ich ethische 
Entscheidungen treffe, folgt die Möglichkeit, auch anders zu entscheiden."
a posteriori kann man sich immer einreden, dass man auch anderes hätte 
handeln können. doch was bringt das ausser tatenloser selbstbespiegelung?
"Was aber bedeutet diese mögliche andere Entscheidung?"
nichts ausser virtuelle denkspielsachen.
"Was ziehe ich dann als das 
bessere vor?"
die exakt gleiche situation kommt nie wieder.
und 
urteilen und handeln kannst du nicht gleichzeitig.
ausserdem ist das bessere 
des guten feind.
moral und ethik sind nicht zu trennen.
ethik ist 
allenfalls eine metamoral, auf den knien vor dem konjunkitv.
viele 
grüsse
laertes 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
03. Sept. 2006, 09:13 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
wir kommen uns näher: Man soll seine freiwillig 
eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Oder?
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
03. Sept. 2006, 11:32 Uhr 
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Hallo allerseits,
da die Worte "Moral" und "Ethik" von den 
Diskussionsteilnehmern mit unterschiedlichen Bedeutungen verwendet werden, will 
ich versuchen, möglichst ohne diese Worte auszukommen.
Es geht um die in 
einer sozialen Gemeinschaft einzuhaltenden Regeln des Verhaltens, die man als 
"soziale (Handlungs-)Normen" bezeichnen kann. 
Es geht also nicht um 
bloße Regelmäßigkeiten des Verhaltens wie etwa der, dass zu Sylvester geknallt 
wird. Solche "Gewohnheiten" unterscheiden sich von einzuhaltenden Regeln oder 
Normen dadurch, dass man von Gewohnheiten problemlos abweichen kann, von Normen 
jedoch nicht. Die Einhaltung von Normen wird durch Lob und Tadel, durch 
Belohnung und Bestrafung "sanktioniert". 
Dabei kann man verschiedene 
Arten von sozialen Normen unterscheiden: Benimmregeln, Spielregeln, 
Protokollvorschriften u. a. m. Außerdem gibt es neben den für alle geltenden 
Normen auch noch Normen für das Verhalten bestimmter sozialer Positionen.
Uns interessieren hier diejenigen Normen, die für alle Mitglieder einer 
Gesellschaft gelten und die unbedingt gelten, die also nicht nur unter der 
Bedingung gelten, dass man einen bestimmten Zweck verfolgt (gesund bleiben) oder 
dass man eine bestimmte Position (Mutter) innehat.
Beispiele für solche 
unbedingten und an alle gerichteten (allgemeinen adressierten) Normen sind: "Man 
soll andere nicht grundlos beschuldigen" oder "Man soll Rücksicht auf andere 
nehmen" oder "Man soll Menschen helfen, die unverschuldet in Not geraten sind".
Die Norm "Man soll einmal im Jahr richtig Urlaub machen" ist dagegen keine 
unbedingte Norm, sondern ein gesundheitlicher Ratschlag. 
Die Frage ist, 
ob die staatlich erlassenen Gesetze wie z.B. das Strafrecht in diesem Sinne 
unbedingt geltende Normen sind, da sie nur unter der Bedingung gelten, dass der 
Gesetzgeber sie in Kraft gesetzt hat. 
Wir sind uns wohl – bis auf wenige 
Ausnahmen - einig, dass in unserer Gesellschaft solche allgemein adressierten 
unbedingt geltenden Normen praktiziert werden. Man fordert die Einhaltung 
bestimmter Normen, man lobt und tadelt, belohnt und bestraft entsprechend.
Man kann nun an dieses Phänomen verschiedenste Fragen herantragen. So kann 
man sich fragen: Warum soll ich diese Normen denn befolgen? Damit fragt man nach 
einer Rechtfertigung der in den Normen enthaltenen Forderungen an das eigene 
Verhalten. (Eine solche Frage muss natürlich nicht gestellt werden und in 
traditionellen Gesellschaften wäre schon die Frage ungewöhnlich. In 
pluralistischen Demokratien mit Gruppen unterschiedlicher kultureller Tradition 
ist diese Frage sinnfälliger.) 
Meine Position dazu ist: Wenn von mir ein 
bestimmtes Handeln gefordert wird, ohne dass mir eine einsichtige, d. h. eine 
nachvollziehbare und übernehmbare Begründung dafür gegeben wird, handelt es sich 
um einen bloßen Gehorsamsanspruch.
Ich stelle deshalb die Frage, welche 
Normen alle gemeinsam wollen können und wie bei der Bestimmung solcher 
konsensfähigen Normen argumentiert werden kann und muss. Wenn wir dabei von 
intakten Gemeinsamkeiten ausgehen können, die nicht weiter hinterfragt werden 
müssen – um so besser,
meint Eberhard. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 03. Sept. 2006, 12:32 Uhr 
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Hi, Eberhard,
Du: wir kommen uns näher: Man soll seine freiwillig 
eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Oder?
Der Unmündige soll, das ist 
Bestandteil der Erziehung.
Der Mündige wird es aus weitblickender 
Einsicht tun: Denn wenn er seine Versprechen nicht einhält, und sich das 
rumspricht, dann hat er mindestens die Kosten der Vorauszahlung zu tragen.
Meine Zielgruppe sind diejenigen, die sich als mündig begreifen.
Du: 
Ich stelle deshalb die Frage, welche Normen alle gemeinsam wollen können und wie 
bei der Bestimmung solcher konsensfähigen Normen argumentiert werden kann und 
muss. Wenn wir dabei von intakten Gemeinsamkeiten ausgehen können, die nicht 
weiter hinterfragt werden müssen – um so besser,
Damit setzt Du die 
Diskussion am Anfang wieder auf, nur mit einem anderen Begriff.
Ich 
erkläre die technischen Grenzen des Forums dafür für verantwortlich und sehe in 
einem Weiterdenken in dieser Sache keinen Nutzen mehr.
Ciao
Wolfgang 
Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
03. Sept. 2006, 13:27 Uhr 
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Dann man tschüs! 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
03. Sept. 2006, 15:56 Uhr 
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Denn wenn er seine Versprechen nicht einhält, und sich das rumspricht, dann hat 
er mindestens die Kosten der Vorauszahlung zu tragen. 
Tja.
Das 
heißt also, der Vertrag war wg beschränkter Geschäftsfähigkeit wg Unmündigkeit 
schwebend unwirksam, den ich mit einem Kunden abgeschlossen hatte. Der hat 
nämlich nicht gezahlt. Als Ergebnis habe ich einen Titel, den ich mir zur 
Dekoration in's Klo hängen kann, alldieweil der Kunde die durch das 
Gerichtsverfahren gewonnene Zeit genutzt hat, seine Ltd. dicht zu machen. 
Beschränkte Haftung, tralala, guckste inne Röhre.
Heißt, bevor ich mit 
einem einen Vertrag abschließe, sollte ich zum Vormundschaftsgericht marschieren 
und mich nach der Mündigkeit erkundigen? Das Amtsgericht hat ihn offenbar für 
mündig erklärt. Könnte das Vormundschaftsgericht das anfechten?
Leeven 
Wolfjang, siehe, Theorie und Praxis sind zwei verschiedene paar Stiefel. Und der 
landläufige Philosoph ist nicht gar so praxisfremd, wie es scheint.
[balloon]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
03. Sept. 2006, 18:03 Uhr 
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Hi,
Eberhard schrieb:
Die Frage ist, ob die staatlich erlassenen 
Gesetze wie z.B. das Strafrecht in diesem Sinne unbedingt geltende Normen sind, 
da sie nur unter der Bedingung gelten, dass der Gesetzgeber sie in Kraft gesetzt 
hat. 
Ich halte es nun für nötig, ein Beispiel dafür zu geben, dass 
unsere Rechtsnormen ganz und gar nicht mehr oder minder staatlich-willkürlich 
gesetzte Normen sind, die Gehorsam verlangen (obwohl man auch solche finden 
wird), und zwar mit der Normenkontrollklage gegen das Luftsicherheitsgesetz. 
Es handelt sich um folgenden Paragrafen:
§ 14
Einsatzmaßnahmen, Anordnungsbefugnis
(1) Zur Verhinderung des Eintritts 
eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum 
Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt 
androhen oder Warnschüsse abgeben.
(2) Von mehreren möglichen Maßnahmen 
ist diejenige auszuwählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit 
voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt. Die Maßnahme darf nur so lange und 
so weit durchgeführt werden, wie ihr Zweck es erfordert. Sie darf nicht zu einem 
Nachteil führen, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.
(3) Die unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ist nur zulässig, wenn nach 
den Umständen davon auszugehen ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von 
Menschen eingesetzt werden soll, und sie das einzige Mittel zur Abwehr dieser 
gegenwärtigen Gefahr ist.
(4) Die Maßnahme nach Absatz 3 kann nur der 
Bundesminister der Verteidigung oder im Vertretungsfall das zu seiner Vertretung 
berechtigte Mitglied der Bundesregierung anordnen...
§ 15
Sonstige 
Maßnahmen
(1) Die Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 dürfen erst nach 
Überprüfung sowie erfolglosen Versuchen zur Warnung und Umleitung getroffen 
werden. Zu diesem Zweck können die Streitkräfte auf Ersuchen der für die 
Flugsicherung zuständigen Stelle im Luftraum Luftfahrzeuge überprüfen, umleiten 
oder warnen...
(2) Der ... Inspekteur der Luftwaffe hat den 
Bundesminister der Verteidigung unverzüglich über Situationen zu informieren, 
die zu Maßnahmen nach § 14 Abs. 1 und 3 führen könnten.
(3) Die sonstigen 
Vorschriften und Grundsätze der Amtshilfe bleiben unberührt.
BVerfG 
urteilt:
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht auf Leben als 
Freiheitsrecht. ... Jedes menschliche Leben ist als solches gleich wertvoll. 
Obwohl es innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert darstellt, 
steht allerdings auch dieses Recht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter 
Gesetzesvorbehalt. Auch in das Grundrecht auf Leben kann deshalb auf der 
Grundlage eines förmlichen Parlamentsgesetzes eingegriffen werden. Voraussetzung 
dafür ist aber, ... nach Art. 19 Abs. 2 GG den Wesensgehalt des Grundrechts 
unangetastet lassen und darf auch sonst den Grundentscheidungen der Verfassung 
nicht widersprechen.
...
Das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete 
Grundrecht auf Leben steht gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG unter dem Vorbehalt des 
Gesetzes. Das einschränkende Gesetz muss aber seinerseits im Lichte dieses 
Grundrechts und der damit eng verknüpften Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 
1 GG gesehen werden. Das menschliche Leben ist die vitale Basis der 
Menschenwürde als tragendem Konstitutionsprinzip und oberstem Verfassungswert. 
Jeder Mensch besitzt als Person diese Würde, ohne Rücksicht auf seine 
Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und 
seinen sozialen Status. Sie kann keinem Menschen genommen werden. Verletzbar ist 
aber der Achtungsanspruch, der sich aus ihr ergibt. Das gilt unabhängig auch von 
der voraussichtlichen Dauer des individuellen menschlichen Lebens. ...
Dem Staat ist es im Hinblick auf dieses Verhältnis von Lebensrecht und 
Menschenwürde einerseits untersagt, durch eigene Maßnahmen unter Verstoß gegen 
das Verbot der Missachtung der menschlichen Würde in das Grundrecht auf Leben 
einzugreifen. Andererseits ist er auch gehalten, jedes menschliche Leben zu 
schützen. Diese Schutzpflicht gebietet es dem Staat und seinen Organen, sich 
schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen zu stellen; das heißt vor 
allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu 
bewahren...
Art. 1 Abs. 1 GG schützt den einzelnen Menschen nicht nur vor 
Erniedrigung, Brandmarkung, Verfolgung, Ächtung und ähnlichen Handlungen durch 
Dritte oder durch den Staat selbst. Ausgehend von der Vorstellung des 
Grundgesetzgebers, dass es zum Wesen des Menschen gehört, in Freiheit sich 
selbst zu bestimmen und sich frei zu entfalten, und dass der Einzelne verlangen 
kann, in der Gemeinschaft grundsätzlich als gleichberechtigtes Glied mit 
Eigenwert anerkannt zu werden, schließt es die Verpflichtung zur Achtung und zum 
Schutz der Menschenwürde vielmehr generell aus, den Menschen zum bloßen Objekt 
des Staates zu machen. Schlechthin verboten ist damit jede Behandlung des 
Menschen durch die öffentliche Gewalt, die dessen Subjektqualität, seinen Status 
als Rechtssubjekt, grundsätzlich in Frage stellt, indem sie die Achtung des 
Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen, kraft seines 
Personseins, zukommt...
In dieser Extremsituation, die zudem durch die 
räumliche Enge eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs geprägt ist, sind 
Passagiere und Besatzung typischerweise in einer für sie ausweglosen Lage. Sie 
können ihre Lebensumstände nicht mehr unabhängig von anderen selbstbestimmt 
beeinflussen.
Dies macht sie zum Objekt nicht nur der Täter. Auch der 
Staat, der in einer solchen Situation zur Abwehrmaßnahme des § 14 Abs. 3 LuftSiG 
greift, behandelt sie als bloße Objekte seiner Rettungsaktion zum Schutze 
anderer. Die Ausweglosigkeit und Unentrinnbarkeit, welche die Lage der als Opfer 
betroffenen Flugzeuginsassen kennzeichnen, bestehen auch gegenüber denen, die 
den Abschuss des Luftfahrzeugs anordnen und durchführen. Flugzeugbesatzung und 
-passagiere können diesem Handeln des Staates auf Grund der von ihnen in keiner 
Weise beherrschbaren Gegebenheiten nicht ausweichen, sondern sind ihm wehr- und 
hilflos ausgeliefert mit der Folge, dass sie zusammen mit dem Luftfahrzeug 
gezielt abgeschossen und infolgedessen mit an Sicherheit grenzender 
Wahrscheinlichkeit getötet werden. Eine solche Behandlung missachtet die 
Betroffenen als Subjekte mit Würde und unveräußerlichen Rechten. 
Sie 
werden dadurch, dass ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer benutzt wird, 
verdinglicht und zugleich entrechtlicht; indem über ihr Leben von Staats wegen 
einseitig verfügt wird, wird den als Opfern selbst schutzbedürftigen 
Flugzeuginsassen der Wert abgesprochen, der dem Menschen um seiner selbst willen 
zukommt...
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist allein 
entscheidend, dass der Gesetzgeber nicht durch Schaffung einer gesetzlichen 
Eingriffsbefugnis zu Maßnahmen der in § 14 Abs. 3 LuftSiG geregelten Art 
gegenüber unbeteiligten, unschuldigen Menschen ermächtigen, solche Maßnahmen 
nicht auf diese Weise als rechtmäßig qualifizieren und damit erlauben darf. Sie 
sind als Streitkräfteeinsätze nichtkriegerischer Art mit dem Recht auf Leben und 
der Verpflichtung des Staates zur Achtung und zum Schutz der menschlichen Würde 
nicht zu vereinbaren...
Auch die Einschätzung, diejenigen, die sich als 
Unbeteiligte an Bord eines Luftfahrzeugs aufhalten, das im Sinne des § 14 Abs. 3 
LuftSiG gegen das Leben anderer Menschen eingesetzt werden soll, seien ohnehin 
dem Tode geweiht, vermag der mit einer Einsatzmaßnahme nach dieser Vorschrift im 
Regelfall verbundenen Tötung unschuldiger Menschen in einer für sie ausweglosen 
Lage nicht den Charakter eines Verstoßes gegen den Würdeanspruch dieser Menschen 
zu nehmen. Menschliches Leben und menschliche Würde genießen ohne Rücksicht auf 
die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen 
verfassungsrechtlichen Schutz. Wer dies leugnet oder in Frage stellt, verwehrt 
denjenigen, die sich wie die Opfer einer Flugzeugentführung in einer für sie 
alternativlosen Notsituation befinden, gerade die Achtung, die ihnen um ihrer 
menschlichen Würde willen gebührt.
Eine andere Beurteilung rechtfertigt 
auch nicht die Annahme, wer an Bord eines Luftfahrzeugs in der Gewalt von 
Personen festgehalten werde, die das Luftfahrzeug im Sinne des § 14 Abs. 3 
LuftSiG als Tatwaffe gegen das Leben anderer Menschen einsetzen wollen, sei 
selbst Teil dieser Waffe und müsse sich als solcher behandeln lassen. Diese 
Auffassung bringt geradezu unverhohlen zum Ausdruck, dass die Opfer eines 
solchen Vorgangs nicht mehr als Menschen wahrgenommen, sondern als Teil einer 
Sache gesehen und damit selbst verdinglicht werden. Mit dem Menschenbild des 
Grundgesetzes und der Vorstellung vom Menschen als einem Wesen, das darauf 
angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen, und das deshalb nicht zum 
reinen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden darf, lässt sich dies nicht 
vereinbaren.
Die Anordnung und Durchführung der unmittelbaren Einwirkung 
auf ein Luftfahrzeug mit Waffengewalt nach dieser Vorschrift lässt außer 
Betracht, dass auch die in dem Luftfahrzeug festgehaltenen Opfer eines Angriffs 
Anspruch auf den staatlichen Schutz ihres Lebens haben. Nicht nur, dass ihnen 
dieser Schutz seitens des Staates verwehrt wird, der Staat greift vielmehr 
selbst in das Leben dieser Schutzlosen ein. Damit missachtet jedes Vorgehen nach 
§ 14 Abs. 3 LuftSiG, wie ausgeführt, die Subjektstellung dieser Menschen in 
einer mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Weise und das daraus für den 
Staat sich ergebende Tötungsverbot. Daran ändert es nichts, dass dieses Vorgehen 
dazu dienen soll, das Leben anderer Menschen zu schützen und zu erhalten.
Schlussspruch: das Gesetz ist nichtig.
Dafür fand das BVerfG noch 
etliche andere Gründe, die aber imho philosophisch nicht so interessant sind. 
Dennoch lohnt es sich, sich dieses natürlich staubtrockene und nüchterne Ding 
mal zu Gemüte zu führen:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060215_1bvr035705.html
Jetzt, in der Zusammenfassung, fällt mir auf, dass das Verfahren im Grunde 
den menschlichen ethischen Entscheidungen entspricht. Man erwählt eine auf eine 
konkrete Situation hin ausgerichtete Handlungsmöglichkeit. Die 
Handlungsmöglichkeit ist vernünftig und dient durchaus nicht als negativ 
bewerteten Zielen. Es wurde auch (fast) alles gründlich bedacht, was den 
Sachverhalt betrifft, in der Abwägung denkt man, in Ordnung, mache ich das.
Und dann kommt die humane Ethik und sagt nein.
Nun, das BVerfG 
begründet das. Was es aber nicht mehr begründen kann, ist das Grundprinzip: die 
Würde des Menschen ist unantastbar.
Grüße 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
03. Sept. 2006, 21:10 Uhr 
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Hallo allerseits,
ein paar verstreute Gedanken.
Bevor man sich der 
Frage zuwendet: "Warum soll man moralisch handeln?" muss man die Frage 
beantwortet haben "Ist so etwas wie Moral (im Sinne eines Systems von 
Verhaltensregeln, die von allen einzuhalten sind) überhaupt nötig?"
Meine 
Antwort darauf ist: 
Das, was die verschiedenen Menschen wollen, ist 
nicht immer miteinander vereinbar, es kann zum Konflikt kommen. Um diese 
Konflikte nicht durch Gewalt entscheiden zu lassen (Recht des Stärkeren), muss 
das Verhalten in solchen Konfliktsituationen geregelt werden.
Viele Ziele 
kann man nur in Kooperation und Koordination mit anderen erreichen. Auch dazu 
braucht man Regeln.
Es gibt meist mehrere Möglichkeiten der Regelung. 
Deshalb kann es über die kollektiv zu wählende Regelung verschiedene Meinungen 
geben. Ein zentrales Problem jeder Gesellschaft ist die Art und Weise, wie die 
Auswahl der einzuhaltenden Regeln erfolgt.
Für die Frage, wie man für oder 
gegen bestimmte Regeln argumentieren kann, ist nicht zuletzt die (Meta-)Ethik 
oder Moralphilosophie zuständig.
Es grüßt Euch Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
03. Sept. 2006, 22:29 Uhr 
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Hi Eberhard,
wenn Du von Moral und Regeln sprichst, habe ich immer die 
internationale politische Landschaft im Kopf.
Wir sind alle Menschen, 
also von gleicher Art. Es ist kein unlösbar schweres Problem, uns auf die 
universale Gültigkeit höchstens einer Hand voll Normen zu einigen. Oder, besser 
gesagt, Grundwerte. Schau, das BVerfG braucht letzlich nur einen einzigen, die 
Unantastbarkeit der Menschenwürde. Auch wenn es seine Entscheidung mit Hilfe 
wissenschaftlicher juristischer Dogmatik (Dogmatik gilt bei denen als 
Gütezeichen!) untermauert und andere Grundrechte als Kontext zur Interpretation 
des Grundwertes heran zieht, im Notfall würde der Grundwert alleine genügen. Die 
Möglichkeit, dass alle Menschen sich auf wenige universale Grundwerte einigen, 
die besteht alle Mal; zumal es ja bereits die UN-Deklaration der Menschenrechte 
gibt, ein Konsens auch unter Feinden.
Für ein Problem allerdings sehe ich 
keine philosophische Lösung: die Rechtssicherheit. Selbst das drakonischste 
Recht sehen die Menschen als besser an denn gar keins. Siehe die Verbreitung der 
aus dem 7. Jahrundert stammenden Scharia. Schon im islamischen Mittelalter 
längst aufgrund gesellschaftlicher Wandlungen modifiziert, kehrt sie in ihrer 
urspünglichen Gestalt zurück. Wieder wird verlangt, notorischen Dieben die Hand 
abzuhacken, obwohl es längst Gefängnisse gibt. Gehen wir davon aus, dass die, 
die das verlangen, eine andere Art Menschen sind, sind wir empört und schütteln 
den Kopf. Gehen wir aber davon aus, dass sie sich trotz unterschiedlicher 
Lebensbedingungen im Kern nicht sonderlich von uns unterscheiden, dann können 
wir fragen, ob sie dafür nicht vielleicht vernünftige Gründe haben. Diesen 
vernünftigen Grund sehe ich in der mangelnden Rechtssicherheit. Wenn, je nach 
Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsschicht, die Gesetze das Papier nicht wert 
sind, auf dem sie geschrieben stehen, dann sind heute als barbarisch empfundene 
Gesetze, für die man die Unantastbarkeit des Heiligen beanspruchen kann, immer 
noch besser, als unberechenbarer Willkür aus der eigenen Gesellschaft 
unterworfen zu sein. Beanspruchen kann man vor allem vor sich selber, dass man 
diese Gewaltmaßnahmen zum Schutz der schlichtesten und allgemein anerkannten 
Normen ausüben darf, dass es gut und richtig und moralisch ist. Und auch damit 
haben sie Recht: es ist unmoralisch und nicht zu billigen, Leuten, die selber 
kaum was haben, das Wenige auch noch straflos wegzustehlen.
Wie aber ist 
das Problem im internationalen Maßstab zu lösen? Wie schützt man sich in dieser 
Rechtlosigkeit, denn die haben wir dort (bzw. Rechtsverletzungen werden nur bei 
einigen geahndet, wie in einer Bananenrepublik)? Wie in jeder Favella auch: 
einigeln, bewaffnen und 'Bullen' hinterrücks abschießen. Von hinten durch die 
Brust ins Auge. Bis sie sich nicht mehr reintrauen. Normal.
Hast Du ne 
Lösung?
Mehr als "versuchen wir's mal mit Ächtung" fällt mir nicht ein.
In gut organisierten Gesellschaften unter friedlichen Bedingungen hingegen 
stellt sich ein anderes Problem
Die Grundwerte sind hauptsächlich Veto-Macht. 
Eine Norm, die dem Grundwert widerspricht, wird für nichtig erklärt. Darüber 
hinaus bieten sich jede Menge Freiheiten, die Gesellschaft mit Hilfe von Normen 
bewußt zu gestalten. Die Frage also nach den positiven Normen. Die Zukunft 
meiner Gesellschaft zu gestalten. Was das betrifft, würde ich - vage und 
provisorisch, vorbehaltlich tieferer Untersuchungen also - auf die Frage "warum 
soll man moralisch handeln" antworten, einerseits, um Solidarität mit meinen mir 
gleichwertigen Mitmenschen in meiner Gesellschaft zu üben, andererseits aber, 
und da fällt mir jetzt ein, das die weithin grassierende Staatsverdrossenheit, 
die im Prinzip schwer undemokratische Froschperspektive des "ihr Bonzen da oben, 
wir Schmuddelkinder hier unten" (leeven Jott, wat bau ich heute wieder für 
schauerliche Schachtelsätze!), dass also diese Staats- und Politikverdrossenheit 
mit der ebenso grassierenden Ablehnung jeglicher Moral einher gehen könnte. Denn 
wenn ich jede Moral ablehne, verzichte ich darauf, meine Gesellschaft mit zu 
gestalten. Durch die Mitgestaltung der Moral. Damit überlasse ich aber die 
Gestaltung der Gesellschaft anderen. Und fühle mich - selffulfilling prophecy - 
in meiner ablehnenden Haltung zu jeglicher Moral bestätigt, denn ich kann nicht 
erwarten, dass die moralische Normen nach meinem Geschmack anlegen und nicht 
nach ihrem.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
04. Sept. 2006, 09:43 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Abrazo,
ein Hinweis vorweg: Ich kann 
leichter auf einen Beitrag eingehen, wenn darin ein, zwei Punkte angesprochen 
werden. Mit sehr langen Beiträgen, die zu mehreren verschiedenen Punkten 
Stellung nehmen, habe ich meine Schwierigkeiten.
Du sprichst das Problem 
an, dass die besten Normen (also einzuhaltende soziale Regeln) nichts taugen, 
wenn sie nicht eingehalten werden.
In diesem Zusammenhang noch einige 
Gedanken zum "Zwangscharakter" der Moral, der für einige Diskussionsteilnehmer 
offenbar ein rotes Tuch ist, weshalb schon das Wort "sollen" für sie ein 
Reizwort ist.
Angenommen, eine Gemeinschaft ist sich darin einig, dass es 
für alle gemeinsam das Beste ist, wenn verbrauchte Batterien und Akkus wegen der 
giftigen Schwermetalle auf besonders gesicherte Deponien gebracht werden. 
Obwohl alle gemeinsam der Norm zustimmen können: "Batterien gehören nicht in 
den Hausmüll" bleibt es für jeden Einzelnen dennoch vorteilhafter und bequemer, 
sie einfach in die Mülltonne zu schmeißen. Es wäre vergeblich, hier an das 
weitsichtige Eigeninteresse zu appellieren, denn für Peter Müller ist die 
Regelung "Niemand darf seine Altbatterien in den Hausmüll werfen außer mir, 
Peter Müller" vorteilhafter als die Regelung "Niemand darf seine Altbatterien in 
den Hausmüll werfen". 
Sicherlich wäre eine Regelung mit einer Ausnahme 
für Peter M. nicht allgemein akzeptabel sondern würde als ungerecht angesehen. 
Denn Peter M. würde die Vorteile der Regelung in Anspruch nehmen (keine 
Vergiftung des Grundwassers), ohne die Nachteile (höherer Entsorgungsaufwand) 
mitzutragen.
Es ist also keineswegs widersprüchlich sondern man handelt 
rational (im Sinne von "den eigenen Zielen entsprechend"), wenn man (unbemerkt) 
gegen diejenige Regel verstößt, die man selber als die für alle gemeinsam beste 
Regelung hält. 
Man handelt damit allerdings nicht moralisch (d. h. gemäß 
den einzuhaltenden Regeln) und auch nicht "vernünftig" (weil man hinter die 
Einsicht zurückfällt, dass Regeln notwendig sind, die für alle gelten und von 
allen anerkannt werden können). 
Wer nicht moralisch handelt, der 
praktiziert eine ungerechte Regel mit persönlichen Ausnahmen. 
Wenn die 
ursprüngliche Regel von anderen (ungestraft) missachtet wird, dann ist der 
Regeltreue "der Dumme" und er wird sich irgendwann ebenfalls nicht mehr an diese 
Regel gebunden fühlen. Und wenn der Schlendrian erstmal eingerissen ist, kann 
das Vertrauen in die Normtreue der andern nur schwer wieder hergestellt werden 
("Die andern machen es ja genauso!"). Deshalb heißt es hier: "Wehret den 
Anfängen!"
Warum also soll man moralisch handeln? 
Weil 
unmoralisches Handeln die Regel zerstört, von der man selber weiß, dass diese 
Regel die für alle gemeinsam beste ist. 
Um das zu verhindern, muss dem 
Eigeninteresse an der Normverletzung durch eine Strafandrohung bei 
Normverletzung entgegengewirkt werden,
meint Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 04. Sept. 2006, 11:25 Uhr 
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Hallo Eberhard, 
nur ein kurzer Einwurf. 
Quote:Weil 
unmoralisches Handeln die Regel zerstört, von der man selber weiß, dass diese 
Regel die für alle gemeinsam beste ist.
Um das zu verhindern, muss dem 
Eigeninteresse an der Normverletzung durch eine Strafandrohung bei 
Normverletzung entgegengewirkt werden. 
Du begreifst Moral im 
Grunde nicht anders als das (Zwangs-) Recht. Moralische Normen sind für Dich 
primär explizite Imperative. Es gilt "Gleiches Recht für alle!", und den 
gleichbemessenen Freiheitsspielräumen jedes einzelnen stehen Sanktionen für die 
Überschreitung gegenüber. 
Mit diesem Konzept von Moral kannst Du so 
etwas wie "eingelebte", "verinnerlichte" - und darum zwanglose - Lebensformen 
ohne explizite Soll-Vorschriften gar nicht in den Blick bekommen. Aber diese, 
behaupte ich, sind die Grundlage jedes expliziten Norm-Systems, also des Rechts 
und - bei Dir - auch der Moral. 
Eine Moralbegründung, die diese 
Grundlage nicht zur Kenntnis nimmt bzw. für sie keinen Platz hat, ist 
unvollständig und - unrealistisch. 
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
04. Sept. 2006, 13:55 Uhr 
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Joy, Du hattest erklärt, dass Du keine Texte mehr in diese Diskussionsrunde 
einstellen wirst. Bitte halte Dich daran!
p.s. 04.09. Danke für die 
Löschung! 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
04. Sept. 2006, 17:35 Uhr 
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Hallo allerseits, hallo Urs,
Du sprichst von "eingelebten", 
"verinnerlichten" Lebensformen ohne explizite Soll-vorschriften. Diese seien die 
Grundlage jedes expliziten Norm-Systems.
Ich habe bereits gesagt, dass 
ich auf Deine Aussagen nur schwer eingehen kann, solange nicht konkreter gesagt 
wird, auf was Du Dich im Einzelnen beziehst. 
Ich bin mir völlig im 
Klaren, dass Homo sapiens und dessen Vorfahren in überschaubaren Gemeinschaften 
(Horden) gelebt haben, die sich aus einzelnen Familien zusammensetzten – so wie 
es heute noch die wenigen übrig gebliebenen Gorillas tun. 
Schon unsere 
affenähnlichen Vorfahren kooperierten (z. B. bei der Bekämpfung von Feinden), 
sie koordinierten ihre Aktivitäten (z. B. beim Entfernen von Ungeziefer aus dem 
Rückenfell des andern), sie begrüßten freudig Angehörige der eigenen Gruppe bei 
Rückkehr nach längerer Abwesenheit, als Eltern ließen sie ihre Nachkommen 
geduldig herumtoben, sie versorgten die Kleinen mit Nahrung usw. Hanspeter hat 
ja bereits auf diese Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Primaten hingewiesen.
Da ich bei den Affen noch keine moralphilosophischen Überlegungen ausmachen 
kann, muss das Zusammenleben in einer Gruppe nach bestimmten Regeln folglich 
tiefer im Menschen verankert sein als die Vernunft. Der Mensch wird also nicht 
erst durch einen rational kalkulierten Gesellschaftsvertrag oder ähnliches zum 
sozialen Wesen. 
Zu nennen sind die nicht zu unterschätzenden 
Gefühlsbindungen innerhalb der Familie, die Liebe und Verbundenheit zwischen 
Mann und Frau, die elterliche Liebe zu den Kindern und die kindliche Liebe zu 
den Eltern. Bindungen der weiteren Verwandtschaft aufgrund gemeinsamer 
Vorfahren, das Mitleid mit anderen, das besonders starke Gefühl der 
Hilfsbereitschaft gegenüber kleinen Kindern (Kindchenschema), die Identifikation 
mit der eigenen Gruppe in Form eines "Wir-Gefühls, das Gefühl der 
Zusammengehörigkeit, das durch gemeinsame Sprache und Dialekt hervorgerufen 
wird, die kulturellen Gemeinsamkeiten in den Festen und ihren Zeremonien.
All diese Eigenschaften des Menschen bewirken eine Identifikation mit den 
anderen und der Gemeinschaft, die eine Orientierung an den eigenen Interessen in 
den Hintergrund drängen. Über die Identifikation mit den Eltern vollzieht sich 
der Sozialisierungsprozess, erfolgt die "Verinnerlichung" der tradierten Werte 
und Normen. (Lernen durch Nachahmen, Rollenspiel der Kinder 'Vater, Mutter, 
Kind').
Diese angeborenen Identifkationsmechanismen (Liebe, Mitleid, 
Sympathie, Vorbild-Orientierung) erleichtern das Zusammenleben und entlasten die 
Moral. Aber gerade in den heutigen, weithin anonymen Großgesellschaften mit 
ihren religiösen und ethnischen Subkulturen können diese Mechanismen nur 
begrenzt wirksam werden. Hier geht es um Interessen, sei es von Einzelnen oder 
gesellschaftlichen Gruppen, und um die notwendige Regelung möglicher Konflikte.
Hier ist Vernunft gefragt, die ihren Beitrag zur "Verinnerlichung" von 
Werten und Normen leisten kann, indem sie die Notwendigkeit und die Richtigkeit 
bestimmter Regeln des Zusammenlebens begründen kann. 
Es grüßt alle 
Interessierten Eberhard.
p.s.: Das große Interesse, auf das diese bisher 
störungsfreie Diskussionsrunde stößt (mehr als 1,700 Hits in knapp 2 Wochen) ist 
offenbar einigen ein Dorn im Auge.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04. 
Sept. 2006, 17:41 Uhr 
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Hallo Eberhard,
on 09/02/06 um 12:33:36, Eberhard wrote:Du bist der 
Ansicht, dass sich eine moralische Regel wiederum nur durch Ableitung aus einer 
anderen moralischen Regel begründen lässt. Deshalb kommst du zu dem Schluss, 
dass ich mit dem Kriterium des "argumentativen Konsens" praktisch eine 
unendliche Kette von Begründungen verlange.
.....
Das sehe ich anders. 
Wenn ich eine moralische Norm daraufhin untersuche, ob sie von allen gemeinsam 
gewollt werden kann, dann wende ich nicht nur moralische Normen an sondern 
zusätzlich methodologische Normen. 
In ähnlicher Weise verhält es sich 
bei normativen Sätzen. Die methodologische Regel "Prüfe die behauptete Norm 
daraufhin, ob ihr alle Individuen gemeinsam zustimmen könnten " erfordert keinen 
unendlichen Regress. 
Ich stimme Dir zu. Die Überprüfung, ob eine 
behauptete Norm allgemein konsensfähig ist, bedeutet keinen unendlichen Regress. 
Wenn Du solch eine Norm gefunden hast - für eine Gemeinschaft oder gar für alle 
Menschen, dann kann sie eine praktikable Grundlage für ein gemeinsames 
Moralsystem bilden. Ausgehend von dieser Norm können dann manche Handlungen als 
moralisch oder unmoralisch gelten, je nachdem sie die Regeln, die durch diese 
Norm direkt oder indirekt gesetzt werden, verletzen oder nicht.
Mein 
Punkt ist nur: diese Norm selber, auch wenn sich alle Menschen auf sie einigen, 
ist dadurch weder richtig noch falsch. Und jederzeit kann jemand über diese Norm 
nachdenken und fragen: warum soll ich dieser Norm folgen?
Gemeinsame 
moralische Grundsätze oder Normen fördern normalerweise die friedliche 
Kooperation der Menschen, die sie miteinander teilen. Und das ist selbst ein 
Grundwert, den ich sehr schätze. Deshalb halte ich die Suche nach gemeinsamen 
Spielregeln, die auch unterschiedlichste Kulturen untereinander einhalten 
könnten, für wichtig.
Aber die Grundwerte selbst stehen außerhalb der 
Moral: diese wird durch jene erst gesetzt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Sheelina am 
04. Sept. 2006, 18:00 Uhr 
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Hallo zur Zeit ungestörte Runde und liebe Leser!
on 09/04/06 um 
17:35:23, Eberhard wrote:p.s.: Das große Interesse, auf das diese bisher 
störungsfreie Diskussionsrunde stößt (mehr als 1,700 Hits in knapp 2 Wochen) ist 
offenbar einigen ein Dorn im Auge. 
Da muss ich leider 
enttäuschen. Diese Angabe ist in diesem Forum ganz normaler Durchschnitt, also 
nicht von einem besonderen Interesse bei Lesern auszugehen. Wem ein solcher 
Durchschnitt ein Dorn im Auge sein soll, ist mir schleierhaft. Überhaupt wie man 
darauf in einem Philosophieforum besonderes Gewicht legen kann.
Nur mal 
so zur nettgemeinten Klarstellung, damit hier keiner unter Einbildung leiden 
braucht. :-)
viele Grüße
Sheelina 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04. 
Sept. 2006, 18:29 Uhr 
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Hallo Eberhard
zu meinem Beispiel bzgl. Versprechen gegenüber einem 
Verstorbenen.
Quote:Mir ist aufgefallen, dass die Frau eigentlich 
keine moralische Argumente vorträgt, .......Ich sehe nicht, wie diese Argumente 
eine allgemeine Anerkennung finden könnten. Ich sehe Millionen von Leuten, die 
eine bessere Verwendung für das fremde Geld hätten,..... 
Du gehst 
davon aus, daß eine moralische Haltung nur dann gültig sein kann, wenn sie 
zumindest theoretisch allgemeine Anerkennung finden kann. Ich sehe das nicht. 
Wenn die Frau ihrer Familie gegenüber eine stärkere moralische Verpflichtung 
empfindet, als den Fremden, dann sind das eben ihre Werte. Ich hatte es nicht 
explizit ausgeführt. Sagen wir: "Du sollst in erster Linie für das Wohl 
derjenigen sorgen, die Du liebst"
Quote:Auch der Mann argumentiert 
eigentlich nur schwach moralisch, .......Wenn man Versprechen halten soll, dann 
ist er doch verpflichtet, das Geld nach dem Willen des Eigentümers zu verwenden 
und wie versprochen weiter zu geben. Wie will er hier für eine Ausnahme 
plädieren? 
Ich habe mein Beispiel nochmal gelesen. Er plädiert nicht 
für eine Ausnahme. Für den Mann hat "Du sollst Deine Versprechen halten" seinen 
moralischen Wert. Er hat nur kein rationales Gegenargument gegen die Moral 
seiner Frau "Du sollst für das Wohl derjenigen sorgen, die Du liebst".
Die 
beiden Moralsysteme widersprechen sich einfach.
Quote:Ich kann also 
auch in Deinem Beispiel nicht die Problematik des infiniten Regresses erkennen 
und sehe keine unlösbaren Widersprüche. 
Ich hoffe, ich konnte den 
Widerspruch zwischen F und P etwas verdeutlichen.
Zum infiniten Regress: 
ich hatte dich mißverstanden und gedacht, daß die Forderung des "argumentativen 
Konsens" auch darin besteht, daß jede moralische Position begründbar sein muß, 
unabhängig ob darüber schon ein allgemeiner Konsens besteht oder nicht. Wenn Du 
jeden Wert, auch den grundlegendsten, begründen willst, kommst Du m.E. schon in 
einen infiniten Regress.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04. 
Sept. 2006, 19:31 Uhr 
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Hallo Abrazo
on 09/02/06 um 14:07:23, Abrazo wrote:Hi,
dient 
lediglich der Verdeutlichung, dass ein moralischer Konsens nicht so ohneweiteres 
herstellbar ist. 
Das ist auch nicht nötig, Hel, siehe Urs. Der besteht 
nämlich längst (siehe auch meine Äußerungen im Thread "Vertrauen"). Denn auf 
diesen Konsens vertrauen wir, auch wenn einige ihn nicht einhalten. 
Ich finde den Beitrag von urs auch gut. Eine Gemeinschaft könnte wahrscheinlich 
gar nicht existieren, wenn sich durch das Zusammenleben nicht ein gewisser 
Grundkonsens einstellt (Vielleicht ist das auch eine der wenigen positiven 
Funktionen von Religion?). Aber selbst innerhalb einer engen Gemeinschaft ist er 
kaum vollständig und läßt in den nicht ganz zentralen Punkten verschiedene 
Auffassungen zu. Und zwischen verschiedenen Kulturen ist der Grundkonsens 
wesentlich geringer, vielleicht auch gar nicht vorhanden.
Quote:Dir, Hel, 
liefere ich ein anderes Beispiel, das mir gerade wieder über den Weg gelaufen 
ist. 
..... Ich denke, es trifft diesen Grund, wenn ich sage, in ihren Augen 
wäre es unmoralisch gewesen.
Die Frage, warum soll man moralisch handeln, 
stellte sich ihr nicht. Sie handelte so, fertig. Was findest Du als 
Letztbegründung beim Überdenken der Möglichkeit, den Mann in ein Heim zu geben? 
Vernunft? Weitreichenden Egoismus?
Ich erkenne nur das ethische Nein. 
Du rennst mit Deiner Argumentation bei mir offene Türen ein.
Nur: 
warum bestehst Du immer auf der negativen Formulierung? Ist nicht das Nein zum 
Heim auch das Ja zur inneren Verpflichtung, den Mann bei sich im Hause zu 
pflegen?
Und dann noch:
wer sich in einer identischen Situation dazu 
entschließt, ja zum Heim und Nein zur häuslichen Pflege zu sagen, handelt 
deswegen nicht zwingend unmoralisch. Wer die Verpflichtung zur Selbstaufopferung 
nicht spürt, hat einfach anderes Moralempfinden.
Eigentlich seltsam, 
moralische Werte kann nur der verletzen, der sie auch besitzt.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 04. 
Sept. 2006, 20:33 Uhr 
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Hallo Abrazo
on 09/03/06 um 22:29:04, Abrazo wrote:zumal es ja bereits 
die UN-Deklaration der Menschenrechte gibt, ein Konsens auch unter Feinden. 
Widersprechen sich die Menschenrechte und einige Interpretationen der 
Scharia in manchen islamischen Staaten nicht? Ähnliches gilt auch für viele 
Diktaturen weltweit. Wie kann man da von Konsens sprechen?
Quote:.....Wieder wird verlangt, notorischen Dieben die Hand abzuhacken, obwohl 
es längst Gefängnisse gibt. 
....dann können wir fragen, ob sie dafür nicht 
vielleicht vernünftige Gründe haben. Diesen vernünftigen Grund sehe ich in der 
mangelnden Rechtssicherheit. 
Wenn, je nach Zugehörigkeit zu einer 
Bevölkerungsschicht, die Gesetze das Papier nicht wert sind, auf dem sie 
geschrieben stehen, dann sind heute als barbarisch empfundene Gesetze, für die 
man die Unantastbarkeit des Heiligen beanspruchen kann, immer noch besser, als 
unberechenbarer Willkür aus der eigenen Gesellschaft unterworfen zu sein. 
Irgendwo hat der Gedankengang einen Bruch. Warum sollen bei 
Rechtsunsicherheit, wo schon die bestehenden Gesetze nicht eingehalten werden 
oder mißbräuchlich verwendet, die wesentlich strengeren Gesetze Abhilfe 
schaffen? Die Gefahr, daß jemand zu Unrecht verurteilt wird hat sich dann nicht 
gemindert, aber die möglichen Folgen werden durch die größere Grausamkeit der 
Gesetze schlimmer. Das Problem liegt ja an der Willkür der Regierung und/oder 
korrupten Verwaltung aber nicht am Gesetzestext.
Ich glaube daß es anders 
ist: die Leute erhoffen von einer islamischen Regierung mehr Gerechtigkeit als 
von der jew. bestehenden Diktatur und mit dem Islamismus wird eben auch die 
Scharia eingekauft.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
05. Sept. 2006, 10:55 Uhr 
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Hallo allerseits, 
hallo hel,
Du schreibst: 
"Mein Punkt ist nur: 
diese (allgemein konsensfähige) Norm selber, auch wenn sich alle Menschen auf 
sie einigen, ist dadurch weder richtig noch falsch. Und jederzeit kann jemand 
über diese Norm nachdenken und fragen: warum soll ich dieser Norm folgen?"
Ich habe das Gefühl, dass ich mich noch nicht richtig verständlich 
machen konnte. Deshalb ein etwas ausführlicherer Versuch, meine Position 
dazulegen, um auf Deine Einwände einzugehen. Da Du mit der Methodologie der 
Erfahrungswissenschaften offensichtlich vertraut bist, will ich meinen 
Gedankengang in Parallele dazu erläutern. Ich werde mich bemühen, den 
Gedankengang in seinen einzelnen Teilschritten darzulegen, damit für jeden klar 
ist, welcher Gedankenschritt für ihn nachvollziehbar ist und welcher nicht. 
.
Als Ausgangspunkt nehme ich einmal eine positive (auf das Gegebene 
bezogene) Aussage "Goethe starb 1832" und eine normative (auf das Gesollte 
bezogene) Aussage: "Die Kriegserklärung der USA gegen den Irak ist moralisch zu 
verurteilen".
Beide Aussagen können behauptet werden, also mit dem 
Anspruch auf Richtigkeit geäußert werden.
"Richtig" bedeutet dabei 
"richtig für alle" (intersubjektiv richtig) und "dauerhaft richtig" 
(intertemporal richtig). Statt zu sagen "für alle und dauerhaft richtig" sage 
ich auch kurz "allgemein richtig".
Zum Sinn des Wortes "Richtigkeit" 
gehört ein Geltungsanspruch. Das, was richtig ist, soll man übernehmen und 
seinem eigenen Denken und Handeln zu Grunde legen.
Ein allgemeiner 
(intersubjektiver und intertemporaler) Geltungsanspruch bezüglich einer 
Behauptung kann mit oder ohne Begründung erhoben werden. Unter der "Begründung" 
einer Behauptung verstehe ich dabei die Angabe von anderen – als akzeptabel 
vermuteten – Sätzen (Argumenten), aus denen sich logisch oder unmittelbar 
einsichtig die zu begründende Behauptung ergibt.
Begründet wird immer 
gegenüber Personen. Ein Argument ist dann für eine Person "akzeptabel", wenn die 
Person das Argument nachvollziehen und aus freier Einsicht übernehmen kann.
Die Nachvollziehbarkeit eines Argumentes wird nicht dadurch beeinträchtigt, 
dass eine Person das Argument nicht nachvollziehen kann, weil sie das Argument 
nicht versteht. 
Ich spreche von einer "wissenschaftlichen" Behauptung, 
wenn der Geltungsanspruch in Bezug auf diese Behauptung nur insoweit erhoben 
wird, als allgemein akzeptable Argumente dafür vorliegen.
Behauptungen 
mit allgemeinem Geltungsanspruch nenne ich "dogmatisch", wenn dieser Anspruch 
nicht durch Argumente eingelöst wird.
Wenn gegenüber einer Person eine 
dogmatische Behauptung geäußert wird, (deren Geltungsanspruch also nicht 
akzeptabel begründet wird), so ist diese Behauptung für die betreffende Person 
nicht zu unterscheiden von einer Forderung nach Glauben (im Falle von positiven 
Aussagen) oder Gehorsam (im Falle von normativen Aussagen).
Behauptungen, 
die allgemein akzeptabel begründet sind, kann jeder (Verständige) zustimmen. Ich 
nenne solche Behauptungen auch "argumentativ konsensfähig", denn über sie lässt 
sich allein durch Argumentation Übereinstimmung herstellen.
Über positive 
Aussagen lässt sich durch logische Argumentation und durch den HInweis auf 
gemachte Wahrnehmungen in Bezug auf viele Aussagen ein argumentativer Konsens 
herstellen, dank der auf intersubjektive Nachprüfbarkeit angelegten Methoden der 
Erfahrungswissenschaften.
In Bezug auf die normativen Aussagen kann von 
einer auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit angelegten Methodik bisher kaum 
gesprochen werden.
Vielleicht ist Dir in der Gegenüberstellung mit der 
Erfahrungswissenschaft klarer geworden, warum das Kriterium der Konsensfähigkeit 
für mich kein Grundwert unter anderen wie z. B, Gesundheit, Frieden, Wohlstand, 
Gleichheit etc. ist, sondern gewissermaßen das Kriterium der Richtigkeit selber. 
Natürlich kann jeder eine allgemein konsensfähige Norm wieder in Frage stellen, 
so wie er auch jederzeit eine gut bestätigte positive Aussage wieder in Zweifel 
ziehen kann. Aber dann sind ja die Argumente da, die die Konsensfähigkeit 
begründen. 
Gegen ein häufiges Missverständnis: Mit "konsensfähig" ist 
nicht gemeint, dass faktisch eine einstimmige Zustimmung vorliegt. Auch die 
hochgradig konsensfähigen Ergebnisse der Naturwissenschaften finden faktisch 
keine einmütige Zustimmung. Trotzdem gibt es dort für Verständige einen stetigen 
Erkenntnisprozess.
Soviel erstmal (hoffentlich nicht zuviel) von 
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 05. Sept. 2006, 14:44 Uhr 
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Hallo Eberhard! 
Um auf Deine Fragen zu antworten, möchte ich zuerst noch 
im Allgemeinen näher erläutern, wie sich reflexive Normbegründung und 
präreflexive Geltung von Normen zu einander verhalten. Dazu zwei Selbstzitate. 
Ich hatte geschrieben: 
Quote:Aber irgendwo muss der Scheck der 
Konsensfähigkeit durch einen faktischen Konsens gedeckt sein, denn er muss ja im 
faktischen, gemeinsamen, normenkonformen Handeln eingelöst werden. Erst da zeigt 
sich, was eine vernünftige Begründung wert ist. 
Und in einem anderen 
Beitrag: 
Wenn es nun um Normen, Zwecke oder "Werte" geht, so nenne 
ich sie "gesetzt", wenn sie in der Reflexion erkannt und als "gültig" erklärt 
werden. Solange man über Normen oder Zwecke nur nachdenkt/diskutiert, hat man 
sie noch nicht "in Geltung gesetzt" oder "beschlossen". 
In der 
Reflexion - z.B. in einer Diskussion über die Frage: „Wie soll ich im Fall X 
handeln?“ – werden Normen virtualisiert. Die gegebenen Antworten sind nur 
Vorschläge, für die dies oder jenes spricht. Gesetzt, eine Diskussionsrunde 
einigte sich auf eine bestimmte Antwort, so wird daraus doch erst eine gültige 
Norm, wenn sie in einem von der Begründung gesonderten Schritt „beschlossen und 
verkündet“ wird, d.h. wenn die Beteiligten ausdrücklich ihren gemeinsamen 
„Willen“ erklären, dass die vorgeschlagene Norm ab jetzt befolgt werden soll. 
Erst dann gilt diese Norm faktisch. 
Die „Geltung“ einer Norm umfasst 
also zwei Momente, die durch die Reflexion von einander getrennt werden: ein 
kognitives Moment und ein „volitives“ Moment. In einer Diskussion um die 
Begründung der Norm wird das kognitive Moment isoliert; die Willenserklärung 
kommt dadurch als gesonderter Schritt im Verfahren zur Abhebung. So wird klar: 
Die beste Begründung der Norm – dass sie von allen möglichen Subjekten gewollt 
werden kann - macht eine Norm noch nicht gültig. Gültig wird die Norm erst, wenn 
sie faktisch gewollt wird, und zwar von empirischen Subjekten, die niemals „alle 
möglichen“ sind, sondern immer nur abzählbar viele. 
Wie verhält es 
sich mit der Dualität des Kognitiven und des Volitiven bei Normen, die auf 
unreflektierte Weise gelten? Das wären Normen, die in einer bestimmten 
Gesellschaft niemals angezweifelt wurden, so dass auch niemand Fragen danach 
beantworten musste, warum diese Regel von jedermann befolgt werden solle. Die 
Norm wird „einfach so“ befolgt. Ja, sie tritt gar nicht einmal als Norm – 
nämlich als expliziter Soll-Satz - in irgendjemandes Bewusstsein. Alle wissen 
nur: „Bei uns macht man es faktisch immer schon so.“ Dabei ist auch nicht davon 
die Rede, dass alle es ausdrücklich so (und nicht anders) „wollen“. Ein 
ausdrückliches Wollen kommt m.E. nämlich erst dort zur Abhebung, wo es mit 
möglichen Alternativen verbunden ist, wo also zwischen einem möglichen „so oder 
anders“ entschieden werden muss. (Man könnte das auch so formulieren, dass man 
schon wissen muss, was eine „Entscheidung“ ist, bevor man versteht, was „Wille“ 
bedeutet.) 
Man kann also im Falle der präreflexiv geltenden „Normen“ gar 
nicht zwischen Wollen und Sollen unterscheiden. Was in der Reflexion einen 
Gegensatz bildet, ist im präreflexiven Handlungsvollzug eine ungeschiedene 
Einheit. Es ist eine Weise des Handelns, ein (intersubjektives) Handlungsschema 
oder eine „Lebensform“. In der Reflexion gilt, dass man das Sollen nicht aus dem 
Sein ableiten kann: nur weil man etwas bisher immer so und nicht anders getan 
hat, muss man es nicht zwingend auch in Zukunft so tun. Im unreflektierten 
Handlungsvollzug spielt aber eine offene Zukunft, in der alles auch ganz anders 
kommen könnte, gar keine Rolle. Erst wenn die bisher gelingende Praxis an 
veränderten Umständen scheitert, womöglich mehrmals, kann bewusst werden, dass 
die bisherige Praxis kontingent ist und ihr Gelingen von veränderlichen 
Umständen mit abhängt. 
In einer unreflektiert gelingenden, gemeinsamen 
Praxis gibt es auch keinen Zwang, also äußere Handlungsrestriktionen, zu denen 
auch Forderungen oder Imperative anderer gehören können. Zwang – verstanden als 
Beschränkung der Handlungsfreiheit – kann es nur geben, wo es überhaupt Freiheit 
gibt. Aber „Freiheit“ – verstanden als bewusste Fähigkeit, zwischen möglichen 
Alternativen zu entscheiden – gibt es im vorliegenden Fall gar nicht, weil die 
eingespielte Handlungsweise alternativlos vollzogen wird. „Wo kein Kläger, da 
kein Richter“, ist ein bekannter Rechtsgrundsatz. Und bei einer gelingenden 
gemeinsamen Praxis gibt es eben niemanden, der sich darüber beklagt, dass er 
nicht tun könne, was er wolle. 
Dass ich hier nicht von paradiesischen 
Zuständen in irgendwelchen versunkenen traditionalen Gesellschaften spreche, 
wird klar, wenn wir unser tagtägliches Routinehandeln beobachten. Denn das hat 
dieselbe irreflexive Struktur, bei der Wollen und Sollen nicht auseinander 
treten und von „Zwang“ und „Freiheit“ keine Rede ist. Zweifellos besteht unser 
Leben nicht nur aus Routinehandlungen; jederzeit kann eine gelingende Praxis 
scheitern, kann sie in Frage gestellt werden, können Meinungsverschiedenheiten 
auftreten. Aber niemals bei allen unseren Lebensformen zugleich, sondern immer 
nur an verhältnismäßig wenigen Punkten. Wäre es anders, würde unser Leben 
zusammenbrechen; denn man kann sein Leben nicht in der Dauerreflexion zubringen. 
Es muss gehandelt werden, und zwar gemeinsam. Und während eine bisher gängige 
Praxis in Frage steht, wird sie doch noch in der gewohnten Weise vollzogen, 
schlicht deshalb, weil man es sich nicht leisten kann, nichts zu tun, ehe nicht 
über die neue Praxis entschieden ist. 
So ist es zu verstehen, wenn ich 
sage, dass die Lebensformen, also die „gelebten“ Konsense, die Grundlage der 
expliziten, reflektierten und ausdrücklich „gesetzten“ Normen bilden. Und so 
begründe ich meine Behauptung, dass eine Normenbegründung, die aussschließlich 
nach dem Vorbild der neuzeitlichen Naturrechtstradition vorgeht, zu kurz greift, 
gleichsam in der Luft hängt, also unrealistisch ist. 
Das neuzeitliche 
Naturrecht, (grob gesagt) anfangend mit Hobbes, geht nämlich von einer 
natürlichen „Freiheit“ aus: Im „Naturzustand“ können alle Individuen tun, was 
sie wollen, sie haben ein „natürliches Recht“ darauf. Normen werden hier 
eingeführt als intelligenter Ersatz der faktischen Zwänge und Risiken, die ein 
ungeregeltes Zusammenleben der natürlich Freien zur Folge hätte. Normen sind 
also rational eingesehene und ausdrücklich gewollte Einschränkungen der Freiheit 
aller, und zwar um der Freiheit willen. Dieser Begründungsansatz setzt lauter 
Begriffe voraus (Freiheit, Zwang, Wollen, Norm), die in den basalen, 
irreflexiven Lebensformen einer Gesellschaft gegenstandslos sind. 
Der 
naturrechtliche Ansatz ist, wie ich schon bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, 
vollkommen überzeugend, nämlich für das Recht und den rechtsförmig verfassten 
Staat. Aber es ist verfehlt, Handlungsnormen grundsätzlich nach diesem Modell zu 
begründen bzw. dieses Modell auf die Ethik auszuweiten. Die Moral einer 
Gesellschaft ist kein Zwangsrecht. 
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06. 
Sept. 2006, 01:50 Uhr 
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Hallo Eberhard
on 09/05/06 um 10:55:05, Eberhard wrote:..............
Über positive Aussagen lässt sich durch logische Argumentation und durch den 
Hinweis auf gemachte Wahrnehmungen in Bezug auf viele Aussagen ein 
argumentativer Konsens herstellen, dank der auf intersubjektive Nachprüfbarkeit 
angelegten Methoden der Erfahrungswissenschaften.
In Bezug auf die 
normativen Aussagen kann von einer auf intersubjektive Nachvollziehbarkeit 
angelegten Methodik bisher kaum gesprochen werden.
.......... 
Ich 
glaube fast, daß ich Dich jetzt verstanden habe. Nur sehe ich selbst keinen Weg, 
eine geeignete Methodik im Bereich der moralischen Normen zu finden. 
Das 
methodische Instrument der Naturwissenschaften, Anhand von Wahrnehmungen zu 
begründen, fehlt uns bei der Aufstellung moralischer Normen.
Um einen 
infiniten Regreß an Begründungen zu vermeiden, darf die Begründung einer Norm 
auch nicht immer auf eine weitere Norm verweisen.
Weiters ist die 
allgemeine Anerkennung einer Norm kein Beweis dafür, daß sie wirklich 
konsensfähig ist. 
Du schreibst:
Quote:Eine moralische 
Handlungsnorm ist richtig, wenn man so handeln soll, wie die Norm besagt. Die 
Frage, die sich angesichts dieser Lage für die Ethik stellt lautet: Welches 
allgemein akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug auf normative 
Urteile, das eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende allgemeine 
Übereinstimmung ermöglicht 
Dein Kriterium der "argumentativen 
Konsensfähigkeit" ist aber kein Kriterium, das auf diese Frage eine Antwort 
gibt, sondern streicht diesen Punkt nur nocheinmal heraus: daß eine moralische 
Norm nur dann als richtig akzeptiert werden kann, wenn es allgemein 
nachvollziehbare Argumente für sie gibt.
Welche Art von Argumenten das 
sein können, sagt sie uns nicht. Uns fehlt also noch jeder konkrete Ansatz einer 
Methode, nach der wir feststellen können, ob eine moralische Norm allgemein 
konsensfähig ist.
Du schreibst
Quote:Dass das Kriterium der 
intersubjektiv übereinstimmenden Wahrnehmungen kein Kriterium für moralische 
Urteile sein kann, bedeutet ja noch nicht, dass es nicht ein anderes Kriterium 
geben kann, das eine intersubjektive Übereinstimmung und damit eine Begründung 
des allgemeinen Geltungsanspruchs moralischer Urteile ermöglicht. 
Außer den intersubjektiv geteilten Wahrnehmungen fällt mir nur noch die Logik 
und die Mathematik ein. Und ich glaube nicht, daß die beiden allein dabei 
hilfreich sind.
Aber vielleicht fällt Dir noch etwas ein.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Tombola am 
06. Sept. 2006, 02:05 Uhr 
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Hi. Ich hab eure Diskussion nicht ganz mitverfolgt, aber ich hab einen kleinen 
Beitrag zu dem, was hel grad geschrieben hat.
hel Meinte, die Ableitung 
von Normen darf nicht selbst wieder auf Normen gründen, weil sonst der 
moralische Komplex selbstbezüglich wäre.
Es ist doch aber meisstens so, 
dass der Charakter von Aussagen/Sätzen auf das zurückgeht, was man als Axiome 
formuliert hat.
In diesem Fall wäre es vieleicht so: Man muss sich 
fragen, ob handlungsanleitende Sätze (vieleicht abstrakt in der Form: Wenn 
"Situation" dann "Handlung") überhaupt aus anderen Sätzen und Axiomen abgeleitet 
werden können.
Wenn das nicht so ist (ich vermute es nur mal), wäre eine 
weitere Möglichkeit, axiomatische Normen einzuführen, die von allen eingesehen 
werden können.
Sowas bieten eben die Menschenrechte.
Ein wenig läuft 
das auf ein Erziehungproblem hinaus, wobei das Problem eher eine Chance ist...
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06. 
Sept. 2006, 02:30 Uhr 
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Hallo Tombola,
Du müßtest Dich ein bißchen einlesen. 
Quote:Man 
muss sich fragen, ob handlungsanleitende Sätze (vieleicht abstrakt in der Form: 
Wenn "Situation" dann "Handlung") überhaupt aus anderen Sätzen und Axiomen 
abgeleitet werden können.
Wenn das nicht so ist (ich vermute es nur mal), 
wäre eine weitere Möglichkeit, axiomatische Normen einzuführen, die von allen 
eingesehen werden können.
Sowas bieten eben die Menschenrechte. 
Das ist eigentlich auch mein Standpunkt. Aber Eberhard versucht, eine Ethik ohne 
"dogmatischen Endpunkt" zu finden sondern bei "moralischen Naturgesetzen" zu 
landen. Ich halte das für einen interessanten Versuch, aber fürchte, daß wir 
dabei scheitern werden.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
06. Sept. 2006, 09:21 Uhr 
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Hi,
wir diskutieren hier auf zwei verschiedenen Ebenen: die präreflexiven 
Normen und die reflexiven Normen.
Ich halte nichts davon, wenn wir diese 
beiden Ebenen gleichzeitig diskutieren. Zwei unterschiedliche Themen im gleichen 
Thread zu diskutieren führt nur zur Verwirrung.
Der m.E. seit alters her 
bestehende Konflikt zwischen biologisch gesteuertem Verhalten, das die 
entsprechenden selbstverständlichen nicht hinterfragten präreflexiven Normen 
generiert und der ihnen widersprechenden humanen Ethik gehört zum Bereich 
präreflexive Normen, den wir vielleicht besser in einem eigenen Thread 
diskutieren sollten. Hier, schlage ich vor, sollten wir uns auf die reflexiven 
Normen beschränken. Soweit das möglich ist; denn gänzlich, fürchte ich, wird das 
nicht gehen.
Auf die Frage, warum soll ich moralisch handeln, gibt 
Eberhard die folgende Antwort:
Es ist also keineswegs widersprüchlich 
sondern man handelt rational (im Sinne von "den eigenen Zielen entsprechend"), 
wenn man (unbemerkt) gegen diejenige Regel verstößt, die man selber als die für 
alle gemeinsam beste Regelung hält. 
Man handelt damit allerdings nicht 
moralisch (d. h. gemäß den einzuhaltenden Regeln) und auch nicht "vernünftig" 
(weil man hinter die Einsicht zurückfällt, dass Regeln notwendig sind, die für 
alle gelten und von allen anerkannt werden können). 
Diese Aussage 
enthält allerdings eine Voraussetzung: nämlich die, dass man überhaupt an 
gemeinschaftlichem Handeln interessiert ist. Das ist nicht notwendigerweise der 
Fall. Ein Egozentriker kann ohne weiteres anerkennen, dass einer bestimmte Norm 
aus rationalen Gründen zuzustimmen ist, weil dies der Gemeinschaft zuträglich 
ist. Er kann sie aus ebenso rationalen Gründen für sich selbst ablehnen, weil 
sie seine Selbstverwirklichung behindert. Soweit wiederhole ich so ziemlich 
Eberhard.
Jetzt kann argumentiert werden, du profitierst ja von der 
Einhaltung der Normen, also musst du vernünftigerweise dafür sein und sie selber 
einhalten.
Der Egozentriker kann ebenso vernünftig entgegnen: ich bin 
entschieden für die Absegnung und Sanktionierung dieser Normen, gerade weil ich 
davon profitiere. Ich lasse sie aber nicht für mich gelten, da genau das meinen 
Profit schmälert.
Für den Egozentriker hat damit die Gesellschaft 
Objektcharakter. Er nimmt sich aus der Gesellschaft heraus und wird dadurch zum 
Subjekt, dem die Gesellschaft als Objekt gegenüber steht, ein Objekt, mit dem er 
agiert.
Schließt der Egozentriker sich mit anderen Egozentrikern zu 
Zweckverbänden zusammen, erkennen wir ein politisches System.
Wie ist das 
denn nun mit der Moral? Mit welcher Begründung lässt sich der Egozentriker dazu 
bewegen, selber die Normen einzuhalten, denen er zustimmt?
Daran 
anschließend die Frage: muss nicht sicher gestellt werden, dass reflexive Normen 
nicht so aufgestellt werden, dass sie überhaupt nur für bestimmte 
gesellschaftliche Gruppen gelten können?
Beispiel: Schutz der 
Privatsphäre ist eine allgemeine Norm.
Diese Norm gilt aber nicht für 
diejenigen, die Transferleistungen der Gesellschaft benötigen, also z.B. Hartz 
IV. Die Norm, dass Transferleistungen den Schutz der Privatsphäre weitgehend 
aushebeln, kann gar nicht allgemein gelten, weil sie an die Bedingung geknüpft 
ist, dass einer seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann. Wir haben hier 
also eine Norm, der aus rationalen Gründen alle zustimmen können, obwohl sie für 
den Großteil der Zustimmenden gar nicht gelten kann. Unmoralisch handeln kann 
demnach nur der Hartz IV-Empfänger, die anderen können es gar nicht.
Da 
stellt sich dann die Frage nach der Moralität von Gesetzen, die von vornherein 
nur für einen Teil der Gesellschaft gelten können.
Grüße
--------------------------------------------------------------------------------
Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
06. Sept. 2006, 09:28 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo Urs
zu Deinen – sehr überzeugend 
vorgetragenen – Einwänden oder Ergänzungen. Du betonst, dass die durch 
Erkenntnis (kognitiv) erreichte Findung der Norm noch nicht die Einführung der 
Norm bedeutet, sondern dass es eines zusätzlichen (volitiven) Willensaktes der 
In-Kraft-Setzung bedarf.
Dies halte ich grundsätzlich für richtig. Die 
Beantwortung der Frage: "Was ist die für alle gemeinsam beste Regelung?" ist 
nicht identisch mit der Frage: "Gemäß welchen Regeln soll man handeln?", denn es 
kann zusätzlich ein Koordinierungsproblem bestehen. Wenn z.B. Rechtsfahrgebot 
und Linksfahrgebot gleichwertig sind, bedarf es einer zusätzlichen Entscheidung, 
welche Norm gelten soll. Das Handeln unmittelbar gemäß dem als richtig Erkannten 
kann also die soziale Koordination stören. (Der "Überzeugungstäter" ist u.U. 
noch problematischer als der Normverletzer aus Eigeninteresse.)
Oder ein 
anderes Beispiel. Angenommen in einer Gesellschaft der Kavaliere begrüßt man 
immer zuerst die "Damen". Jemand, der diese Kavaliersmoral mit die damit 
verbundene unselbständige Stellung von Frauen nicht akzeptiert und für eine 
Gleichstellung von Männern und Frauen ist, hält es deshalb für richtig, den 
"Damen" keine Sonderstellung zu geben, was sich auch darin aus drückt, dass er 
die Anwesenden der Reihe nach begrüßt. Dann kann es vorkommen, dass er eine Frau 
erst nach einem Mann begrüßt. 
Wenn die Frau den Hintergrund seines 
Verhaltens nicht kennt, so wird sie dies Verhalten als eine Missachtung ihrer 
Weiblichkeit und ihrer Würde als Dame interpretieren.
Die Unterschied 
zwischen der Frage "Was ist die für alle gemeinsam beste und somit richtige 
Norm?" und der Frage: "Gemäß welcher Norm soll man handeln?" wird übrigens auch 
beim Kategorischen Imperativ nicht beachtet, der unmittelbar auf das Handeln 
bezogen ist ("Handle so, dass …). Dass die Vernachlässigung dieser 
Unterscheidung problematisch sein kann, zeigt das folgende Beispiel.
Angenommen, man käme zu dem Schluss, dass es die für alle gemeinsam beste 
Regelung ist, wenn alle ihre Waffen vernichten und auf das Mittel der 
bewaffneten Auseinandersetzung verzichten. Auch wenn dies richtig sein mag, 
folgt daraus nicht, dass ich jetzt entsprechend handeln und meine Waffen 
vernichten soll. Denn es braucht nur eine Partei die gefundene Lösung nicht zu 
befolgen und man hat eine Situation, in der der eine bewaffnet und der andere 
entwaffnet ist. Eine solche Situation wird aber kaum für alle gemeinsam die 
beste sein.
Andererseits scheint mir gerade bei den allgemein 
menschlichen Normen der Moral dieser formelle Akt der In-Kraft-Setzung nicht 
unbedingt erforderlich zu sein. Wenn man die Moral im Unterschied zum Recht als 
eine normative Orientierung ansieht, die nicht kodifiziert ist sondern sich in 
den Einstellungen der Individuen ausdrückt, so bilden und verändern sich diese 
moralischen Einstellungen unter dem Einfluss veränderter Lebensverhältnisse in 
gewisser Weise "von selbst".
Du schreibst weiter: " Man kann also im 
Falle der präreflexiv geltenden 'Normen' gar nicht zwischen Wollen und Sollen 
unterscheiden. Was in der Reflexion einen Gegensatz bildet, ist im präreflexiven 
Handlungsvollzug eine ungeschiedene Einheit. Es ist eine Weise des Handelns, ein 
(intersubjektives) Handlungsschema oder eine 'Lebensform'". Hier ist die Frage, 
was ist bloße Gewohnheit oder Brauchtum bei diesen Lebensformen und was ist 
Moral. Leider nennst Du kaum konkrete Beispiele für derart präreflexive 
'Normen'. Ich sehe den Unterschied zwischen dem regelmäßigen Handeln aus 
Gewohnheit und dem regelgemäßen Handeln entsprechend einer Moral darin, dass man 
von einer Gewohnheit abweichen kann, ohne Tadel oder Sanktionen befürchten zu 
müssen, was bei Moral nicht der Fall ist.
Abschließend noch der Hinweis, 
dass es auch bei den Erfahrungswissenschaften eine Kluft zwischen Theorie und 
Praxis gibt. Diese zeigt sich u.a. bei der Rolle von Sachverständigen in 
Gerichtsprozessen. Ihre Ausführungen gehen nur insoweit in das Urteil ein, wie 
der Richter diese in freier Beweiswürdigung anerkennt.
Grüße an alle, die 
über Moralbegründung nachdenken von 
Eberhard.
p.s.: So macht mir 
die Diskussion Spaß und so bringt sie auch für alle einen Erkenntnisgewinn. 
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Titel: Moralspostel oder Diktator?
Beitrag von Wolfgang_Horn am 06. Sept. 
2006, 10:30 Uhr 
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Hallo Freunde,
ich setze die Schneide des scharfen Denkens zwischen
den "Moralapostel" mit seiner Frage "warum sollen meine Nächsten sich nach 
meinen Moralvorgaben verhalten?" 
und den Diktator, der diese Frage schon 
beantwortet hat: "Ihr alle sollt meinen Tankstellen euer Öl spenden, 
Widerstrebende werden zu Terroristen erklärt, ich habe schöne Gitterkäfige fuir 
euch!"
Krass, nicht wahr? Moralapostel mit der "most evil peson on 
earth" zu verbinden, das gemeinsame Böse herauszuarbeiten?
Ja. Das 
Krasse, das Unerträgliche beginnt mit dem Wort "sollen".
Darin steckt 
nämlich schon die Anmaßung des Moralapostels, seine Mitmenschen zwingen zu 
wollen.
Und diese Anmaßung läßt meinen Zoll lodern.
Um richtig böse zu 
werden fehlt ihm dann nur noch die Macht.
These: Jeder Moralapostel ist 
ein Möchtegern-Diktatator, und welche Moral er immer vorschlägt, seine üble 
Einstellung entlarvt alle seine hehre klingenden Worte nach Moral als 
heuchlerisches Feigenblatt seines scheußlichen Strebens nach Macht über seine 
Opfer.
Den besseren Weg finde ich bei Jesus Christus, dem alten Fritz, 
Mahatma Gandhi und gerade bei Marc Aurel - diese Personen setzten tatsächlich 
jeweils ihre Moral, indem sie als Vorbilder glaubhafte voran gingen. Zum Teil 
ihr Leben für ihre Überzeugung riskierten - oder es sogar einsetzten wie Jesus 
Christus.
Sie alle wirkten nach der Methode: "Ich tue selbst, was ich für 
richtig halte".
Damit überzeugten sie mehr als der Ölräuber und "Satan der 
Gitterkäfige" von Washington.
Und jetzt ziehe ich mich warm an und 
neugierig, wer in diesem Forum sich outet als Möchtegern-Diktator und wer mir 
vorwirft, ich hätte ihn falsch verstanden.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von laertes am 
06. Sept. 2006, 10:37 Uhr 
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hi wolfgang,
voll einverstanden mit deinem posting!
aber:
überlege mal ob, das was du als 'wahrheit' und deren ockhmansche annäherung 
bezeichnest, nicht auch schon moral ist.
viele grüsse
laertes 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.Idie 
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 06. Sept. 2006, 12:40 Uhr 
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Hallo Eberhard, hallo Abrazo! 
Mit den irreflexiven Lebensformen 
meine ich ganz sicher keine instinktiven (und insofern "natürlichen") 
Verhaltensweisen, sondern Handlungsschemata, die kulturell erworben - also 
erlernt - sind. Zur "Gewohnheit" müssen solche Handlungsweisen allerdings 
geworden sein, damit sie ohne ausdrückliche Überlegung vollzogen werden können. 
Letztlich zielt der größte Teil unseres Lernens darauf ab, dass uns 
Handlungsschemata "selbstverständlich" werden, dass sie uns "in Fleisch und Blut 
übergehen", dass wir sie "im Schlaf" vollziehen können - also "unwillkürlich" 
und ohne das zeitraubende Zögern, das eine Überlegung und bewusste Entscheidung 
verursacht. 
Man kann allerdings auch die Reflexion gezielt lernen, z.B. 
das "Probleme lösen" oder das Argumentieren oder die "rasche Auffassungsgabe". 
So bekommt etwa ein Richter unweigerlich Routine darin, das komplizierte 
Gerichtsverfahren in immer wechselnden "Fällen" zu überschauen, Unnötiges 
wegzulassen, Zeugen geschickt zu befragen usw. So lernen Psychotherapeuten, sich 
auf die individuellen Eigenheiten und Problemlagen ihrer sehr unterschiedlichen 
Klienten möglichst einfühlsam und doch sachlich einzustellen. 
Auch Reflexion 
kann also ihrerseits zum Routinehandeln, d.h. als zielgerichtetes 
Handlungsschema irreflexiv vollzogen werden. Reflexiv sind solche 
Handlungsschemata dann nur im Verhältnis zu ihren jeweiligen Gegenständen; der 
Vollzug "als solcher" geschieht "unmittelbar" und ist somit nicht das "Thema" 
der Reflexion. 
Es ist angesichts der riesigen Menge unserer 
erworbenen Routinehandlungen nicht ganz leicht zu bestimmen, welche davon 
moralisch relevant und welche - gewissermaßen als bloße "Techniken" - moralisch 
indifferent sind, obwohl sie für das gesellschaftliche Zusammenleben 
unverzichtbar sein mögen und von ihren Folgen viele andere Menschen mittelbar 
und unmittelbar betroffen sein können. - Intuitiv vermute ich, dass die Grenze 
in der Theorie nicht ein für alle Mal zu ziehen ist, dass man es aus 
theoretischer Warte vielmehr mit einem fließenden Übergang zu tun hat und nur 
bei der Prüfung von Einzelfällen bestimmen kann, ob irreflexive Handlungsweisen 
als moralisch indifferent (also quasi-technisch) aufzufassen sind oder nicht.
Dass die Irreflexivität des Routinehandelns ihrerseits moralisch 
problematisch werden kann, ist bekannt. Hier muss man gar nicht an "Schlendrian" 
(juristisch: "Fahrlässigkeit") denken, dessen Folgen verheerend sein können. In 
vielen Bereichen wird es bereits zu einer moralischen Frage, ob man routiniert, 
quasi-technisch mit anderen Menschen umgehen darf (Behörden, Medizin). Eine 
andere Facette des Routine-Problems ist das "Burn out"-Syndrom, also eine 
(scheinbare) Gewöhnung an die ständige Überforderung durch Verantwortung, 
Mitgefühl usw. - 
Routine ist also schon als solche ein moralisches Thema: 
Einerseits wird sie für einen "reibungslosen Ablauf" des Zusammenlebens 
gebraucht (z.B. im Straßenverkehr, in der Medizin), andererseits kann die 
"Versachlichung" durch routinierten Umgang miteinander in Missachtung und 
völlige Rücksichtslosigkeit umschlagen. (So kann man auch Routine im Töten und 
Foltern bekommen - erleichtert durch eine distanzschaffende Technik.) 
Aber ich möchte Beispiele für intersubjektive Handlungsweisen nennen, die 
eindeutig als "moralisch" zu erkennen und doch "eingespielt" sind, also 
irreflexiv vollzogen werden. 
In unserer Gesellschaft ist eine gewisse 
Distanziertheit im alltäglichen Umgang miteinander üblich. Es gilt als 
"unhöflich" oder "rücksichtslos" oder "unfein" oder "verletzend", dem anderen 
"zu nahe zu treten". Das "Zu-nahe-treten" kann ganz buchstäblich gemeint sein; 
man denke an die typische angespannte Betretenheit, die sich regelmäßig in 
vollen U-Bahnen oder Aufzügen ausbreitet, wenn man gezwungenermaßen dicht 
gedrängt steht. Zu nahe kann man dem anderen aber auch durch persönliche Fragen 
oder Bemerkungen treten. Es genügt ja schon das Zeigen mit dem Finger auf einen 
Dritten oder das unverhohlene, neugierige oder gar lüsterne Anstarren. Sogar 
Freundlichkeit kann als "aufdringlich" empfunden werden, weswegen wir meist auch 
darin vorsichtige Zurückhaltung üben (im auffälligen Gegensatz z.B. zum Umgang 
der US-Amerikaner miteinander). 
Zum Anstarren fällt mir ein Ereignis 
aus meiner Kindheit ein, das sozusagen "prägend" war. - Ich muss etwa 7 oder 8 
Jahre alt gewesen sein, als mein Vater einmal zwei Kollegen zu uns nach Hause 
einlud; der eine war ein Thailänder, der andere ein sehr dunkelhäutiger 
Äthiopier. Diese Begegnung fand ich natürlich sehr spannend; damals war es noch 
sehr selten, dass man einen Afrikaner oder Asiaten aus der Nähe betrachten 
konnte, und nun saßen zwei von ihnen an unserem Esstisch. Eine der Beilagen war 
Frisée-Salat, und ich erinnere mich noch gut, dass ich fasziniert davon war, wie 
der Äthiopier (der übrigens den gleichen Vornamen hat wie ich) diesen Salat aß - 
mit kurzen und entschiedenen Kaubewegungen, die ein deutlich hörbares 
"ratsch-ratsch-ratsch" bewirkten. Und ich bin beinahe erschrocken 
zusammengefahren, als ich bei einer Kopfwendung den tadelnden, kopfschüttelnden 
Blick meiner Eltern auffing, der eindeutig zu verstehen gab: "Starr den Mann 
nicht so an!" 
Mein Blick war völlig unbefangen gewesen, einfach 
neugierig und interessiert, wie das für Kinder typisch ist. Aber er scheint 
gleich gegen mehrere "Normen" verstoßen zu haben: Man starrt andere nicht 
unverwandt an; man diskriminiert Fremde nicht, nur weil sie fremd sind - wobei 
unverhohlene Neugier schon diskriminierend sein kann; man schaut tolerant über 
persönliche Eigenheiten hinweg, auch wenn sie, gemessen an den eigenen Maßstäben 
des "Benimms", auffällig sind... 
Diese Szene hat sich mir stark 
eingeprägt, obwohl meine Eltern sie später nicht noch einmal in einem 
"moralischen Gespräch" thematisierten. Bestimmt habe ich bei anderen 
Gelegenheiten auch ausdrückliche Ermahnungen zum taktvollen Umgang von ihnen 
erhalten. Sonst hätte ich vermutlich ihren tadelnden Blick gar nicht verstanden.
Mir scheint das ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie subtil einerseits 
"moralische Erziehung" stattfindet und wie tief andererseits "Normen" in den 
unwillkürlichen Umgang miteinander, hinein bis in unsere Körperbewegungen, 
"einbeschrieben" sind. Dort sind sie als "Normen" nicht mehr bewusst; trotzdem 
lassen sie sich in der Reflexion als vorhanden "rekonstruieren". Ja uns fällt 
meist nur an Ausnahmesituationen auf, dass unsere kleinen Handlungsschemata 
nicht "natürlich" und "selbstverständlich" sind, sondern dass wir sie irgendwann 
einmal erlernt haben und dass es dafür ein "richtig" und ein "falsch" gibt. 
Im Verhältnis zu diesem subtilen und komplexen "Unterbau" unseres erlernten 
sozialen Handelns wird deutlich, wie "oberflächlich" und exzeptionell die 
bewusste Diskussion über moralische Normen und ihre Rationalität immer nur sein 
kann. Moral nistet sich sehr viel "tiefer" ein, nämlich dort, wo sie der 
Reflexion meist entzogen bleibt und wo ein Umlernen darum auch sehr schwer 
fällt. 
Aber, wie schon mehrfach betont, nur weil sich diese Basis unseres 
Ethos der Reflexion überwiegend entzieht, ist sie doch nicht per se "irrational" 
oder "willkürlich" oder "autoritär" zustande gekommen. 
Es grüßt Euch
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 06. Sept. 2006, 13:35 Uhr 
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Hi, laertes,
Du: voll einverstanden mit deinem posting!
Danke, bin 
erleichtert.
Du;: das was du als 'wahrheit' und deren ockhmansche 
annäherung bezeichnest, nicht auch schon moral ist.
Verschiedene 
Erklärungen nach Okhams Regel miteinander zu vergleichen für die Entscheidung, 
welche Eklärung man gemeinsam für solange eher wahr halten wolle, bis neue 
Erkenntnisse vorliegen, ist eine Vereinbarung unter Naturwissenschaftlern.
Wer sich dem entzieht, der wird einfach nicht ernst genommen. Wer ein 
besseres Kriterium vorstellen will, soll das tun. Wenn es vernünftig klingt und 
Chancen hat, Okhams Regel zu toppen.
Ob das die Merkmale erfüllt, die für 
eine Moral gelten, mögen die prüfen, die dafür kompetent sind.
Ich will 
mir nur übrflüssige Mühen ersparen, ich will treffend entscheiden, ich will die 
besten Karten und Modelle der Wirklichkeit.
Mir ist klar, Esoteriker und 
andere Personen, die untaugliche Modelle favorisieren, lehnen Ockhams Regel ab. 
Genau diese Ablehnung ist das Merkmal ihrer Untauglichkeit als 
Naturwissenschaftler.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 06. 
Sept. 2006, 14:16 Uhr 
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Hallo Abrazo
on 09/06/06 um 09:21:39, Abrazo wrote:.....
Daran 
anschließend die Frage: muss nicht sicher gestellt werden, dass reflexive Normen 
nicht so aufgestellt werden, dass sie überhaupt nur für bestimmte 
gesellschaftliche Gruppen gelten können?
Beispiel: Schutz der 
Privatsphäre ist eine allgemeine Norm.
Diese Norm gilt aber nicht für 
diejenigen, die Transferleistungen der Gesellschaft benötigen, also z.B. Hartz 
IV. Die Norm, dass Transferleistungen den Schutz der Privatsphäre weitgehend 
aushebeln, kann gar nicht allgemein gelten, weil sie an die Bedingung geknüpft 
ist, dass einer seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann. Wir haben hier 
also eine Norm, der aus rationalen Gründen alle zustimmen können, obwohl sie für 
den Großteil der Zustimmenden gar nicht gelten kann. Unmoralisch handeln kann 
demnach nur der Hartz IV-Empfänger, die anderen können es gar nicht. 
Wenn man es so formuliert:
Wer jemandem Hilfe unter einer bestimmten 
Bedingung anbietet, ist moralisch berechtigt, sich zu vergewissern, daß diese 
Bedingung auch eingehalten wird, bevor diese Hilfe geleistet wird. Oder 
umgekehrt:
Der Anspruch auf Hilfeleistung verpflichtet zum Nachweis der 
Bedürftigkeit. 
Dann gilt diese Norm auch für jedermann.
Grüße,
hel
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Titel: Re: Moralspostel oder Diktator?
Beitrag von Joy am 06. Sept. 2006, 
17:28 Uhr 
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on 09/06/06 um 10:30:14, Wolfgang_Horn wrote:These: Jeder Moralapostel ist 
ein Möchtegern-Diktatator, und welche Moral er immer vorschlägt, seine üble 
Einstellung entlarvt alle seine hehre klingenden Worte nach Moral als 
heuchlerisches Feigenblatt seines scheußlichen Strebens nach Macht über seine 
Opfer.
Den besseren Weg finde ich bei Jesus Christus, dem alten Fritz, 
Mahatma Gandhi und gerade bei Marc Aurel - diese Personen setzten tatsächlich 
jeweils ihre Moral, indem sie als Vorbilder glaubhafte voran gingen. Zum Teil 
ihr Leben für ihre Überzeugung riskierten - oder es sogar einsetzten wie Jesus 
Christus.
Sie alle wirkten nach der Methode: "Ich tue selbst, was ich für 
richtig halte".
Damit überzeugten sie mehr als der Ölräuber und "Satan der 
Gitterkäfige" von Washington. 
[applause] [applause] 
[applause]
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
06. Sept. 2006, 17:46 Uhr 
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Joy, Du hast öffentlich erklärt, dass Du in diesen Thread keine Texte einstellen 
wirst. Bitte halte Dich daran. 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
06. Sept. 2006, 17:48 Uhr 
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Hallo allerseits, 
Hallo Abrazo,
Du fragst, wie man einem erklärten 
Egozentriker gegenüber argumentieren kann, der die Position vertritt: "Ich bin 
entschieden für die Absegnung und Sanktionierung dieser Normen, gerade weil ich 
davon profitiere. Ich lasse sie aber nicht für mich gelten, da genau das meinen 
Profit schmälert."
Ich denke, dass die Argumentation hier sehr einfach 
ist, da es sich um einen argumentierenden Egozentriker handelt. Ein 
Egozentriker, der der allgemeinen Norm zustimmt und sie gleichzeitig brechen 
will, verwickelt sich in einen logischen Widerspruch: Wenn es z.B. richtig ist, 
dass niemand seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen 
soll, dann kann nicht richtig sein, dass ich mir diese Aufdringlichkeit erlaube.
Zu der Frage der allgemeinen Geltung von Normen und ihrer Relevanz nur für 
einen Teil der Gesellschaft. Ich glaube Marx hat die rechtliche Gleichstellung 
der Individuen in einer Klassengesellschaft als Illusion kritisiert, indem er 
als Beispiel auf das Gesetz verwies: "Es ist (für alle) verboten, unter den 
Brücken zu schlafen." Trotz der Gleichbehandlung aller Individuen im 
Gesetzestext sei dies faktisch ein Gesetz, das nur die Armen und Obdachlosen 
einschränke, die keine Wohnung hätten. Aber ich will diesen Aspekt hier nicht 
weiter vertiefen. Sei gegrüßt von
Eberhard.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Joy am 06. 
Sept. 2006, 18:29 Uhr 
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on 09/06/06 um 17:46:20, Eberhard wrote:Joy, Du hast öffentlich erklärt, 
dass Du in diesen Thread keine Texte einstellen wirst. Bitte halte Dich daran.
Das tue ich doch auch! Oder ist das hier vielleicht "Text":
[applause] [applause] [applause]
Aber Du siehst, mit dem, was 
ich im Thread I über die "Moral" schrieb, stehe ich nicht allein. Eure 
Moraldiskussion ist und bleibt eine heuchlerische Pseudodiskussion, auch wenn 
Ihr Euch dabei noch so gewählt ausdrückt. Wolfgang hat das sehr gut auf den 
Punkt gebracht.
Und im übrigen, Eberhard, lasse ich mir von Dir nicht das 
Schreiben verbieten...
Joy
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
06. Sept. 2006, 20:42 Uhr 
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Hi Eberhard,
mach es Dir nicht einfacher, als es in der Wirklichkeit ist.
Ein Egozentriker, der der allgemeinen Norm zustimmt und sie gleichzeitig 
brechen will, verwickelt sich in einen logischen Widerspruch: Wenn es z.B. 
richtig ist, dass niemand seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und 
belästigen soll, dann kann nicht richtig sein, dass ich mir diese 
Aufdringlichkeit erlaube. 
Dass er sich in einen Widerspruch verwickelt, 
setzt etwas voraus, was nicht so selbstverständlich angenommen wird, wie Du 
glaubst, nämlich die Gleichwertigkeit aller Mitglieder einer Gesellschaft.
Für einen Egozentriker, der sich für höherwertiger hält, gibt es da keinen 
Widerspruch.
Bessere Rasse, besseres Geschlecht, bessere Herkunft, 
wahrerer Glauben, höhere Bildung, mehr Reichtum, mehr Kraft, mehr Macht, mehr 
Intelligenz, bis hin zum König von Gottes Gnaden findest Du jede Menge Gründe, 
warum Menschen der Auffassung sind, für sie gelten die gleichen Normen wie für 
andere nicht.
Auch unser Gesetz macht ja Ausnahmen: Meinungsfreiheit kann 
eingeschränkt werden, Wissenschaft und Kunst aber sind frei.
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
06. Sept. 2006, 20:58 Uhr 
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Hi Hel,
Wer jemandem Hilfe unter einer bestimmten Bedingung anbietet, ist 
moralisch berechtigt, sich zu vergewissern, daß diese Bedingung auch eingehalten 
wird, bevor diese Hilfe geleistet wird. 
Das ist aber kein Angebot, 
sondern Pflicht der Gesellschaft, abgeleitet vom Recht auf freie Entfaltung der 
Persönlichkeit, ein Recht, das faktisch beseitigt wird, wenn einer nicht weiß, 
wovon er leben soll. Es gibt da also keine Bedingung - außer der, dass einer 
seinen Lebensunterhalt nicht selbst erwerben kann. Hier ist die Frage zu 
stellen, warum er das nicht kann. Die Antwort ist klar: weil es nicht genügend 
Arbeitsplätze gibt.
Und das heißt im Klartext: unsere Gesellschaft ist so 
verfasst, dass nicht jeder von seiner eigenen Arbeit leben kann. Davon sind die 
Mitglieder aber abhängig. Es ist nicht mehr so, dass man auswandern und irgendwo 
in der Ferne ein Stück Land in Besitz nehmen und beackern kann; das hat schon 
einen Besitzer. Heißt: wenn die so verfasste GEsellschaft keinen Unterhalt für 
diejenigen zahlt, die ihn aufgrund ihrer Verfassung nicht selbst beschaffen 
können, verstößt diese Gesellschaft gegen sämtliche fundamentalen Grundsätze 
inklusive Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. 
Also ganz klar 
nicht soziale Menschenfreundlichkeit, sondern Pflicht.
Wir haben in Köln 
gerade das Problem, dass die Stadt sich überlegt hat, man könne doch prima Hartz 
IV Empfänger als 1-Euro-Job Kloleute auf den Schülerklos Kölner Schulen 
einsetzen. 40 wurden gesucht, ich glaube, 2 fanden sich. Fand die Stadt 
unmöglich. 
Wem das Geld mehr gilt als die Menschenwürde, der kann schon 
auf die Idee kommen zu sagen, was interessiert mich die Menschenwürde einer 
aufgrund der EDV-Rationalisierung arbeitslos gewordenen 50-jährigen 
Normalsekretärin, die eh keinen Job mehr findet; zwingen wir sie dazu, den 
Arbeitsplatz Schülerklo anzunehmen.
Würde man für diese Tätigkeit echtes 
Geld zahlen, also einen Lohn, der von mir aus Hartz IV entspricht, ohne jedoch 
die zahllosen damit verbundenen Eingriffe in den Privatbereich zu enthalten, 
würde man eventuell welche finden. Aber so? Ist es menschenwürdig, Arbeitslose 
dermaßen zu unwürdigen Sklaven zu degradieren?
Gruß 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Abrazo am 
06. Sept. 2006, 21:34 Uhr 
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Hi Urs,
Mit den irreflexiven Lebensformen meine ich ganz sicher keine 
instinktiven (und insofern "natürlichen") Verhaltensweisen, sondern 
Handlungsschemata, die kulturell erworben - also erlernt - sind.
Es geht 
um Moral, nicht wahr?
Nun gut. Ich befrage Herrn Hund nach seiner Moral.
Aus der Beobachtung von Junghunden entnehme ich, dass zumindest den Rüden wohl 
der Wille (verstanden als psychisches Erlebnis) angeboren (Instinkt) ist, sich 
gegen andere durchzusetzen. Machen schon die Welpen unmittelbar nach ihrer 
Geburt; dient nicht nur dem Kampf um Nahrung, sobald sie beweglich genug sind, 
um zu spielen, machen sie das auch gegen ihre Wurfgeschwister (Katzen übrigens 
auch).
So etwa ab 9 Monaten machen zumindest die noch halbwegs naturnahen 
Gebrauchshunde sich mausig. Sie sind keine 'Kinder' mehr, werden ernst genommen 
- und verhalten sich respektlos gegenüber den Erwachsenen. Heißt, sie halten 
keine Distanz. Als Ergebnis kriegen sie von den Erwachsenen, zumindest von den 
dominanten 'Leitwölfen', Prügel. Keine Beißereien, keine Verletzungen, bekommen 
aber unmissverständlich klar gemacht: ich kann dich jetzt töten. Mit dem 
Ergebnis, dass sie so Manieren lernen.
Manieren heißt: 
Man schaut den 
Dominanten niemals direkt an.
Man wartet auf Erlaubnis, ob man sich ihm 
nähern darf.
Man hat sich nicht für ein Weib zu interessieren, für das der 
Dominante sich interessiert.
Man hat nicht vor ihm wegzulaufen.
Man hat 
sich friedlich kontrollieren zu lassen.
Man darf nicht nach seinen Stöcken / 
Bällen / Hundekuchen schnappen.
Man darf sich auch seiner Herrschaft nicht 
ohne Erlaubnis nähern.
Usw.
Frage: inwiefern unterscheiden sich diese 
Sitten von etlichen unserer Sitten - und hat das wirklich etwas mit dem zu tun, 
was wir unter Kultur verstehen? Oder Moral?
Könntest Du die Hunde einer 
halbwegsen, miteinander bekannten Gemeinschaft befragen, würdest Du in Sachen 
Manieren gewiss einen Konsens feststellen. Manieren vermeiden Konflikte, machen 
das Leben friedlich und sicher. Der Dominante herrscht, aber was er tut, kann 
man nachmachen, denn das ist lebenssicher. Und im Falle eines Konfliktes mit 
einem Fremden sorgt er allein durch sein Auftreten dafür, dass der Fremde 
vorzieht, sich zu verdrücken, wenn er ihn sieht. Hat also durchaus Vorteile für 
alle, sich an die Manieren zu halten.
Das ist es nicht, ne?
Gruß
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 07. Sept. 2006, 01:07 Uhr 
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Hallo Abrazo! 
Quote:Frage: inwiefern unterscheiden sich diese 
[hündischen] Sitten von etlichen unserer Sitten - und hat das wirklich etwas mit 
dem zu tun, was wir unter Kultur verstehen? Oder Moral? 
Keine 
Ahnung. Ich habe auch nirgends von Hunden gesprochen. 
Quote:Könntest Du die Hunde einer halbwegsen, miteinander bekannten Gemeinschaft 
befragen, würdest Du in Sachen Manieren gewiss einen Konsens feststellen. 
Das ist ein typischer - und zudem spekulativer - Anthropomorphismus. 
Anthropomorphismus ist es bereits, dass Du immer von "Herrn Hund" sprichst. 
Die Voraussetzungen, die Du bei solchen Tiervergleichen machst, habe ich 
schon öfter und in extenso kritisiert (im Thread "Ich, Person Subjekt"). Um es 
auf den Punkt zu bringen: Es ist nicht einzusehen, was es für das Verständnis 
des Menschen bringen soll, wenn man zunächst Tiere mit anthropomorphen Begriffen 
beschreibt, um dann vom so beschriebenen Tier wieder auf den Menschen 
zurückzuschließen. Das ist zirkulär. 
Grüß Dich,
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 01:48 Uhr 
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Hi, Urs
Du: Das ist ein typischer - und zudem spekulativer - 
Anthropomorphismus.
Hier aber angebracht, eher wahr als falsch.
These: Alle geselligen Arten müssen über angeborene Verhaltensweisen verfügen, 
die das Zusmmenleben dieser Variante der Art produktiver macht als das 
konkurrierender Arten.
Dazu gehört die "Beißhemmung", wie es mal hies, 
oder auch "Höflichkeit", und "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" ist kein 
Gebot, sondern Ausdruck für angeborenes Mitgefühl.
Begründung: 
Vergleichen wir zwei Varianten einer Art. Beide Varianten seien absolut 
identisch bis auf einen Unterschied: Der einen Art ist Beißhemmung gegenüber den 
Nächsten angeboren, der anderen nicht. Welche von beiden hat wohl Aussicht auf 
mehr Nachkommen als die andere?
Diese Art wird sich durchsetzen.
Folgerung: Sollte im Verlaufe der Jahrmillionen Entwicklung einer Art solch eine 
Mutation stattgefunden haben, dann wird den heutigen Vertretern dieser Art 
Beißhemmung angeboren sein.
Folgerung, Freunde: Ihr könnt Euren Diskurs 
über allgemeingültige Moral über die Art "homo sapiens" hinaus ausdehen auf alle 
gesellige Arten, angefangen vielleicht bei den Orang Utans, Erdmännchen, 
Delphinen und Fledermäusen...
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Urs_meinte_Euch am 07. Sept. 2006, 02:35 Uhr 
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Quote:Folgerung, Freunde: Ihr könnt Euren Diskurs über allgemeingültige 
Moral über die Art "homo sapiens" hinaus ausdehen auf alle gesellige Arten, 
angefangen vielleicht bei den Orang Utans, Erdmännchen, Delphinen und 
Fledermäusen... 
Wir können es aber auch genauso gut lassen, Wenn 
unsere Erkenntnisse sich so problemlos von einer Art auf die andere übertragen 
lassen, beschränken wir uns auf den Menschen, getreu Ockhams Rasierapparat, 
demzufolge man sich nicht mit überflüssigem Ballast beladen sollte. 
Mein Guter, wenn Wissenschaft aus lauter solchen Nullsummen-Einsichten bestehen 
würde wie in Deinem letzten Beitrag, wäre sie eine blödsinnige Zeit- und 
Geldverschwendung. 
Urs
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07. 
Sept. 2006, 07:13 Uhr 
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Hallo Abrazo
on 09/06/06 um 20:58:06, Abrazo wrote:Wer jemandem Hilfe 
unter einer bestimmten Bedingung anbietet, ist moralisch berechtigt, sich zu 
vergewissern, daß diese Bedingung auch eingehalten wird, bevor diese Hilfe 
geleistet wird. 
Das ist aber kein Angebot, sondern Pflicht der 
Gesellschaft, 
Selbstverständlich, der Bedürftige hat das Recht auf 
Hilfe. Die einzige Bedingung ist hier die Bedürftigkeit auf Hilfe.
Quote:Wir haben in Köln gerade das Problem, dass die Stadt sich überlegt hat, 
man könne doch prima Hartz IV Empfänger als 1-Euro-Job Kloleute auf den 
Schülerklos Kölner Schulen einsetzen. 
Was Du da beschreibst, grenzt 
ja schon an Sklaverei. Die 1-Euro Bezahlung hält die Person vom Staat abhängig 
und ermöglicht es ihr nicht, sich z.B. für einen besseren Job auszubilden. Und: 
war da nicht irgendwann die Regelung, daß der Job irgendwie der Ausbildung 
angepasst sein muß?
Ist das rechtens?
Grüße,
hel 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
07. Sept. 2006, 09:06 Uhr 
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Hallo allerseits,
hallo hel,
Deine Kritik an meinen Ausführungen 
trifft den Kern des Problems, wenn du schreibst:
"Welches allgemein 
akzeptable Kriterium der Richtigkeit gibt es in Bezug auf normative Urteile, das 
eine auf nachvollziehbaren Argumenten beruhende allgemeine Übereinstimmung 
ermöglicht?… Außer den intersubjektiv geteilten Wahrnehmungen fällt mir nur noch 
die Logik und die Mathematik ein. Und ich glaube nicht, daß die beiden allein 
dabei hilfreich sind."
Ich will versuchen, auf Deine Frage eine Antwort 
zu geben. Also: Welches konsensstiftende Kriterium der Gültigkeit gibt es für 
normative Aussagen?
Wenn wir erfahrungswissenschaftlich arbeiten, dann 
suchen wir nach einem für alle gemeinsamen Weltbild, dass möglichst wenig 
korrekturbedürftig ist. Entscheidendes Kriterium für das, was ist, ist unserer 
Wahrnehmung.
Wonach suchen wir, wenn wir normative Fragen allgemein 
gültig beantworten wollen? Ausgangspunkt sind hier miteinander unvereinbare 
Soll-Sätze und wir fragen uns, welcher der richtige ist. 
Hinter einem 
Normenkonflikt steht immer einen Willenskonflikt, denn "Sollen" kommt von 
"Wollen". Es ist nicht sinnvoll zu sagen: "Du sollst x tun und niemand will, 
dass du x tust." Normsätze drücken genau genommen Willensinhalte aus, ohne einen 
Träger des Willens zu nennen.
Wenn dies richtig ist, dann stellt sich das 
Problem allgemeingültiger Normen dar als das Problem, einen für alle gemeinsamen 
und stabilen Willen zu finden. Die Frage ist also: "Welche Normen können alle 
gemeinsam am ehesten möglichst dauerhaft wollen?"
Soweit erstmal von 
Eberhard.
p.s.: Für manche Leute scheint das Wort "sollen" in der Tat ein 
Fremdwort zu sein, weshalb Sätze wie "Man soll auf andere Menschen Rücksicht 
nehmen" oder "Jedes PhilTalk-Mitglied sollte die Fragestellung anderer 
Mitglieder respektieren" für sie unverständlich sind.
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 10:17 Uhr 
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Hi, Urs,
Du: , wenn Wissenschaft aus lauter solchen Nullsummen-Einsichten
Deine Wertung zeugt von einer böswilligen Verachtung un zugleich von 
Inkompetenz im naturwissenschaftlichen Denken.
Ich habe eine These 
vorgestellt, wie gesellige Arten in der Evolution bestehen, indem sie passende 
Verhaltensweisen finden, die schließlich sogar angeboren sind.
Ich bin 
sogar ein wenig stolz auf die Kürze der Beweisführung.
So gut Du doch 
wissenschaftlich denken kannst, widerlege meine These, finde einen logischen 
Fehler oder präsentiere eine Antithese, die nach Ockham als eher wahr zu gelten 
habe.
Aber solche giftigen Wertungen schleudere, wenn schon, dann in 
Deinen Spiegel.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
07. Sept. 2006, 11:43 Uhr 
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Hallo Abrazo,
ich bleibe dabei: Die beiden Sätze: 
"Niemand darf seine 
Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen" und 
"Herr X darf 
seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören und belästigen"
sind logisch 
widersprüchlich.
Nicht widersprüchlich ist dagegen die Norm:
"Niemand 
außer Herr X darf seine Mitmenschen durch Aufdringlichkeit stören."
Du 
schreibst, dass man genügend Gründe findet, dass bestimmte Regeln zwar für 
andere aber nicht für einen selbst gelten. Ich würde sagen: vorgebrachte Gründe 
mag es viele geben, aber es sind keine guten Gründe.
Wir sind hier wieder 
bei der Frage der notwendigen Verallgemeinerbarkeit von moralischen Urteilen. 
Wenn Herr X etwas darf, warum soll Herr Y, der Herrn X in allen relevanten 
Punkten gleicht, dies nicht auch dürfen? Wenn allein die unterschiedliche 
Identität der Grund sein soll, dann kann eine solche Position keine allgemeine 
Zustimmung finden, kann also nicht richtig sein.
Wenn Du jetzt faktische 
Unterschiede anführst (bezüglich Rasse, Macht, Geld, Geschlecht etc.), dann 
verletzt Du nicht das "Gebot der Personunabhängigkeit", das ein wichtiger 
Bestandteil der Methodologie normativer Erkenntnis ist.
Die Frage ist 
aber, ob die Privilegien durch die vorgebrachten Unterschiede nun für jedermann 
einsichtig begründet werden können. Da bestehen sicher begründete Zweifel.
Dass Regeln Ausnahmen haben können ist unbestritten, aber es darf keine 
Ausnahmen allein unter Bezug auf die Identität eines Beteiligten geben, 
meint Eberhard.
p.s.: Komisch, wenn man manche Leute an ihre eigenen 
Worte erinnert, dann nimmt man ihnen die Redefreiheit ...
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07. 
Sept. 2006, 13:10 Uhr 
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Hallo Wolfgang,
daß auch die menschliche Moral genauso wie die Tatsache, 
daß Menschen Gefühle haben und abstrakter Gedanken fähig sind, eine 
evolutionsbiologische Grundlage haben, das ist an sich eine interessante und 
diskutierbare These. Genauso wie die Annahme, daß man durch die Beobachtung der 
Tiere viel über den Menschen lernen kann.
Es hat nur nichts mit unserem 
Thema zu tun. 
Wenn ich z.B. jemandem erklären will, warum die Menge der 
Primzahlen unendlich groß sein muß, dann ist mir die Theorie, daß ich dies mit 
meinem Gehirn, welches sich evolutionsbiologisch entwickelt hat, denke, (Bitte 
jetzt nicht über die Formulierung meckern - ihr wißt schon was ich meine) gar 
nicht von Nutzen. Bei der Frage, ob dieser mathematische Satz wahr ist oder 
nicht, hilft mir mein Wissen über das Gehirn und seine Abstammung nichts.
Und Du kommst mir vor wie ein Anthropologe, der sich in das mathematische 
Gespräch einschaltet und mir erklären will, daß Mathematik lediglich Ergebnis 
angeborener Verhaltensweisen und Denkmuster ist und die Diskussion darüber 
vollkommen überflüssig. Denn entweder sei unser Denkmuster für das überleben 
förderlich, dann würde es sich schon erhalten, oder nicht, dann sterben die, 
welche das glauben, mit der Zeit aus. Und wenn es für das Überleben irrelevant 
ist, ist die Frage sowieso generell sinnlos.
Dieser Anthropologe begeht wie 
Du den Fehler der Themenverfehlung.
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von 
Wolfgang_Horn am 07. Sept. 2006, 13:44 Uhr 
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Hi, hel,
Du: daß auch die menschliche Moral genauso wie die Tatsache, daß 
Menschen Gefühle haben und abstrakter Gedanken fähig sind, eine 
evolutionsbiologische Grundlage haben, das ist an sich eine interessante und 
diskutierbare These. 
War gar nicht meine Absicht. Es genügt mir, Urs 
Vorwurf des "spekulativen Anthropomorphismus" an Abrzo widerlegt zu haben.
Ciao
Wolfgang Horn 
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von hel am 07. 
Sept. 2006, 15:30 Uhr 
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Hallo Eberhard,
es wird zunehmend mühsam diesen Thread zum Antworten und 
Zitieren zu öffnen. Beim Versuch, Dein letztes Posting an mich mit "Zitieren" zu 
öffnen, bin ich dreimal hintereinander mit "Server error" gescheitert.
Würde 
es Dir was ausmachen, ein "Warum soll man moralisch sein? III" anzulegen?
Grüße,
hel
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Titel: Re: warum soll man moralisch sein? Fortsetzg.I
Beitrag von Eberhard am 
07. Sept. 2006, 19:37 Uhr 
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Hallo hel,
Du brauchst Deinen Computer nicht mehr zu quälen: Ich habe 
eine neue Runde unter dem Titel "Warum soll man moralisch handeln?" eröffnet. 
Stellt also Eure Beiträge zum Thema dort ein.
Ich danke allen, die mit 
Argumenten zur Diskussion beigetragen haben, sowie allen Nur-Lesern, die die 
nötige Geduld aufgebracht haben.
Auf ein Neues!
Eberhard.
p.s.: Mit dem, was möglicherweise anschließend an dies Schlusswort hier 
eingestellt wird, habe ich nichts zu tun. Leider kann man bei PhilTalk als 
Initiatior einer Diskussion diese nicht auch schließen. 
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