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Einführende Thesen zur Begründung von Normen
1. Ausgangspunkt der Überlegungen
1.1    Eine religiöse Begründung moralischer Normen 
erscheint nicht möglich, da die verschiedenen Religionen teilweise
unterschiedliche Normen vertreten. Außerdem 
verlieren die Religionen durch das Vordringen wissenschaftlichen Denkens 
zunehmend an Glaubwürdigkeit.
1.2    Die modernen
empirischen Wissenschaften können 
aus sich heraus auch keine Begründung moralischer Normen liefern, da ihre 
Fragestellung beschränkt ist auf das, was ist. Von dem, was ist, kann jedoch 
nicht logisch auf das geschlossen werden, was sein soll. 
1.3    Ein Verzicht auf jegliche Moral
ist nicht akzeptabel, weil dann Konflikte allein durch die 
jeweiligen Machtverhältnisse entschieden werden. Das bedeutet, dass das "Recht"   
des Stärkeren bzw. das "Gesetz"   des 
Dschungels gilt.  
1.4   Damit stellt sich die Aufgabe, moralische Normen "vernünftig"   zu 
begründen, womit gemeint ist, dass die gesuchten Normen durch intersubjektiv 
nachvollziehbare und vom andern übernehmbare einsichtige 
Argumente begründet werden.  
***
2. Warum ist der "argumentativen Konsens"   das Ziel?
2.1    Wenn jemand das Ziel nicht teilt, allein durch einsichtige 
Argumente einen Konsens zu erreichen, dann mag er dies tun. Er sollte sich jedoch über die Konsequenzen einer solchen Haltung klar sein: 
Wer 
das Ziel, durch Argumente einen Konsens zu erzielen, 
nicht akzeptiert, der kann für die von ihm vertretenen Normen zwar Gehorsam fordern und 
möglicherweise auch erzwingen, er kann jedoch nicht beanspruchen, in Bezug auf 
diese Normen in 
irgendeiner Weise "Recht"   zu haben oder die "Wahrheit"   zu vertreten. Der
Anspruch auf "Richtigkeit"   (Wahrheit, 
Allgemeingültigkeit)
unterscheidet sich vom 
Anspruch auf Glauben oder Gehorsam gerade dadurch, dass dieser Anspruch 
einsichtig begründet werden muss.  
***
3. Präzisierung zentraler Begriffe
3.1    Unter "Normen"  
werden Sätze verstanden, 
die beinhalten, wie etwas sein soll (sie schreiben etwas vor).
Moralische 
Normen beinhalten, wie Menschen in bestimmten Situationen handeln sollen, 
welche persönlichen Ziele sie auch immer haben mögen. 
3.11   Insofern als zur Situation meist auch die faktische Geltung 
anderer Normen gehört, können Normen nur als zusammenhängende Normenkomplexe 
beurteilt werden (Interdependenz von Normen). 
3.2    Die gesuchten Normen sollen "konsensfähig"   sein, d. h. die 
Individuen sollen den gesuchten Normen zustimmen können. Es ist also 
über die Norm kein faktischer Konsens erforderlich, 
der durch eine  Abstimmung 
festgestellt werden könnte, sondern der Konsens muss möglich sein. Er ist 
dann möglich, wenn unter idealen Bedingungen jeder dieser Norm zustimmen würde. 
3.4.    Allgemeine Konsensfähigkeit heißt, dass
jedes beliebige Individuum, das zum einen die Argumente
versteht und das zum 
anderen das Ziel eines argumentativen Konsens teilt, 
zustimmen können muss. Allgemein ist die Zustimmung weiterhin nur dann, 
wenn sie zugleich dauerhaft ist. 
3.5    Einer Norm zustimmen (sie anerkennen, akzeptieren, bejahen)  bedeutet, dass man der
ausnahmslosen Befolgung dieser Norm zustimmt. 
3.6    Wenn von den bestehenden normativen Überzeugungen 
abgesehen wird, so kann ein Individuum einer Norm umso eher zustimmen, je 
mehr diese Norm seinem Interesse entspricht. 
3.7    Damit stellt sich das Problem dar als die Frage: "Die Befolgung welcher Norm entspricht den Interessen 
aller gemeinsam am besten?"   oder "Welche 
Norm können wir gemeinsam am ehesten wollen?"  
***
4.    Nicht konsensfähige 
Normen und Argumente
4.1  Argumente für oder wider eine Norm, die nicht von anderen nachvollzogen und 
akzeptiert werden 
können, sind bedeutungslos, weil sie nicht zu einem argumentativen Konsens 
führen können.
4.2    Bei der Argumentation, welche Normen gelten sollen, dürfen 
die Beteiligten nicht von ihren bestehenden normativen Vor-Urteilen ausgehen., 
denn die Tatsache, dass jemand eine bestimmte Norm verinnerlicht hat oder 
intuitiv bejaht, ist als solches kein von anderen nachvollziehbares Argument für 
diese Norm. Jede Norm, die in die Argumentation eingebracht wird, darf in Frage 
gestellt werden und muss allgemein nachvollziehbar begründet werden.
4.3    Die Begründung einer Norm nach dem Muster: "Ich darf das, 
weil ich es bin"   oder "Du hast diese Pflicht, weil Du es bist"   ist unzulässig, 
weil diese Gründe von anderen nicht nachvollzogen werden können. Eine Norm ist für ein Individuum dann nicht 
akzeptabel, wenn es dadurch ohne sachlichen Grund schlechter gestellt wird als 
andere. Faktisch Gleiches muss auch normativ gleich behandelt werden. 
Dass es sich um verschiedene Individuen handelt, ist deshalb kein zulässiges 
Argument für unterschiedliche normative Regelungen.
4.4   Den Grundsatz der Personunabhängigkeit ("  ohne Ansehen der 
Person") kann man dahingehend erweitern, dass 
Fälle, die in normativ relevanter Hinsicht faktisch gleich sind, auch normativ 
gleich behandelt werden müssen. Normativ irrelevante Fakten sind solche Fakten, 
die für die Interessenlage der Beteiligten bedeutungslos sind. (Zum Beispiel ist 
es für die Interessenlage und damit für die normative Beurteilung einer 
Tötungshandlung irrelevant, ob das Opfer 1,82 m oder 1,85 m groß war oder ob der 
Täter blaue oder braune Augen hatte.) 
4.5    Wenn eine Norm parteiisch ist, so ist sie nicht für 
alle akzeptabel. 
Parteiisch ist eine Norm dann, wenn durch die Norm bestimmte Individuen gegenüber anderen 
bevorzugt oder benachteiligt werden, ohne dass dies durch Unterschiede in der Sache 
begründet ist.
***
5. Grenzen der theoretischen Diskussion und die Notwendigkeit sozialer Normsetzung
(noch nicht fertig!)
***
 
Siehe auch 
die folgenden thematisch verwandten Texte in der Ethik-Werkstatt:
 
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Begründung von Normen"  
Letzte Bearbeitung 18.10.2008 / Eberhard Wesche
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